Spurgeon, Charles Haddon - Andachten über den Psalter - Psalm 41 - 50

Spurgeon, Charles Haddon - Andachten über den Psalter - Psalm 41 - 50

Ps. 41,2

Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt, den wird der Herr erretten zur bösen Zeit.

An die Armen zu denken und sie auf dem Herzen zu tragen, ist eines Christen Pflicht, denn Jesus stellte sie uns zur Seite und legte sie uns nahe, als Er sprach: „Arme habt ihr allezeit bei euch.“

Viele geben ihr Geld den Armen rasch und gedankenlos; noch mehrere geben überhaupt gar nichts. Diese köstliche Verheißung gehört denen, welche sich der Armen annehmen, ihre Lage untersuchen, Pläne zu ihrem Wohle entwerfen und dieselben mit Überlegung ausführen. Wir können mehr durch Sorgfalt als durch Silber tun, und am meisten durch beides zusammen. Denjenigen, die sich der Armen annehmen, verheißt der Herr Seinen eignen Beistand in Zeiten des Leidens. Er will uns aus der Not heraus reißen, wenn wir andren helfen, die in Not sind. Wir werden sehr eigentümliche Fürsorge des Herrn erfahren, wenn Er sieht, dass wir versuchen, für andre zu sorgen. Wir werden eine Zeit der Not haben, wie freigebig wir auch sein mögen; aber wenn wir wohltätig sind, so dürfen wir einen Anspruch auf besondere Errettung geltend machen, und der Herr wird Sein Wort und Seine Handschrift nicht verleugnen. Geizige Filze mögen sich selber helfen, aber sorgsamen und freigebigen Gläubigen wird der Herr helfen. Wie ihr andren getan habt, so wird der Herr euch tun. Leert eure Taschen aus.

Ps. 41,4

Der Herr wird ihn stärken auf seinem Siechbett.

Erinnert euch, dass dies eine Verheißung für den ist, der sich des Dürftigen annimmt. Bist du einer von diesen? Dann eigne dir den Spruch an, aber sonst nicht.

Sieh, wie in der Stunde der Krankheit der Gott der Armen den Mann segnen wird, der für die Armen sorgt! Die ewigen Arme sollen seine Seele aufrecht halten wie freundliche Hände und weiche Kissen den Körper des Kranken aufrecht halten. Wie zart und teilnehmend ist dies Bild; wie nahe bringt es unsren Gott zu unsren Schwachheiten und Krankheiten! Wer hörte dies je von dem alten heidnischen Jupiter oder von den Göttern Indiens oder Chinas? Dies ist eine Sprache, die dem Gott Israels eigentümlich ist; Er ist es, der sich herablässt, Wärterin und Pfleger der Frommen zu werden. Wenn Er mit der einen Hand schlägt, so hält Er mit der andren aufrecht. 0, es ist eine gesegnete Ohnmacht, wenn wir an des Herrn eigne Brust fallen und an ihr getragen werden! Die Gnade ist das Beste Heilmittel; die göttliche Liebe das sicherste Reizmittel für eine Siechen. Sie macht die Seele riesenstark, selbst wenn die Knochen durch die Haut brechen. Kein Arzt gleicht dem Herrn, kein Stärkungsmittel gleicht Seiner Verheißung, kein Wein gleicht Seiner Liebe.

Wenn der Leser seine Pflicht gegen die Armen versäumt hat, so möge er sehen, was er verliert, und sogleich ihr Freund und Helfer werden.

Ps. 42,9

Warum muss ich so traurig gehen?

Kannst du eine Antwort hierauf geben, gläubige Seele? Kannst du irgend einen Grund finden, warum du so oft voller Traurigkeit und nicht voller Freude bist? Warum gibst du traurigen Vermutungen Raum? Wer sagt dir, dass die Nacht sich nie wieder in einen Tagesanbruch enden werde? Wer sagt dir, dass das Meer der Führungen Gottes vertrocknen werde, bis dass nichts mehr übrig bleibe, alle trübe Sümpfe schrecklicher Armut? Wer sagt dir, dass der Winter deiner Widerwärtigkeiten fortgehen werde von Frost zu Frost, von Schnee und Eis und Hagel zu tieferm Schnee, ja zum furchtbaren Sturm der Verzweiflung? Weißt du nicht, dass auf die Nacht ein Tag folgt, dass nach der Ebbe wieder die Flut eintritt, dass der Winter dem Frühling und dem Sommer weichen muss? Darum hoffe, hoffe immerfort! denn Gott verlässt dich nicht. Weißt du nicht, dass Gott dich mitten in allen diesen Stürmen lieb hat? Die Bergesriesen sind wohl in dunkeln Wolken verborgen, aber sie sind dennoch da, und Gottes Liebe trägt dich jetzt so gewiss, als in den schönsten Augenblicken deines Lebens. Ein Vater züchtigt nicht immerfort; der Herr hasst die Zuchtruthe so gut, wie du selber; Er braucht sie nur darum, weil, sie dein ewiges Heil wirken soll, und darumsolltest du sie willig und freudig ertragen. Du sollst ja dennoch mit den Engeln über Jakobs Leiter hinaufsteigen und Den schauen, der oben darauf sitzt, deinen Bundesgott. Du sollst dennoch, inmitten der Herrlichkeiten der Ewigkeit, der Trübsale dieser Zeit vergessen, oder dich ihrer nur erinnern, damit du Gott preisen mögest, der dich durch sie hindurch, geleitet und dein ewiges Heil durch sie gewirkt hat. Komm, singe inmitten deiner Leiden. Freue dich, während du durch den Feuerofen gehest. Lass die Wüste sprossen wie eine Rose! Lass die weite Ebene wiederhallen vom Gesang deiner Freude, denn diese Trübsal, die zeitlich und leicht ist, geht bald vorüber, und dann wirst du „bei dem Herrn sein ewiglich,“ deine Wonne wird nie wieder erblassen.

„Der dich durch Jesum herzlich liebt,
Sucht, wenn er dir dein Herz betrübt,
Der Seele wahre Wonne.
Ja, diese Bahn führt himmelan
Zur ew'gen Gnadensonne.“

(Goldstrahlen Juli 21)

Ps. 45,2

„Du bist der Schönste unter den Menschenkindern.“

Das ganze Wesen und Leben des Herrn Jesu ist wie ein einziges köstliches Kleinod; und all sein Wirken und Wandeln ist ein einziger vollendeter Siegelabdruck. Er ist ganz und gar vollkommen; nicht bloß in all seinen verschiedenen Teilen, sondern als ein herrliches, alles überstrahlendes Ganzes. Sein heiliges Gemüt ist nicht eine wirre Masse von schönen Farben, nicht ein Haufen edler Steine, die ohne alle Ordnung und Sorgfalt aufeinander gelegt sind; Er ist ein Bild voller Schönheit und ein Brustschildlein voller Herrlichkeit. In Ihm ist alles, „was lieblich, was wohl lautet, was etwa ein Lob.“ am rechten Ort, und dient sich gegenseitig zum Schmuck. Nicht ein einziger Zug in seinem herrlichen Wesen tritt auf Kosten der andern hervor, sondern Er ist ganz lieblich, ganz lieblich ist Er. O Jesu! Deine Macht, Deine Gnade, Deine Gerechtigkeit, Deine Zärtlichkeit, Deine Wahrheit, Deine Hoheit und Deine Unwandelbarkeit machen einen solchen Menschen, oder vielmehr solch einen Gottmenschen aus, dass weder Himmel noch Erde je etwas Ähnliches gesehen haben. Deine Kindheit, Deine Ewigkeit, Deine Liebe, Dein Sieg, Dein Tod und Deine Unsterblichkeit sind alle zusammen in einen großen Prachtteppich verwoben, der weder Naht noch Risse hat. Du bist Wohllaut ohne Misston; Du bist mannigfaltig und doch nicht zerteilt; Du bist alles und doch nicht uneins. Gleichwie sich die Gesamtheit aller Farben vereint zu einem herrlichen, harmonischen Regenbogen, so begegnen sich alle Schönheiten Himmels und der Erde in Dir und verschmelzen sich so wunderbar, dass überall nichts Dir gleich ist; ja, wenn alle Tugenden der Alleredelsten in ein Bündlein zusammengebunden würden, so hielte es von ferne noch nicht den Vergleich aus mit Dir, Du Spiegel aller Vollkommenheit. Du bist gesalbt mit dem heiligen Öl aus Myrrhen und Kezia, das dein Gott für Dich allein aufbewahrt hat; und Dein Duft ist wie der heilige Weihrauch; seinesgleichen kann niemand wieder mengen, mit aller Apothekerkunst; jede Spezerei ist Wohlgeruch, aber das Ganze ist ein göttliches Meisterwerk.

„Höchste Schönheit, o, entzünde
Himmelslust in meiner Brust,
Dass ich Dich nur köstlich finde,
O Du, aller Engel Lust!“

Ps. 45,7

„Du hassest gottloses Wesen.“

Zürnet und sündiget nicht. Es kann kaum etwas Gutes in einem Menschen sein, wenn er sich nicht über die Sünde erzürnt; wer die Wahrheit lieb hat und aus der Wahrheit ist, hasst alle falschen Wege. Wie hasste doch unser Herr Jesus die Versuchung so tief, wenn sie sich Ihm nahte! Dreimal stürmte sie in jedesmal andrer Gestalt auf Ihn ein, und jedesmal trat Er ihr mit dem Wort entgegen: „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Er hasste das gottlose Wesen in andern; und das nicht umso weniger von ganzem Herzen, wenn Er auch diesen Hass öfter in Tränen des Mitleids, als in Worten des Vorwurfs ausdrückte; und dennoch könnte keine Sprache strenger, Eliasgleicher sein, als die Worte: „Wehe euch, Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset, und wendet lange Gebete vor.“ Er hasste die Sünde so sehr, dass Er sein Herzblut vergoss, um sie auf den Tod zu verwunden; Er litt den Tod, um sie zum Tode zu bringen; Er ward begraben, damit Er sie mit begraben möchte in seiner Gruft; und Er erstand vom Tode wieder, damit Er sie auf ewig möchte unter seine Füße treten. Christus ist uns im Evangelium geschenkt, und dies Evangelium ist dem gottlosen Wesen in jeder Gestalt abhold und widersteht demselben. Die Gottlosigkeit schmückt sich mit schönen Gewändern und redet mit heuchlerischer Zunge die Sprache der Heiligkeit; aber Jesu gewaltige Lehre treibt, seiner unsanften Geißel aus Stricken gleich, sie zum Tempel hinaus, und mag sie in seiner Gemeinde nicht dulden. Und so ist auch in einem Herzen, wo Christus wohnt, ein erbitterter Krieg zwischen Christus und Belial! Und wenn unser Heiland uns einst als Richter erscheint, dann werden die donnernden Worte: „Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer“ (die in der Tat nichts andres sind, als die Fortsetzung seiner Lehrvorträge über die Sünde), seinen Abscheu vor aller Gottlosigkeit bezeugen. So warm und innig seine Liebe zu den Sündern ist, so heiß ist sein Hass gegen die Sünde; so vollkommen seine Gerechtigkeit ist, so vollständig wird die Vernichtung jeder Art von Bosheit sein. O Du siegreicher Held im Schmuck der Heiligkeit, Du herrlicher Überwinder des Bösen, „Du liebst Gerechtigkeit und hassest gottloses Wesen, darum hat Dich Gott, Dein Gott, gesalbt, mit Freudenöl, mehr denn Deine Gesellen; Dein Stuhl bleibet immer und ewig.“

Ps. 45,12

„Der König wird Lust an deiner Schöne haben.“

Und wem wird ein so hoher Vorzug zu Teil, dem Heiland solche Lust zu bereiten? Seiner Gemeine, Seinem Volk.

Aber ist denn das möglich? Er macht ja uns fröhlich, wie aber können wir Ihm zur Lust und Freude sein? Durch unsere Liebe. Ach! wir wissen, dass sie so kalt, so matt ist; und wahrlich, wir müssen traurig bekennen, dass es so ist, und dennoch ist sie unserm Heiland so süß. Hört, wie Er selbst diese Liebe im Hohen Liede preist: „Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut; deine Liebe ist lieblicher denn Wein!“ Sieh, liebende Seele, wie Er sich über dich freut. Wenn du mit deinem Haupt an Seiner Brust liegst, so empfängst du nicht nur, sondern du gibst Ihm auch Wonne. Wenn du mit Blicken der Liebe Sein glorreiches Angesicht betrachtest, dann empfängst du nicht bloß Trost, sondern gewährst süßes Entzücken. Auch unser Lob und Preis verursacht Ihm Freude und Lust; nicht der Gesang der Lippen nur, sondern der Wohlklang tiefgefühlter Herzensdankbarkeit. Auch unsere Gaben sind Ihm unvergleichlich angenehm; wie gern hat Ers, wenn wir unsere Zeit, unsere Kraft, unser Vermögen auf Seinen Altar legen, nicht als ob unsere Gabe hohen Wert hätte, sondern wegen der Gemütsstimmung, aus welcher solche Gabe entspringt. Ihm sind die bescheidenen Gaben Seiner Heiligen angenehmer, als Tausende von goldenen und silbernen Kostbarkeiten. Heiligkeit des Sinnes gilt Ihm als Weihrauch und Myrrhen. Vergib deinem Feinde, so erfreust du Christum, deinen Herrn; gib den Armen, so bereitest du Ihm Wonne; hilf Seelen für Sein Reich gewinnen, so gibst du ihm die Frucht Seiner Seelenarbeit zu schmecken; bezeuge Sein Evangelium, so bist du Ihm eine süße Salbe; gehe unter die Unwissenden und rühme das Kreuz, so bereitest du Ihm Ehre und Preis. Und gerade auch jetzt vermagst du das köstliche Salbenglas zu zerbrechen, und die Narde auf Sein Haupt auszuschütten, wie vor Alters jenes Weib, dessen man eingedenk ist bis auf diesen Tag überall, wo dies Evangelium gepredigt wird. Willst du denn zurückbleiben? Willst du nicht deinen teuern Herrn und Heiland salben mit köstlichem Freudenöl, mit Myrrhen und Aloe und Kezia vom Lobe deines Herzens? Ja, ihr elfenbeinernen Paläste, ihr sollt erschallen vom Lobgesang der Heiligen. (Goldstrahlen Februar 15)

Ps. 46,1

„Eine Hilfe.“

Bundesgüter und Bundesgnaden sollen wir nicht nur anschauen, sondern sie uns auch aneignen. Dazu ist ja gerade der Herr Jesus uns geschenkt, dass wir Ihn in unsren Bedürfnissen brauchen sollen. Liebe gläubige Seele, du brauchst Christum nicht, wie du solltest. Wenn du in Nöten bist, warum erzählst du Ihm da nicht alles, was dich drückt? Hat Er nicht ein mitleidiges Herz, und kann Er dich denn nicht trösten und erquicken? Nein, da gehst du zu allen deinen Freunden, nur zu deinem besten Freunde nicht, und schüttest dein Herz überall aus, nur nicht in den Busen deines Heilandes? Drücken dich die Sünden des heutigen Tags? Hier ist ein Brunnen, gefüllt mit Blut: Brauche ihn, Lieber, brauche ihn. Lastet ein Schuldgefühl auf dir? Die vergebende Gnade Jesu bewährt sich immer aufs neue wieder. Willst du rein werden, so komm einmal zu Ihm. Klagst du über deine Untüchtigkeit? Er ist deine Stärke, warum stützt du dich nicht auf Ihn? Fühlst du dich nackt und bloß? Komme hierher, liebe Seele, ziehe an den Rock der Gerechtigkeit Christi. Bleibe nicht staunend davor stehen, sondern trage ihn. Ziehe deine eigne Gerechtigkeit aus und deine Ängste mit: kleide dich mit der feinen Seide, denn sie ist für dich zum Tragen bestimmt. Fühlst du dich krank? Dann läute die Abendglocke des Gebets, und rufe den lieben Arzt herbei! Er gibt dir die Stärkung, die du bedarfst zu deiner Genesung. Du bist arm; aber in Ihm hast du einen reichen und mächtigen Verwandten. Wie, willst du nicht zu Ihm gehen und Ihn bitten, dass Er dir seinen Überfluss schenke, weil Er dir doch die Verheißung gegeben hat, dass du sollst sein Miterbe sein und teilhaben an allem, was Er ist, und was Er hat? Nichts missfällt deinem Herrn Christus mehr, als wenn die Seinen nur ein Schaustück aus Ihm machen und Ihn nicht brauchen wollen. Je größere Lasten wir seinen Schultern aufladen, umso köstlicher wird Er uns.

„Mein alles, was ich liebe,
Mein alles, was ich übe,
Sei mein Herr Jesus Christ;
Weil ich in Ihm besitze,
Was einer Seele nütze,
Was einem Menschen köstlich ist!“

Ps. 46,2

„Gott ist unsre Zuflucht und Stärke, eine sehr gegenwärtige Hilfe in der Not.“

Eine Hilfe, die nicht da ist, wenn wir sie brauchen, ist von geringem Wert. Der Anker, der zu Hause gelassen ist, nützt dem Seemann nichts in der Stunde des Sturms; das Geld, was er zu haben pflegte, hat keinen Wert für den Schuldner, wenn die Klage wider ihn erhoben wird. Sehr wenige irdische Helfer könnten „sehr gegenwärtig“ genannt werden: sie sind gewöhnlich fern, wenn man sie sucht, fern, wenn man sie braucht, und noch ferner, wenn man sie einmal gebraucht hat. Der Herr, unser Gott, aber ist gegenwärtig, wenn wir Ihn suchen, gegenwärtig, wenn wir Ihn brauchen, und gegenwärtig, wenn wir uns schon seines Beistandes erfreut haben.

Er ist mehr als „gegenwärtig“, Er ist sehr gegenwärtig: Gegenwärtiger, als der nächste Freund sein kann, denn Er ist in uns in unserer Not; gegenwärtiger, als wir uns selber sind, denn uns fehlt es zuweilen an Gegenwart des Geistes. Er ist immer gegenwärtig, wirksam gegenwärtig, teilnehmend gegenwärtig, ganz und gar gegenwärtig. Er ist jetzt gegenwärtig, wenn dies eine trübe Zeit ist. Lasst uns auf Ihn bauen. Er ist unsre Zuflucht, wir wollen uns in Ihm verbergen; Er ist unsre Stärke, wir wollen uns mit Ihm bekleiden; Er ist unsre Hilfe, wir wollen uns auf Ihn lehnen; Er ist unsre sehr gegenwärtige Hilfe, lasst uns jetzt in Ihm ruhen.

Wir brauchen keinen Augenblick Sorge haben und keine Minute Furcht. „Der Herr Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.“

Psalm 46, 2.

Eine Hilfe.

Bundesgüter und Bundesgnaden sollen wir nicht nur schauen, sondern sie uns auch aneignen. Dazu ist ja gerade der Herr Jesus uns geschenkt, dass wir Ihn in unsern Bedürfnissen brauchen sollen. Liebe, gläubige Seele, du brauchst Christum nicht, wie du solltest. Wenn du in Nöthen bist, warum erzählst du Ihm da nicht Alles, was dich drückt? Hat Er nicht ein mitleidiges Herz und kann Er dich denn nicht trösten und erquicken? Nein, da gehst du zu allen deinen Freunden, nur zu deinem besten Freunde nicht, und schüttest dein Herz überall aus, nur nicht in den Busen deines Heilandes. Drücken dich die Sünden des heutigen Tages? Hier ist ein Brunnen, gefüllt mit Blut: Brauch' ihn, Lieber, brauch ihn. Lastet ein Schuldgefühl auf dir? Die vergebende Gnade Jesu bewährt sich immer aufs Neue wieder. Willst du rein werden, so komm einmal zu Ihm. Klagst du über deine Untüchtigkeit? Er ist deine Stärke, warum stützest du dich nicht auf Ihn? Fühlst du dich nackt und bloß? Komme hieher, liebe Seele, ziehe an den Rock der Gerechtigkeit Christi. Bleibe nicht staunend davor stehen, sondern trage ihn. Ziehe deine eigene Gerechtigkeit aus, und deine Ängste mit: kleide dich mit der feinen Seide, denn sie ist für dich zum Tragen bestimmt. Fühlst du dich krank? Dann läute die Abendglocke des Gebets, und rufe den lieben Arzt herbei! Er gibt dir die Stärkung, die du bedarfst zu deiner Genesung. Du bist arm; aber dann hast du einen reichen und mächtigen Verwandten. Wie! willst du nicht zu Ihm gehen und Ihn bitten, dass er dir Seinen Überfluss schenke, weil Er dir doch die Verheißung gegeben hat, dass du sollst Sein Miterbe sein, und Teil haben an Allem, was Er ist und was Er hat? Nichts missfällt deinem Herrn Christus mehr, als wenn die Seinen nur ein Schaustück aus Ihm machen und Ihn nicht brauchen wollen. Je größere Lasten wir Seinen Schultern aufladen, umso köstlicher wird Er uns.

„Mein Alles, was ich liebe,
Mein Alles, was ich übe,
Sei mein Herr Jesus Christ;
Weil ich in Ihm besitze,
Was einer Seele nütze,
Was einem Menschen köstlich ist!“

(Goldstrahlen Mai 3)

Ps. 47,4

„Er erwählet uns unser Erbteil.“

Gläubiger Bruder, wenn dir ein bescheidenes Los zugefallen ist, so gib dich nur zufrieden mit deinem irdischen Erbteil, denn das darfst du sicher glauben, dass es das geeignetste für dich ist. Die unfehlbare Weisheit hat dir dein Los zugeteilt und dich mit Vorbedacht in solche Verhältnisse gestellt, die zu deinem Besten dienen müssen. Ein Schiff mit schwerer Fracht soll flussaufwärts geschafft werden; an einer bestimmten Stelle befindet sich eine Sandbank; sollte da nun jemand noch fragen wollen, warum der Kapitän der tiefsten Stelle des Flussbettes folgt und dieser zuliebe einen Umweg einschlägt? Er würde zur Antwort erhalten: „Weil das Schiff gar nicht an den Ort seiner Bestimmung gelangen könnte, wenn man nicht das tiefste Fahrwasser einhielte.“ Und so würdet vielleicht auch ihr auf der Sandbank auffahren und Schiffbruch erleiden, wenn euch euer göttlicher Schiffshauptmann nicht durch die Tiefen der Trübsal führte, wo die Wogen der Heimsuchung in kurzen Fristen aufeinander folgen. Manche Pflanzen sterben ab, wenn sie zu viel dem Sonnenschein ausgesetzt sind. Vielleicht bist du auch an einer Stelle gepflanzt, wo dich die Sonne des Glücks wenig bescheint; aber ein liebender Hausvater hat dich dahin versetzt, weil du nur in dieser Lage vollkommene Früchte zu bringen vermagst. Bedenke es wohl, dass, wenn irgend eine andre Lage dir heilsamer gewesen wäre, so hätte dich die göttliche Liebe gewiss dorthin gepflanzt. Du bist von Gott in die zweckmäßigsten Umstände versetzt, und wenn du dir dein Los selber wählen dürftest, so würdest du bald ausrufen: „Herr, erwähle mir mein Erbteil, denn mein Eigenwille verursacht mir viele Schmerzen.“ Sei zufrieden mit dem, was dir zugefallen ist, weil der Herr alle Dinge zu deinem Besten erkoren hat. Nimm dein tägliches Kreuz auf dich, es ist die Beste Last, die deine Schultern zu tragen imstande sind, und beweist sich kräftig, dich tüchtig zu machen in allem guten Wort und Werk zu Gottes Ehre. Stille, du geschäftiger Eigenwille, ruhig, du stolze Ungeduld! Es ist nicht deine Sache, dein Erbteil zu erwählen, sondern des Herrn der Liebe.

„Er nimmt und gibt,
weil Er uns liebt;
Lasst uns in Demut schweigen,
Und vor dem Herrn uns beugen!“

Ps. 47,5

„Er soll unser Erbteil für uns wählen.“

Unsre Feinde würden uns ein trauriges Teil anweisen, aber wir sind nicht ihren Händen überlassen. Der Herr wird uns unser Teil zumessen, und unser Platz ist von seiner unendlichen Weisheit bestimmt. Ein weiserer Geist als der unsre ordnet unser Schicksal. Das Anordnen aller Dinge ist Gottes Sache, und wir sind froh, dass es so ist; wir wählen, dass Gott für uns wählen möge. Wenn wir unsren eignen Willen haben könnten, so würden wir wünschen, dass alles nach Gottes Willen ginge.

Da wir uns unserer eignen Torheit bewusst sind, begehren wir nicht, unser eigenes Schicksal zu leiten. Wir fühlen uns sicherer und leichter, wenn der Herr unser Schiff steuert, als wir uns zu fühlen vermöchten, wenn wir uns nach unsrem eigenen Urteil lenken könnten. Freudig überlassen wir die leidensvolle Gegenwart und die unbekannte Zukunft unsrem Vater, unsrem Heiland, unsrem Tröster.

O meine Seele, lege heute deine Wünsche zu Jesu Füßen nieder! Wenn du in letzter Zeit etwas eigenwillig und widerspenstig gewesen bist, und begehrt hast, nach deinem eignen Sinn zu handeln, so lass jetzt dein törichtes Ich fahren und lege die Zügel in die Hände des Herrn! Sprich: „Er soll für mich wählen.“ Wenn andre die unumschränkte Macht des Herrn bestreiten und den freien Willen des Menschen rühmen, so antworte du ihnen: „Er soll für mich wählen.“ Es ist meine freieste Wahl, Ihn wählen zu lassen. Als ein Wesen mit freiem Willen erwähle ich, dass Er unumschränkte Herrschaft haben soll.

Ps. 48,15

Er führt uns wie die Jugend.

Wir brauchen Leitung! Zuweilen gäben wir alles, was wir besitzen, darum, wenn man uns sagte, was wir tun und wohin wir uns wenden sollen. Wir haben den Willen, das Rechte zu tun, aber wir wissen nicht, welchem der zwei Wege wir folgen sollen. O, dass wir geleitet würden!

Der Herr, unser Gott, lässt sich herab, uns zu leiten. Er kennt den Weg und will uns hindurchsteuern, bis wir das Ende unserer Reise in Frieden erreichen. Gewiss, wir wünschen keine unfehlbarere Leitung. Wir wollen uns gänzlich unter seine Führung stellen, dann werden wir nie unsres Weges verfehlen. Lasst Ihn unsren Gott sein, so werden wir finden, dass Er unser Leiter wird. Wenn wir Seinem Gesetz folgen, werden wir die rechte Straße des Lebens nicht verfehlen, falls wir zuerst lernen, bei jedem Schritt, den wir tun, uns auf Ihn zu lehnen.

Unser Trost ist, dass Er, da Er unser Gott immer und ewiglich ist, niemals aufhören wird, als unser Leiter bei uns zu sein. Bis zum Tode will Er uns leiten, und dann sollen wir auf ewig bei Ihm weilen und „nicht mehr hinausgehen“. Diese Verheißung göttlicher Führung schließt lebenslange Sicherheit ein: Errettung sogleich, Führung bis zu unserer letzten Stunde und dann endlose Seligkeit. Sollte nicht jeder von uns dies in der Jugend suchen, in den mittleren Jahren sich darüber freuen und im Alter darin ruhen? Heute lasst uns hinaufblicken mit der Bitte um Führung, ehe wir es wagen, aus dem Hause zu gehen.

Ps. 50,15

„Und rufe mich an am Tage der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.“

Dies ist in der Tat eine Verheißung! Hier ist eine dringende Gelegenheit - „der Tag der Not“. Es ist dunkel am Mittag an einem solchen Tage, und jede Stunde scheint schwärzer, als die, welche vorherging. Dann ist die Zeit für diese Verheißung; sie ist geschrieben für den wolkichten Tag.

Hier ist herablassender Rat: „Rufe mich an.“ Wir sollten der Ermahnung nicht bedürfen; es sollte unsre beständige Gewohnheit den ganzen Tag lang und jeden Tag sein. Was für eine Gnade, dass es uns freisteht, Gott anzurufen! Was für eine Weisheit, guten Gebrauch davon zu machen! Wie töricht, hinter Menschen herzulaufen! Der Herr fordert uns auf, unsre Sache Ihm vorzulegen, und gewiss wollen wir nicht zögern, es zu tun.

Hier ist ermutigende Zusicherung: „Ich will dich erretten.“ Was auch die Not sein mag, der Herr macht keine Ausnahmen, sondern verheißt völlige, sichere, fröhliche Errettung. Er will selber durch seine eigne Hand unsre Errettung herbeiführen. Wir glauben es, und der Herr ehrt den Glauben.

Hier ist ein Endresultat: „Du sollst mich preisen.“ Ah! das wollen wir von ganzem Herzen tun. Wenn Er uns errettet hat, wollen wir Ihn laut preisen; und da Er es sicherlich tun. wird, so lasst uns sogleich beginnen, Ihn zu erheben.

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