Spurgeon, Charles Haddon - Psalm 133

Spurgeon, Charles Haddon - Psalm 133

- Ein Lied Davids im höheren Chor. Sieh, wie fein und lieblich ists, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen! - Wie der köstliche Balsam ist, der vom Haupt Aarons herabfließt in seinen ganzen Bart, der herabfließt in sein Kleid, - wie der Tau, der von Herman herabfällt auf die Berge Zions. Denn daselbst verheißt der Herr Segen und Leben immer und ewiglich.

Überschrift

„Ein Stufenlied von David„ (Elberfelder Übersetzung). Es ist anzunehmen, dass David dieses liebliche kleine Gedicht geschrieben hat. Aus eigener Erfahrung kannte er das Leid, das durch Familienzwistigkeiten entsteht. Er konnte am besten den Segen der Eintracht besingen. Unter den sogenannten Stufenliedern nimmt dieser Psalm zweifellos eine besondere Stellung ein; sogar in der weltlichen Literatur wird er häufig zitiert. Der ganze Psalm atmet Duft und Taufrische. Die Zionspilger waren wohl im Begriff heimzukehren; sie hatten die Eintracht unter den vielen Stämmen Israels erlebt, die sich um den gemeinsamen Altar versammelt hatten, und deshalb sangen sie nun voller Freude dieses Lied. Es ist kein Wunder, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen, wenn Gott unter ihnen wohnt.

Auslegung

V. 1 „Sieh.“ Hier ist ein Wunder, das man selten sieht: Deshalb schaue genau hin! Eintracht ist das Merkmal der wahren Heiligen. Sieh es dir genau an! Das ist es wirklich wert, bewundert zu werden. Betrachte es gut, und es wird dich zur Nachahmung reizen. Gott selber schaut mit Wohlgefallen darauf; deshalb betrachte auch du es mit großer Aufmerksamkeit. „Wie fein und lieblich ists, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen!„ (Elberfelder Übersetzung: „Wie gut und lieblich ist es.“) Niemand kann diesen wunderbaren Zustand der Eintracht recht beschreiben; deshalb gebraucht der Psalmist zweimal den Ausruf „wie„: Wie fein! Wie lieblich! Er versucht gar nicht erst zu sagen, wie fein und lieblich diese Eintracht ist. Das kann man überhaupt nicht beschreiben. „Sieh!“ Wir sind eingeladen, selber zu erleben, wie fein und lieblich die brüderliche Eintracht ist. Die Verbindung dieser beiden Eigenschaftswörter fein und lieblich ist strahlender als das Zusammentreffen von zwei Sternen erster Ordnung. Dass etwas fein oder gut ist, ist an sich schon gut; aber es ist noch besser, wenn es auch lieblich ist. Jeder liebt angenehme und liebliche Dinge. Es zeigt sich aber, dass diese angenehmen und lieblichen Dinge oft sündig sind. Darum gehört beides zusammen, wie wir es hier stehen haben: Das Liebliche soll auch gut sein und das Gute lieblich.

Für leibliche Brüder ist es nicht immer gut, wenn sie zusammenwohnen. Die Erfahrung lehrt, dass es besser ist, wenn jeder für sich bleibt. Es ist eine Schande für zwei Brüder, wenn sie in Zank und Streit leben. Sie sollten sich lieber in Frieden trennen wie Abraham und Lot, anstatt in Hader und Neid zusammenzuleben wie die Brüder Josephs. Wenn aber Brüder in Einmütigkeit und Eintracht zusammenwohnen, dann ist ihre Gemeinschaft etwas, was man in einem Lied besingen kann! So sollte es in der Verwandtschaft aussehen. Denn Brüder gehören zusammen und sollten eins sein im Herzen und im Leben. Sie wohnen zusammen, und da darf kein Streit sein. Wie viele Familien werden durch heftige Streitereien zerrissen und bieten ein Schauspiel, das weder gut noch lieblich ist! Brüder im Geist leben in der Gemeinschaft der Gemeinde zusammen. In dieser Gemeinschaft ist Eintracht ein grundlegendes Erfordernis. Wir können auf Einförmigkeit verzichten, wenn wir Einigkeit haben. Einigkeit aber müssen wir haben, sonst sind unsere Zusammenkünfte Streitversammlungen und nicht Versammlungen Christi. Je tiefer die Einheit, desto besser; dann wird viel Gutes und Liebliches da sein. Leider sind wir unvollkommene Wesen, und bestimmt wird sich Böses und Unvollkommenes einschleichen. Aber es kann schnell unschädlich gemacht und leicht ausgeschieden werden, wenn die Liebe unter uns lebendig ist. Die Einheit der Gläubigen ist gut an sich, gut für die Brüder, gut für die Neubekehrten und gut für die Welt um uns her. Und diese Einheit ist ganz gewiss auch lieblich. Ein Herz voller Liebe besitzt Freude und Glück und schenkt davon anderen. Eine Gemeinde, die Jahr um Jahr im treuen Dienst für den Herrn vereint ist, ist eine Quelle des Guten und der Freude für die ganze Umgebung.

V. 2 „Wie der köstliche Balsam ist“ (Elberfelder Übersetzung: „Wie das köstliche öl auf dem Haupte.„) Zum besseren Verständnis der brüderlichen Eintracht führt David nun einen Vergleich an. Wie in einem Spiegel können wir darin den Segen dieser Eintracht erkennen. Die Gemeinschaft der Brüder verbreitet einen süßen Wohlgeruch wie das öl, mit dem der Hohepriester bei seiner Weihe gesalbt wurde. Die brüderliche Eintracht ist etwas Heiliges, wie das Salböl heilig war und nur für den Dienst des Herrn verwendet werden durfte. Welch eine Heiligkeit muss die brüderliche Gemeinschaft besitzen, wenn sie mit diesem öl verglichen werden kann, das nur auf das Haupt des Hohenpriesters ausgegossen werden durfte und auf niemanden anders! Die brüderliche Eintracht ist wie das öl, das vom Haupt Aarons auf seine Kleider niederfloss, bis auch der äußerste Saum gesalbt war. So verbreitet sich die brüderliche Liebe in ihrer gesegneten Kraft über alle, die unter ihrem Einfluss stehen. Herzliche Gemeinschaft bringt Segen über alle, die daran teilhaben. Auch die geringsten Diener des Hauses erfahren ihre Kraft und Freude. Die Einigkeit unter Brüdern erfüllt außerdem einen bestimmten Dienst. Wie Aaron durch das Salböl für den besonderen Dienst des Herrn ausgesondert war, so erfüllen alle, die in der Gemeinschaft der Liebe zusammenwohnen, den besonderen Dienst der Verherrlichung Gottes in seiner Gemeinde. Wer keine Liebe hat, wird nicht vom Herrn zur Verherrlichung seines Namens gebraucht; es fehlt die Salbung, die zum Priester des Herrn weiht. „Der vom Haupt Aarons herabfließt in seinen ganzen Bart.“ Hier ist ein wichtiger Vergleichspunkt. Das öl bleibt nicht dort, wo es zuerst hingegossen wird, sondern fließt herab über das Haar des Hohenpriesters in den ganzen Bart. So fließt die brüderliche Liebe herab vom Haupt der Gemeinde und salbt alle, die mit ihr in Berührung kommen, und erfüllt alles mit Wohlgeruch. „Der herabfließt in sein Kleid.„ (Elberfelder Übersetzung: „Der herabfließt auf den Saum seiner Kleider.“) Wenn das öl einmal fließt, hört es nicht auf zu fließen. Wäre es nicht besser, die Kleider nicht mit dem öl zu durchtränken? Aber das heilige Salböl wurde nicht aufgehalten, sondern strömte über alle heiligen Gewänder des Hohenpriesters. Die brüderliche Liebe fließt nicht nur über die Herzen derer, über die sie zuerst ausgeschüttet wurde. Sie fragt nicht erst um Erlaubnis, sondern fließt auch dahin, wo man nicht nach ihr fragt und sie nicht begehrt. Die Liebe der Gläubigen in Christus kennt keine Gemeindegrenzen, keine Staatsgrenzen und keine Altersgrenzen. Steht ein Mensch im lebendigen Glauben an Jesus Christus, dann gehört er zu dem einen Leib Christi, und ich kann nicht anders, als ihn herzlich und immer zu lieben. Ist er einer der Ärmsten, der Schwächsten, der am wenigsten Liebenswerten, dann ist er dem Saum an Aarons Gewand vergleichbar, und die Liebe in meinem Herzen muss auch für ihn da sein. Die brüderliche Liebe kommt vom Haupt her und ergießt sich bis über die Füße. Die Richtung ist von oben nach unten. Es heißt hier zweimal „herabfließt„. Die Liebe hält sich zu den Niedrigen; sie bläht sich nicht auf, sondern ist sanftmütig und demütig. Das gehört zum Wesen der Liebe und macht sie so herrlich, öl könnte nicht salben, wenn es nicht hinunterfließen würde, und brüderliche Liebe würde sich nicht verbreiten, wenn sie nicht herabflösse.

V. 3 „Wie der Tau, der vom Hermon herabfällt auf die Berge Zions.“ Von den hohen Bergen wird die Feuchtigkeit zu den niedrigen Bergen hinabgetragen. Der Tau vom Hermon fällt auf Zion. Die Alpenhöhen des Libanon dienen den kleineren Hügeln der Stadt Davids. So neigt sich die brüderliche Liebe vom Höheren zum Niedrigeren, erfrischend und belebend. Heilige Eintracht ist wie Tau, voll Leben und Kraft für das Wachstum in der Gnade. „Denn daselbst verheißt der Herr Segen und Leben immer und ewiglich.“ (Elberfelder Übersetzung: „Denn dort hat der Herr den Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit“) Das heißt: in Zion. Oder besser: dort, wo brüderliche Liebe reichlich vorhanden ist. Wo Liebe regiert, regiert Gott. Wo Liebe Segen wünscht, verordnet Gott Segen. Gott braucht nur zu befehlen, und es geschieht. Gott freut sich darüber, dass seine Kinder untereinander und miteinander glücklich sind. Darüber hinaus macht er sie glücklich, indem er ihnen seine Gemeinschaft schenkt. Er schenkt seinen besten Segen in der Gabe des ewigen Lebens, denn Liebe ist Leben. Wenn wir in Liebe beieinander wohnen, erfahren wir schon jetzt die Freuden der Ewigkeit. Und das kann uns nie genommen werden. Lasst uns lieben ohne Aufhören, so werden wir leben ohne Aufhören. Das macht die christliche Bruderschaft so fein und lieblich: Der Segen Gottes ruht darauf. Sie ist heilig wie das köstliche Salböl und himmlisch wie der Tau des Hermon. Hätten wir doch mehr von dieser wunderbaren brüderlichen Gemeinschaft! Nicht eine Liebe, die kommt und geht, sondern die Liebe, die bleibt. Nicht den Geist der Trennung und Absonderung, sondern der einträchtigen Gemeinschaft. Nicht die Freude am Streiten und Zanken, sondern an der Einheit der Gemeinschaft. Wir werden nie die volle Kraft der Salbung erfahren, wenn wir nicht ein Herz und eine Seele sind. Niemals wird der heilige Tau des Geistes in seiner ganzen Fülle herabkommen, wenn wir nicht ganz verbunden sind in der Einheit des Geistes. Nie wird der vom Herrn verheißene und verordnete Segen auf uns kommen, wenn wir nicht wieder „einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe„ haben. Herr, führe uns selbst in diese überaus köstliche Gemeinschaft um deines Sohnes willen. Amen.

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