Spurgeon, Charles Haddon - Andachten über den Psalter - Psalm 121 - 130

Spurgeon, Charles Haddon - Andachten über den Psalter - Psalm 121 - 130

Ps. 121,3

„Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen.“

Wenn der Herr es nicht geschehen lassen will, können weder Menschen noch Teufel es bewerkstelligen. Wie sehr würden sie sich freuen, wenn sie uns zu einem schmachvollen Fall bringen, uns aus unserer Stellung heraustreiben, uns begraben und aus dem Gedächtnis tilgen könnten! Sie könnten dies zu ihres Herzens Zufriedenheit tun, wäre nicht ein Hindernis, und nur eins: der Herr will es nicht geschehen lassen; und wenn Er es nicht leidet, so werden wir es nicht erleiden.

Der Lebensweg gleicht einer Alpenreise. Auf den Bergpfaden ist man beständig in Gefahr des Ausgleitens. Wenn der Weg hoch ist, wird der Kopf leicht schwindelig und dann gleiten die Füße bald: es sind Stellen da, die so glatt wie Glas sind, und andre, die durch lose Steine rau sind, und auf jeden von diesen ist ein Fall schwer zu vermeiden. Wer das ganze Leben hindurch im Stande gewesen ist, sich aufrecht zu halten und ohne Straucheln zu gehen, hat die besten Ursachen zur Dankbarkeit. Bei allen Fallgruben und Schlingen, schwachen Knien, müden Füßen und schlauen Feinden würde kein Kind Gottes eine Stunde lang fest stehen, wäre nicht die treue Liebe, die seinen Fuß nicht gleiten lassen will.

„Ob tausend Schlingen mich umgeben.
Mich hält und hütet Deine Hand,
Und führen wird sie mich durchs Leben
Und bringen in das sel´ge Land.“

Ps. 121,4

Sieh, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.

Jahwe ist der Hüter Israels. Keine Art der Bewusstlosigkeit überschleicht ihn je, weder der tiefere Schlummer, noch der leichtere Schlaf. Er unterlässt es nie, das Haus und das Herz seines Volkes zu bewachen. Dies ist für uns genügende Ursache, in vollkommenem Frieden zu ruhen. Alexander sagte, er schliefe, weil sein Freund Parmenio wache; viel mehr noch mögen wir schlafen, weil unser Gott unsre Wache ist.

„Sieh“ steht hier, um unsre Aufmerksamkeit auf diese tröstliche Wahrheit zu lenken. Als Israel einen Stein zum Kopfkissen hatte, schlief er ein, aber sein Gott wachte und kam im Gesicht zu seinem Knecht. Wenn wir verteidigungslos daliegen, will Jahwe selber unser Haupt bedecken.

Der Herr hütet sein Volk, wie ein reicher Mann seinen Schatz hütet, wie ein Befehlshaber eine Stadt mit einer Besatzung hütet, wie eine Schildwache ihren Herrscher bewacht. Niemand kann denen schaden tun, die in solcher Hut sind. Lasst mich meine Seele in seine teuren Hände legen. Er vergisst uns niemals, hört niemals auf, tätig für uns zu sorgen, findet sich niemals außerstande, uns zu bewachen.

O mein Herr, behüte mich, damit ich mich nicht verirre und falle und umkomme. Halte mich, damit ich Deine Gebote halte. Durch Deine nie schlummernde Sorge verhüte, dass ich schlafe wie der Faule und umkomme wie die, die den Schlaf des Todes schlafen.

Ps. 126,3

„Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.“

Manche Christen geben sich der krankhaften Neigung hin, alles nur von der Schattenseite anzusehen, und mehr auf das Gewicht zu legen, was ihnen Trauriges und Widerwärtiges widerfahren ist, als auf das, was Gott an ihnen getan, wir Er sie gesegnet und fröhlich gemacht hat. Fragt ihr sie nach dem Eindruck, den sie vom Christenleben haben, so schildern sie euch ihre beständigen Kämpfe, ihre schweren Heimsuchungen, ihre traurigen Schicksale, die Sündhaftigkeit ihres Herzens, und kaum berühren sie in leisen Andeutungen die Gnade und Hilfe, die ihnen Gott gewährt hat. Aber ein Christ, dessen Seele sich in einem gesunden Zustande befindet, geht fröhlich einher und spricht: „Ich will reden, aber nicht von mir, sondern von der Ehre meines Gottes. Er zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamme, und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich gewiss treten kann; und hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unsern Gott. Der Herr hat Großes an mir getan, des bin ich fröhlich.“ Solch ein Ausdruck der inneren Erfahrung ist das Beste, was ein Kind Gottes irgend zum Vorschein bringen kann. Es ist wahr, dass wir müssen durch Trübsal hindurch gehen, aber es ist ebenso wahr, dass wir daraus erlöst werden. Es ist wahr, dass wir unsre Fehler und Gebrechen haben, und wir erkennen es mit Schmerzen, aber es ist ebenso wahr, dass wir einen allvermögenden Heiland haben, der dieses innere Verderben überwindet und uns von seiner Herrschaft befreit. Wenn wir zurückschauen, so wärs unrecht, zu leugnen, dass wir im Sumpf der Verzweiflung lagen und durch das Tal der Demütigung krochen, aber es wäre ebenso erbärmlich, zu vergessen, dass wir wohlbehalten und unverletzt hindurch kamen; wir sind nicht darin zurückgeblieben, dank unsrem allmächtigen Helfer und Hirten, der uns „ausgeführt und erquickt“ hat. Je tiefer unsre Trübsal, umso lauter unser Dank gegen Gott, der uns hindurchgebracht und bis heute bewahrt hat. Unsre Leiden können den Wohllaut unsres Lobliedes nicht trüben, sie sind nur die tiefere Begleitung unsres Preispsalms: Unser Mund wird voll Lachens, und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan; der „Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.“

Ps. 126,5

„Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“

Zeiten des Weinens sind geeignet zum Säen: wir wollen den Boden nicht zu trocken haben. Same, der in den Tränen ernster Sorge eingeweicht ist, wird umso eher aussprießen. Das Salz der Gebetstränen wird dem guten Samen eine Würze geben, die es vor dem Wurm bewahret. Wahrheit, die in fruchtbarem Ernst gesprochen wird, hat ein doppeltes Leben in sich. Statt mit dem Säen innezuhalten um unsres Weinens willen, wollen wir unsre Anstrengungen verdoppeln, weil die Zeit eine so günstige ist.

Unser himmlischer Same könnte angemessenerweise nicht lachend gesät werden. Dieser Schmerz und Bangigkeit um die Seelen andrer sind eine viel passendere Begleitung für das Lehren göttlicher Dinge, als irgend etwas, das dem Leichtsinn gleicht. Wir haben von Männern gehört, die mit einem leichten Herzen in den Krieg zogen, aber sie wurden geschlagen; und es ist meistens so mit denen, welche in ähnlicher Weise säen.

Komm denn, mein Herz, arbeite weiter in deinen Tränen, denn du hast die Verheißung einer frohen Ernte. Du sollst ernten. Du, du selber, sollst einigen Erfolg deiner Arbeit sehen. In so großem Maße sollst du dies, dass du dich freuen wirst, und über eine armselige, verdorrte und kärgliche Ernte würdest du dies nicht können. Wenn deine Augen trübe von silbernen Tränen sind, so denke an das goldene Korn. Ertrage freudig die gegenwärtige Mühe und Enttäuschung; denn der Erntetag wird dich völlig belohnen.

Ps. 127,2

So gibt Er denen, die Er lieb hat, Schlaf.

Unser Leben ist nicht eins der ängstlichen Sorge, sondern des fröhlichen Glaubens. Unser himmlischer Vater will für die Bedürfnisse seiner Kinder sorgen, und Er weiß, was wir nötig haben, ehe wir Ihn bitten. Wir können uns deshalb zur rechten Zeit auf unser Lager legen und brauchen uns nicht abzumatten mit spätem Aufsitzen, um zu planen, zu sinnen und zu denken. Wenn wir gelernt haben, auf unsren Gott zu vertrauen, so werden wir nicht wachend liegen, weil Furcht an unsrem Herzen nagt, sondern unsre Sorge dem Herrn überlassen; unser Nachdenken über Ihn wird süß sein, und Er wird uns erquickenden Schlaf geben.

Dass der Herr uns liebt, ist die höchste, nur mögliche Ehre und der, welche sie hat, mag fühlen, dass der Ehrgeiz selber nicht mehr zu wünschen vermöchte und deshalb jeder selbstsüchtige Wunsch sich schlafen legen könne. Was mehr ist selbst im Himmel als die Liebe Gottes? Ruhe also, o Seele, denn du hast alles.

Dennoch wälzen wir uns hin und her, bis der Herr selbst uns nicht nur die Gründe für die Ruhe, sondern auch die Ruhe gibt. Ja, Er tut dies. Jesus selbst ist unser Friede, unsere Ruhe, unser alles. An seiner Brust schlafen wir in vollkommener Sicherheit, sowohl im Leben wie im Tode.

„Mit Deinem Blut aufs neu' besprengt
Schlaf ich nun ruhig ein,
Es ist Dein Arm, der mich umfängt,
Drum werd' ich sicher sein.“

Ps. 128,5

„Der Herr wird dich segnen aus Zion, dass du sehest das Glück Jerusalems dein Leben lang.

Dies ist eine Verheißung für den gottesfürchtigen Mann, der auf den Wegen der Heiligkeit mit ernster Sorgfalt wandelt. Er wird häuslichen Segen haben; sein Weib und seine Kinder werden ihm eine Quelle großen Glücks sein. Aber als Mitglied der Gemeinde wünscht er deren Sache gefördert zu sehen, denn ihm liegt das Haus des Herrn eben so sehr am Herzen, wie sein eigenes. Wenn der Herr unser Haus baut, so ist es nur geziemend, dass wir wünschen, des Herrn Haus gebaut zu sehen. Unsre Güter sind nicht wirklich gut, wenn wir nicht mit ihnen der erwählten Gemeinde des Herrn Gutes tun.

Ja, du sollst einen Segen empfangen, wenn du hinauf gehst zu den Versammlungen Zions; du sollst unterwiesen, belebt und getröstet werden, da wo Gebet und Lobpreisung emporsteigen und Zeugnis von dem großen Opfer abgelegt wird. „Der Herr wird dich segnen aus Zion.“

Auch sollst nicht du allein Nutzen davon haben; die Gemeinde selbst soll gedeihen; Gläubige sollen vermehrt und ihr heiliges Werk mit Erfolg gekrönt werden. An einigen begnadigten Männern erfüllt sich diese Verheißung, so lange sie leben. Ach! wenn sie sterben, so leidet die Sache oft. Lasst uns zu denen gehören, die Gutes nach Jerusalem bringen ihr Leben lang. Herr, mache uns nach Deiner Barmherzigkeit zu solchen! Amen.

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