Spurgeon, Charles Haddon - Samuel: ein Beispiel der Fürbitte.

Spurgeon, Charles Haddon - Samuel: ein Beispiel der Fürbitte.

„Es sei aber auch ferne von mir, mich also an dem Herrn zu versündigen, dass ich sollte ablassen für euch zu beten und euch zu lehren den guten und richtigen Weg.„
1 Sam. 12, 23.

Es ist ein sehr großes Vorrecht, das uns verstattet ist, für unsre Mitmenschen zu beten. Das Gebet muss bei einem jeden notwendigerweise mit persönlichen Bitten beginnen, denn bis der Mensch selbst von Gott angenommen ist, kann er nicht als Fürbitter für andre handeln; und hierin liegt ein Teil der Trefflichkeit der Fürbitte, ist für den Menschen, der sie richtig übt, ein Merkmal innerlicher Gnade und ein gutes Zeichen vom Herrn. Du magst gewiss sein, dass dein König dich liebt, wenn Er dir erlaubt, ein Wort für deinen Freund an Ihn zu richten. Wenn das Herz weit geworden ist in gläubigem Flehen für andre, so mögen alle Zweifel über die persönliche Annahme bei Gott aufhören; Er, der uns antreibt zu lieben, hat uns sicherlich diese Liebe gegeben, was für einen besseren Beweis seiner Gunst können wir wünschen? Es ist ein großer Fortschritt über die Angst um unser eigenes Heil hinaus, wenn wir aus der Enge der Furcht für uns selber in die weitere Region der Sorge für eines Bruders Seele emporgestiegen sind. Wer in Erhörung seiner Fürbitte andre gesegnet und errettet gesehen hat, mag dies als ein Pfand göttlicher Liebe annehmen und sich der herablassenden Gnade Gottes freuen. Solches Gebet steigt höher als irgend eine Bitte für uns selber, denn nur der, welcher bei dem Herrn in Gunst steht, kann es wagen, für andre zu bitten. Überdies zeigt es ein weiter gemachtes Herz, eine Teilnahme an dem Geist der Liebe und eine wachsende Ähnlichkeit mit Christo an. Ernstes Sehnen nach dem Wohl derer um uns her zeigt, dass wir beginnen, die rechte Stellung zu unsren Mitmenschen einzunehmen und nicht länger leben, als ob wir selber der einzige Endzweck unsres Daseins wären. Fürbitte ist ein Akt der Gemeinschaft mit Christo, denn Jesus bittet für die Menschenkinder. Es ist ein Teil seines priesterlichen Amtes, sein Volk fürbittend zu vertreten. Er ist in die Höhe hinaufgefahren zu diesem Ende und pfleget dieses Amtes unaufhörlich im Allerheiligsten. Wenn wir für unsre Mitsünder beten, so sind wir unsrem göttlichen Heilande ähnlich, der für die Übeltäter gebeten hat. Es ist gut, an jenen wunderbaren Spruch zu denken, den wir neulich Sonntag Morgen betrachteten: „Heische von nur, so will ich dir die Heiden zum Erbteil geben,“ wenn wir um Bekehrungen bitten, so bitten wir für Christum und mit Christo, und darin haben wir Gemeinschaft mit Ihm.

Solche Gebete sind oft von unaussprechlichem Wert für die, betreffs welcher sie dargebracht werden. Viele von uns führen ihre Bekehrung, wenn sie auf die Wurzel derselben gehen, auf die Gebete gewisser gottesfürchtiger Personen zurück. In unzähligen Fällen sind Kinder durch die Gebete ihrer Eltern zu Christo gebracht. Viele werden Gott zu loben haben für betende Lehrer, betende Freunde, betende Pastoren. Unbekannte, an ihr Lager gefesselte Menschen, sind oft das Werkzeug, Hunderte zu erretten durch ihre beständige Fürbitte bei Gott. Das Buch des Gedenkers (Mal. 3, 16) wird den Wert dieser Verborgenen enthüllen, von denen die große Masse der Christen so gering denkt. Wie der Leib in eins verbunden ist durch Sehnen, Bänder und eingeflochtene Nerven und Adern, so wird der ganze Leib Christi zu einer lebendigen Einheit verwoben durch gegenseitige Gebete; für uns ward gebetet, und nun beten wir wiederum für andre. Nicht nur die Bekehrung der Sünder, sondern Wohlfahrt, Bewahrung, Wachstum, Trost und Wirksamkeit der Heiligen werden ungemein gefördert durch die Gebete ihrer Brüder; darum haben apostolische Männer ausgerufen: „Brüder, betet für uns;„ und ein andrer Apostel sagte: „Betet füreinander, dass ihr gesund werdet,“ und unser großer Herr und Meister endete seine irdische Laufbahn mit einem unvergleichlichen Gebet für die, welche der Vater Ihm gegeben.

Fürbitte ist nützlich für den, der sie darbringt, und ist oft eine bessere Tröstung als irgend ein andres Gnadenmittel. Der Herr wandte das Gefängnis Hiobs, als er für seine Freunde bat. Selbst, wo das Gebet nicht genau das Gewünschte erreicht, hat es seine Resultate. David sagt uns, dass er für seine Feinde betete; er spricht Ps. 35, 13: „Ich aber, wenn sie krank waren, zog einen Sack an: tat mir wehe mit Fasten,„ und er fügt hinzu: „mein Gebet kehrte in meinen Busen zurück.“ (Engl. Üb.) Er sandte seine Fürbitte aus gleich Noahs Taube, aber da sie nicht fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, und kein Segen darauf folgte, so kehrte sie zu ihm zurück, der sie sandte, und brachte ein abgepflücktes Ölblatt mit sich, ein Gefühl des Friedens für seine eigne Seele; denn nichts ist beruhigender für das Herz, als für die zu beten, die boshaft gegen uns handeln und uns verfolgen. Gebete für andre gefallen Gott und sind uns selber nützlich: sie sind keine Vergeudung unsres Odems, sondern haben ein Resultat, das der treue Verheißende uns verbürgt hat.

Ich empfehle deshalb euch, meine Brüder und Schwestern in Christo, die reichen Hilfsquellen der Fürbitte: gebraucht sie ohne Rückhalt. Mein Freund, hast du nichts für dich selbst zu bitten? Dann bist du in der Tat sehr reich; aber wenn du je zu einer solchen Höhe des Glücks gekommen bist, so gebrauche nun deine Kraft im Gebete für die Gemeinde und die Welt. Bist du wie Elias vollkommen zufrieden mit dem Mehl im Cad und dem Öl im Krug, das dein Gott so wunderbar zu deinem Unterhalt vermehrt? Dann bitte Ihn, ein Rauschen von starkem Regen zu senden um der Menge willen, die vor Hunger verschmachtet. Wenn du auch selber gleich Abraham vollkommen sicher bist, so bete doch für die Städte der Ebene, die so bald von der Zerstörung ereilt werden sollen. Wenn du wie Esther in des Königs Palast wohnst, bist du nicht um dieser Zeit willen zum Königreich gekommen? Deshalb suche Gehör bei der königlichen Majestät und bitte für diejenigen deines Volks, die in Gefahr sind. Wenn du wie Nehemia eine hohe Stelle am königlichen Hofe einnimmst, brauche sie zum Nutzen der Verbannten, und wenn du das nächste Mal vor dem König stehst, bringe Ihm eine Bitte für deine Brüder. Um euch zu ernster Fürbitte anzuregen, habe ich diesen Text gewählt. Ich möchte euch zu fleißigem Flehen angetrieben sehen durch das Beispiel des Samuel, der es würdig ist, so recht in die Vorderreihe der Fürbitter gestellt zu werden.

I.

Lasst uns zuerst bei seiner Gewohnheit des Fürbittens verweilen, denn diese hatte Samuel ersichtlich. Wir entnehmen dies aus dem Text. Er sagt: „Es sei aber ferne von mir, mich also an dem Herrn zu versündigen, dass ich sollte ablassen, für euch zu beten.„ Es ist deshalb klar, dass er die beständige Gewohnheit hatte, für Israel zu beten; er hätte nicht von „ab lassen zu beten“ sprechen können, wenn er nicht bis dahin das Gebet fortgesetzt hätte. Die Gewohnheit des Betens für das Volk war so eingewurzelt bei Samuel, dass er zurückzuschrecken scheint bei dem bloßen Gedanken daran, seine Fürbitte aufhören zu lassen. Das Volk bemaß den Propheten nach sich selbst und war halb bange, dass er zornig sei und ihm deshalb seine Fürbitte verweigern würde; deshalb lesen wir im 19. Verse: „Und sprachen alle zu Samuel: Bitte für deine Knechte den Herrn, deinen Gott, dass wir nicht sterben.„ Sie schätzten seine Gebete sehr und hatten ein Gefühl, als wenn ihr nationales Leben und vielleicht ihr persönliches Leben von seiner Fürsprache abhinge. Deshalb drangen sie in ihn, wie Menschen, die um ihr Leben flehen, dass er nicht ablassen möchte, für sie zu bitten, und er erwiderte: „Gott verhüte, dass ich es sollte.“ Das Verweigern seiner Fürbitte scheint ihm gar nicht in den Sinn gekommen zu sein. Nach meinem Gefühl liegt in diesen Worten Staunen über die Vorstellung, Entsetzen und halber Unwille bei dem bloßen Gedanken: „Was, ich, Samuel, ich, der ich euer Diener von Kind an gewesen, seit dem Tage, wo ich den kleinen Leibrock anzog und im Hause des Herrn für euch diente; ich, der ich für euch gelebt und geliebt habe und willig war, in eurem Dienst zu sterben, soll ich je aufhören, für euch zu beten?„ Er sagt: „Gott verhüte.“ Es ist der stärkste Ausdruck, den man sich nur denken kann, und dies, verbunden mit seiner augenscheinlichen Überraschung, zeigt, dass des Propheten Gewohnheit der Fürbitte tief gewurzelt, beständig, fest, dauernd, ein Teil seiner selbst war.

Wenn ihr sein Leben lesen wollt, so werdet ihr sehen, wie sehr dies der Fall war. Samuel war aus Gebet geboren. Ein Weib von traurigem Gemüte erhielt ihn von Gott und rief freudig aus: „Ich habe ihn von dem Herrn erbeten.„ Er empfing seinen Namen mit Gebet, denn „Samuel“ bedeutet: „von Gott erbeten.„ Gut führte er seinen Namen durch und bewies dessen prophetische Genauigkeit, denn nachdem sein Leben begonnen dadurch, dass er von Gott erbeten war, fuhr er fort, von Gott zu erbitten, und all seine Kenntnis, Weisheit, Gerechtigkeit und Herrschermacht waren Dinge, die ihm zu teil wurden, weil er „von Gott erbat.“ Er wurde zuerst von einer betenden Mutter aufgezogen, und als er sie verließ, war es, um in dem Hause des Gebetes sein lebenlang zu weilen. Seine früheste Jugend ward mit einer göttlichen Erscheinung begnadigt, und er zeigte schon da jenen Geist des Wartens und Wachens, der das Knie des Gebetes ist. „Rede, Herr, denn Dein Knecht hört,„ ist der Ruf eines einfachen, aufrichtigen Herzens, eines solchen, das der Herr stets annimmt. Wir denken uns alle Samuel unter der kleinen Figur, die so oft gemalt und gemeißelt ist, in der eines lieblichen Kindes in betender Stellung. Wir scheinen alle den kleinen Samuel, das betende Kind, zu kennen: unsre Knaben und Mädchen kennen ihn als vertrauten Freund, aber knieend mit gefaltenen Händen. Er war im Gebet geboren, benannt, genährt und aufgezogen, und er verließ nie den Weg des Bittens. An ihm wurde der Spruch erfüllt: „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast Du Dir Lob zugerichtet;“ und er beharrte so in seinem Gebet, dass er im Alter Frucht brachte und Gottes Macht denen bezeugte, die nach ihm kamen. So berühmt wurde Samuel als Fürbitter, dass ihr, wenn ihr den 99. Psalm aufschlagt, im sechsten Verse eine kurze, aber liebliche Lobrede auf ihn leset: „Mose und Aaron unter seinen Priestern und Samuel unter denen, die seinen Namen anrufen.„ Wenn Mose und Aaron ausgewählt sind als geweihte Männer, Führer des Gottes Israel im Dienst und Opfer, so ist Samuel gewählt als der betende Mann, der Mann, der Gottes Namen anruft. Das ganze Israel kannte Samuel als Fürbitter, so gut wie es Aaron als Priester kannte. Vielleicht noch bemerkenswerter ist dasselbe göttliche Urteil über ihn Jer. 15 im ersten Verse, wo er wiederum mit Mose zusammengestellt wird: „Und der Herr sprach zu mir: Und wenn gleich Mose und Samuel vor mir ständen, so habe ich doch kein Herz zu diesem Volk; treibe sie weg von mir und lass sie hinfahren.“ Hier ist ohne Zweifel eine Anspielung auf das obsiegende Gebet Mose, als er in der Angst seines Herzens rief: „Wo nicht, so tilge mich aus Deinem Buch, das Du geschrieben hast.„ Dies war eine hohe Art der Fürbitte, aber Gottes Schätzung des Samuel als Fürsprecher ist so groß, dass Er ihn Mose an die Seite stellt und in seiner Drohung an das sündige Israel dem Jeremias sagt, dass Er nicht einmal auf Mose und Samuel hören würde, wenn sie vor Ihm ständen. Es ist gut, die Kunst des Gebetes in unsren frühesten Tagen zu lernen, denn dann wachsen wir auf und bringen es weit darin. Frühes Gebet erwächst zu mächtigem Gebet. Hört dies, ihr jungen Leute, und möge der Herr jetzt Samuele aus euch machen. Welche Ehre, berufen zu sein, für andre Fürsprache einzulegen, der Wohltäter eures Volkes zu sein oder selbst das Mittel des Segens für euer eigenes Haus. Strebt danach, meine lieben jungen Freunde. Vielleicht werdet ihr niemals predigen, aber ihr könnt beten. Wenn ihr nicht die Kanzel zu besteigen vermögt, so könnt ihr vor dem Gnadenstuhl euch beugen, und ein ebenso großer Segen sein.

Was den Erfolg von Samuels Gebeten anlangt, so leset sein Leben, und ihr werdet finden, dass er seinem Volk große Befreiungen erwirkte. Im siebenten Kapitel dieses Buchs finden wir, dass die Philister Israel schwer bedrückten, und dass Samuel mutig das Volk zusammenrief, um die Lage zu bedenken, sich von dem Götzendienst zu kehren und den einen wahren Gott anzubeten, und ihnen seine Gebete versprach als ein Gut, das sie sehr hoch schätzten. Dies sind seine Worte: „Versammelt das ganze Israel gegen Mizpa, dass ich für euch bitte zum Herrn.“ Er nahm dann ein Lamm und opferte es als Brandopfer dem Herrn, „und schrie zum Herrn für Israel, und der Herr erhörte ihn.„ Dies ist eins der großen Ereignisse seines Lebens, und doch beschreibt es sehr gut seine ganze Laufbahn. Er schrie, und der Herr hörte. Hier zogen die Israeliten in die Schlacht, aber Jehovah ging vor ihnen her, da Er des Propheten Gebet erhörte. Ihr könnt den Trommelschlag bei dem Zug des Gottes der Armeen hören und das Blitzen seines Speeres sehen, denn die Geschichte der Schlacht wird so berichtet: „Und indem Samuel das Brandopfer opferte, kamen die Philister herzu, zu streiten wider Israel. Aber der Herr ließ donnern einen großen Donner über die Philister desselben Tages: und schreckte sie, dass sie vor Israel geschlagen wurden. Da zogen die Männer Israel aus von Mizpa und jagten die Philister und schlugen sie.“ Der Schluss des ganzen ist: „Also wurden die Philister gedämpfet;„ das will sagen, das Gebet Samuels war die überwindende Waffe und Philistäa beugte sich unter seiner Macht. O ihr, die ihr die Macht des Gebetes kennt, schreibt dies auf euer Banner: „Also wurden die Philister gedämpft.“

Samuels Gebete waren so wirksam, dass selbst die Elemente von ihm beherrscht wurden. O, die Macht des Gebetes! Es ist lächerlich gemacht worden: man hat es als etwas Unwissenschaftliches und Unpraktisches dargestellt, aber wir, die es täglich erproben, wissen, dass seine Macht nicht übertrieben werden kann und fühlen keinen Schatten von Zweifel betreffs derselben. Es ist eine solche Macht im Gebete, dass es „den Arm bewegt, der die Welt bewegt.„ Wir brauchen nur das Beten recht zu verstehen, und der Donner wird seine Stimme erheben als Antwort auf unseren Ruf, und Jehovahs Pfeile werden umherfliegen zum Niederwerfen seiner Feinde. Wie sollten die fähig sein, über das Gebet zu urteilen, die überhaupt nie beten oder nie im Glauben beten? Lasst diejenigen Zeugnis ablegen, denen das Gebet eine altbekannte Übung ist und für welche Erhörungen von Gott etwas so Gewöhnliches sind wie das Tageslicht. Über eines Vaters Herz hat keine Macht eine so große Gewalt, als die Not seines Kindes, und bei unsrem Vater, der im Himmel ist, ist es ganz besonders so. Er muss Gebet erhören, denn Er kann nicht seinem eignen Namen Unehre machen und seine eignen Kinder vergessen.

Als in seinem Alter das Volk begann, sich gegen ihn zu wenden und Unzufriedenheit mit seinen unwürdigen Söhnen laut werden zu lassen, da ist es schön zu sehen, wie Samuel sogleich zum Gebet seine Zuflucht nimmt. Seht auf das achte Kapitel, den fünften Vers: „Das Volk sprach zu ihm, du bist alt geworden und deine Söhne wandeln nicht in deinen Wegen; so setze nun einen König über uns, der uns richte.“ Der alte Mann war tief betrübt; es war natürlich, dass er es war. Aber blickt auf die nächsten Worte. Schalt Samuel das Volk? Sandte er sie heim im Zorn? Nein. Es steht geschrieben: „Und Samuel betete vor dem Herrn.„ Er sagte seinem Herrn, wie sie wären, und der sprach zu ihm: „Gehorche der Stimme des Volkes in allem, das sie zu dir gesagt haben: denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, — nimm es nicht zu Herzen, als wenn es ein persönlicher Schimpf für dich wäre, dass ich nicht soll König über sie sein.“ Diese Geringschätzung des Knechtes Gottes war eine Verwerfung Gottes selber, und Er wollte nicht, dass Samuel sich ihre Undankbarkeit gegen ihn zu Herzen nehme, sondern an ihr schlechtes Betragen gegen den Herrn, ihren Gott, denken sollte.

So, seht ihr, war Samuel ein Mann von vielem Gebet, und im 21. Verse lesen wir, dass er, nachdem er seinen Widerspruch erhoben und dem Volk alles gesagt, was sie von einem König zu leiden haben würden, wie er sie besteuern und bedrücken, ihre Söhne zu Kriegern und ihre Töchter zu Aufwärterinnen in seinem Palast machen, ihre Felder und Weinberge nehmen würde, und das Volk doch dabei verharrte, zu sprechen: „Mit Nichten, sondern es soll ein König über uns sein,„ — dass er da doch keine zornige Antwort gab, sondern zu seinem Gott in verborgene Gemeinschaft zurückkehrte: „Da gehorchte Samuel alle dem, das das Volk sagte, und sagte es vor den Ohren des Herrn.“ O, dass wir weise genug wären, das Gleiche zu tun! Anstatt umherzugehen und dem einen und andren von den schmählichen Dingen zu erzählen, die man von uns gesagt hat, wäre es gut, geradeswegs in unser Betkämmerlein zu gehen und sie vor den Ohren des Herrn zu sagen. Samuel war so, wie ihr seht, in seinem ganzen weltlichen Leben ein Mann, mächtig im Gebet, und als das Volk ihn verließ und seinem neu gemachten König folgte, hörte er, wie unser Text es zeigt, nicht auf, für sie zu beten. Er spricht: „Gott verhüte, dass ich sollte ablassen, für euch zu beten.„

Dies war jedoch nicht alles; als Saul sich abgewandt hatte und zum Verräter an seinem göttlichen Herrn geworden war, tat Samuel Fürbitte für ihn. Eine ganze Nacht brachte er in ernstlichem Flehen zu, obgleich es ganz vergeblich war; und viel und oft seufzte er um den verworfenen Fürsten. Der alte Mann war von Jugend auf ein Fürbitter gewesen und er ließ nie von der heiligen Übung ab, bis seine Lippen im Tode sich schlössen. Nun, Geliebte, ihr seid nicht Richter des Landes, sonst würde ich euch bitten, viel für die Leute, die ihr regiertet, zu beten. Ihr seid nicht alle Pastoren und Lehrer, sonst würde ich sagen, dass, wenn wir nicht sehr viel beten, das Blut der Seelen an unsren Gewändern sein wird. Einige von euch sind indes Lehrer der Jugend: meint nicht, dass ihr irgend etwas für eure Klassen getan, ehe ihr für sie gebetet habt. Lasst euch nicht an einer oder zwei Lehrstunden in der Woche genügen, betet oft und mit Liebe für sie. Viele von euch sind Eltern. Wie könnt ihr eure Pflichten gegen eure Kinder erfüllen, wenn ihr nicht ihre Namen im Gebet auf euren Herzen tragt? Diejenigen von euch, welche sich nicht in diesen Verhältnissen befinden, haben nichtsdestoweniger irgend einen Grad von Fähigkeit, ein Maß von Einfluss, eine Stellung, in welcher sie ihren Nebenmenschen Gutes tun können, und dies erfordert ihr Vertrauen auf Gott. Ihr könnt eure Verpflichtungen als Anverwandte, als Bürger, als Nachbarn, ja, als Christen nicht erfüllen, wenn ihr nicht oft Gebet und Flehen darbringt für jeden Rang und Stand. Für andre zu beten, muss euch eine Gewohnheit werden, von der ihr nicht ablasst, selbst wenn sie euch bis aufs äußerste reizen, denn ihr solltet nur ausrufen: Gott verhüte, dass ich sollte ablassen für euch zu beten, das würde eine große Sünde vor den Augen des Höchsten sein.

So haben wir unsren ersten Teil besprochen, die Gewohnheit der Fürbitte.

II.

Nun, zweitens, fordere ich euch auf, die Kränkungen zu betrachten, die Samuel hatten veranlassen können, mit der Fürbitte aufzuhören, welche Kränkungen er geduldig ertrug. Die erste derselben war die Geringschätzung, mit der sie ihn behandelten. Der große, alte Mann, der das ganze Jahre hindurch seine Rundreisen von Ort zu Ort machte, um Gerechtigkeit zu handhaben, hatte nie eine Bestechung genommen. Er hatte alles für sie ohne Gehalt und Lohn getan. Obgleich er ein Recht auf eine Besoldung hatte, nahm er sie nicht; in der Großmut seines Herzens tat er alles unentgeltlich, wie in späteren Tagen Nehemia, der sprach: „Denn die vorigen Landpfleger, die vor mir gewesen, hatten das Volk beschweret: und hatten von ihnen genommen Brot und Wein, dazu auch vierzig Seckel Silbers: auch hatten ihre Knaben mit Gewalt gefahren über das Volk. Ich tat aber nicht also, um der Furcht Gottes willen.“ Samuel hatte ein langes Leben hindurch das Land in Frieden erhalten, und unzählige Segnungen waren Israel durch seine Führerschaft zu teil geworden; aber jetzt wurde er alt und etwas schwächlich, obwohl er noch weit entfernt war, abgelebt zu sein, und sie ergriffen diese Entschuldigung, um sich einen König zu setzen. Der alte Mann fühlte, dass noch Leben und Tätigkeit in ihm sei; aber sie schrien nach einem König, und deshalb musste ihr greiser Freund sein Amt niederlegen und von seiner hohen Stellung herabsteigen. Es missfällt ihm, da er zuerst ihre Forderung hört, aber nachdem er eine kleine Weile im Gebet zugebracht, gibt er seine Stellung sehr willig auf, und seine ganze Sorge ist, den rechten Mann für den Thron zu finden. Als der Mann gefunden ist, da hat er nur den Wunsch, dass des Herrn Gesalbter in der Regierung richtig geleitet werden möchte; und ohne einen Gedanken an sich selbst freut er sich bei dem Anblick eines, dessen Anfang soviel verhieß. Samuels Absetzung war eine harte Sache, beachtet das, eine unfreundliche, unedle Sache; aber er betete darum kein Atom weniger für das Volk; wahrscheinlich betete er viel mehr; denn wie seine Mutter am meisten betete, als der Kummer ihres Herzens am größten war, so war es mit ihm. Ihr könnt in vieler Hinsicht den Sohn in der Mutter sehen, und in diesem Punkt besonders, dass er am meisten betet, wenn er am meisten betrübt worden ist. Wie der Sandelbaum die Axt, die ihn umhaut, mit Wohlgeruch erfüllt, so strömte sein blutendes Herz Bitten aus für die, welche ihm weh taten.

Außer der Kränkung, die in der Geringschätzung seiner selbst lag, fühlte er sich verwundet durch ihre gänzliche Verwerfung seines feierlichen Widerspruchs. Er stand vor ihnen und sprach mit ihnen auf die klarste, nur mögliche Art: „Wozu wollt ihr einen König?„ schien er zu sagen. „Das wird des Königs Recht sein, der über euch herrschen wird: Eure Söhne wird er nehmen zu seinem Wagen und Reutern, die vor dem Wagen hertraben. Eure Töchter wird er nehmen, dass sie Apothekerinnen, Köchinnen und Bäckerinnen seien. Eure besten Äcker und Weinberge und Ölgärten wird er nehmen und seinen Knechten geben. Dazu von eurer Saat und Weinbergen wird er den Zehnten nehmen und seinen Kämmerern und Knechten geben. Und eure Knechte und Mägde, und eure feinsten Jünglinge, und eure Esel wird er nehmen und seine Geschäfte damit ausrichten. Von euren Herden wird er den Zehnten nehmen, und ihr müsset seine Knechte sein. Wenn ihr dann schreien werdet zu der Zeit über euren König, den ihr euch erwählet habt: so wird euch der Herr zu derselben Zeit nicht erhören.“ Es war gesunder Verstand in all diesem, und jedes Wort erwies sich als wahr binnen kurzem, und doch wollten sie nicht hören. Sie sprachen: „Mit Nichten, sondern es soll ein König über uns sein, dass wir auch seien wie alle andren Heiden; dass uns unser König richte und vor uns her ausziehe, wenn wir unsre Kriege führen.„ Trotzdem sie seine Warnung abwiesen, wurde der ehrwürdige Greis nicht gereizt. Zuweilen ist es die Schwäche weiser Männer, die reich an Jahren und Erfahrung sind, dass sie mürrisch werden, wenn sie einen Fall klar und ernst in aller Aufrichtigkeit ihres Herzens dargestellt haben, und die Sache so deutlich ist, als dass zweimal zwei vier macht, und ihre Hörer dann vorsätzlich dabei verharren, ihrer Warnung zu trotzen, oder vielleicht ist es billiger, wenn wir sagen, dass sie dann einen zu rechtfertigenden Unwillen zeigen. Mancher greise Mann hätte gesagt: „Gut, dann will ich nichts mehr mit euch zu tun haben; ich will anders wohin gehen. Ich werde Ramath verlassen und in ein andres Land gehen, wo man vielleicht das Wort des Herrn hören wird.“ Nicht so, er ist immer hoffnungsvoll, und wenn sie nicht das Beste tun wollen, so versucht er, sie zu dem nächstbesten zu führen. Wenn sie nicht unter der direkten Herrschaft des Herrn, als ihres Königs, bleiben wollen, so hofft er, dass sie sich gut verhalten werden unter einem menschlichen König, der ein Vizekönig unter Gott sein soll, und deshalb fährt er hoffnungsvoll fort, für sie zu beten, und soviel er kann, für sie zu tun.

Zuletzt kam es dahin, dass das Volk einen König haben, und der König gekrönt werden musste. Sie mussten nach Gilgal gehen und das Königreich daselbst einrichten, und dort stand Samuel auf und erklärte in den Worten, die ich eben verlesen, wie er mit ihnen gehandelt habe, wie er sie nie betrogen oder bedrückt, noch etwas von ihnen genommen, und sagte ihnen auch, dass ihre Wahl eines Königs in gewissem Maße eine Verwerfung Gottes sei, dass sie die Beste Herrschaft und das ehrenvollste Regiment beiseite setzten, um auf die Stufe der Heidenvölker hinabzusteigen. Dennoch verwarfen sie seine letzte Mahnung, und ich finde es schön, zu sehen, wie ruhig er die Frage fallen lässt, als er seine letzte Rede gehalten, und feierlich vor dem Herrn mit ihnen gerechtet hat. Ihr hartnäckiges Festhalten an ihrer Laune veranlasste ihn nicht, sein Gebet für sie zurückzuhalten. „Gott verhüte,„ spricht er, „dass ich sollte ablassen für euch zu beten.“

Die praktische Lehre hieraus ist, dass ihr, wenn ihr versucht werdet, mit der Fürbitte für gewisse Personen aufzuhören, dieser Eingebung nicht folgen müsst. Sie haben eure Gebete verlacht, sie sagen euch, dass sie dieselben nicht brauchen, sie haben sogar mit euren frommen Wünschen für sie Spott und Scherz getrieben. Tat nichts. Vergeltet es ihnen durch desto größere Liebe. Hört nicht auf, für sie mit Gott zu ringen. Es mag sein, dass ihr euch sehr in ihnen getäuscht habt; euer Herz bricht, wenn ihr seht, wie sie abgewichen sind, geht dennoch mit euren großen Sorgen zum Gnadenstuhl und schreit wiederum für sie. Was wird aus ihnen werden, wenn ihr sie sich selber überlasst? Lasst nicht ab mit der Fürbitte, lieben Freunde, obwohl ihr auf tausenderlei Art dazu gereizt werdet.

Wenn ihr auch seht, dass sie, nachdem ihr mit ganzem Ernst ihnen die Sache klar vorgelegt habt, doch das Rechte verwerfen und das Böse wählen, so lasst euch das nicht abschrecken. Nie lasst einen Sünder die Oberhand über euch gewinnen, und dies tut er, wenn er euch durch seine Sünde dahin treibt, das Gebet zu vernachlässigen.

Es mag sein, dass ihr teils im Unglauben und teils in eurer zitternden Angst denkt, dass ihr Urteil wirklich besiegelt ist, und dass sie ins Verderben gehen werden. Lasst dies lieber die Innigkeit eures Gebets mehren, als sie im geringsten Grade vermindern. Bis die Sünder in der Hölle sind, schreit zu Gott für sie. So lange Odem in ihrem Leibe und in eurem Leibe ist, lasst die Stimme eures Flehens gehört werden. Wenn die Seelen erst hinübergegangen sind in die Geisterwelt, hilft das Gebet nicht mehr, aber bis in die letzte Stunde hinein mag es helfen. Vielleicht seid ihr manchmal in Versuchung, zu wünschen, dass ihr für die Toten beten könntet; lasst diesen vergeblichen Wunsch euch antreiben, ernstlich für die Lebenden zu bitten. Ringt im Gebet, so lange eure Bitten erhört werden können. Schreit mächtig zu Gott, was auch geschieht, eure Hoffnung zu dämpfen, und haltet es für eine Versuchung des Satans, wenn euch eingegeben wird, dass ihr mit der Fürbitte aufzuhören hättet. Dein Mann, gutes Weib, auch wenn er immer trunkfälliger und ruchloser wird, bete immer noch für ihn. Denn Gott, der den Leviatan wie mit einem Hamen zieht, kann diesen großen Sünder noch nehmen und einen Heiligen aus ihm machen. Ob dein Sohn auch ausschweifender denn je zu sein scheint, folge ihm mit vielen Bitten und weine vor Gott immer noch über ihn. Du, liebevolle Mutter, und du, frommer Vater, vereinigt eure heißen Gebete Tag und Nacht vor dem Gnadenstuhl, und ihr werdet euren Wunsch noch erlangen. Lasst nichts die Flamme auf dem Altare oder die Hoffnung in eurer Seele auslöschen.

Wie ich schon sagte, Samuel betete umso mehr, je mehr Leid über ihn kam; lasst es so mit euch sein. Samuel konnte sich niemals von dem Volk scheiden; er versuchte nie, sich von der Einheit mit ihnen loszumachen, sondern er legte ihre Sache auf sein Herz. Er war das wahre Herz Israels, in lebendiger Vereinigung mit dem Ganzen und konnte deshalb nicht von seinem Volk hinweggerissen werden. Hierin liegt das Geheimnis inniger Fürbitte. Macht, ich bitte euch, die Angelegenheiten andrer zu euren eignen. Denkt nicht, es sei genug, dass ihr errettet seid. Sitzt nicht nieder und faltet eure Arme und macht ein Kissen für ein träges Haupt aus der unumschränkten Macht Gottes. Nein, ihr seid ein Teil der Familie; bemüht euch, als solcher zu handeln. Betet für die Menschen, weil ihr auch Menschen seid. Ein heidnischer Philosoph sagte einmal: „Ich bin ein Mensch, und nichts Menschliches ist mir fremd„: wieviel mehr sollte ein Christ dies sagen, da er seinem Herrn und Meister gleichen soll, der das Muster eines großherzigen, selbstaufopfernden Menschen war. Menschensohn war einer der Lieblingstitel unsres Herrn, um anzuzeigen, dass Er sein Leben mit unserer Menschheit verbunden. Seid ihr auch wahre Söhne der Menschen, Brüder der ganzen Menschheit? Ich beschwöre euch, wenn ihr für euch selber beten könnt, so übt das heilige Recht der Fürbitte für andre. Seid wie Abraham, der für Sodom bat, wie Mose, der in den Riß trat für das Volk; wie Elias, dessen Gebet für Israel erhört ward. Wenn ihr gelernt habt zu beten, so übt die heilige Kunst, bis ihr viel Macht bei Gott erlangt; dann werdet ihr Segnungen herniederbringen, auf die, welche sonst unter dem Fluche umgekommen wären. So viel über die Kränkungen, die Samuel erlitt, unter denen er stets seinem hohen Beruf getreu blieb.

III.

Ich will nun, drittens, Samuel in seiner beharrlichen Fürbitte betrachten. Obgleich das Volk ihn so kränkte, hörte er mit dem Gebet für sie nicht auf; denn, zuerst, er brachte da und dann neue Bitten dar, und dieses Rufen wurde erhört, und Saul wurde zu Anfang ein reiches Maß von Gunst verliehen. Samuel ließ nicht vom Gebet für Saul ab, als dieser abgewichen war, denn wir finden geschrieben: „Da geschah des Herrn Wort zu Samuel und sprach: Es reuet mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich hinter mir abgewandt und meine Worte nicht erfüllet. Des ward Samuel zornig und schrie zu dem Herrn die ganze Nacht!“ Ich meine, ich sehe den alten Mann in Angst und Schmerz um Saul, den er liebte. Alte Leute bedürfen des Schlafes, aber der Prophet verließ sein Lager und schüttete in den Nachtwachen seine Seele vor dem Herrn aus. Obwohl er keine tröstliche Antwort empfing, fuhr er doch fort zu schreien; denn wir lesen weiterhin, dass der Herr zu ihm sprach: „Wie lange trägst du Leide um Saul?„ Er trieb die Sache so weit, wie sie nur getrieben werden konnte, bis der Herr ihn warnte, dass es zu nichts nütze. „Wie lange trägst du Leide um Saul?“ Es ist zu bewundern an Samuel, dass er, obwohl Saul die Sünde begangen haben mochte, die zum Tode ist, und Samuel Furcht hegte, dass sein Geschick entschieden, dennoch in verzweifelnder Hoffnung weiter betete. Der Apostel Johannes schreibt über die Sache so: „So jemand sieht seinen Bruder sündigen, eine Sünde nicht zum Tode: der mag bitten; so wird er das Leben geben denen, die da sündigen nicht zum Tode. Es ist eine Sünde zum Tode: dafür sage ich nicht, dass jemand bitte.„ Er verbietet in solchem Falle nicht unsre Gebete, ermutigt sie indes auch nicht, aber ich verstehe es so, dass Er uns die Erlaubnis gibt, weiter zu beten. Wir wissen von dem größten Sünder nicht mit Bestimmtheit, dass er die Grenzen der Barmherzigkeit schon überschritten hat, und deshalb dürfen wir mit Hoffnung für ihn beten. Wenn eine entsetzliche Furcht in uns ist, dass unser fehlgehender Angehörige über den Bereich der Hoffnung hinaus ist, so ist es uns, wenn nicht befohlen, zu beten, doch auch nicht verboten, es zu tun, und es ist immer am besten, nach der sicheren Seite hin zu irren, wenn es überhaupt Irren ist. Wir dürfen immer noch zu Gott gehen, selbst mit einer verlornen Hoffnung, und zu Ihm in der äußersten Not schreien. Es ist nicht wahrscheinlich, dass wir den Herrn zu uns werden sprechen hören: „Wie lange trägst du Leide um Saul?“ Es ist nicht wahrscheinlich, dass wir Ihn sagen hören: „Wie lange willst du beten für dein Kind? Wie lange willst du Leid tragen für deinen Ehemann? Ich bin nicht willens, sie zu retten.„ Wir haben nicht solche niederdrückenden Offenbarungen, und wir sollten sehr dankbar sein, dass wir sie nicht haben, denn nun können wir hoffnungsvoll fortfahren, für alle zu beten, die uns auf unsrem Wege begegnen. Wir dürfen fortfahren und sollten fortfahren, wie Samuel es tat, im Gebet zu ringen, so lange wir leben.

Als der Prophet wusste, dass Saul hoffnungslos verworfen war, hörte er nicht auf, für das Volk zu bitten, sondern ging hinab gen Bethlehem und salbte David, und als dieser von der Bosheit Sauls verfolgt ward, sehen wir ihn David beherbergen in Rama, und die Macht des Gebetes in seinem eignen Hause und an dem heiligen Ort beweisen, denn als Saul hinabkam und David gefangen nehmen wollte, sogar in des Sehers Hause, wurde dort eine Betstunde gehalten, und die machte solchen Eindruck auf Saul, dass er selbst anfing zu weissagen und die ganze Nacht unbekleidet und gedemütigt neben ihnen auf dem Boden lag. Die Menschen riefen aus: „Ist Saul auch unter den Propheten?“ Der boshafte König konnte nicht wagen, Samuel anzutasten. Der Prophet war ein sanfter, milder, liebevoller Mann; und doch hatte Saul mit seinem schwarzen Herzen immer Ehrfurcht vor ihm, so dass er den Zipfel seines Rockes zum Schutz ergriff, und nachdem er gestorben, gottloserweise seinen vermeintlichen Geist zur Führung suchte. Der Mann Gottes hatte augenscheinlich durch das Gewicht seiner heiligen Persönlichkeit Eindruck auf den hochgewachsenen Abtrünnigen gemacht. Es steht geschrieben, dass Gott mit ihm war und keins unter all seinen Worten auf die Erde fallen ließ; und dies war, weil er ein betender Mann war. Wer bei Gott für die Menschen obsiegen kann, kann stets bei den Menschen für Gott obsiegen. Wenn du den Himmel durch Gebet überwinden kannst, so kannst du die Erde durch Predigen überwinden: wenn du die Kunst kennst, zu dem Ewigen zu sprechen, so wird es ein Geringes sein, zu sterblichen Menschen zu sprechen. Sei gewiss, dass das eigentliche Wesen aller wahren Macht über die Menschen in der Macht bei Gott iin Verborgenen liegt: wenn wir zum Herrn gefleht und obgesiegt haben, so ist unser Werk fast getan.

Ich bitte euch deshalb, lieben Freunde, beharrt stets in der Fürbitte und lasst euch in der Barmherzigkeit durch die Erkenntnis stärken, dass es eine Sünde sein würde, mit dem Gebet für diejenigen aufzuhören, welche die Gegenstände unserer Fürbitte gewesen sind. Samuel bekennt, dass er sich versündigen würde, wenn er von der Fürbitte abließe. Wieso? Nun, wenn er aufhörte für das Volk zu beten, so würde er sein Amt vernachlässigen, denn Gott hatte ihn zu einem Propheten für die Nation gemacht, und er musste Fürsprache für sie einlegen oder seine Pflicht vernachlässigen. Es würde einen Mangel an Liebe zu den Erwählten des Herrn zeigen, wenn er nicht für sie betete. Wie konnte er sie lehren, wenn er nicht selbst von Gott gelehrt war?

Wie konnte er nur hoffen, sie zu lenken, wenn er nicht genug Liebe für sie hatte, um für sie zu Gott zu schreien? Es wäre in diesem Falle bei ihm auch noch eine Sünde des Zorns gewesen. Es hätte ausgesehen, als wenn er böse auf sie und auch auf Gott wäre, weil er nicht alles sein konnte, was er zu sein wünschte. „Gott verhüte,„ sagt er: „dass ich solchen Zorn in meinem Busen hegen sollte, dass ich abließe für euch zu beten.“ Es wäre eine Vernachlässigung der göttlichen Ehre gewesen; denn, wie das Volk auch sein mochte, so stand der Name Gottes in Verbindung mit ihm, und wenn es ihm nicht wohl erging, so wäre der Name Gottes nicht verherrlicht worden unter den Heiden. Er konnte das Gebet für sie nicht aufgeben, denn ihre Sache war Gottes Sache. Es wäre eine Grausamkeit gegen Seelen gewesen, wenn er, der solche Macht im Gebet besaß, es zurückgehalten hätte. Nun, Brüder und Schwestern, es würde eine Sünde von euch sein, wenn ihr den Gnadenstuhl vernachlässigtet. Ihr würdet den Heiligen Geist betrüben, ihr würdet Christo seine Ehre rauben, ihr würdet grausam gegen die Sünder sein, die tot in Sünden sind, und ihr würdet falsch und verräterisch gegen den Geist der Gnade und gegen euren heiligen Beruf handeln. Ihr seid Könige und Priester vor Gott, und was wollt ihr als Priester opfern, wenn ihr nicht Gebet und Fürbitte für die Kinder der Menschen vor Gott bringt? Darum haltet nicht mit Flehen inne, damit der Herr nicht zornig auf euch werde.

IV.

Unser letzter Teil ist, dass Samuel seine Aufrichtigkeit in der Fürbitte zeigte durch eine dementsprechende Handlungsweise, denn er sagt in den Worten des Textes: „Gott verhüte, dass ich mich gegen den Herrn versündigen sollte und ablassen für euch zu beten: sondern ich will euch den guten und richtigen Weg lehren.„ Weit entfernt, vom Gebet abzulassen, wollte er mit doppeltem Fleiß sie lehren; und er tat es. Er lehrte sie dadurch, dass er sie an die Verheißungen Gottes erinnerte, dass Er sein Volk nicht verlassen wolle: dadurch, dass er sie unterwies, wie sie zu handeln hätten: „Dienet Gott treulich von ganzem Herzen“; dadurch, dass er ihnen die Gründe dafür einprägte: „Denn ihr habt gesehen, wie große Dinge Er mit euch tut,„ und dadurch, dass er eine ernste Warnung hinzufügte: „Werdet ihr aber übel handeln, so werdet beide, ihr und euer König, verloren sein.“ Wenn ihr für eure Freunde gebetet habt, so versucht, so gut ihr könnt, euer eigenes Gebet zu erhören, indem ihr die Mittel gebraucht, die Gott gewöhnlich segnet. Manche Leute tun müßige Gebete, denn sie machen keine Anstrengung, ihre Wünsche zu erhalten. Wenn ein Landmann um eine Ernte betet, so pflügt und sät er auch, denn sonst wären seine Gebete heuchlerisch. Wenn wir wünschen, unsre Nachbarn bekehrt zu sehen, so werden wir auf alle Weise dahin arbeiten. Wir würden sie auffordern, mit uns dahin zu gehen, wo das Evangelium treu gepredigt wird, oder wir werden ihnen ein gutes Buch in die Hand geben oder mit ihnen persönlich über die ewigen Angelegenheiten sprechen. Wenn ich wüsste, wo man Gold durch das bloße Sammeln desselben erhalten könnte, und wünschte, dass mein Nachbar reich wäre, so würde ich ihm von den wertvollem Schatze erzählen und ihn bitten, mit mir zu kommen und etwas von dem Reichtum zu sammeln. Aber viele denken nie daran, einen Nachbar oder Freund, der ein Sabbatbrecher ist, aufzufordern, mit ihnen zum Hause Gottes zu gehen; und es sind Tausende in unserer Stadt, die nur einer Einladung bedürften, und sie würden sicher kommen, einmal wenigstens, und wer weiß, ob dies eine Mal nicht zu ihrer Bekehrung führen könnte. Wenn ich die Errettung irgend eines Menschen wünsche, so sollte ich, so gut ich es vermag, ihm sagen, wie sein Zustand ist, und was der Weg zur Errettung ist, und wie er Ruhe finden kann. Allen Menschen kann man nahe kommen zu irgend einer Zeit oder in irgend einer Art. Es ist sehr unvorsichtig, auf alle zuzustürzen, sobald man sie sieht, ohne Nachdenken und ohne die gewöhnlichste Vorsicht, denn man mag dadurch die abstoßen, die man zu gewinnen wünscht: aber die, welche ernstlich für andre beten und es sich angelegen sein lassen, sie zu suchen, werden gewöhnlich von Gott gelehrt und weise gemacht, betreffs der Zeit, der Art und des Gegenstandes. Ein Mensch, der Vögel zu schießen wünscht, wird nach einer Weile geschickt in dieser Kunst werden, weil er sein Denken darauf richtet; nachdem er Übung erlangt, wird er ein guter Schütze sein und Kenntnis von Flinten und Hunden haben. Ein Mann, der Lachse fangen will, hat seinen Sinn auf das Angeln gesetzt und vertieft sich ganz in diese Beschäftigung. Er lernt bald seine Angelrute zu gebrauchen und seinen Fisch zu ködern. So findet der, welcher Seelen gewinnen will und sein Herz darauf richtet, die Kunst irgendwie heraus, und der Herr lässts ihm gelingen. Ich könnte sie euch nicht lehren, ihr müsst sie üben, um sie herauszufinden; aber dies will ich sagen, kein Mensch ist rein von seines Nächsten Blut, bloß weil er darum gebetet hat, es zu sein. Gesetzt, wir hätten hier in unserer Nachbarschaft eine Anzahl Leute, die vor Hunger stürben, und wir hielten eine Betstunde, dass Gott ihrem Mangel abhelfen möchte; würde es nicht Heuchelei sein, dass man sie verlachte und sie verurteilte, wenn wir alle, nachdem wir für diese Leute gebetet hätten, zu Hause gingen, unser Mittagessen verzehrten und ihnen für keinen Pfennig Brot gäben? Der wahrhaft Wohlwollende steckt die Hand in die Tasche und sagt: „Was kann ich tun, damit mein Gebet erhört werde?„ Ich habe von jemand in New Jork gehört, der für eine Anzahl armer Familien betete, die er besucht hatte, und den Herrn bat, ihnen Nahrung und Kleidung zu geben. Sein kleiner Sohn sagte: „Vater, wenn ich Gott wäre, so würde ich dir sagen, du solltest dein eigenes Gebet erhören, denn du hast Geld genug.“ So mag der Herr wohl zu uns sagen, wenn wir für andre bitten: „Geht und erhört eure eignen Gebete, indem ihr ihnen von meinem Sohne sagt.„ Singt ihr: „Fleug zu der Erde Enden, o Wort des Evangeliums?“ dann gebt ihm Flügel, mit Silber bedeckt. Singt ihr: „Tragt, Winde, weit das Wort vom Kreuz,„ dann leiht ihm euren Odem. Es ist eine Kraft in euren Gaben; es ist eine Kraft in eurer Rede; braucht diese Kräfte. Wenn ihr persönlich nicht viel tun könnt, so könnt ihr sehr viel tun dadurch, dass ihr einem andren helft, Christum zu predigen; aber vorzüglich, und zuerst solltet ihr etwas mit eurer Hand, eurem Herzen und eurer Zunge tun. Geht und lehrt den guten und richtigen Weg, und dann werden eure Gebete erhört werden.

Und zuletzt, um zu einem Punkt zu kommen, der mir sehr auf dem Herzen liegt, ich wünsche heute abend zu der Menge von Fremden zu reden, die da kommen werden, mich zu hören, damit viele von ihnen zum Herrn bekehrt werden. Viele von diesen Leuten werden nicht kommen, weil sie das Evangelium zu hören wünschen, sondern weil sie gehört haben, dass ich ein wunderlicher Mann sei, und weil sie neugierig sind, einen so exzentrischen Menschen zu sehen und zu hören. Tut nichts, sie werden die Wahrheit hören: denn es wird mein ernstes Bemühen sein, Christum, den Gekreuzigten, zu predigen und Ihn allein. Ich bitte euch, jedweden von euch, um Segen zu beten. Ich beschwöre euch bei aller Freundlichkeit, die ihr für mich habt, bei allem Wohlwollen, das ihr für eure Mitmenschen, und aller Dankbarkeit, die ihr gegen Gott habt, betet, dass ein Segen ruhe auf dem Wort, das gesprochen werden wird. Wer weiß, wie viele zu des Heilands Füßen gebracht werden mögen? Sie werden nicht Hörer derselben Art sein wie eurer einige, die verhärtet worden sind durch das Hören des Evangeliums: viele von ihnen werden ganz frische Hörer sein, denen alles neu ist. Was für eine schöne Gelegenheit, unter einer so großen Menge zu fischen, wenn wir nur von Gott gelehrt sind, das Netz recht zu werfen. Heute nachmittag betet um einen Segen. Kommt hier zusammen und bittet den Herrn um eine Gnaden-Heimsuchung. Ihr, die ihr so beschäftigt seid, dass ihr nicht zu einer Versammlung zu kommen vermögt, könnt desungeachtet wenigstens eine Viertelstunde absondern zum einsamen Gebet, dass wir einen Segen erhalten möchten. In der Sonntagsschule betet um Segen; Gott hört die kleinen Kinder und sendet Erhörungen, die sonst nicht gekommen wären. In allen verschiedenen Abteilungen unserer Arbeiten lasst die Arbeiter zu Gott schreien, dass Er heute abend Seelen erretten und seinen Namen verherrlichen möge. Ich werde euch tief dankbar sein, und mein Herr wird euch segnen, deshalb tut es, ich bitte euch, um seinetwillen. Amen.

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