Spurgeon, Charles Haddon - Psalm 37

Spurgeon, Charles Haddon - Psalm 37

- Ein Psalm Davids. Erzürne dich nicht über die Bösen; sei nicht neidisch auf die Übeltäter. - Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. - Hoffe auf den Herrn und tue Gutes; bleibe im Lande und nähre dich redlich. - Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. - Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wirds wohlmachen - und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag. - Sei stille dem Herrn und warte auf ihn; erzürne dich nicht über den, dem sein Mutwille glücklich fortgeht. - Steh ab vom Zorn und lass den Grimm; erzürne dich nicht, dass du nicht auch übel tust. - Denn die Bösen werden ausgerottet; die aber des Herrn harren, werden das Land erben. - Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nimmer; und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein. - Aber die Elenden werden das Land erben und Lust haben in großem Frieden. - Der Gottlose droht dem Gerechten und beißt seine Zähne zusammen über ihn. - Aber der Herr lacht sein; denn er sieht, dass sein Tag kommt. - Die Gottlosen ziehen das Schwert aus und spannen den Bogen, dass sie fällen den Elenden und Armen und schlachten die Frommen. - Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen, und ihr Bogen wird zerbrechen. - Das wenige, das ein Gerechter hat, ist besser als das große Gut vieler Gottlosen. - Denn der Gottlosen Arm wird zerbrechen; aber der Herr erhält die Gerechten. - Der Herr kennt die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben. - Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit, und in der Teuerung werden sie genug haben. - Denn die Gottlosen werden umkommen; und die Feinde des Herrn, wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue, werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht. - Der Gottlose borgt und bezahlt nicht; der Gerechte aber ist barmherzig und gibt. - Denn seine Gesegneten erben das Land; aber seine Verfluchten werden ausgerottet. - Von dem Herrn wird solches Mannes Gang gefördert, und er hat Lust an seinem Wege. - Fällt er, so wird er nicht weggeworfen; denn der Herr hält ihn bei der Hand. - Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen oder seinen Samen nach Brot gehen. - Er ist allezeit barmherzig und leihet gerne, und sein Same wird gesegnet sein. - Lass vom Bösen und tue Gutes und bleibe wohnen immerdar. - Denn der Herr hat das Recht lieb und verlässt seine Heiligen nicht; ewiglich werden sie bewahrt; aber der Gottlosen Same wird ausgerottet. - Die Gerechten erben das Land und bleiben ewiglich darin. - Der Mund des Gerechten redet die Weisheit, und seine Zunge lehrt das Recht. - Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen; seine Tritte gleiten nicht. - Der Gottlose lauert auf den Gerechten und gedenkt ihn zu töten. - Aber der Herr lässt ihn nicht in seinen Händen und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilt wird. - Harre auf den Herrn und halte seinen Weg, so wird er dich erhöhen, dass du das Land erbest; du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden. - Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum. - Da man vorüberging, siehe, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da ward er nirgend gefunden. - Bleibe fromm und halte dich recht; denn solchem wirds zuletzt wohl gehen. - Die Übertreter aber werden vertilgt miteinander, und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet. - Aber der Herr hilft den Gerechten; der ist ihre Stärke in der Not. - Und der Herr wird ihnen beistehen und wird sie erretten; er wird sie von den Gottlosen erretten und ihnen helfen; denn sie trauen auf ihn.

Überschrift

„Ein Psalm Davids.“ David hat diesen Psalm im Alter verfasst (Vers 25). Er berichtet aus dem reichen Schatz seiner Erfahrung. Inhalt: Der Psalm behandelt das große Rätsel, warum es den Gottlosen so gut geht und die Gerechten soviel leiden müssen. Diese Frage wird im Licht der Zukunft betrachtet. Der Herr beschwichtigt liebevoll die Klagen seines Volkes. Er beruhigt ihre Herzen in all den Fragen, die sie über seine Handlungsweise haben. Der Psalm enthält acht wichtige Lebensregeln, zwei Beispiele aus dem Leben des Dichters und bringt eine Fülle von bemerkenswerten Kontrasten.

Einteilung

Der Psalm hat keine klare Einteilung. Er gleicht einem Kapitel aus dem Buch der Sprüche; die meisten Verse bilden ein Ganzes für sich. Die Verse sind alphabetisch nach den Buchstaben des hebräischen Alphabets angeordnet. Das sollte nicht nur Dichtkunst sein, sondern auch eine Hilfe für das Gedächtnis.

Auslegung

V. 1 Der Psalm beginnt mit der ersten Lebensregel. Leider meinen Gläubige in Zeiten der Trübsal oft, dass Gott sehr hart mit ihnen umgeht, während unehrliche und gottlose Menschen im Glück schwimmen. Da ist die Aufforderung sehr nötig:

„Erzürne dich nicht über die Bösen.“ Ereifere dich nicht, brenne und rauche nicht, werde nicht zornig. Wir neigen dazu, wütend zu werden, wenn wir Gesetzesbrecher auf dem hohen Ross sitzen sehen, während gehorsame Untertanen den Staub treten müssen. Nur in der Schule der Gnade lernt man, dann ruhig zu bleiben. Da lernen wir, die widersinnigsten Führungen mit demütiger Gelassenheit anzunehmen, weil wir wissen, dass Gott in allen seinen Taten gerecht ist. „Sei nicht neidisch auf die Übeltäter.“ Das ist der gleiche Rat wie der erste, nur in einer anderen Form. Wenn wir arm, verachtet und in großer Not sind, wird unser alter Adam neidisch auf die Reichen und Angesehenen. Wenn wir uns außerdem bewusst sind, dass wir gerechter sind als sie, kommt der Teufel ganz bestimmt mit lästerlichen Gedanken in unser Herz. Böse Menschen sollte man mit Abscheu und Schrecken betrachten, aber niemals beneiden. Leider faszinieren ihre reich gedeckten Tische und goldenen Schmuckstücke unsere Augen schnell. Aber wer beneidet einen fetten, bunt bekränzten Ochsen, der zur Schlachtbank geführt wird? Dieses Bild trifft wirklich den Kern der Sache, denn die Reichen ohne Gott werden zum Schlachttag gemästet wie das Vieh.

V. 2 „Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen.“ Die Sichel des Todes wird geschliffen. Üppig wächst das Gras, aber schnell kommt die Sichel. Die Vernichtung der Gottlosen bricht überraschend, schnell und unwiderstehlich herein. Das Gras kann dem Schnitter nicht widerstehen oder entfliehen. „Und wie das grüne Kraut werden sie verwelken.“ In großer Sonnenhitze vergeht die Schönheit der Felder. So vergeht die ganze Pracht der Bösen in der Stunde ihres Todes. Der Tod nimmt die gottlosen Menschen dahin wie die Sichel das Gras. Der Zorn Gottes lässt sie verwelken wie das Heu. Der Gottlose stirbt, und sein Name ist ausgelöscht. Ist es der Mühe wert, sich über solche Eintagsfliegen aufzuregen? Die Gläubigen aber tragen einen lebendigen und unverweslichen Samen in sich. Sie leben und bleiben für immer. Warum sollten sie Menschen beneiden, die nichts als Fleisch sind und deren Herrlichkeit vergeht wie das Gras?

V. 3 „Hoffe auf den Herrn.“ Das ist die zweite Lebensregel. Sie passt gut hierher. Glaube heilt vom Zorn. Unsere natürlichen Augen sehen die Dinge, wie sie zu sein scheinen; aber der Glaube hat schärfere Augen und sieht die Dinge, wie sie wirklich sind. „Und tue Gutes.“ Echter Glaube zeigt sich im tätigen Gehorsam. Gutes tun ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel gegen den Groll. Wer Gutes tut, lernt eine Freude kennen, die allen Rost der Unzufriedenheit wegnimmt. „Bleibe im Lande und nähre dich redlich.“ (Nach dem Englischen: So wirst du im Lande wohnen.) In dem Land, in dem Milch und Honig fließt, in dem Kanaan des Bundes. Du sollst nicht in der Wüste des Murrens und Hadems herumirren, sondern in dem verheißenen Land der Zufriedenheit und Ruhe wohnen. „Denn wir, die wir glauben, gehen ein in die Ruhe“ (Hebr. 4, 5). Viele äußerlichen Dinge hängen vom Innerlichen ab. Wenn der Himmel im Herzen ist/ wird der Himmel im Hause sein. „Und nähre dich redlich.“ (Nach dem Englischen: Und wahrlich, du sollst gespeist werden.) Der Aufrichtigkeit und dem Glauben wird alles zum Leben Notwendige zugesichert. Der gute Hirte versorgt alle Gläubigen. Wahrlich, sie sollen gespeist werden, und sie sollen mit Wahrheit und Treue gespeist werden. Die Verheißungen Gottes sind für die Gläubigen ein ständiges Festmahl. Weder in geistlichen noch in irdischen Dingen soll ihnen irgend etwas mangeln.

V. 4 Diese Lebensregel führt uns eine Stufe höher hinauf. Zuerst wurden wir ermannt, nicht zu zürnen; dann folgte die Aufforderung, dem Herrn zu vertrauen, und nun wird uns gesagt, dass wir uns mit heiliger Freude an Gott erfreuen sollen. „Habe deine Lust am Herrn.“ Mache den Herrn zur Freude deines Herzens. Schlechte Menschen suchen Befriedigung in fleischlichen Freuden. Beneide sie nicht, wenn sie sich ausgiebig an eitlen Götzen erfreuen. Schau du den Herrn an, der eine bessere Freude ist, und habe deine Lust an ihm. Dann wirst du böse Menschen nicht mehr beneiden, sondern bedauern. Es ist kein Platz mehr in unseren Herzen für Zorn und Groll, wenn der Herr unser Herz ganz einnimmt. Jeder Name, jede Eigenschaft, jedes Wort und jede Tat des Herrn soll Grund unserer Freude sein. „Der wird dir geben, was dein Herz wünscht.“ Eine angenehme Pflicht wird durch eine weitere Freude belohnt. Wer seine Freude am Herrn hat, fragt und erbittet nichts weiter als das, was ihm gefällt. Man kann dem Herrn ruhig einen Blankoscheck geben. Wer seinen Willen dem Willen Gottes untergeordnet hat, darf haben, was er will. Hier sind nicht unsere gelegentlichen Wünsche gemeint, sondern unser innerstes Wesen. Es gibt viele Dinge, die wir uns wünschen; aber wir bitten nicht darum, weil Gott es nicht will.

V. 5 „Befiehl dem Herrn deine Wege.“ Wälze die ganze Last deines Lebens auf den Herrn. Überlass dem Herrn nicht nur deine augenblicklichen Sorgen, sondern deine gesamten Kümmernisse. Übergib ihm den ganzen Verlauf deines Lebens. Wirf alle Besorgnis fort, entsage deinem Eigenwillen, unterwirf dem Herrn dein Urteilsvermögen; überlass alles Gott, der alles besitzt und alles weiß. Welch hohe Weisheit enthält diese vierte Lebensregel! Welch ein Heilmittel ist das gegen allen Neid in uns! Wie glücklich muss der Mensch sein, der Tag für Tag dieses Wort beherzigt! „Und hoffe auf ihn; er wirds wohl machen.“ Der Landmann sät und eggt und überlässt dann die Ernte dem Wirken Gottes. Was könnte er sonst tun? Er kann keine Wolken heraufführen, er kann keinen Regen machen, er kann die Sonne nicht aufgehen lassen, er kann keinen Tau schaffen. Er tut gut daran, die ganze Sache Gott zu überlassen. Auch für uns besteht die höchste Weisheit darin, gehorsam und vertrauensvoll alles Gott zu übergeben, das weitere in seinen Händen zu lassen und einen gesegneten Ausgang der Dinge abzuwarten.

V. 6 „Und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht.“ Wenn es um unser Ansehen und unsere persönliche Ehre geht, sollen wir besonders still und zurückhaltend sein. Gerade in persönlichen Angelegenheiten sollen wir unsere Rechtfertigung dem Richter aller Welt überlassen. Je mehr wir uns aufregen, desto schlechter ist es für uns. Unsere Kraft liegt im Stillsein. Der Herr selbst wird die Verleumdeten rechtfertigen. Wenn es uns um seine Ehre zu tun ist, wird er sich auch um unsere Ehre kümmern. Wenn unser Glaube lernt, Verleumdung mit Geduld zu ertragen, wird der Schmutz nicht an uns haften bleiben, sondern wie ein Schneebau an einer Wand aus Granit abfallen. Selbst in den schlimmsten Fällen, wenn unser guter Ruf eine Zeitlang geschändet wird, schickt Gott Licht. Das Licht wird immer heller, bis wir wieder allgemein geachtet werden. „Und dein Recht wie den Mittag.“ Nicht ein Schatten der Schande soll übrigbleiben. Aller Kummer und alle Schande weicht.

V. 7 „Sei stille dem Herrn.“ Diese fünfte Lebensregel ist besonders wichtig und erfordert viel gnädige Hilfe des Herrn. Jeder Gläubige sollte danach streben, seinen unruhigen Geist zu beschwichtigen, vor dem Herrn still zu bleiben und mit heiliger Geduld darauf zu warten, dass Gott alle dunklen Führungen der Vorsehung aufklärt. „Und Aaron schwieg stille“ (5. Mose 10, 5). „Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn du hast es getan“ (PS. 59, 10). Eine schweigsame Zunge beweist nicht nur einen weisen Verstand, sondern auch ein geheiligtes Herz. „Und warte auf ihn.“ Zeit bedeutet nichts bei Gott; Zeit soll auch für uns nichts bedeuten. Es lohnt sich, auf Gott zu warten. Er kommt nicht zu früh und nicht zu spät. „Erzürne dich nicht über den, dem sein Mutwille glücklich fort' geht.“ Es ist eine unnötige Belastung, wenn man sich über den Erfolg der Gottlosen aufregt. Lass dich nicht zu vorzeitigen Urteilen hinreißen. Dadurch bereitest du Gott Unehre und dir selbst Kopfschmerzen. Wenn die Gottlosen auch noch so glänzende Erfolge haben: Sei fest entschlossen, das nicht zu Herzen zu nehmen und keine Fragen über die Gerechtigkeit und Güte des Herrn aufkommen zu lassen. Und wenn alle Pläne der Gottlosen mit Erfolg gekrönt sind und deine eigenen Pläne zerstört werden, so erweist sich Gottes Liebe doch mehr in deiner Niederlage als in ihren Erfolgen.

V. 8 „Steh ab vom Zorn und lass den Grimm.“ Sei nicht wütend über die Führungen Gottes. Ärgere dich nicht über die zeitlichen Vergnügen derer, die doch so bald ihres Glücks beraubt werden. Aller Zorn ist Wahnsinn. Weil Zorn und Grimm uns aber immer wieder packen wollen, ist es nötig, dass wir bewusst und entschlossen davon Abstand nehmen. „Erzürne dich nicht, dass du nicht auch übel tust.“ Lass dich unter keinen Umständen dazu verführen. Zorn bringt an den Abgrund schwerer Sünde. Viele gerieten in tiefe Sünde, weil sie in ihrem Herzen Groll genährt haben und ihr vermeintliches Recht zurückerobern wollten. Hüte dich davor, gegen andere zu sticheln. Achte darauf, dass du selbst auf dem rechten Weg bist! Wie du dich vor äußeren Sünden fürchtest, zittere auch vor dem inneren Groll.

V. 9 „Denn die Bösen werden ausgerottet.“ Ihr Tod ist ein Strafgericht. Es ist nicht ein sanftes Versetzen in ein höheres Dasein, sondern eine Hinrichtung durch das Schwert der Gerechtigkeit. „Die aber des Herrn harren“ - die in geduldigem Glauben ihr Erbteil im jenseitigen Leben erwarten - „werden das Land erben.“ Der Sieg und alle Herrlichkeit gehört ihnen. Leidenschaft genießt alle guten Dinge jetzt, und die sind schnell vergangen; Geduld erhält alle guten Dinge zuletzt, und die währen ewig.

V. 10 „Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nimmer.“ Die Bösen werden durch Gottes Gerichte häufig gerade dann vernichtet, wenn sie zu Größe und Pracht gekommen sind. Ihre Reichtümer zergehen, ihre Macht zerfällt, ihr Glück wird zerschlagen und sie selber zerstört. Sie sinken dahin und gehören nicht mehr unter die Lebenden. Die Kürze des Lebens zeigt uns, dass der Flitterkram der Gottlosen kein echtes Gold ist. Warum beneidest du Menschen, die bald unter der Erde, und noch tiefer, liegen werden? „Und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein.“ Sein Haus ist leer, sein Amt vakant, sein Besitz ohne Besitzer. Er wird völlig ausgelöscht. Vielleicht hat er sich durch Ausschweifungen selber zugrunde gerichtet und aufs Sterbebett gebracht. Er ist verschwunden wie eine vorübergezogene Wolke und vergessen wie ein Traum. Wo ist sein Prahlen geblieben? Wo sind Pomp und Gepränge?

V. 11 „Aber die Elenden werden das Land erben.“ (Elberfelder Übersetzung: „Aber die Sanftmütigen werden das Land besitzen“) Sie vor allen anderen sollen sich über das Leben freuen. Vielleicht leiden sie heute; aber die Tröstungen werden ihre Trübsale weit übertreffen. „Das Land erben“ heißt: Sie erhalten alle Vorrechte des Bundes und das ganze Heil Gottes. Die wirklich Demütigen erhalten ihr Erbteil zusammen mit den Erben der Gnade, denen die ganze Fülle des Guten durch ein heiliges Geburtsrecht gehört. „Und Lust haben in großem frieden.“ Frieden lieben sie, und Frieden sollen sie haben. Sie wollen keine Menge Geld oder Gold; die Fülle des Friedens ist ihnen viel lieber. Andere haben ihre Lust am Streiten und beschwören dadurch ihr Unglück selbst herauf. Aber Frieden führt zu Frieden, und je mehr wir ihn lieben, desto reichlicher wird er uns geschenkt. In dem herrlichen Zeitalter der letzten Tage, wenn die ganze Erde tiefen Frieden haben wird, wird die prophetische Bedeutung dieser Worte erfüllt.

V. 12 „Der Gottlose droht dem Gerechten.“ In den Versen 12-15 haben wir das Bild eines stolzen Unterdrückers, der bis an die Zähne bewaffnet ist. Warum kann der Gottlose den Frommen nicht in Ruhe lassen? Weil Feindschaft zwischen dem Samen der Schlange und dem Samen des Weibes besteht (t. Mose 5, 15). Warum greift der Gottlose den Frommen nicht in einem offenen, ehrlichen Kampf an? Weil es zur Natur der Schlange gehört, hinterlistig zu sein. „Und beißt seine Zähne zusammen über ihn.“ Die Gottlosen zeigen durch Gebärden, was sie tun würden, wenn sie könnten. Wenn sie den Frommen nicht zerknirschen können, so knirschen sie über ihn; wenn sie nicht beißen können, so bellen sie wenigstens. Das ist genau das, was die gottlose Welt mit dem einen Gerechten machte, dem Fürst des Friedens. Aber er nahm keine Rache an ihnen, sondern trug wie ein stilles Lamm geduldig alles Unrecht.

V. 13 „Aber der Herr lacht sein.“ Wer Gott vertraut, braucht keine Angst zu haben, sondern kann die Rache getrost dem Herrn überlassen. Lass den stolzen Verächter mit den Zähnen knirschen und vor Wut schäumen. Er hat es mit jemand zu tun, der auf ihn und sein Rasen mit Verachtung herabschaut. „Denn er sieht, dass sein Tag kommt.“ Ein Gottloser sieht nicht, wie dicht ihm das Verderben auf den Fersen ist. Er prahlt damit, wie er andere zermalmen will, während der Fuß der Gerechtigkeit schon erhoben ist, um ihn zu zertreten. Sünder in der Hand eines zornigen Gottes, und trotzdem noch darauf aus, Gottes Kinder zu vernichten!

V. 14 „Die Gottlosen ziehen das Schwert aus.“ Sie nehmen die Waffe in die Hand und warten darauf, sie gebrauchen zu können, „Und spannen ihren Bogen.“ Eine einzige Waffe ist nicht genug; sie haben noch eine weitere auf Lager. Nichts darf an Waffengewalt und schneller Bereitschaft fehlen! „Dass sie fällen den Elenden und Armen.“ Das ist das Wild, das die Gottlosen jagen. Das ist das Ziel ihrer verruchten Bosheit. Diese Feiglinge greifen nicht ihresgleichen an, sondern solche, die sich nicht verteidigen können. So wurde unser sanftmütiger und demütiger Herr von den grausamen Feinden angegriffen. Sie hatten sich mit allen möglichen Waffen ausgerüstet, um ihn zu fangen und zu fällen. „Und schlachten die Frommen.“ Die Gottlosen sind nur befriedigt, wenn sie die Gerechten vernichten und töten können. Ehrliche und aufrichtige Menschen werden von hinterlistigen Ränkemachern gehasst. Wie wahr sind die Worte des Herrn: „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, darum hasset euch die Welt“ (Joh. 15, 19).

V. 15 „Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen.“ Wie Haman sollen sie an dem Galgen hängen, den sie für Mardochai gebaut haben (Esther 5). Unzählige Male ist das geschehen. Saul, der David erschlagen wollte, fiel in sein eigenes Schwert. „Und ihr Bogen wird zerbrechen.“ Ihre bösen Erfindungen werden vernichtet. Bosheit schlägt sich selbst. Bosheit trinkt selbst den Giftbecher, den sie für andere gemixt hatte. Bosheit verbrennt selbst in dem Feuer, das sie für andere angefacht hat. Warum sollen wir uns über das Wohlergehen der Gottlosen ärgern, die sich einbilden, den Gerechten Schaden zufügen zu können? In Wirklichkeit ruinieren sie sich selbst. Die nächsten neun Verse beschreiben den Charakter der Frommen und den Segen, den sie bekommen. Die Helligkeit des Bildes wird durch einige dunkle Töne noch hervorgehoben.

V. 16 „Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser als das große Gut vieler Gottlosen.“ Das ist ein wahres Sprichwort. Die Aussage ist dadurch besonders stark, dass das Wenige eines Gerechten dem Vielen vieler Gottlosen gegenübergestellt wird. Es liegt mehr Segen in dem trockenen Brot eines armen Gläubigen als in dem gemästeten Ochsen eines unfrommen Prassers. Wir Wollen lieber mit Johannes dem Täufer hungern als mit Herodes dem Großen prassen. Es ist besser, mit den Propheten in Obadjahs Höhle von Brot und Wasser zu leben, als mit den Baalspriestern zu schwelgen (1. Kön. 18, 13 und 10). Das Glück des Menschen besteht nicht im Geld. Zufriedenheit findet in Wenig viel, während für das Herz der Gottlosen die ganze Welt zu wenig ist.

V. 17 „Denn der Gottlosen Arm wird zerbrechen.“ Ihre Macht, Unheil zu stiften, soll ihnen ganz genommen werden. Die Arme, die sie gegen Gott erheben, werden zermalmt. Gott macht aus allmächtigen Menschen ohnmächtige Menschen. Ein lächerlicher Anblick: Raubgier, der die Zähne ausgebrochen sind, böse Gewalt, der die Arme zerschmettert sind! „Aber der Herr erhält die Gerechten.“ Sie sind beschützt und sicher. Das zweischneidige Schwert schlägt die Bösen und verteidigt die Gerechten.

V. 18 „Der Herr kennt die Tage der Frommen.“ Gott lacht über die Stolzen, weil er alles vorhersieht. Aber für die Frommen sieht er eine helle Zukunft voraus und behandelt sie als Erben des Heils. Wir können uns immer damit trösten, dass Gott um alle unsere Geschicke weiß und dass ihn nichts über„ raschen kann. Kein Pfeil kann uns zufällig treffen, kein Dolch uns unbemerkt durchbohren. Weder in der Zeit noch in der Ewigkeit kann uns irgend etwas passieren, was Gott nicht vorausgesehen hat. „Und ihr Gut wird ewiglich bleiben.“ Ihr Erbteil schwindet nicht dahin. Niemand kann es rauben oder zerstören. Es ist das besondere Vorrecht des Gläubigen, ein ewiges Besitztum zu haben.

V. 19 „Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit.“ Leiden werden kommen, aber Gottes Hilfe auch. Die Gläubigen erwarten nicht, von aller Not verschont zu bleiben. Sie sind nicht enttäuscht, wenn sie ihren Teil am Leid zu tragen haben. Aber sie verlassen sich immer wieder auf ihren Gott und erproben seine Treue und Liebe. Nicht nur an sonnigen Tagen des Glücks ist Gott unser Freund, sondern auch in Tagen der Not - und er ist ein Freund in der Tat. „Und in der Teuerung werden sie genug haben.“ Das Mehl in der Schüssel und das öl im Krug soll in Tagen der Not nicht fehlen. Wenn die Raben auch nicht Brot und Fleisch bringen, so soll doch die Notdurft der Gläubigen auf irgendeine andere Weise erfüllt werden. Unser Herr selbst hat sich darauf verlassen, als er in der Wüste hungerte. Durch diesen Glauben wies er den Versucher zurück. Wenn Gott für uns sorgt, brauchen wir uns um die Preise keine Sorgen zu machen. Unglaube kann nicht eine einzige Ähre vor dem Verrotten schützen; Glaube aber kann unsere Freude am Herrn erhalten, und das ist viel mehr.

V. 20 „Denn die Gottlosen werden umkommen.“ Heute umgibt sie vielleicht ein phantastischer Glanz, aber ihre Zukunft ist schwarz vor Finsternis. Das Urteil ist schon über sie gefällt, sie werden nur zur Hinrichtung aufbewahrt. Mögen sie ruhig in kostbaren und festlichen Gewändern prunken und Tag für Tag in Genüssen schwelgen - das Damoklesschwert hängt schon über ihnen. Wenn sie etwas nüchterner wären, würden sie aus ihrer Scheinwelt erwachen, und ihr Lachen würde sich in Weinen verwandeln. „Und die Feinde des Herrn, wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue, werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht.“ Die Gottlosen werden von der Stätte ihres Ruhmes und Stolzes vollständig hinweggefegt. Sie verbrennen wie trockenes Holz, wie ein Haufen dürrer Blätter. So vergeht alle Herrlichkeit der Welt! Ein Knall ist das Ende ihrer Aufgeblasenheit. Ihr Feuerwerk endet im Qualm. Sie machten sich selbst fett und sind an Verfettung gestorben.

V. 21 „Der Gottlose borgt und bezahlt nicht.“ Einesteils, weil er nicht will, andernteils, weil er nicht kann. Mangel folgt der Verschwendung, und die Schuld bleibt unbezahlt. Oft werden die Gottlosen auf diese Weise arm. Ihre habsüchtigen Extravaganzen bringen sie an die Tür des Pfandhauses und dann in den Bankrott. „Der Gerechte aber ist barmherzig und gibt.“ Die Barmherzigkeit hat ihn beschenkt, und deshalb schenkt er in Barmherzigkeit. Er leiht nicht, sondern gibt. Er hat ein Ohr für die Not der Bedürftigen. Er gibt, soviel er kann. Anstatt dadurch ärmer zu werden, wird er reicher, und kann immer mehr tun. Er gibt nicht, um bei anderen die Faulheit zu fördern, sondern in echter Barmherzigkeit gibt er dem, der in echter Not ist.

V. 22 „Denn seine Gesegneten erben das Land.“ Gottes Segen ist der wahre Reichtum. „Aber seine Verfluchten werden ausgerottet.“ Gottes Fluch bedeutet Tod und Hölle.

V. 23 „Von dem Herrn wird solches Mannes Gang gefördert.“ Sein ganzes Leben ist göttlich geordnet. In Liebe und Güte wird alles von Gott bestimmt, geregelt und durchgeführt. Kein unbestimmtes Schicksal und kein fragwürdiger Zufall herrscht über uns. Jeder einzelne Schritt unseres Lebens steht unter göttlicher Leitung. „Und er hat Lust an seinem Wege.“ Wie Eltern sich über die ersten Schritte ihrer Kinder freuen, freut sich Gott über die Schritte seiner Kinder. Unser himmlischer Vater kümmert sich um alles, was das Leben seiner Kinder ausmacht. Gott sieht es gern, wenn ein Herz in heiligem Streben zum Himmel dringt. In allen Trübsalen und Freuden der Gläubigen ist Jesus dabei und hat Gemeinschaft mit den Seinen.

V. 24 „Fällt er.“ Es kann passieren, dass Unglück und Widerwärtigkeiten den Gläubigen zu Fall bringen. Vielleicht verliert er alles wie Hiob; oder er wird wie Joseph ins Gefängnis geworfen und wie Jona in die Tiefe gestoßen. „So wird. er nicht weggeworfen.“ Kummer kann uns niederdrücken. Der Tod kann uns ins Grab bringen. Aber tiefer können wir nicht sinken. Aus der tiefsten Tiefe werden wir zur höchsten Höhe erhoben. Kein Heiliger wird für immer verworfen werden. „Denn der Herr hält ihn bei der Hand.“ Gott neigt sich herab und hält die Heiligen mit seiner Hand fest. Er überlässt sie nicht anderen Helfern, sondern leistet ihnen persönlich Beistand. Selbst wenn wir fallen, lässt uns der Herr seine erhaltende Kraft zuteil werden. Wenn uns die Gnade nicht vor dem Sinken bewahrt, so rettet sie uns aber vor dem Versinken. Hiob erhielt das Doppelte seiner früheren Reichtümer, Joseph regierte über Ägypten, und Jona kam sicher ans Land. Die Heiligen können nach jedem Fall wieder aufstehen. Nicht deshalb, weil sie in sich selber stark und weise sind, sondern weil der Herr ihr großer Helfer ist. Niemand und nichts kann die Heiligen überwältigen.

V. 25 „Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen oder seinen Samen nach Brot gehen.“ David hat diese Beobachtung während seines langen Lebens gemacht. Ich selbst könnte nicht sagen, dass diese Worte auch meine Erfahrung sind. Ich habe bettelnde Menschen unterstützen müssen, deren Eltern unzweifelhaft gute Leute gewesen sind. Aber das wirft keinen Zweifel auf die Erfahrung Davids. Er lebte in einer Zeit, in der sich die Verheißungen Gottes mehr auf die irdische Welt und das Äußere bezogen. Heute geht es bei den Verheißungen hauptsächlich .um den persönlichen Glauben. Niemals aber sind die Gerechten verlassen. Das ist eine Regel ohne Ausnahme. Es kommt wirklich nur sehr selten vor, dass „sein Same nach Brot geht.“ Geh in die Armenhäuser und prüfe nach, wie viele Insassen Kinder gläubiger Eltern sind; besuche die Gefängnisse, und du wirst feststellen, dass Kinder frommer Eltern nur sehr selten dort sind. Das Gegenteil ist viel häufiger der Fall. Söhne armer Prediger werden oft reich. Ich habe gesehen, wie arme, gottesfürchtige Leute sehr reich geworden sind. IA habe erlebt, wie der Herr die Treue des Vaters belohnte, indem er dem Sohn großen Erfolg schenkte. Ich dachte oft: Um Christi willen arm zu werden ist die Beste Weise, seinen Nachkommen Reichtum weiterzugeben. In der Geschichte der indischen Mission können wir dafür viele Beispiele finden.

V. 26 „Er ist allezeit barmherzig und leihet gerne.“ Die Gerechten leben ständig unter dem inneren Antrieb, Gutes zu tun. Sie werden wohlhabend, nicht durch Geiz, sondern durch Freigebigkeit. Wie der reiche Geber aller guten Dinge haben sie auch ihre Freude daran. Gutes zu tun, denn sie sind seine geliebten Kinder. Wenn man ein solches Wort in der Bibel liest, kann man nur darüber staunen, dass eigensüchtige und habgierige Namenschristen überhaupt darauf hoffen, selig zu werden! „Und sein Same wird gesegnet sein.“ Gott zahlt die Zinsen an das nächste Geschlecht. Wenn Kinder gläubiger Eltern den Herrn nicht fürchten und lieben, müssen die Eltern irgend etwas versäumt haben oder irgendwie anders schuldig geworden sein. Der Freund des Hausvaters ist der Freund der ganzen Familie. Der Gott Abrahams ist der Gott Isaaks und Jakobs.

V. 27 „Lass vom Bösen und tue Gutes.“ Hier haben wir die siebte Lebensregel. Sie hat eine negative und eine positive Seite und stellt den Inhalt des ganzen Psalms dar. Wir sollen die Übeltäter nicht beneiden, sondern völlig Abstand von ihrer Gesinnung und ihrem Beispiel nehmen. Wir sollen vor der Sünde fliehen wie Lot, der Sodom fluchtartig verließ, ohne noch einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Wir dürfen weder ein Bündnis noch einen Waffenstillstand mit der Sünde schließen. Wir haben uns ohne zu zögern ganz von ihr abzuwenden. Wir sollen in die entgegengesetzte Richtung wirken. Wer es vernachlässigt. Gutes zu tun, fällt schnell in Sünde! „Und bleibe wohnen immerdar.“ Suche das ewige und friedevolle Erbteil. Kurzlebig sind alle Gewinne des Bösen, aber ewig währen die Güter der Gnade.

V. 28 „Denn der Herr hat das Recht lieb.“ Gott freut sich, Ehre zu geben, dem Ehre gebührt. Besonders dann, wenn ein aufrichtiger Mann von seinen Feinden verleumdet wurde. Es muss ein wahrhaft göttliches Vergnügen sein. Unrecht wieder gutzumachen und die Pläne der Ungerechten zu zerstören. Der große Lenker aller menschlichen Geschicke wird ganz gewiss den Reichen und Armen, den Guten und Bösen ihren gerechten Lohn geben. „Und verlässt seine Heiligen nicht.“ Das wäre nicht gerecht; deshalb wird es nie geschehen. „Ewiglich werden sie bewahrt.“ Ihre ewige Sicherheit ist durch die Bundesschließung gewährleistet. Komme, was will: Die Heiligen werden in Jesus Christus bewahrt. Weil er lebt, werden sie auch leben. Wie ein König seine Kronjuwelen nicht verliert, wird der Herr die Seinen nicht verlieren. „Aber der Gottlosen Same wird ausgerottet.“ Ausgerottet wie das Geschlecht von Jerobeam und Ahab, wo nicht einmal ein Hund übrigblieb (1. Kön. 14, 10-11). Unrechtmäßig erworbene Ehren und Reichtümer überdauern selten zwei Generationen. Der Fluch reift aus, und es vergehen nicht sehr viele Jahre, bis seine Früchte das gottlose Haus zugrunde richten. Das sicherste Erbstück in der Hinterlassenschaft böser Menschen ist das Gericht, das sich an ihrer Familie vollzieht.

V. 29 „Die Gerechten erben das Land.“ Sie sind Erben zusammen mit Jesus Christus, und sie erben das himmlische Kanaan, das Gegenbild des irdischen Kanaan. „Und. bleiben ewiglich darin.“ Nichts ist dem herrlichen Besitztum, das die Gläubigen im Himmel haben, zu vergleichen. Das Paradies gehört auf dem Wege der Erbschaft ihnen, und sie leben ewig, um sich ewig daran zu erfreuen. Wer möchte unter solchen Bedingungen nicht dem Herrn gehören? Wer will da noch die Gottlosen um vergängliche Schätze beneiden?

V. 30 „Der Mund des Gerechten redet die Weisheit.“ Der ganze Psalm beschäftigt sich damit, die unterschiedlichen Geschicke der Gerechten und Gottlosen zu beschreiben. Nun wird ein Merkmal genannt, an dem man sie deutlich unterscheiden kann. Die Zunge des Menschen zeigt seinen Charakter. Der Mund verrät das Herz. Gute Menschen reden Gutes. Ihre Worte enthalten etwas von der göttlichen Erleuchtung, die ihnen geschenkt ist. Gerechtigkeit ist betätigte Weisheit. Des' halb sind gläubige Menschen auch weise Menschen. „Und seine Zunge lehrt das Recht.“ Er tritt für das Recht ein. Er fällt gerechte Urteile. Er sagt voraus, dass Gottes Gerichte über die Bösen kommen werden. Er redet weder töricht noch schlüpfrig, weder seicht noch gemein. Unsere Worte sind von weitaus größerer Tragweite, als wir uns vorstellen können.

V. 31 „Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen; seine Tritte gleiten nicht.“ Das Beste am besten Platz bringt die besten Erfolge. Nun ist klar, warum die Rede eines solchen Menschen so gut und wertvoll ist. In seinem Herzen liegt ein kostbarer Schatz. Heiligkeit zu lieben, Motive und Wünsche heiligen zu lassen, im innersten Wesen dem Herrn geheiligt zu sein - das ist die Beste Art und Weise, den ganzen Lauf unseres Lebens auf das eine hohe Ziel auszurichten. Nur dadurch können wir uns auch in den kleinen Dingen des Lebens vor schweren Fehltritten hüten.

V. 32 „Der Gottlose lauert auf den Gerechten und gedenkt ihn zu töten.“ Wenn unsere Gesetze nicht eine Schranke legen würden, gäbe es bald ein Massenmorden der Gerechten. So war Jesus von seinen Feinden umlauert, die nach seinem Blut dürsteten. Die Jünger Jesu dürfen keine Schonung erwarten von denen, die ihren Meister gehasst und getötet haben.

V. 33 „Aber der Herr lässt ihn nicht in seinen Händen.“ Gott erscheint zur Rettung seiner Knechte. Wenn er ihren Leib nicht aus den Händen der Feinde errettet, erfüllt er doch ihre Herzen mit solcher Freude und solchem Frieden, dass sie sich triumphierend über die Macht ihrer Peiniger erheben können. Eine Zeitlang sind wir vielleicht in den Händen der Feinde, aber wir bleiben nicht für immer in ihren Händen. „Und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilt wird.“ Die Zeit wird das voreilige Urteil umstoßen, oder die Ewigkeit wird das Verdammungsurteil der Zeit wegwischen. Zu gegebener Zeit wird der Gerechte gerechtfertigt. Aus sehr weisen Gründen duldet Gott manches ungerechte Urteil dieser Zeit; aber nicht für immer soll das Süße bitter genannt und das Licht in Dunkelheit verkehrt werden. Zu gegebener Zeit soll das Recht ans Licht kommen. Alles Erdichtete und Unechte soll entlarvt, alles Wahre und Echte enthüllt werden. Wenn wir treu gewesen sind, dürfen wir uns von den kleinlichen Gerichten der Menschen auf den großen Gerichtshof des letzten Tages berufen.

V. 34 „Harre auf den Herrn.“ Das ist die achte Lebensregel. Damit ist uns ein hohes Ziel gesteckt. Warte gehorsam wie ein Knecht, hoffnungsfroh wie ein Erbe, erwartungsvoll wie ein Gläubiger. Das kleine Wort „harre“ kann man leicht aussprechen, aber nur schwer verwirklichen. Trotzdem muss der Glaube es schaffen! „Und halte seinen Weg.“ Bleibe auf dem schmalen Pfad. Lass dich nicht durch die Jagd nach Bequemlichkeit und Reichtum zu unheiligen Handlungen verführen. „Wer aber bis ans Ende beharrt, der wird selig“ (Matth. 10, 22). „So wird er dich erhöhen, dass du das Land erbest.“ Alle irdischen Gaben, die wirklich gut sind, sollst du haben. Bei den himmlischen Gutem gibt es keine Einschränkung. „Du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden.“ Ein furchtbarer Anblick! Das ist eine dringende Mahnung an uns, die Sünde zu hassen und zu lassen. Sei stille, mein Herz, du siehst ja das schreckliche Ende aller Feinde des Herrn voraus.

V. 35 Ein zweites Mal schlägt David sein Tagebuch auf und erzählt uns, was er beobachtet hat. „Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig.“ (Elberfelder Übersetzung: „Ich habe einen Gesetzlosen gesehen, der gewaltig war.“) Er hat einen Menschen gesehen, der anderen gegenüber grausam war, der mit tyrannischer Gewalt herrschte und hochmütig seinen Willen durchsetzte. Ein Cäsar an Macht, ein Krösus an Reichtum. „Und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum.“ Er kaufte ein Grundstück nach dem anderen und baute ein Haus nach dem anderen. Er wurde immer mächtiger. Er grünte wie ein Lorbeerbaum. Im Hebräischen wird kein besonderer Baum genannt. Wir können uns eine große, weit ausgebreitete Eiche vorstellen. Ein Baum ist ein Stück dieser Erde. Seine Wurzeln greifen in den Erdboden. Seine Blätter verwelken. Er stirbt, wenn die Axt des Holzfällers ihn trifft. Warte nur noch eine kleine Weile; die Größe der Gottlosen wird niedergeschlagen und wie das Brennholz weggeschafft. Sogar die Wurzeln werden herausgerissen.

V. 36 „Da man vorüberging, siehe, da war er dahin.“ Verschwunden! Wie vollständig fegt der Tod alles hinweg! Zur Überraschung aller Menschen war der große Mann dahin. Seine Güter werden verkauft, sein Geschäft ist bankrott, sein Haus ist verödet, und sein Name wird vergessen. „Ich fragte nach ihm, da ward er nirgend gefunden.“ Wenn wir genau nachforschen, wo die Gottlosen geblieben sind, entdecken wir keine Spur mehr von ihnen. Niemand erinnert sich gerne an sie. Viele der geringsten Frommen leben unsterblich im Gedächtnis der Gemeinde, während von klugen und großen Gottlosen auch die Namen vergessen sind. Menschen, die heute noch in aller Munde sind, sind morgen schon vergessen.

V. 37 „Bleibe fromm und halte dich recht.“ (Elberfelder Übersetzung: „Achte auf den Unsträflichen und sieh auf den Aufrichtigen.“) Wenn du mit Staunen den Sturz der Gottlosen gesehen hast, wende dich den aufrichtigen Frommen zu. Siehst du den Gegensatz? „Denn solchem wirds zuletzt wohl gehen.“ (Elberfelder Übersetzung: „Für den Mann des Friedens gibt es eine Zukunft.“) Der Mann des Friedens hat ein Ende in Frieden. Dem Mann Gottes wird zuletzt Frieden ohne Ende geschenkt. Sein Lebensweg ist vielleicht rau, aber er führt heimwärts. Vielleicht gibt es Regen am Vormittag, ein Gewitter zur Mittagszeit und einen Sturm am Nachmittag. Aber schließlich klärt sich der Himmel auf, bevor die Sonne untergeht. Kampf und Not mag uns bis in die letzte Stunde verfolgen, aber dann ist alles vorüber.

V. 38 „Die Übertreter aber werden vertilgt miteinander.“ Ein gemeinsamer Untergang wartet auf alle, die gemeinsame Sache gegen Gott machen. „Und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet.“ Ihr Glück wird vernichtet, ihre Hoffnungen werden zerstört. Die Stunde ihrer Hinrichtung eilt herbei. Sie haben keine Zukunft. Die Gerechten aber freuen sich auf die Zukunft, die ihr bestes Erbstück ist.

V. 39 „Aber der Herr hilft den Gerechten.“ (Elberfelder Übersetzung: „Aber die Rettung der Gerechten ist vom Herrn.“) Mit Rettung sind alle Arten göttlicher Hilfe gemeint. Alle Hilfe wird dem Herrn als alleinigem Helfer zugeschrieben. „Der ist ihre Stärke in der Not.“ Die Gottlosen werden durch Not in Verzweiflung gestürzt. Die Gerechten werden durch Not zu ihrem starken Helfer getrieben. Ihm ist es eine Freude, zu helfen.

V. 40 „Und der Herr wird ihnen beistehen und wird sie erretten.“ Der Herr wird seinen Erwählten für alle Zeiten beistehen. Unser mächtiger Verbündeter wird seine ganze Macht in dem Kampf einsetzen. „Er wird sie von den Gottlosen erretten.“ Er wird seine geliebten Kinder aus der Hand ihrer Feinde erretten, wie er Daniel aus der Löwengrube gerettet hat. „Und ihnen helfen; denn sie trauen auf ihn.“ Der Glaube verbürgt die Sicherheit der Erwählten. Der Glaube ist das Merkmal, das die Schafe von den Böcken unterscheidet. Nicht ihre Verdienste, sondern ihr Glaube unterscheidet sie von den anderen. Lieber Leser, willst du nicht auch diesen Weg des Glaubens gehen? Wer wirklich an Gott glaubt, verzweifelt nicht mehr an den scheinbaren Rätseln dieses Lebens. Wer wirklich glaubt, weiß, dass Gottes Wege gerecht sind, auch wenn sie fragwürdig und hart scheinen. Gott hat alles mit Barmherzigkeit geordnet. So endet der Psalm mit einem Ton, der die ungeheiligte Unruhe am Anfang des Psalms übertönt. Glücklich alle, die sich so aus einer niedergedrückten Stimmung zu fröhlichem Glauben aufschwingen können!

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