Steinberger, Georg – Heilsgewissheit

Steinberger, Georg – Heilsgewissheit

Immer wieder ist in der letzten Zeit an uns die Frage herangetreten über die Gewissheit des Heils. Ein Jüngling schrieb: „Der Leiter der Erbauungsstunde bezeugte, dass es einer besonderen Bestätigung des Herrn bedürfe, wenn ein Mensch sich der Vergebung der Sünden erfreuen sollte. Mich hat dies, sobald ich es hörte, ernstlich beschäftigt. Aber eine klare Antwort habe ich noch nicht darüber.“

Was ist Heilsgewissheit?

Es ist die persönliche Erfahrung unserer Annahme bei Gott; es ist die innere Gewissheit, die in uns lebt, nicht weil wir sie in Büchern gelesen, nicht weil sie uns Menschen zugesprochen haben, sondern weil wir sie erfahren haben. Heilsgewissheit ist ein Stück Leben, das erlebt sein muss, um es zu verstehen. Und warum so viele unserer Versammlungsleute keine Heilsgewissheit haben, kommt daher: sie haben keinen Heilsbesitz. Was uns glücklich macht, ist nicht unser Glaube, sondern der Besitz, welchen unser Glaube uns bringt. Und ist unser Glaube rechter Art, so bringt er uns als erste selige Frucht die Gewissheit des Heils.

Was ist Heilsgewissheit?

Wenn ich hoffe, dass ich gerettet werde, wenn ich im Glauben so festhalten muss, dass ich gerettet sei, das ist nicht Heilsgewissheit. Ein Christ, der Heilsgewissheit hat, muss nicht hoffen, dass er gerettet werde, auch nicht im Glauben festhalten, dass er gerettet ist. Natürlich ist das ein Wissen durch den Glauben an das Opfer Christi, denn nur im Glauben an das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi können wir Gewissheit des Heils erlangen. Die Apostel, die in ihren Briefen von Heilsgewissheit sprechen, sagen nicht: „Wir hoffen“, sondern „Wir wissen“. Johannes sagt in seinem ersten Brief in Zusammenhang mit dem Heil nicht weniger als sechsmal: „Wir wissen“. „Wir wissen, dass wir vom Tode in das Leben hinüber gegangen sind“ (1. Joh. 3,14). Das ist Heilserfahrung und darum Heilsgewissheit.

Wie erlangt man Heilgewissheit?

Paulus sagt den Ephesern: „Ihr seid versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheissung, da ihr glaubtet an das Evangelium“ (Kap. 1,13). Er nennt diese Erfahrung eine Versiegelung. Was wird versiegelt? Ein Testament oder ein Kaufbrief. Wir können das Testament machen, aber versiegeln muss es ein anderer, einer der die Macht dazu besitzt. Und diese Macht hat allein der Heilige Geist. Nur der Heilige Geist kann Heilsgewissheit geben. Wir können den Menschen nicht Heilsgewissheit geben; aber wir können als Mitarbeiter Gottes sie auf den Punkt bringen, wo sie das Heil empfangen können. Und dieser Punkt ist immer: Unbedingte Übergabe an Gott auf allen Gebieten des Lebens. Wo das geschehen ist, wird der Heilige Geist nicht mehr verziehen mit dem Zeugnis: Du bist gerettet; du bist Gottes Eigentum! Wo das nicht der Fall ist, sucht man vergeblich nach Heilsgewissheit und ermahnt vergeblich die erweckte Seele: Glaube es doch und halte es fest! Es fehlt das göttliche Siegel. Paulus sagt den Ephesern: Ihr habt geglaubt an das Evangelium und Gott hat versiegelt. Wir wollen hier hauptsächlich

Die Hindernisse

zeigen, welches der Erlangung der Heilsgewissheit. Wir machen leider die traurige Erfahrung, dass viele von den Leuten, die auf unseren Versammlungsbänken sitzen und die alle mehr oder weniger für gläubig angesehen werden, nicht wirklich Heilsgewissheit besitzen, Heilsgewissheit, wie sie in dem Wort dargestellt ist: „Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind“ (Röm. 8,16). Wir finden bei unserer Arbeit an den Seelen fünf Klassen, denen die Heilsgewissheit fehlt.

1. Der religiöse Christ

Dieser glaubt in der Regel nicht an eine Bekehrung und darum auch nicht an eine Gewissheit des Heils. Er glaubt genug zu haben an seinen Religionsübungen, die er von Jugend auf treu geübt hat. Er ist nie erweckt und beunruhigt worden über seine Sünden, darum musste er nie nach Gewissheit der Vergebung für dieselben suchen. Der religiöse Mensch ist wie der reiche Jüngling immer gut gewesen und hebt darum stolz sein Haupt empor und fragt mit jenem: Was fehlt mir noch? Und damit sagte er, dass ihm noch alles fehlt.

2. Der Kopfchrist

Er ist in seinem Verstande überzeugt von den Heilstatsachen, hat dieselben auch im Glauben angenommen; aber sie haben in ihm keine Herzenserneuerung zustande gebracht. Seine Bekehrung - oder wie man es nennen will - brachte bei ihm keine Veränderung hervor, nicht einmal in seinen Gefühlen, was ja sonst so leicht ist. Er stimmt allem zu, bleibt aber dabei kalt, leer und gebunden. Er ist ein von Menschen überredeter, aber nicht vom Geiste Gottes bekehrter Mensch. Er hat kein Innenleben. Es ist keine Tür in ihm aufgetan für das Wort. Er nimmt die Wahrheiten in seinen Kopf auf und sucht das, was ihm gefällt, durch seine eigene Kraft auszuleben. Und weil ihn dieselbe oft im Stich lässt, wird er bald müde und schläft ein, oder wird ein Streithahn, oder er verlässt diesen Weg wieder, sobald sein Prediger, durch den er angezogen wurde, an einen andern Ort zieht. Das Heil hat sein Herz nicht erreicht. Er ist gläubig geworden wie Simon (Apg. 8,13-24), behält aber, wie jener, ein Herz voll Tücke, Bitterkeit und Ungerechtigkeit und wenn er nicht Busse tut, so hat er wie Petrus von jenem gesagt: weder Teil noch Anrecht an dem Heil.

3. Der missratene Christ

Ein solcher lernt überall und immer und kommt doch nicht zum Licht. Er bedarf immer der Unterweisung und Versicherung und wird doch niemals gewiss. Er macht heute einen hoffnungsvollen Anlauf, es ist ihm, wie es scheint, diesmal ganz ernst; aber schon nach kurzer Zeit ist er wieder aus dieser Bahn hinausgedrängt. Er ist ein Mensch mit geteiltem Herzen. Es geht bei ihm alles nur eine Zeitlang und er ist nie bis zum letzten Punkt gehorsam. Er ist wie jener Topf auf des Töpfers Scheibe, als er bereits fertig war, bekam er einen Riss und missriet (Jer. 18). Und wenn er seinem Gott nicht erlaubt, sein ganzes Christentum zusammen zu klappen, wie der Töpfer den missratenen Topf zusammen klappt, um noch einmal von vorn anzufangen, so bleibt er eine missratenes Gefäss. Das ein solcher keine Heilsgewissheit hat, ist selbstverständlich. Denn wo kein Heil ist, kann auch keine Gewissheit und Freude über das Heil sein.

4. Der erweckte Christ

Dieser schwebt in der Regel zwischen hoffen, glauben und besitzen. Wenn er aufrichtig ist, ergeht er sich in vielen vergeblichen Anstrengungen: er will das Heil erarbeiten und wenn er unaufrichtig ist, bewegt er sich in falschen Hoffnungen. Er erhofft Dinge von Gott, die er selber tun sollte. Aber weder die einen noch die andern finden das Heil oder die Gewissheit des Heils. Bekanntlich stehen dem erweckten Menschen viele Hindernisse im Wege und dieselben werden immer grösser, je länger er in der Erweckung steht. Auch aus diesem Grunde haben die plötzlichen Bekehrungen den Vorzug vor den allmählichen. Eine lange Erweckung ist oft nichts anderes als ein langer Ungehorsam gegen Gott. Man scheut sich vor einem aufrichtigen Sündenbekenntnis. Man will nicht bis in den innersten Nerv hinein sich scheiden von seinen Lieblingssünden. Man fürchtet um die Ehre von den Menschen. Man lässt sich von den Sorgen und weltlichen Lüsten das Herz zusammenschnüren. Auch Unwissenheit über den Heilsweg kann Grund zum Aufhalten sein. Dies ist aber heute in den seltensten Fällen das Hindernis - in den meisten Fällen ist es der Ungehorsam. Es ist irgendetwas was die Seelen nicht aufgeben wollen und das dem Heiligen Geist im Wege steht, ihnen das Zeugnis und die Versiegelung zu geben, dass sei Kinder Gottes sind.

Das Heil kommt wie von selbst, wenn man ihm den Weg bahnt. Jesus sagt von Zachäus: „Heute ist das Heil zu diesem Hause gekommen!“ (Luk. 19,9) Warum? Zachäus bahnte dem Heil den Weg durch Bekenntnis seiner Sünden und durch Gutmachen seines Betrugs.

Eine Dame suchte viele Jahre und wie es schien, mit grossem Ernst das Heil. Aber sie behielt mit Bewusstsein ein ungöttliches Bündnis aufrecht. Sie hatte die Vergebung der Sünden immer wieder im Glauben angenommen; aber die Vergebung blieb nicht bei ihr. Wir sagten ihr: Alle ihre Anstrengungen, das Heil zu erfahren, sind vergeblich, solange sie nicht bereit sei, dieses ungöttliche Bündnis aufzugeben. Sie tat es, obgleich mit schwerem Kampf und siehe Friede und frohe Gewissheit zogen in ihre Seele ein, wo sie sich entschloss, Gott auf allem Gebieten Gehorsam zu leisten.

5. Der bekehrte Christ

Diesem vornehmlich gelten diese Zeilen. Auch eine Anzahl von bekehrten Christen sind ihres Heils nicht völlig gewiss. Sie haben Heilgewissheit, aber nicht ununterbrochene. Sie ist entweder noch nie vollkommen fest gewesen, oder sie ist durch irgend ein Vorkommnis wieder erschüttert worden. Von den verschiedenen Ursachen wollen wir hier einige aufführen:

Erste Ursache kann sein, dass er stehen geblieben ist auf dem Heilsweg. Gewissheit ans Ziel zu kommen hat man nur, solange man auf dem Weg ist. Viele sind nicht mehr auf dem Weg des Heils, darum können sie auch nicht mehr die Gewissheit des Heils haben. Bunyan sagt in seiner „Pilgerreise“, dass der Christ sein Zeugnis verloren habe, als er in der Laube der Trägheit und Sattheit abgesessen und eingeschlafen sei. Wenn das Kind nicht mehr gehorcht, hören von selbst die Liebkosungen der Mutter und das Wohlgefallen des Vaters auf.

Zweite Ursache kann sein, dass er von irgend einer Leidenschaft nicht völlig frei ist und dass durch die hervorgerufenen Niederlagen ihm seine Heilserfahrung überhaupt immer wieder in Frage gestellt wird. Er erfährt nicht, was ein Bekehrter erfahren soll und das hält ihn in fortgesetzter Ungewissheit. Oder es kann auch sein, dass er durch einen dazwischen gekommenen Sündenfall die Gewissheit des Heils verloren hat. Denn nach Math. 18 kann man die Vergebung nicht nur verlieren, sondern sie kann einem sogar wieder genommen werden und zwar von Gott selber, wenn man unbarmherzig und unversöhnlich ist. Unversöhnlichkeit ist eines der grössten Hindernisse, das Heil zu erlangen und ist der sicherste Weg, es wieder zu verlieren (Matth. 6,15). Es kann auch sein, dass irgend ein dunkler Punkt in seinem Leben ist, der beim Sündenbekenntnis mit Vorsatz übergangen worden ist und der bis heute nicht ans Licht gebracht und gerichtet worden ist. In schweren Stunden setzt dann der Feind hier ein und stellt von diesem Punkte aus alles in Frage.

Dritte Ursache kann sein, dass er überhaupt noch nicht ein bankrotter Sünder geworden ist, noch nicht zusammen gebrochen ist unter dem Kreuz und so untüchtig ist, die Gnade zu verstehen und zu erfassen. Er braucht das Kreuz wie den neuen Lappen auf das alte Kleid. Das Kreuz soll ersetzen, was er nicht fertig gebracht hat, es soll nachhelfen, wo er zu kurz gekommen ist. So vermischt er Eigenes und Göttliches miteinander und betrübt den Geist. Er ist nicht los von der Kainsart, der eine Opfergabe von den Früchten des Feldes brachte, d.h. seine eigenen Leistungen und Anstrengungen und sagte damit, dass noch etwas Gutes an ihm sei, das Gott anerkennen müsse. Abel brachte als Opfergabe ein geschlachtetes Lamm und sagte damit, dass er sein Leben gänzlich verwirkt habe und nur noch leben könne, weil das Lamm sein Leben gab an seiner Statt. Er nahm den Platz eines bankrotten Sünders ein und dieser enthielt den Gandenanblick Gottes. Kain aber bekam keinen Gnadenanblick von Gott (1.Mose 4,4). Ausser dem Kreuze gibt es keine Gnade und kein Leben; alles ist Tod und Verwesung, es gilt nichts in den Augen Gottes. Nur solange wie wir auf das Kreuz blicken, ist in uns eine Tür offen für eine gesegnete Wirksamkeit des Geistes; nur wenn wir im Zusammenhang mit dem Kreuze die Heilsgewissheit suchen, werden wir sie erlangen. Denn nur die Heilstat Gottes ist der Grund unserer Heilsgewissheit.

Vierte Ursache kann sein, dass er überhaupt nichts weiteres sucht als Heilsgewissheit, dass er von dem Kreuze nichts weiteres will, als Bedeckung seiner Schuld. Aber das Kreuz will nicht allein unsere Schuld bedecken, sondern es will auch uns selbst bedecken. Das Kreuz will nicht nur unsere Sünden haben, sondern es will vor allem uns selbst haben als Mitgekreuzigte. Und gehen wir in Wahrheit in die Kreuzesgemeinschaft ein, dann ist uns auch Vergebung unserer Schuld etwas Selbstverständliches. Es gibt etwas viel Tieferes als Heilgewissheit, das ist das Bewusstsein unserer Zusammengehörigkeit mit Christo von Ewigkeit her. Ist einer Seele einmal dafür der Blick geöffnet, dass sei von Ewigkeit her bestimmt ist für den Sohn, dass sei geschaffen worden ist für den Sohn, dass sei da ist für Ihn, dann ist ihr Vergebung der Sünden und ihre Rettung und Annahme so etwas Selbstverständliches und sie denkt so wenig über diese Dinge nach, wie ein Kind Gottes darüber nachdenkt, wie es auch mag geboren worden sein. Sie schaut vorwärts und streckt sich aus nach dem, was vor ihr liegt und versteht, dass Heilgewissheit etwas ist, was zu den Anfängen des christlichen Lebens gehört.

Bemerkung

Es gibt auch ängstliche, Angefochtene, gemüts- und nervenkranke Kinder Gottes, denen gelten diese Zeilen nicht, sondern vielmehr die Worte Nehemias: „Esset das Gute, trinkt das Süsse und bekümmert euch nicht, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“ (Neh. 8,10).

Friede, ach Friede, ach göttlicher Friede,
Vom Vater durch Christum im Heiligen Geist,
Welcher der Frommen Herz, Sinn und Gemüte
In Christo zum ewigen Leben aufschliesst!
Den sollen die gläubigen Seelen erlangen,
Die alles verleugnen und Jesu anhangen.

Wen er berufet zum Friedensgenossen,
Von solchen begehrt Er auch liebende Treu',
Darum sollst du von dir alles verstossen,
Was Jesus dir zeiget, was wider Ihn sei.
Nimm auf dich das sanfte Joch Christi hienieden,
So findest du Ruhe und göttlichen Frieden.

Liebe und übe, was Jesus dich lehret,
Was er dir saget dasselbe tu;
Hasse und lasse, was sein Wort verwehret,
So findest du Frieden und ewige Ruh'!
Ja selig, die sich Jesu ergeben
Und gläubig und heilig nach Seinem Worte leben!

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