Steinberger, Georg - Innere Erfahrungen

Steinberger, Georg - Innere Erfahrungen

Der Weg der inneren Erfahrungen gleicht nicht einer geraden Linie, sondern eher einer Kette von Ringen oder Kreisen. Jede neue Wahrheit, die uns aufgeschlossen wird und sich in uns verwirklicht, ist so ein neuer Kreis, und man bewegt sich eine Zeitlang in diesem Kreis mit einer inneren Befriedigung und zum Segen für andere, bis man merkt, daß man alles erfahren hat, was in diesem Kreis erfahren werden kann, und daß man wieder auf dem Punkt angekommen ist, wo man vor einem Jahr oder länger ausgegangen ist. Man wird sich bewußt, daß man aufgebraucht hat, was man empfangen hat, und daß man vor einem Übergang steht in einen neuen Kreis hinein. Gott hat uns vielleicht schon den neuen Kreis gezeigt; wir sehen wie Mose ein herrliches Land vor uns, und wir haben eine Ahnung von dem Leben und den Erfahrungen in diesem Kreis; aber wie hineinkommen? Das ist die wichtige Frage! Die Schwierigkeit liegt für die meisten darin, den Übergang zu finden. Denn es geht auch hier wieder durch eine enge Pforte hindurch, und es heißt: tiefer hinuntersteigen, kleiner und entblößter werden.

Nicht nur vor dem verheißenen Land floß der Jordan, sondern vor jeder Verheißung fließt ein Jordan, der im Glauben durchschritten werden muß. Und je größer und herrlicher der vor uns liegende Segen ist, desto tiefer ist der Jordan. Jordan heißt: Fluß des Todes. Es muß ein Stück Tod in uns und um uns durchschritten werden. Wir müssen tiefer in seine Todes Gemeinschaft eingehen, nur so können wir ein neues Lebensgebiet betreten, wie Jesus sagt (Joh. 6.53): „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst.“ Leben in euch selbst! Dieses herrliche Gebiet hatte Jesus den Jüngern gezeigt; aber sie fürchteten sich vor der engen Pforte, die da hineinführte, und blieben nicht nur stehen, im alten Kreis, sondern sie gingen sogar zurück. Sie wollten gewiß weiter; aber sie konnten nicht verstehen, daß es immer wieder durch eine enge Pforte hindurchgehen soll; sie fürchteten das „enger“ und „tiefer“. So kam es zu keiner Geburt aus dem Geist; es konnte kein tieferes Werk in ihrer Seele geschehen, und die Erfahrungen, die sie früher gemacht hatten, verloren ihre Bedeutung und damit ihre Kraft und ihren Segen. Der Segen, den diese Jünger durch Johannes empfingen in Buße und Vergebung der Sünden, war für die meisten vergeblich (Luk. 3, 16), weil sie Jesus, dem Lamm Gottes, nicht folgten, der sie zur Geburt aus dem Geist führen wollte. Sie endeten im Fleisch. Sie wurden Feinde des Kreuzes Christi. So jeder, der dem Herrn vorschreiben will, wie weit er mit ihm gehen darf.

Laßt uns darum nicht stehenbleiben bei unsern gesegneten Erfahrungen. Eine Erfahrung ist nur dann herrlich, wenn wir mit derselben eine noch herrlichere machen. Paulus hatte herrliche Erfahrungen gemacht, und doch sagt er: „Ich vergesse, was dahinten ist!“ Und damit meint er nicht nur seine Vergangenheit, seine Sünden und sein Zukurzkommen, sondern auch seine herrlichen Erfahrungen. Er war ergriffen von dem, was er noch nicht ergriffen hatte; er blieb einer, der sich ausstreckte. Er sah noch einen Kreis vor sich als alter Mann. Dieser Kreis heißt: „Auferstehungsleben!“ Und die Pforte zu diesem Kreis heißt: Gemeinschaft mit seinen Leiden, Gleichheit mit seinem Tode (Phil. 3).

Wir sind ja erst Kindlein in Christus und stehen noch immer im Vorhof, wo man das Opfer anschaut, und das Blut fließen sieht und sich freut über das, was Christus für uns getan hat. Was aber Christus für uns getan hat, will er auch in uns tun, damit wir für ihn tun können, was er für uns getan hat. Wir sind gerecht geworden durch den Glauben (1. Joh. 2, 29), um gerecht zu leben. Christus hat sich für uns geheiligt (Joh. 17), damit auch wir Geheiligte seien in Wahrheit. Wir sind erlöst (Röm. 8, 19), um mitzuhelfen an der Erlösung.

Nimm dir auch die Erfahrungen andrer nicht zum Vorbild und dränge die deinen niemand auf. Gott führt nicht alle gleich. Jesus sprach zu Maria: „Rühre mich nicht an!“, und zu Thomas sprach er: „Reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite.“ Viele sind vertrocknet, weil sie bei den Erfahrungen ihrer Führer stehengeblieben sind und lebten von dem Erlebten.

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