Spurgeon, Charles Haddon - Philipperbrief (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Philipperbrief (Andachten)

Philipper 1, 21.

„Christus ist mein Leben.“

Nicht von Anfang an lebt der Gläubige ein Leben aus Christo. Ein solches Leben beginnt erst, wenn der Heilige Geist ihm die Sünde aufdeckt und ihm durch die Wirkung der Gnade zeigt, wie der sterbende Heiland seine Schuld versöhnt hat. Mit dem Augenblick der neuen, himmlischen Geburt fängt der Mensch an, in und mit Christo zu leben. Jesus ist denen, die da glauben, die eine köstliche Perle, um deretwillen wir alles, was wir haben, freudig hingeben. Er hat unsre Liebe so völlig gewonnen, dass unser Herz ganz allein nur für Ihn lebt; zu seiner Ehre wollen wir leben, um seines Evangeliums willen gehen wir willig in den Tod; Er ist der Maßstab unsers Wandels, das erhabene Vorbild, nach welchem wir unsern inwendigen Menschen zu vervollkommnen trachten. Des Apostels Paulus Worte sagen weit mehr, als die meisten Menschen ahnen; sie bezeugen: Zweck und Ziel seines Lebens war Christus; ja, noch mehr, Jesus war für ihn das Leben selber; wie ein Heiliger aus der ersten christlichen Zeit es ausdrückt: Er aß und trank und schlief ein ewiges Leben. Jesus war geradezu sein Odem, die Seele seiner Seele, das Herz seines Herzens, das Leben seines Lebens. Kannst du sagen, dein Leben reiche so weit hinan? Kannst du sagen, Christus sei dein Leben? Ist dir dein Beruf lieb um Christi willen? Treibst du ihn nicht bloß, um dich emporzuarbeiten und den Deinen ein bequemes Dasein zu sicheren? Fragst du dich auch: „Ist dies mein Hauptbeweggrund?“ Für einen Christen ist er‘s. Er bezeugt, er lebe nur Christum; wie darf er dann noch für etwas andres leben, ohne damit sich eines geistlichen Ehebruchs schuldig zu machen? Viele streben diesem Ziele nach; wer aber darf behaupten, er habe so ganz für Christum gelebt, wie der Apostel? Und dennoch ist das wahre Leben eines Christen seine Quelle und sein Fortgang, sein Zweck und sein Ziel, in einem Wort zusammen gefasst: Jesus Christus. O Herr, nimm mich an; hier komme ich und flehe vor Dir, lass mich in Dir und für Dich leben. Brauche mich nach Deinem Wohlgefallen Dir zum Dienst oder zum Opfer, gleich dem Farren, der zwischen Pflug und Altar steht; und mein Wahlspruch sei: „Zu beidem bereit.“

Philipper 1, 21.

„Sterben ist mein Gewinn.“

Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Wie bedeutungsvoll folgen hier diese Worte unmittelbar aufeinander: „Leben,“ „Sterben.“ Nur drei Buchstaben stehen dazwischen, und wie es in den Worten ist, so ist es auch in der Wirklichkeit. Wie nah sind Leben und Tod beisammen! Das Leben ist des Todes Vorhof; und unsre Pilgrimschaft auf Erden ist nur eine Reise zum Grab. Der Puls, der unser Dasein fristet, schlägt nur unsern Todesmarsch, und das Blut, das unser Leben erhält, schwemmt es den Tiefen des Todes zu. Heute sehen wir unsre Freunde in der Blüte der Kraft; morgen vernehmen wir die Nachricht ihres Todes. Gestern boten wir dem Starken noch die Hand, und heute drücken wir ihm die Augen zu. Mancher fährt im glänzenden und wohlgepolsterten Staatswagen durch die Straßen, und nach wenigen Stunden bringt ihn die schwarze Leichenbahre zur letzten Ruhestätte aller Lebendigen. O, wie eng ist der Tod mit dem Leben verknüpft! Das Lamm, das jetzt noch auf der Wiese hüpft, wird bald unter dem Messer verbluten. Der Ochse, der auf den Fluren weidet, wird fett für die Schlachtbank. Bäume wachsen, dass man sie fällen möge. Ja, und noch an größere Dinge tritt der Tod heran. Weltreiche entstehen und blühen, sie blühen dem Verfall entgegen, sie erheben sich zum Sturz. Wie oft schlagen wir das Buch der Geschichte auf und lesen vom Werden und Vergehen der Staaten. Wir hören von der Krönung und dem Tode der Könige. Der Tod ist der schwarze Diener, der hinter dem Wagen des Lebens her reitet. Sieh das Leben! und der Tod ist dicht hinter ihm!

Aber, Gott sei Lob und Dank! Es gibt noch einen Ort, wo der Tod nicht des Lebens Bruder ist, wo das Leben allein herrscht; wo dem Wörtlein „Leben“ keine Silbe „Tod“ mehr nachfolgt. Es gibt ein Land, wo kein Todesröcheln mehr ist, wo kein Trauerschleier mehr gewoben wird, wo keine Gräber mehr geschmückt werden. O seliges Land über den Wolken! Wenn wir dich erreichen wollen, müssen wir sterben. Wenn wir aber nach dem Tod zur Herrlichkeit des ewigen Lebens eingehen, wenn wir Den, der uns vom Tode errettet und zum Leben berufen hat, dürfen schauen mit diesen unsern Augen als Den, der des Todes Gewalt und die Schlüssel des ewigen Lebens hat, und Ihn lieben und loben dürfen in Ewigkeit: dann dürfen wir ausrufen: „Sterben ist mein Gewinn!“

Philipper 1, 23.

„Bei Christus sein.“

„Bei Christus sein . “ Wer kann dies fassen, als allein der Christ? Das ist ein Himmel, um den sich die irdisch Gesinnten nie kümmern. Sie wissen nicht, welche Fülle sich in dem einen Wort zusammendrängt „bei Christus sein.“ Aber dem Gläubigen sind diese Worte ein Inhalt aller Seligkeit. Nimm nur einen der vielen köstlichen Gedanken, die das Wort darbietet: der Anblick Christi . „Deine Augen werden den König sehen in Seiner Schöne.“ Wir haben von Ihm gehört und können sprechen: „Welchen wir nicht gesehen und doch lieb haben.“ Dann aber „werden wir Ihn sehen .“ Ja, wir werden den erhöhten Heiland wahrhaftig schauen. Vergegenwärtigt euch diesen Gedanken. Liegt nicht ein ganzer Himmel darin? Du wirst die Hände sehen, die für dich an‘s Kreuz genagelt worden sind; du wirst das dornengekrönte Haupt erblicken und mit der ganzen blutgewaschenen Schar wirst du dich in tiefer Ehrfurcht vor Ihm beugen, der sich um deinetwillen in die tiefste Erniedrigung beugte. Der Glaube ist köstlich; was muss es aber erst um das Schauen sein? Jesus im Spiegel des Glaubens als das Lamm Gottes zu erblicken, das erfüllt die Seele mit einer unaussprechlichen Freude; aber ihn zu schauen von Angesicht zu Angesicht, in Seine Augen zu blicken, Seine Stimme zu vernehmen - o, da übernimmt uns das Entzücken, wenn wir nur davon hören! Wenn schon der G e d a n k e hieran so süß ist, wie herrlich muss erst der A n b 1 i c k selber sein, wenn wir mit Ihm reden dürfen, „wie ein Mensch mit seinem Freund redet“? Denn der Anblick Christi schließt den U m g a n g mit Ihm ein. Alles, wonach sich die Braut im Hohen Lied sehnt, werden wir empfangen, und noch zehntausend mal mehr. Dann wird das Gebet erhört werden: „Ich will Ihn küssen mit den Küssen meines Mundes: denn Deine Liebe ist besser denn Wein.“ Dann werden wir sagen können: „Seine Linke ruht unter meinem Haupt und Seine Rechte herzet mich.“ Dann wird sich die Verheißung an uns erfüllen: „Sie werden mit Mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind es wert.“ Und dann wollen wir ausbrechen in einen lauten Lobgesang, in ein Lied, wie wir‘s auf Erden nie gesungen haben, so melodisch, sanft und rein, so voller Freude und Jubel, in einen Jubel, der von keinem Misston getrübt wird; in einen entzückenden, seraphischen Gesang. Seliger Tag, wo wir Seinen Anblick und Seinen Umgang in unverkürzter Fülle genießen dürfen, wo wir Ihn erkennen werden, gleichwie wir erkannt sind!

Philipper 1, 27.

„Wandelt nur würdiglich dem Evangelium Christi.“

Das Wort „wandelt“ bezeichnet nicht nur unser Reden und Verkehren unter einander, sondern den ganzen Gang unsers Lebens in Wort und Tat vor der Welt. Das griechische Wort bezeichnet die Rechte und Pflichten unserer Bürgerschaft: und in diesem Sinne werden wir ermahnt, dass wir als Bürger des Neuen Jerusalems in unserm Thun uns so verhalten, wie es des Evangeliums Christi würdig sei.

Worin besteht nun dies Bürgerrecht? Erstlich: das Evangelium ist einfältig; und darumsollen die Christen in ihrem Thun und lassen einfältig und aufrichtig sein. In unserm Benehmen, in unserer Sprache, in unserer Kleidung, in unserm ganzen Wandel sollten wir uns jener Einfalt befleißigen, welche die Seele der Schönheit ist. Das Evangelium ist rein und wahr, ES ist Gold ohne Schlacken; und so ist auch das Leben des Christen ohne das Juwel der Wahrheit wertlos und trübe. Das Evangelium ist ein Evangelium ohne alle Furcht, es verkündet die Wahrheit kühn und offen, gleichviel, ob man sie gern höre oder nicht: darum müssen auch wir treu und tapfer sein. Aber das Evangelium ist auch sehr mild und zart. Denke an den Ausspruch. seines Urhebers: „Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen.“ Wir wollen suchen, Andere durch Sanftmut zu gewinnen. Das Evangelium ist äußerst liebevoll. Es ist die Botschaft des Gottes der Liebe an ein verlorenes und gefallenes Geschlecht. Christi letzter Befehl an Seine Jünger lautete: liebt euch unter einander.„ Ach, dass doch alle Heiligen unter einander durch innigere, herzlichere Liebe und aufrichtigere Gemeinschaft verbunden wären! dass doch ein tieferes Mitleid gegen die Elendesten und Verworfensten unseres Geschlechts sich in uns regte! Wir dürfen nicht vergessen, dass das Evangelium Christi heilig ist. Es nimmt die Sünde nie in Schutz: es vergibt sie, aber nur durch ein Sühnopfer. Soll unser Leben dem Evangelium gleichen, so müssen wir uns nicht nur vor den gröbern Lastern scheuen, sondern vor allem, was unsere vollkommene Verklärung in das Bild Jesu Christi hindert. Um Seinetwillen, um unsertwillen und um der Andern willen müssen wir Tag für Tag danach ringen, dass unser Wandel würdig sei des Evangeliums Christi. (Goldstrahlen Mai 24)

Philipper 2, 8.

„Er erniedrigte sich selbst.“

Jesus ist der große Lehrer der Demut des Herzens. Täglich haben wir von Ihm zu lernen. Sieh, wie der Meister einen Schurz nimmt und Seinen Jüngern die Füße wäscht. Nachfolger in Christi Fußstapfen, willst du dich nicht auch selbst erniedrigen? Sieh, Er ist ein Knecht der Knechte, gewiss, da kannst du nicht stolz bleiben! In diesem einen Satz lässt sich Seine ganze Lebensgeschichte zusammenfassen: „Er erniedrigte sich selbst.“ Hat Er Sich auf Erden nicht ein Kleid der Ehren nach dem anderen ausziehen lassen, bis Er endlich nackt ans Kreuz geschlagen ward? und Hat Er nicht hier noch Sein Letztes geopfert und Sein Herzblut vergossen und Sich für uns dargegeben, bis man ihn endlich, den Ärmsten, in ein erborgtes Grab legte? Wie tief ward unser Erlöser erniedrigt! Wie können wir daher stolz sein? Stelle dich unter das Kreuz und zähle die Purpurtropfen, durch welche du bist versöhnt und gereinigt worden; siehe die Dornenkrone: schaue Seinen zerschlagenen Rücken, aus dessen weitgeöffneten Wunden die geronnenen Ströme purpurnen Bluts herabhängen; siehe, wie Seine Hände und Füße vom rauen Eisen der Nägel zerrissen sind, und wie Seine ganze Leidensgestalt dem Hohn und Spott bloßgestellt ist; betrachte den Kummer, die Todesangst und die Schmerzen unsäglicher innerer Leiden, die sich in Seinen Zügen ausprägen; höre Seinen durchdringenden Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und wenn du dich vor diesem Kreuz nicht überwältigt niederwerfen musst, so hast du es nie erblickt; wenn du nicht erniedrigt wirst in der Gegenwart des Herrn Jesu, so hast du Ihn noch nicht erkannt. Du warst so ganz und gar verloren, das dich nichts anderes mehr erretten konnte, als das Opfer des eingeborenen Sohnes Gottes. Darum beuge dich in Demut zu Seinen Füßen. Ein Gefühl der erstaunlichen Liebe Christi zu uns hat mehr Kraft, uns zu demütigen, als selbst das Bewusstsein unserer Schuld. Möge der Herr uns dahin bringen, dass wir Sein Kreuz auf Golgatha betrachten, dann werden wir uns nicht ferner in prahlerischem Stolz an uns selber weiden, sondern uns demütig zu Seinen Füßen legen, als solche, die viel lieben, weil ihnen viel vergeben ist. Der Stolz kann nicht unter dem Kreuze leben; wir aber wollen darunter sitzen und lernen, und das Gelernte im Leben üben. (Goldstrahlen Juni 3)

Philipper 3, 8.

„Ich achte es alles für Schaden gegen die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn.“

Geistliche Erkenntnis Jesu Christi ist eine persönliche Erkenntnis. Ich kann den Herrn Jesum nicht durch einen andern kennen lernen, der Ihn kennt; nein, ich muss selber mit Ihm bekannt werden; ich muss Ihn von Angesicht und persönlich kennen lernen. Es muss eine bewusste Erkenntnis sein: ich muss Ihn erkennen, nicht wie der Träumende Ihn in seinen Träumen erblickt, sondern wie Ihn das Wort uns offenbart. Ich muss seine beiden Naturen erkennen, seine menschliche und seine göttliche Natur. Ich muss seine Ämter erkennen, seine Eigenschaften, seine Werke, seine Schmach, seine Herrlichkeit. Ich muss über Ihn nachsinnen und forschen, bis dass „ich begreife mit allen Heiligen, welches da sei die Breite, und die Länge, und die Tiefe, und die Höhe, auch erkenne, dass Christum lieb haben viel besser ist, denn alles Wissen.“ Es muss eine liebende Erkenntnis Christi sein; denn wenn ich Ihn überhaupt erkannt habe, so muss ich Ihn lieb gewinnen. Ein Stäublein Herzens-Erkenntnis seines Wesens ist mehr wert als eine Schiffsladung voll Kopf-Wissenschaft. Unsre Erkenntnis seiner Person ist eine Erkenntnis, die alle unsre Wünsche befriedigt. Wenn ich meinen Heiland erkenne, so wird mein Gemüt erfüllt bis zum Rand, ich fühle, dass ich in Ihm das besitze, wonach meine Seele schmachtet. Er ist „das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Er ist das Brot des Lebens, wer zu Ihm kommt, den wird nicht hungern.“ Zugleich ist es eine anregende Erkenntnis; je mehr ich meinen Freund erkenne, umso mehr möchte ich immer wieder von Ihm erfahren. Je höher ich steige, umso mehr sehnt sich mein Blick nach den Gipfeln, die über mein Haupt in die Wolken ragen, und umso mächtiger werden meine Schritte zur höchsten Höhe emporgezogen. Je mehr ich empfange, umso mehr möchte ich noch haben. Wie der Schatz des Geizigen, macht mich mein Gold nur immer goldgieriger. Diese Erkenntnis Jesu Christi ist eine über alles seligmachende Erkenntnis; wahrlich, so erhebend, dass sie mich manchmal weit über alle Trübsale und Zweifel und Leiden hinweghebt; denn sie umschlingt mich mit der Unsterblichkeit des ewig-lebendigen Heilandes, und umgürtet mich mit dem goldenen Gürtel seiner ewigen Freude. Komm, liebe Seele, setze dich zu Jesu Füßen, und lerne heute von Ihm.

Philipper 3, 10.

„Die Kraft seiner Auferstehung.“

Die Lehre von einem auferstandenen Heiland ist ganz außerordentlich köstlich. Die Auferstehung ist der Eckstein des ganzen Gebäudes der Christenheit. Sie ist der Schlussstein im Tempel unserer Seligkeit. Es würde ein Buch füllen, wollte man alle die Ströme lebendigen Wassers darlegen, die aus dieser einen heiligen Quelle fließen, aus der Auferstehung unsres teuren Herrn und Heilandes Jesu Christi; aber dass wir wissen: Er ist auferstanden, wir haben mit Ihm, dem Lebendigen, Gemeinschaft, wir werden unsres auferstandenen Heilandes teilhaftig in einem ewigen Leben, das uns geschenkt ist, wir sehen Ihn sein Grab verlassen, indem wir selber das Grab der Weltliebe verlassen: das ist noch viel köstlicher. Die Lehre ist die Grundlage der Erfahrung; gleichwie aber die Blüte lieblicher ist als die Wurzel, so ist die innere Erfahrung der Gemeinschaft mit dem auferstandenen Heiland lieblicher als die Lehre. Wie wollte ich so gern, ihr glaubtet so lebendig, dass Christus von den Toten auferstanden ist, dass ihr darüber jauchzen könntet und allen Trost darin fändet, der euch aus dieser sicheren und wohlbezeugten Tatsache zu schöpfen möglich ist; aber ich beschwöre euch, begnügt euch hiermit noch nicht. Obgleich ihr Ihn nicht, wie seine Jünger, lieblich sehen könnt, so trachtet dennoch danach, dass ihr Jesum Christum mit dem Auge des Glaubens schaut; und ob ihr Ihn gleich nicht, wie Maria Magdalena, „anrühren“ könnt, so dürft ihr dennoch seines Umgangs froh werden und erfahren, dass Er auferstanden ist; denn ihr seid in Ihm auferstanden zur Erneuerung eures Lebens. Wissen, dass ein gekreuzigter Heiland alle meine Sünden gekreuzigt hat, ist eine hohe Stufe der Erkenntnis; aber wissen, dass ein auferstandener Heiland mich gerecht gemacht hat, und dessen gewiss werden, dass Er mir ein neues Leben geschenkt hat und mich zu einer neuen Kreatur gemacht hat durch die erneuernde Kraft seines Lebens, das ist eine köstliche Erfahrung: wer weniger erlangt, sollte sich nimmermehr zufrieden geben. Möge euch beides geschenkt werden, „zu erkennen Ihn und die Kraft seiner Auferstehung.“ Das ist ein seliger Anfang eines neuen Tages und ein seliges Ende dazu, wenn wir es lebendig bewahren. Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesum Christum.

Philipper 3,21

Welcher unsren nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich wird Seinem verklärten Leibe.

Oftmals, wenn wir von Schmerz gefoltert und unfähig zum Denken oder Anbeten sind, fühlen wir, dass dies in der Tat „der Leib unserer Demütigung“ ist; und wenn wir von den Leidenschaften, die aus dem Fleisch entspringen, versucht werden, so halten wir das Wort „niedrig“ durchaus nicht für eine zu starke Übersetzung. Unser Leib demütigt uns; und dies ist ungefähr das Beste, was er für uns tut. O, dass wir recht demütig wären, denn unser Leib verbindet uns mit den Tieren und verkettet uns sogar mit dem Staub!

Aber unser Heiland, der Herr Jesus, wird all dieses wandeln. Wir sollen seinem eignen verklärten Leib ähnlich werden. Dies wird bei allen stattfinden, die an Jesum glauben. Durch den Glauben sind ihre Seelen verwandelt worden, und mit ihren Leibern wird eine Erneuerung vorgehen, um dieselben für ihre wiedergeborenen Geister geeignet zu machen. Wie bald diese große Verwandlung geschehen wird, können wir nicht sagen; aber der Gedanke daran sollte uns helfen, die heutigen Prüfungen und alle Leiden des Fleisches zu ertragen. Über ein kleines sollen wir sein, wie Jesus jetzt ist. Keine schmerzenden Stirnen mehr, keine ermattenden Herzen mehr. Der Greis soll nicht mehr ein Bündel von Gebrechen sein, und der Kranke nicht mehr eine Masse von Qual. „Ähnlich Seinem verklärten Leibe.“ Was für ein Ausdruck! Sogar unser Fleisch soll ruhen in der Hoffnung solcher Auferstehung!

Philipper 4,6.7

Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.

Keine Sorge, aber ganz Gebet. Keine Angst, aber viel freudige Gemeinschaft mit Gott. Tragt eure Wünsche dem Herrn eures Lebens, dem Hüter eurer Seele, vor. Geht zu Ihm mit zwei Teilen Gebet und einem Teil Preis und Lob. Betet nicht voll Zweifel, sondern voll Dank. Bedenkt, dass eure Bitten schon gewährt sind, und dankt deshalb Gott für Seine Gnade. Er gibt euch Gnade, gebt Ihm Dank. Verberget nichts. Gestattet keinem Wunsche, schwärend in eurem Busen zu liegen; „lasst eure Bitten kund werden.“ Lauft nicht zu Menschen. Geht nur zu eurem Gott, dem Vater Jesu, der euch in Ihm liebt.

Dies wird euch Gottes Frieden bringen. Ihr werdet nicht im Stande sein, den Frieden zu verstehen, den ihr genießen werdet. Er wird euch in Seine unendliche Umarmung einschließen. Herzen und Sinne sollen durch Christum Jesum in ein Meer der Ruhe versenkt werden. Es komme Leben oder Tod, Armut, Schmerz, Verleumdung, ihr sollt in Jesu wohnen, hoch über jedem rauen Winde und jeder dunklen Wolke. Wollt ihr nicht diesem teuren Gebot gehorchen?

Ja, Herr, ich glaube Dir; aber, ich bitte Dich, hilf meinem Unglauben.

Philipper 4,9

Welches ihr auch gelernet und empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut.; so wird der Herr des Friedens mit euch sein.

Es ist gut, wenn ein Mann so genau nachgeahmt werden kann, wie Paulus es konnte. O, dass wir Gnade hätten, ihn diesen und alle Tage nachzuahmen.

Sollten wir durch göttliche Gnade das in Ausübung bringen, was Paulus uns lehrt, so können wir die uns vorliegende Verheißung beanspruchen; und was für eine Verheißung ist es! Gott, der Frieden liebt, Frieden macht und Frieden atmet, wird mit uns sein. „Friede sei mit euch“ ist ein lieblicher Segen; aber weit mehr ist es, wenn der Gott des Friedens mit uns ist. Dann haben wir die Quelle sowohl wie die Ströme, die Sonne sowohl wie ihre Strahlen. Wenn der Gott des Friedens mit uns ist, so werden wir den Frieden Gottes genießen, der höher ist denn alle Vernunft, auch wenn äußere Umstände Störung drohen sollten. Wenn Menschen sich streiten, werden wir sicher Friedensstifter sein, wenn der Stifter des Friedens mit uns ist.

Der Weg der Wahrheit ist es, auf dem wirklicher Friede gefunden wird. Wenn wir den Glauben aufgeben oder den Pfad der Gerechtigkeit verlassen in der Meinung, Frieden zu fördern, so begehen wir einen großen Irrtum. Zuerst rein, dann friedlich, ist die Ordnung der Weisheit und der Erfahrung. Lasst uns an Pauli Richtschnur festhalten, dann werden wir den Gott des Friedens mit uns haben, wie Er mit dem Apostel war.

Philipper 4, 11.

„Ich habe gelernt, bei welchem ich bin, mir genügen zu lassen.“

Diese Worte zeigen uns, dass Genügsamkeit dem Menschen nicht von Natur eigen ist. „Unkraut wächst schnell.“ Geiz, Missgunst und Unzufriedenheit schießen im Menschenherzen auf wie Disteln und Dornen im Acker. Wir brauchen keine Nesseln und Nachtschatten zu säen; sie kommen von selber auf, weil dies in der Natur des Erdreichs liegt. Und so brauchen wir die Menschen keine Unzufriedenheit zu lehren; sie beschweren sich schon genug ohne alle Anleitung dazu. Was aber die Erde Köstliches hervorbringt, muss gepflegt werden. Wollen wir Weizen ernten, so müssen wir pflügen und säen; wollen wir uns an Blumen erquicken, so ist ein Garten nötig und eines Gärtners sorgsame Arbeit. Nun ist aber die Genügsamkeit eine himmlische Blume, und wenn wir sie besitzen wollen, so bedarf sie der Pflege; sie wächst nicht von Natur in uns; nur die neue Natur allein kann sie erzeugen, und auch da noch müssen wir ganz besonders sorgfältig und wachsam sein, wenn wir die Gnade bewahren und pflegen wollen, die Gott in uns niedergelegt hat. Paulus spricht: „Ich habe gelernt … mir genügen zu lassen;“ das will so viel sagen als: es habe eine Zeit gegeben, wo er‘s noch nicht gekonnt habe. Es kostete ihm Mühe, in das Geheimnis dieser großen Wahrheit einzudringen. Gewiss hatte er manchmal gemeint, er hätte es gelernt; und es fehlte ihm doch noch daran. Und als er endlich so weit gekommen war, dass er sagen konnte: „Ich habe gelernt, bei welchem ich bin, mir genügen zu lassen,“ da war er ein alter, silbergelockter Greis, der am Rande des Grabes stand, ein armer Gefangener in Neros Kerkern zu Rom. Auch wir könnten uns gern darein finden, die Gebrechlichkeit eines Paulus zu ertragen und den kalten Kerker mit ihm zu teilen - wenn wir nur erst irgendwie uns selbst eine gute Stufe erworben hätten, wie er. Bildet euch nicht ein, ihr könntet genügsam sein, ohne es zu lernen, oder es zu lernen ohne Anleitung. Genügsamkeit ist keine Kunst, die sich von selber versteht, sondern eine Wissenschaft, die nach und nach erworben werden muss. Wir erfahren das zur Genüge. Lieber Bruder, unterdrücke dein Murren, wie natürlich es auch scheine, und fahre fort, ein fleißiger Schüler in der Hochschule der Genügsamkeit zu sein. Vor allem aber bete stets: „Lass mir an Deiner Gnade genügen!“

Philipper 4, 12.

„Ich kann hoch sein.“

Viele, welche können „niedrig sein,“ haben das „Hochsein“ noch nicht gelernt. Wenn sie auf die Zinne eines Turmes geführt werden, wird ihnen das Haupt schwindlig, und sie stehen in Gefahr, hinunter zu fallen. Der Christ verunehrt seinen Glauben gar viel öfter im Glück als im Unglück! Glück bringt Gefahr. Das Kreuz der Not ist für den Christen eine leichtere Heimsuchung, als der Läuterungstiegel des Wohlergehens. Ach, wie viel Vernachlässigung des Seelenheils, wie viel Armseligkeit an geistlichen Gütern ist nicht schon hervorgegangen sogar aus den Gnadenerweisungen und Wohltaten Gottes! Aber das muss nicht notwendig so sein, denn der Apostel sagt uns, dass er auch konnte hoch sein. Ward ihm viel geschenkt, so wusste er‘s zu gebrauchen. Überschwängliche Gnade hat ihn nur in den Stand gesetzt, unendliches Glück zu ertragen. Da sich sein Segel schwellte, befrachtete er sein Schiff mit schwerer Last und fuhr wohlbehalten dahin. Es bedarf übermenschlicher Kunst, den vollgefüllten Becher der irdischen Freude ruhig und sicher in der Hand zu tragen, aber Paulus hat diese Kunst verstanden, denn er bezeugt: „Ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beides, satt sein und hungern.“

Es ist ein göttlicher Unterricht, wenn man lernt geschickt sein zum satt sein, denn die Kinder Israel wurden einst satt, aber da das Fleisch noch unter ihren Zähnen war, kam der Zorn Gottes über sie. Viele haben darum gebeten, dass es ihnen möchte geschenkt werden, ihres Herzens Gelüsten zu befriedigen. Volles Brot macht oft volles Blut, und das führt zum geistlichen Übermut. Wenn wir viele Gnadengaben der Vorsehung zu genießen haben, geschieht‘s oft, dass wir umso weniger in der göttlichen Gnade stehen und wenig Dank empfinden für die Wohltaten, die uns zuteil geworden sind. Wir sind satt und vergessen Gottes; gesättigt vom Irdischen, begnügen wir uns ohne den Himmel. Seid versichert, dass es schwerer ist, satt sein können, als hungrig sein können; so verzweifelt böse ist das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens und seine Neigung zum Stolz und zur Gottesvergessenheit. Habt acht, dass ihr in eurem Gebet eingedenk seid, Gott wolle euch lehren, dass ihr auch könnet „satt sein.“

„Lass nie die Gaben Deiner Gunst
Dir unser Herz entwenden.“

Philipper 4, 19

Mein Gott wird erfüllen alle eure Notdurft, nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit, in Christo Jesu.

Der Gott des Paulus ist unser Gott, und will all unsre Notdurft erfüllen. Paulus war dessen gewiss in betreff der Philipper, und wir sind dessen gewiss in betreff unserer selbst. Gott will es tun, denn es sieht Ihm gleich: Er liebt uns, Er freut sich uns zu segnen, und es wird Ihn verherrlichen, wenn Er es tut. Sein Mitleid, seine Macht, seine Liebe, seine Treue, alles wirkt zusammen, damit wir keinen Mangel leiden.

Was für einen Maßstab legt der Herr an: „Nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christo Jesu.“ Der Reichtum seiner Gnade ist groß, aber was sollen wir sagen von dem Reichtum seiner Herrlichkeit? Sein „Reichtum in der Herrlichkeit in Christo Jesu“, wer kann den Wert desselben schätzen? Nach diesem unmessbaren Maße will Gott den unermesslichen Abgrund unserer Notdurft füllen. Er macht den Herrn Jesum zum Behälter und zum Kanal seiner Fülle, und dann teilt Er uns seinen Reichtum der Liebe in ihrer höchsten Form mit. Halleluja!

Der Schreiber dieses weiß, was es heißt, in dem Werk des Herrn geprüft zu werden. Treue ist mit Zorn belohnt worden, und freigebige Helfer haben ihre Beiträge eingestellt; aber der, den sie zu unterdrücken suchten, ist keinen Pfennig ärmer deshalb gewesen, eher umso reicher; denn diese Verheißung hat sich als wahr erwiesen: „Mein Gott wird erfüllen alle eure Notdurft.“ Gottes Versorgung ist sicherer als die Bank von England.

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