Spurgeon, Charles Haddon - 2. Buch Samuel (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - 2. Buch Samuel (Andachten)

2. Samuel 1, 26.

„Deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, denn Frauenliebe.“

Kommt, teure Seelen, und lasset uns reden von der sonderlichen Liebe, nicht Jonatans, sondern Jesu, jedes von uns aus seiner Erfahrung. Wir wollen nicht reden von dem, was man uns gelehrt hat, sondern von dem, was wir gekostet und erfahren haben, von der Liebe Christi. Deine Liebe zu mir, o Jesu, war sonderlich und wunderbar. Da ich, ein Fremdling, ferne von Dir irrte, und den Willen des Fleisches und der Vernunft tat, nach den vorigen Lüsten, bewahrte Deine Liebe mich vor der Versuchung der Sünde, die den Tod gebieret, und behütete mich vor selbstverschuldetem Verderben. Deine Liebe hielt die Art auf, wenn die Gerechtigkeit sprach: „Haue ihn um! was hindert er das Land?“ Deine Liebe führte mich in die Wüste, öffnete mir die Augen, dass ich meine Blöße erkannte, und brachte mir die Schuld meiner Sünde zum Bewusstsein und ließ mich die Last meiner Gottlosigkeit empfinden. Deine Liebe redete freundlich mit mir, da ich ganz ermattet war vor Elend: „Komm zu Mir, so will Ich dir Ruhe geben.“ O, wie unvergleichlich war Deine Liebe, da Du in einem Augenblick mich abwuschest von allen meinen Sünden, da Du meine befleckte Seele, die rosinfarben war vom Blut meiner Missetat und schwarz vom Kot meiner Übertretung, weiß machtest gleich dem frischgefallenen Schnee, und weiß wie die reinste Wolle. Wie hast Du doch Deine Liebe so zärtlich gegen mich bezeugt, da Du mir zuhauchtest: „Ich bin dein und du bist Mein.“ Wie lieblich waren Deine Worte, wenn Du sprachst: „Der Vater selber hat dich lieb.“ Und welche liebliche Augenblicke waren das, wo Du mir holdselig redetest von der „Liebe des Geistes.“ Nie soll meine Seele die Stunden der Gemeinschaft vergessen, wo Du Dich mir offenbartest. Hatte nicht Moses eine Kluft im Fels, von wo aus er Gott vorüberziehen sah und Ihm hinten nachschaute? Auch wir bergen uns in den Spalten eines Felsens, von wo aus wir den vollen Glanz Gottes in der Person Jesu Christi betrachten. Gedachte nicht David der Zuflucht der Gemsen, des Landes am Jordan und Hermonim? Auch wir reden von Stätten, die unserm Gedächtnis teuer sind, teuer und gesegnet wie jene. Süßer Herr Jesu, gib uns einen neuen Erquickungstrunk Deiner sonderlichen Liebe. (Goldstrahlen Februar 1)

2. Samuel 5, 24.

„Und wenn du hören wirst das Rauschen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen, so säume nicht.

Die Glieder der Gemeinde Christi sollten recht gebetsfertig sein und allezeit danach verlangen, dass die Salbung des heiligen Gottes auf ihren Seelen ruhe, dass das Reich Christi komme, dass sein „Wille geschehe auf Erden wie im Himmel;“ es gibt aber Zeiten, wo Gott sein Zion ganz besonders zu segnen scheint, und solche Zeiten sollten ihnen sein wie „das Rauschen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume.“ Dann sollten wir noch einmal so eifrig sein im Gebet, noch einmal so inbrünstig, dann sollten wir ernstlicher ringen vor dem Gnadenthrone als sonst. Dann handelt sich‘s um rasche und entschlossene Tat. Die Zeit entflieht, wir müssen uns mit Mannesmut durch die Brandung zum Ufer hinüberkämpfen. O, dass doch ein Pfingstsegen und eine Pfingstarbeit uns zuteil würde! Lieber Christ, du hast Zeiten, wo du „hörest das Rauschen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen.“ Dir ist eine ganz besondere Kraft des Gebets geschenkt; der Geist Gottes gibt dir Freude und Frieden; das Wort ist dir ein offenes Buch; du kannst dir die Verheißungen aneignen; du wandelst im Licht vor Gottes Angesicht, du hast einen freieren Zugang zum Gnadenthron und eine innigere Gemeinschaft mit Christo als sonst. Sieh, in solchen Zeiten besonderer Gnadenheimsuchungen, wo du „hörest das Rauschen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen,“ musst du dich stärken; dann ist der rechte Augenblick gekommen, wo du diese und jene böse Gewohnheit ablegen kannst, weil Gott, der Heilige Geist, deiner Schwachheit zu Hilfe kommt. Spanne dein Segel, aber bedenke:

„Die Anker kann ich lichten,
Die Segel kann ich richten;
Doch muss, soll‘s etwas frommen,
Der Wind von oben kommen.“

Dennoch sorge, dass du deine Segel aufziehst. Lass den günstigen Wind nicht umsonst wehen aus Mangel an Vorsicht und Bereitschaft. Suche Gottes Beistand, dass du deine Pflicht treuer erfüllen mögest, wenn dein Glaube gestärkt wird, dass du treuer werdest im Gebet, wenn dir ein freierer Zugang zum Thron der Gnade geschenkt ist; dass du in deinem Wandel dich mehr heiligen lässt, wenn du in engerer Gemeinschaft mit Christo lebst.

2. Samuel 5,24

Und wenn du hören wirst das Rauschen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen, so säume nicht, denn der Herr wird dann ausgegangen vor dir her, zu schlagen das Heer der Philister.

Es gibt Zeichen von dem Herannahen des Herrn, die auch uns in Bewegung bringen sollten. Der Geist Gottes bläset, wo Er will, und wir hören Sein Sausen. Dann ist die Zeit, uns mehr als je aufzuraffen. Wir müssen die goldene Gelegenheit ergreifen und sie so gut benutzen, wie wir nur können. Uns liegt es ob, die Philister zu allen Zeiten zu bekämpfen; aber wenn der Herr selbst vor uns ausgeht, dann sollten wir besonders tapfer in dem Streite sein.

Der Wind bewegt die Wipfel der Bäume, und für David und seine Männer war dies das Signal zu einem Angriff, und bei ihrem Vorrücken schlug der Herr selber die Philister. O, dass heute der Herr uns eine Gelegenheit gäbe, für Ihn mit vielen unserer Freunde zu sprechen! Lasst uns wachsam sein und uns die hoffnungsvolle Gelegenheit zunutze machen, wenn sie kommt. Wer weiß, ob dies nicht ein Tag guter Botschaften, eine Zeit des Seelengewinnens sein wird? Lasst uns das Ohren offen halten, das Rauschen des Windes zu hören, und unser Herz bereit, dem Signal zu gehorchen. Ist nicht diese Verheißung: „dann wird der Herr ausgehen vor dir her“ eine genügende Ermutigung, uns als Männer zu beweisen? Da der Herr vor uns her geht, so dürfen wir nicht zurückbleiben.

2. Samuel 7, 25.

„Tue, wie Du geredet hast.“

Gott hat seine Verheißungen nicht dazu gegeben, dass wir sie wie wertloses Papier wegwerfen; Er will, dass wir sie brauchen. Gottes Geld ist nicht Geiz-Geld, sondern es ist zum Handel gemünzt. Nichts gefällt unserem Herrn besser, als wenn Er sieht, dass seine Verheißungen in Umlauf gesetzt werden; Er hat‘s gern, wenn seine Kinder sie vor Ihn bringen und sagen: „Herr, tue, wie Du geredet hast.“ Wir verherrlichen Gott, wenn wir uns auf seine Verheißungen berufen. Oder meint ihr, Gott werde darum ärmer, dass Er euch die Schätze schenkt, die Er euch zugesagt hat? Träumet ihr, Er sei umso minder heilig, wenn Er euch Heiligung schenkt? Bildet ihr euch ein, Er sei umso minder rein, wenn Er euch abwäscht von euren Sünden? Er hat gesagt: „Kommt und lasst uns mit einander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden; und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden.“ Der Glaube hält fest an der Verheißung der Vergebung, und wankt nicht, noch spricht er etwa: „Das ist eine köstliche Verheißung; ist es auch Ernst damit?“ sondern er geht damit geradeswegs vor den Gnadenthron und spricht: „Herr, hier ist die Verheißung; so tue denn, wie Du geredet hast.“ Unser Herr antwortet: „Dir geschehe, wie du willst.“ Wenn ein Christ eine Verheißung ergreift, und doch nicht zu Gott bringt, so verunehrt er Ihn; wenn er aber zum Gnadenthron eilt und schreit: „Herr, ich bringe keine andre Empfehlung mit, als das: Du hast‘s gesagt;“ so ist die Erfüllung seines Begehrens gesichert. Unser himmlischer Bankier löst seine Sichtwechsel mit größter Freude ein. O, lass doch die Verheißung nicht verrosten.

Ziehe das Wort der Verheißung aus der Scheide und gebrauche es mit heiligem Eifer. Meine nicht, Gott werde ob deinen zudringlichen Mahnungen an seine Verheißungen ungeduldig. Er hört den lauten Notschrei heilsbedürftiger Seelen so gern! Es ist Ihm eine Wonne, Gnade zu erweisen. Er ist bereitwilliger zu Erhören, als ihr zum Flehen. Die Sonne wird nicht müde zu scheinen, noch der Quell zu sprudeln. Es liegt in Gottes Natur, dass Er seine Verheißungen erfüllt; darum eile unverweilt zum Gnadenthron und flehe: „Tue, wie Du geredet hast!“

2. Samuel 7,29

Denn Du, Herr, hast es geredet, und mit Deinem Segen lass Deines Knechtes Haus gesegnet werden ewiglich.

Dies ist eine Verheißung, die geltend gemacht wird, und uns deshalb doppelt lehrreich ist. Alles, was Gott, der Herr, geredet hat, sollten wir als gewisslich wahr annehmen und es dann am Throne geltend machen.

O, wie süß ist es, das anzuführen, was unser Gott gesprochen hat. Wie köstlich, ein „denn“ zu gebrauchen, das sich darauf bezieht, wie David es in diesem Verse tut! Wir beten nicht, weil wir zweifeln, sondern weil wir glauben. Ungläubig beten ist nicht geziemend für des Herrn Kinder. Nein, Herr, wir können nicht an Dir zweifeln: wir sind überzeugt, dass jedes Deiner Worte ein sicherer Grund für die kühnsten Erwartung ist. Wir kommen zu Dir und sprechen: „Tue, wie Du gesagt hat“. Segne Deines Knechtes Haus. Heile unsre Kranken; errette unsre Zaudernden; bringe die Verirrten zurück, kräftige die, welche in Deiner Furcht leben. Herr, gib uns Nahrung und Kleidung nach Deinem Wort. Fördere unsre Unternehmungen; insbesondere lass unsre Bemühungen gelingen, Dein Evangelium in unserer Nachbarschaft kund zu machen. Mache unsre Diener zu Deinen Dienern, unsre Kinder zu Deinen Kindern. Lass den Segen weiter strömen zu den künftigen Generationen, und so lange welche aus unsrem Geschlechte auf der Erde bleiben, mögen sie Dir treu bleiben. O Herr Gott, „lass Deines Knechtes Haus gesegnet werden.“

2. Samuel 9, 8.

„Wer bin ich, dein Knecht, dass du dich wendest zu einem toten Hunde, wie ich bin?“

Wenn Mephi-Boseth durch Davide Güte sich so tief demütigen ließ, was sollen wir tun in der Gegenwart unsers gnädigen Herrn? Je mehr Gnade uns widerfährt, umso weniger sollten wir von uns selber denken; denn die Gnade enthüllt, wie das Licht, unsere Unreinigkeit. Die vorzüglichsten Kinder Gottes haben kaum gewusst, womit sie sich vergleichen sollen, so klar und stark war bei ihnen das Gefühl ihrer Unwürdigkeit. „Ich bin,“ sagt der selige Ruterford, „ein dürrer und verwelkter Zweig, ein Stück totes Fleisch, ein dürres Gebein, und nicht im Stande, über einen Strohhalm zu schreiten.“ An einer andern Stelle schreibt er: Mit Ausnahme der offenbaren Sünden fehlt mir nichts zu einem Cain oder Judas.„ Die geringsten Gegenstände in der Schöpfung scheinen einen demütigen Sinn weit vorzüglicher als er selber, weil sie nie mit der Sünde zu schaffen hatten. Ein Hund kann gefräßig, grimmig oder unfläthig sein, aber er hat kein Bewusstsein seiner Untugenden, er hat keinem Gewissen zu widerstreben. Ein Hund kann ein unnützes Tier sein, und doch wird er durch Güte bald gewonnen, dass er seinen Herrn liebt, und ihm treu bleibt bis zum Tode; wir aber vergessen der Güte des Herrn und folgen Seinem Rufe nicht. Der Name „toter Hund“ ist ein sehr bezeichnendes, aber nicht zu starkes Wort, um den Abscheu auszudrücken, den erweckte Seelen über sich selbst empfinden. Sie heucheln keine falsche Bescheidenheit, sie meinens, wie sies sagen, sie haben sich auf der Wage des Heiligtums gewogen und zu leicht erfunden. Im besten Fall sind wir Erde, belebter Staub, wandelnde Schollen; aber als Sünder kommen wir uns vor wie wahre Ungeheuer. Es soll im Himmel als ein Wunder verkündet werden, dass der Herr Jesus Seine herzliche Liebe unser einem zugewendet hat! Wir sind nichts als Staub und Asche, darum wollen und müssen wir die überschwängliche Größe Seiner Gnade rühmen. Hätte Sein Herz keine Befriedigung finden können im Himmel? Musste Er herabkommen zu den schwarzen Hütten Kedars, um eine Braut zu suchen und eine Freundin zu erwählen, welche die Sonne verbrannt hat? O Erde und alle Himmel! singet laut und jauchzet und bringt Ehre und Preis: unserm teuren Herrn Jesu. (Goldstrahlen Mai 27)

2. Samuel 9, 13.

„Mephi-Boseth aber wohnte zu Jerusalem, denn er aß täglich von des Königs Tisch, und hinkte mit seinen beiden Füßen.“

Mephi-Boseth war kein herrlicher Schmuck für eine königliche Tafel, dennoch hatte er seinen beständigen Platz an Davids Tisch, weil der König in seinem Angesicht die Züge des geliebten Jonatan wiedererkannte.

Wie Mephi-Boseth müssen auch wir ausrufen: „Wer bin ich, Dein Knecht, dass Du Dich wendest zu einem toten Hunde, wie ich bin?“ und dennoch gestattet uns der Herr den allervertraulichsten Umgang mit Ihm, weil er in unsern Zügen die Ähnlichkeit mit seinem innigstgeliebten Jesus wahrnimmt. Die Kinder des Herrn sind Ihm teuer um eines andern willen. So groß ist die Liebe, die der Vater zu seinem Eingeborenen hat, dass Er um seinetwillen seine niedrigen Brüder aus der Armut und Verbannung erhebt zu königlichem Umgang, zu hohem Stand und fürstlicher Tafel. Ihre Hässlichkeit kann ihnen diese Vorrechte nicht wieder rauben.

Die Lähmung ist kein Hindernis der Gotteskindschaft; der Krüppel ist ebensogut Erbe, als der, der laufen kann wie Asahel. Unser Recht schwächt sich nicht ab, ob auch die Kraft abnimmt. Eine königliche Tafel ist eine gar noble Decke für lahme Füße, und beim Hochzeitsmahl des Evangeliums lernen wir herrlich sein in unserer Schwachheit, weil die Kraft Christi auf uns ruht. Und doch können arge Mängel die geliebtesten Heiligen in Schaden und Schande bringen. Hier wurde einer von David gespeist und geehrt; aber weil er an beiden Füßen gelähmt war, konnte er den König nicht begleiten, als er aus der Stadt floh, und wurde darum verleumdet und verlästert von seinem Knechte Ziba. Heilige, die schwach sind im Glauben und nicht gefördert in der Erkenntnis, verlieren viel; sie sind vielen Feinden bloßgestellt und können dem Könige nicht auf allen seinen Wegen folgen. Diese Schwachheit rührt oft von einer Vernachlässigung her. Ungeeignete Nahrung bewirkt manchmal, dass Bekehrte in ihrer geistlichen Kindheitszeit in Zaghaftigkeit und Verzweiflung geraten, aus welcher sie sich nie wieder ganz erholen, in andern Fällen ist Sünde die Schuld an gebrochenen Gliedern. Herr, Du gibst den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden; o, so hilf, dass der Lahme hüpfe wie ein Hirsch, und sättige die Deinen mit dem Brot Deines Gnadentisches!

2. Samuel 11, 2.

„Und es begab sich, dass David um den Abend aufstand von seinem Lager und ging auf dem Dach des Königshauses.“

Zur selben Stunde sah David Bathseba. Wir stehen nie außer dem Bereich der Versuchung. Seien wir zu Hause oder außer dem Hause, so sind wir der Gefahr ausgesetzt, der Versuchung zum Bösen zu begegnen; der Morgen bringt seine Gefahren, und die Schatten des Abends finden uns noch immer umgeben von gefährlichen Schlingen. Wen der Herr behütet, der ist wohl bewahrt, aber wehe denen, die hinausgehen in die Welt, oder gar in ihrem eignen Hause wandeln, so sie nicht wohl gewaffnet sind. Wer sich sicher dünkt, ist mehr in Gefahr, denn jeder Andere. Das Selbstvertrauen ist der Waffenträger der Sünde.

David hätte im Kampfe der Kriege des Herrn stehen sollen; statt dessen blieb er aber zu Jerusalem und gab sich einer weichlichen Ruhe hin, denn um den Abend stand er auf von seinem Lager. Müßiges Wesen und Weichlichkeit sind des Teufels Jagdhunde, und treiben ihm reichliche Beute zu. In sumpfigen Gewässern wimmelt schädliches Gewürm, und ein unbebauter Boden lässt bald ein üppiges Gewirre von Disteln und Dornen aufschießen. Ach, welch eine köstliche Liebe erzeigt uns doch der Herr Jesus, wenn er uns tätig und nützlich beschäftigt.

Es ist möglich, dass der König auf das Dach seines Hauses gestiegen war, um zu beten und sich zu sammeln. Wenn dem also ist, wie viel mehr sind wir zur größten Vorsicht aufgefordert, dass wir auch nicht einmal das innerste Heiligtumsollen für gesichert halten vor der Sünde! Wenn denn unser Herz einem Pulverfasse gleicht, das an einem Orte steht, wo dichte Feuerfunken sprühen, so müssen wir allen Fleiß tun aller Orten, dass nicht etwa ein Funke hineinfalle und großes Unheil anrichte. Der Satan kann auch des Hauses Zinne ersteigen, und in unser Gebetskämmerlein sich einschleichen; aber selbst wenn wir diesen argen Feind fern halten könnten, so ist unsere eigene verderbte Natur fähig genug, uns zu Grunde zu richten, wenn uns nicht die Gnade bewahrt. Werde nicht sicher. Die Sonne ging unter, aber die Sünde nicht. Wir bedürfen einen Hüter für die Nacht, wie einen Wächter für den Tag. O, Heiliger Geist, bewahre uns in dieser Nacht vor allem Übel. Amen.(Goldstrahlen, Januar 17)

2. Samuel 15, 23.

„Und der König ging über den Bach Kidron.“

David überschritt diesen schauerlichen Bach, als er mit seinen trauernden Gefährten vor seinem treulosen Sohne floh. Der Mann nach dem Herzen Gottes blieb nicht von Trübsal verschont, vielmehr war sein ganzes Leben eine Kette von Leiden. Er war beides, der Gesalbte des Herrn und der Geprüfte des Herrn. Wie sollten denn wir erwarten, ungeängstigt davon zu kommen? An den Leidenspforten haben die edelsten unsers Geschlechts mit Asche auf dem Haupte geharrt, warumsollten denn wir uns beklagen, als ob uns etwas ganz Sonderliches widerführe?

Der König aller Könige selber durfte auf keiner lieblicheren, auf keiner königlicheren Straße wandeln, Er ging über den schmutzigen Graben des Baches Kidron, der den Unrat der Stadt Jerusalem wegführte. Gott hatte wohl einen Sohn ohne Sünde, aber kein einziges Kind ohne die Rute seiner Heimsuchung. Es ist uns eine große Erquickung, dass wir glauben dürfen, Jesus sei versucht allenthalben gleichwie wir. Was ist nun heute unser Kidron? Ist‘s ein treuloser Freund, ein trauriger Verlust, eine verleumderische Anklage, ein beängstigendes Gefühl? Der König ist durch das alles hindurchgegangen. Oder ist es körperliches Leiden, Armut, Verfolgung, Schmach? Über jeden dieser Kidronbäche ist der König uns vorangeschritten.

„Wer sie ängstigte, der ängstigte Ihn auch.“ Der Gedanke, dass unsre Trübsale etwas Außerordentliches seien, muss ganz und für immer verbannt bleiben, denn Er, der das Haupt aller Heiligen ist, kennt den Schmerz, den wir für so etwas Ungewöhnliches halten, aus eigener Erfahrung. Unter den Zionsbürgern darf sich kein Mitglied aus der Zunft der Kopfhänger finden, denn der Fürst Immanuel ist ihr Haupt und Herzog.

Ungeachtet der Schmach, die David ertragen musste, kehrte er im Triumph in seine Stadt zurück, und so erstand auch Davids Herr siegreich aus dem Grabe; darum lasst uns gutes Mutes sein, denn auch wir werden den Sieg davon tragen. Wir werden mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen, obgleich wir jetzt eine Zeit lang durch den gefährlichen Strom der Sünde und Schmerzen gehen müssen. Mut, ihr Kreuzesstreiter, der König siegte, nachdem Er über den Kidron gegangen war; so siegt auch ihr.

2. Samuel 18, 23.

„Also lief Ahimaaz stracks Weges und kam Chusi zuvor.“

Das Laufen macht nicht alles aus, viel kommt dabei auf den Weg an, den wir einschlagen; ein flüchtiger Fuß fördert nicht so rasch, wenns Berg auf und Tal ab geht, wie ein gemessener, gleicher Gang auf ebener Straße. Wie steht es denn mit meinem geistlichen Lauf? Keuche ich hinauf über die Hügel eigener Werke, und renne ich wieder hinunter in die Schluchten meiner Selbstdemütigung und meiner Vorsätze, oder gehe ich die ebene Straße, die da heißt: „Glaube, so wirst du leben?“ „Wie selig ists doch, im Glauben auf den Herrn harren.“ Die Seele wandelt dahin ohne Ermüden, und schreitet fort ohne Ermatten auf der Bahn des Glaubens. Jesus Christus ist der Weg des Lebens, und Er ist eine ebene Bahn, ein lieblicher Pfad, eine Straße für die wankenden Knie und schwachen Füße zitternder Sünder: werde ich auf dieser Straße erfunden, oder jage ich auf einem andern Wege einher, wie Irrlehre oder falsche Philosophie ihn mir anrühmen? Ich lese von dem Wege der Heiligung, man gehe darauf, dass auch die Toren nicht irren mögen: bin ich nun frei geworden von meiner stolzen Vernunft und wiederum ein Kindlein geworden, das zu Jesu gebracht wird, um in Seiner Liebe und in Seinem Blute Ruhe zu finden? Stehts durch Gottes Gnade also mit mir, dann werde ich den stärksten Läufer überholen, der sich einen andern Pfad erwählt. An diese Wahrheit will ich in meinen täglichen Nöthen und Bedürfnissen zu meinem Heile gedenken. Das ist meine Beste Wegfahrt, wenn ich stracks Weges zu meinem Gott gehe, und nicht unruhig und unstät bald zu dem, bald zu jenem Freunde laufe. Er kennt meine Bedürfnisse und kann sie befriedigen: zu wem sollte ich meine Zuflucht nehmen, als zu Ihm, zu Ihm mit anhaltendem, vertrauensvollem Gebet und zuversichtlicher Berufung auf Seine Verheißung.

Wenn ich diese Stelle lese, so fällt mir dabei ein: wenn die Menschen in gewöhnlichen Dingen es einander suchen zuvorzutun, und Einer den Andern zu überflügeln trachtet, so sollte es mein ernstlichstes Anliegen sein, also zu laufen, dass ich es ergreife. Herr hilf mir, dass ich die Lenden meines Gemüts gürte und vorwärts eile zum Ziel, und das Kleinod meiner hohen göttlichen Berufung in Christo Jesu erlange. (Goldstrahlen, Januar 31)

2 Samuel. 21,10.

„Da nahm Rizpa, die Tochter Aja, einen Cad und breitete ihn auf den Fels von Anfang der Ernte, bis das Wasser vom Himmel über sie troff, und ließ des Tages die Vögel des Himmels nicht auf ihnen ruhen, noch des Nachts die Tiere des Feldes.“

Wenn die Liebe eines Weibes zu ihren erschlagenen Söhnen sie dazu vermochte, ihre Klagetrauer eine so lange Zeit hindurch zu halten, sollen wir müde werden mit dem Betrachten der Liebe unseres hochgelobten Heilandes? Rizpa vertrieb die Raubvögel, und sollen nicht auch wir von unseren Andachtsübungen all jene weltlichen und sündhaften Gedanken ferne halten, welche sowohl unser Gemüt verunreinigen, als die Heiligen Gegenstände entweihen, mit denen sich unser Nachdenken beschäftigt? Weg, ihr unheilige Gezüchte! Lasset das Opfer unberührt! Rizpa ertrug die Sommerhitze, den Nachttau und den Regen; sie blieb obdachlos und einsam. Der Schlaf floh von ihren tränenschweren Augen; ihr Herz war zu voll, um dem Schlummer Einkehr zu gestatten. Sieh, wie sehr sie ihre Kinder liebte! Sollte Rizpa so viel über sich ergehen lassen, und wir sollten bei der ersten geringen Schwierigkeit zurückweichen? Sind wir denn solche Feiglinge, dass wir nicht vermögen mit unserm Herrn zu leiden? Rizpa verscheuchte auch die wilden Tiere, mit einem für ihr Geschlecht ungewöhnlichen Mut, und wir sollten uns nicht bereit finden lassen, um Jesu willen allen Feinden zu widerstehen? Diese ihre Kinder wurden von fremden Händen erschlagen, und doch weinte und wachte sie: was sollen denn wir tun, die wir mit unsern Sünden den Herrn gekreuzigt haben? Unsere Schuld ist unermesslich, so sollte denn unsere Liebe inbrünstig und unsere Reue tief sein. Bei Jesu zu wachen sollte unser Beruf, Seine Ehre zu wahren unser Geschäft, bei Seinem Kreuze zu bleiben unser Trost sein. Jene toten Leichname hätten wohl Rizpa Furcht einflößen können, aber unser Herr, an dessen Kreuz wir liegen, hat nichts Furchtbares für uns, sondern Er zieht uns mächtig an. Wo ist je eine lebendige Schönheit so hinreißend schön, wie der sterbende Heiland? Herr Jesu, wir wollen noch ein wenig bei Dir wachen, und enthülle Du Dich uns gnädiglich; dann sitzen wir nicht im Sack und in der Asche, sondern in einem königlichen Palast. (Goldstrahlen März 31)

2. Samuel 22,29

Denn Du, Herr, bist meine Leuchte. Der Herr wird meine Finsternis licht machen.

Bin ich im Licht? Dann bist du, o Herr, meine Leuchte. Ziehe Dich zurück, und meine Freude wäre dahin; aber so lange Du mit mir bist, kann ich ohne die Fackeln der Zeit und die Kerzen erschaffenen Trostes leben. Was für ein Licht wirft die Gegenwart Gottes auf alle Dinge! Wir hörten von einem Leuchtturm, der zwanzig Meilen weit zu sehen war, aber unser Jahweh ist nicht nur ein naher Gott, sondern in weiter Ferne wird Er gesehen, selbst in des Feindes Land. O Herr, ich bin so glücklich wie ein Engel, wenn Deine Liebe mein Herz füllt. Du bist alles, was ich wünsche.

Bin ich im Finstern? Dann wirst Du, o Herr, meine Finsternis licht machen. Nicht lange, so werden die Dinge sich ändern. Die Sachlage mag immer trauriger werden und Wolke mag sich auf Wolke türmen; aber wenn es so finster wird, dass ich meine eigne Hand nicht sehen kann, so kann ich doch die Hand des Herrn sehen. Wenn ich kein Licht in mir selber oder unter meinen Freunden oder in der ganzen Welt zu finden vermag, so kann doch der Herr, der sprach: „Es werde Licht“ und es wird Licht, wiederum dasselbe sagen. Er wird mit mir noch im Sonnenschein reden. Ich werde nicht sterben, sondern leben. Der Tag bricht schon an. Dieser liebliche Spruch leuchtet wie ein Morgenstern. Ich werde vor Freuden mit den Händen klappen, ehe viele Stunden vergangen sind.

2. Samuel 23, 1.

„David, der Mann, lieblich mit Psalmen Israels.“

Unter allen Heiligen, deren Leben uns in der Heiligen Schrift geschildert wird, ragt David durch eine Lebensführung der merkwürdigsten, wechselvollsten und lehrreichsten Art hervor. In seiner Geschichte begegnen uns Trübsale und Versuchungen, die in solcher Vereinigung bei keinem Heiligen des Alten Bundes sich wiederfinden, und darum ist er ein so äußerst schlagendes Vorbild auf unsern Herrn und Heiland. David erfuhr an sich die Leiden jedes menschlichen Standes und Berufs. Könige haben ihre Prüfungen, und David trug eine Krone; der Landmann hat sein Sorgen, und David handhabte den Hirtenstab; der Wanderer erduldet manche Beschwerlichkeiten, und David hielt sich auf in den Felsklüften und Höhlen zu Engedi; der Heerführer hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen, und David konnte die Söhne Zeru-ja nicht ertragen, sie waren ihm verdrießlich.

Der Mann, lieblich mit Psalmen Israels, wurde auch versucht in seinen Freunden: Ahitophel, der Rat des Königs, verließ und verriet ihn. „Der mein Brot isset, tritt mich mit Füßen.“ Seine schlimmsten Feinde waren seine Hausgenossen; seine Kinder waren sein größtes Kreuz. Die Versuchungen der Armut und des Reichtums, der Ehre und der Schmach, der Gesundheit und der Krankheit: sie alle erprobten ihre Macht an ihm. Versuchungen von außen störten seinen Frieden, Versuchungen von innen untergruben seine Freude. Kaum entrann David einer Trübsal, so überfiel ihn eine andre; kaum erlöst von einer Zeit der Traurigkeit und Trostlosigkeit, wurde er aufs Neue in die tiefsten Tiefen des Elends getaucht, und alle Wellen und Wogen Gottes brachen über ihn herein und bedeckten ihn mit ihren Fluten. Und gerade deshalb wahrscheinlich sind Davids Psalmen so ganz allgemein die Wonne erfahrener Christen. Alle Bewegungen unsres Gemüts, Entzücken und Verzagen, hat David in seinen Erfahrungen genau geschildert. Er war ein tiefer Kenner des menschlichen Herzens, weil er in der besten aller Schulen war erzogen worden, in der Schule der innern, persönlichen Herzenserfahrung. Werden wir in dieser Schule unterrichtet, nehmen wir zu an Alter und Gnade, dann werden uns Davids Psalmen je länger je lieber, und wir erkennen, dass wir hier „geweidet werden auf einer grünen Aue und geführt zum frischen Wasser.“ Meine Seele, möge heute Davids Erfahrung dich erquicken und stärken.

2. Samuel 23, 5.

„Denn Er hat mir einen Bund gesetzt, der ewig.“

Dieser Bund ist göttlich in seinem Ursprung. „Er hat mir einen Bund gesetzt, der ewig.“ O großes Wort, das Wort Er! Halt inne, meine Seele. Gott, der ewige Vater, hat wahrhaftig einen Bund mit dir gemacht; ja, derselbe Gott, der mit einem einzigen Wort die Welt aus dem Nichts hervorrief. Er, der sich freundlich herabneigt aus seiner erhabenen Majestät, fasst dich bei der Hand und macht einen Bund mit dir. Ist das nicht eine Tat, deren erstaunliche Herablassung unsre Herzen ewig entzücken müsste, wenn wir imstande wären, sie zu fassen und zu begreifen? „Er hat mir einen Bund gesetzt.“ Nicht ein König hat mir einen Bund gesetzt; das wäre wahrlich schon viel; sondern der König aller Könige auf Erden, der Herr Zebaoth, der Allgenugsame, der Jehovah der Zeiten, der ewige Gott, „Der hat mir einen Bund gesetzt, der ewig.“ Aber merke, es handelt sich hier um ein besonderes Verhältnis: „Denn Er hat mir einen Bund gesetzt, der ewig.“ Hierin liegt etwas besonders Liebliches für jeden Gläubigen. Es geht mich nichts an, dass Er der Welt Frieden gegeben hat; ich muss wissen, ob Er mit mir Frieden geschlossen hat! Es hat für mich wenig Wert, ob Er einen Bund gesetzt habe; ich muss wissen, ob Er mir einen Bund gesetzt habe. O selige Gewissheit, dass ich nun weiß: „Er hat mir einen Bund gesetzt, der ewig!“ Wenn mir Gott, der Heilige Geist, dies gewiss und fest zusichert, dann ist sein Heil mein, seine Erlösung mein, sein Herz mein, Er selber mein: Er ist mein Gott.

Dieser Bund ist ewig in seiner Dauer. Ein „Bund, der ewig,“ bezeichnet einen Bund, der keinen Anfang hat, und der nie, nie ein Ende nimmt. Wie köstlich ist es doch inmitten aller Vergänglichkeit und Ungewissheit dieser Erde, dass wir wissen: „Der feste Grund Gottes bestehet, und hat dieses Siegel: Der Herr kennet die Seinen.“ Wie köstlich, dass wir Gottes Verheißung haben: „Ich will meinen Bund nicht entheiligen, und nicht ändern, was aus meinem Munde gegangen ist.“ Davon will ich singen, wie David in seinem Tode, ob auch mein Haus nicht so mit Gott wäre, wie mein Herz es wünscht. „Es sollen wohl Berge weichen, und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr.“

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