Spurgeon, Charles Haddon - Matthäusevangelium (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Matthäusevangelium (Andachten)

Mat. 1,21

„Er wird sein Volk erretten von ihren Sünden.“

Herr, errette mich von meinen Sünden. Durch Deinen Namen Jesus werde ich ermutigt, so zu beten. Errette mich von meinen vergangenen Sünden, dass die Gewohnheit derselben mich nicht gefangen halte. Errette mich von meinen Temperamentssünden, dass ich nicht der Sklave meiner eignen Schwachheiten sei. Errette mich von den Sünden, die beständig unter meinen Augen sind, dass ich nicht mein Grauen vor ihnen verliere. Errette mich von verborgenen Sünden, Sünden, die ich aus Mangel an Licht nicht wahrnehme. Errette mich von plötzlichen und überraschenden Sünden: lass mich nicht durch einen ungestümen Anlauf der Versuchung den Boden unter den Füßen verlieren. Errette mich, Herr von jeder Sünde. Lass kein Böses die Herrschaft über mich haben.

Du allein kannst dies tun. Ich kann nicht meine eignen Ketten zerbrechen oder meine eignen Feinde erschlagen. Du kennst die Versuchung, denn Du wurdest versucht. Du kennst die Sünde, denn Du trugst das Gewicht derselben. Du weißt mir zu helfen in der Stunde meines Kampfes. Du kannst mich vom Sündigen erretten und mich erretten, wenn ich gesündigt habe. Schon durch Deinen Namen ist es verheißen, dass Du dies tun willst, und ich bitte Dich, lass mich heute die Wahrheit dieser Weissagung erfahren. Lass mich nicht der Heftigkeit, dem Stolz, der Verzagtheit oder irgend einer andren Art des Bösen nachgeben, sondern errette Du mich zur Heiligkeit des Lebens, dass Dein Name Jesus reichlich in mir verherrlicht werden möge.

Mat. 1,21

„Des Namen sollst du Jesus heißen.“

Wenn uns jemand lieb und teuer ist, so wird uns alles, was ihn angeht, um seinetwillen wichtig. So ist auch die Person des Herrn Jesu allen wahren Gläubigen so teuer, dass alles, was Ihn betrifft, ihnen über alles köstlich erscheint. „Deine Kleider sind eitel Myrrhen, Aloe und Kezia,“ sang David, gleich als ob sogar das Gewand des Heilandes durch seine Person so köstlich gemacht würde, dass er es lieben müsste. Wahr ist es, es gibt keinen Ort, wo sein heiliger Fuß auftrat, kein Wort, das seinen holdseligen Lippen entfloh, keinen Gedanken, den sein Wort der Liebe geoffenbart hat, die nicht alle uns unnennbar teuer wären. Und das gilt auch von den Namen Christi, sie sind alle lieblich dem Ohr des Gläubigen. Ob Er genannt werde der Herr der Gemeinde, ihr Bräutigam, ihr Freund; ob Er dargestellt werde als das Lamm, das vor Grundlegung der Welt zur Schlachtbank bestimmt ist, ob König, Prophet oder Priester: ein jeder Name unsers Meisters: Messias, Immanuel, Wunder-Rat, Kraft-Held - jeder dieser Namen ist wie triefender Honigseim, und köstlich sind die Tropfen, die daraus rinnen. Wenn aber ein Name lieblicher sein kann über alle andern Namen, so ist es der Klang des Namens Jesus. Jesus! Das ist der Name, der alle himmlischen Harfen mit wonnigem Wohllaut durchweht. Jesus! das Leben, das all unsre Freuden erfüllt. Ist ein Name lieblich und köstlich über alle Namen, so muss es dieser Name sein. Er ist verwoben in die Worte und Weisen unserer Lobgesänge. Viele unserer Lieder fangen damit an, und kaum findet man eines, wenn‘s des Singens wert ist, das Ihn nicht bringt. Er ist die Summe aller Wonne. Er ist der Wohllaut, den die himmlischen Glocken erschallen lassen; ein Weihgesang in einem Wort; ein Meer an Inhalt, und dennoch ein Tropfen an Kürze; ein unvergleichliches Oratorium in zwei Silben; ein Chor aller Hallelujahymnen der Ewigkeit in fünf Buchstaben.

“Jesu, meine Wonne!
Jesu, meine Zier!
Jesu, meine Sonne,
Mich verlangt nach Dir!
Hab‘ ich Dich, wie reich bin ich!
Außer Dir soll mir auf Erden
Nichts sonst lieber werden.“

Mat. 1,21

Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.“

Viele, die man fragt, was sie unter der Erlösung verstehen, antworten: „Dass man von der Hölle errettet werde und in den Himmel komme.“ Das ist allerdings eine Frucht der Erlösung, aber es begreift nur den geringern Teil von dem Segen, der in dieser köstlichen Tatsache für uns liegt. Freilich erlöst unser Herr Jesus Christus die Seinen von dem zukünftigen Born; Er errettet sie von der furchtbaren Verdammnis, welche ihre Sünden ihnen verdient haben; aber Sein Sieg umfasst viel mehr als dies. Er macht Sein Volk selig „von ihren Sünden.“ O köstliche Erlösung von unsern furchtbarsten Feinden! Wo Christus ein Werk der Erlösung vollbringt, da stürzt Er Satan von seinem Throne, und gestattet ihm keine weitere Macht mehr. Kein Mensch ist ein wahrer Jünger Christi, wenn die Sünde noch in seinem sterblichen Leibe die Oberhand hat. Zwar wird die Sünde in uns haften und nicht gänzlich in uns ausgetilgt werden, bis dass der Geist zur Herrlichkeit eingeht; aber sie wird nicht mehr herrschen in uns. Wohl wird sie um die Herrschaft ringen, sie wird gelüsten wider das neue Gesetz und den neuen Geist, den Gott uns einpflanzt: aber nie wird die Sünde wieder die Oberhand in uns gewinnen. Christus wird unseres Herzens Herr sein, und die Sünde muss absterben. Der Löwe vom Stamm Juda wird regieren, und der Drache muss verworfen werden. Jünger Jesu! ist die Sünde in dir gedämpft? Wenn dein Leben unheilig ist, so ist dein Herz unbekehrt, und ist dein Herz unbekehrt, so bist du kein erlöster Mensch. Wenn dich der Heiland nicht geheiliget, nicht erneuert hat, wenn er dir keinen Sündenhass und keine Liebe zur Heiligung gegeben hat, dann hat er in dir noch keine Erlösung gewirkt. Die Gnade, die einen Menschen nicht bessert, ist eine wertlose Täuschung. Christus erlöst Sein Volk nicht in ihren Sünden, sondern von denselben. „Jaget nach der Heiligung, ohne welche wird Niemand den Herrn sehen.“ „Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.“ Wenn wir nicht erlöst sind von der Sünde, wie dürfen wir hoffen, zu Seinem Volk gezählt zu werden? Herr, ja erlöse mich zu dieser Stunde von allem Bösen und mache mich tüchtig zu allem Guten, zur Ehre meines Heilandes. (Goldstrahlen Februar 8)

Mat. 3,7

Der zukünftige Zorn.“

Lieblich ist es, eine Gegend zu durchwandern, nachdem ein Gewitter vorübergezogen ist, das frische Grün der Matten zu genießen, wenn der Regen aufgehört hat, und die Tropfen zu bewundern, die gleich den reinsten Diamanten im Sonnenlichte funkeln. Solcher Genuss wird dem Christen zuteil. Er zieht durch ein Land, wo das Gewitter sich über seines Heilandes Haupt entladen hat, und wenn etwa noch etliche Sorgentropfen niederfallen, so entquellen sie den Wolken der Gnade, und der Herr Jesus erquickt ihn durch die Zusicherung, dass sie ihm nicht sollen zum Verderben gereichen. Aber wie schrecklich ist die Gewissheit von der Annäherung eines Gewittersturmes: man empfindet die Schwüle der drückenden Luft: furchtbare Windstöße erfüllen das Gemüt mit Bangen; die Vögel kämpfen vergeblich gegen die reißende Wucht des Sturmwindes; das Vieh senkt entsetzt die schnaubenden Nüstern; der Himmel verhüllt sein Antlitz in Nachtgewölk; vergeblich späht das Auge nach der Sonne, nach dem offenen Blau des Himmels; die Sonne scheint nicht, und die Feste des Himmels ist finster und zornig! - Und nun ein banges Harren, bis der Orkan mit alles zerstörender Wut losbricht, wie er zuweilen in den Ländern der heißen Zone einherstürmt; ein Warten voll marternder Ungewissheit, bis die Windsbraut heult mit unbändigem Toben, Bäume mit den Wurzeln aus dem Boden reißt, Felsen von ihrem festen Fußgestell stürzt, und alle Wohnstätten der Menschen zerwühlt und verwüstet! Und siehe, Sünder, das ist deine Lage. Noch ist kein einziger heißer Tropfen gefallen, aber ein Feuerstrom rast daher. Kein wütender Wind umheult dich, aber Gottes Wetter sammeln ihre furchtbaren Feuerschlünde. Noch dämmt die Gnade die Wasserfluten ein, aber bald öffnen sich ihre Schleusen: noch ruhen des Ewigen Donnerkeile in seinem Zeughause, aber siehe, der Sturm braust daher, und welch ein entsetzlicher Anblick wird‘s sein, wenn Gott im Zornesgewand zur Rache erscheint! Wo, wo, wo, o Sünder, willst du dein Haupt verbergen, wohin willst du fliehen vor Ihm? O, dass dich doch die Hand der Gnade zu Christo leitete! Er ist dir frei angeboten im Evangelium: seine geöffnete Seite ist der Fels des Heils. Du weißt, wie nötig du Ihn hast; glaube an Ihn, klammre dich in Ihn, so ist der Zorn vorübergegangen für alle Zeiten.

Mat. 3,16

Und Johannes sah den Geist Gottes gleich als eine Taube herabfahren.“

Gleichwie der Geist Gottes herabfuhr auf den Herrn Jesum, das Haupt, so fährt Er herab auf die Glieder des Leibes der Gemeine, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße. Seine Herabkunft zu uns erfolgt in ähnlicher Weise, wie Er herabkam auf den Herrn. Es geschieht dies oft mit auffallender Schnelligkeit; kaum sind wir es gewahr geworden, so werden wir aufwärts und himmelwärts geführt über alle Erwartung. Und doch ist nichts betäubend Unruhiges dabei, wie bei irdischer Eile, denn die Flügel der Taube sind eben so sanft als schnell. Ruhe scheint bei manchen Wirkungen des Geistes eine wesentliche Eigenschaft zu sein; der Herr spricht noch immer sanft und freundlich, und wie der Tau trieft Seine Gnade still hernieder. Die Taube war stets das auserwählte Vorbild der Reinheit, und der Heilige Geist ist die Heiligkeit selber. Wo Er hinkommt, ist alles, was rein und lieblich und löblich ist, überschwänglich vorhanden und Sünde und Unreinheit müssen weichen. Friede herrscht gleicherweise, wo die heilige Taube mit Macht einkehrt; sie trägt den Oelzweig, zum Zeichen, dass die Fluten des göttlichen Zornes sich verlaufen haben. Sanftheit ist eine gewisse Wirkung der umwandelnden Macht der heiligen Taube: Herzen, die von ihrem segensreichen Einfluss berührt wurden, sind fortan und allezeit sanft und demütig. Harmlosigkeit ist die notwendige Folge davon: Adler und Raben verfolgen ihre Beute, die Turteltaube dagegen kann wohl Unrecht ertragen, aber sie fügt kein Unrecht zu. Wir müssen harmlos sein wie die Tauben. Die Taube ist ein treffliches Bild der Liebe; die Stimme der Turteltaube ist voller Zärtlichkeit; und so überströmt eine Seele, die vom göttlichen Geist heimgesucht wird, von Liebe zu Gott, von Liebe zu den Brüdern und von Liebe zu den Sündern, vor allem aber von Liebe zu Jesu. Das Schweben und Weben des Geistes Gottes über den Wassern der Tiefe rief zuerst Ordnung und Leben hervor, und in unsern Herzen erweckt und pflegt Er das neue Licht und Leben. O hochgelobter Heiliger Geist, gleichwie du ruhetest auf unserm teuern Heiland und Erlöser, so ruhe nun auch auf uns, und stärke in uns durch Dein Licht das neue Leben von nun an bis in Ewigkeit. (Goldstrahlen März 3)

Mat. 4,1

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass Er von dem Teufel versucht würde.“

Ein heiliges Herz wird nicht von der Versuchung verschont: Jesus ward versucht. Wenn uns der Satan versucht, so fallen die Funken auf Zunder; aber bei dem Herrn Jesus wars, wie wenn die Funken aufs Wasser fielen; und doch fuhr der Feind beharrlich in seinem bösen Beginnen fort. Wenn der Teufel schon da solche Anstrengungen macht, wo es umsonst ist, wie viel mehr wird er uns zusehen, da er wohl weiß, wie leicht unsere Herzen Feuer fangen. Wenn dir vom Heiligen Geist auch ein großes Maß der Heiligung geschenkt ward, so mache dich dennoch darauf gefasst, dass dich der große Höllenhund fort und fort anbeut. Im Umgang mit den Menschen tritt uns die Versuchung nicht unerwartet entgegen, aber auch die Einsamkeit bewahrt uns nicht vor diesem Übel. Der Herr Jesus ward aus der Gesellschaft der Menschen in die Wüste geführt, und ward vom Teufel versucht. Die Einsamkeit hat ihre Süßigkeit und ihren Segen, und kann dazu dienen, Augenlust und hoffärtiges Wesen zu dämpfen; aber der Teufel zieht uns auch in die köstlichste Stille nach. Meine nicht, dass bloß die weltlich gesinnten Menschen schreckliche Gedanken und gotteslästerliche Versuchungen zu bekämpfen haben, denn auch geistlich gesinnte Seelen leiden unter derselben Anfechtung; und mitten in der heiligsten Stimmung werden wir oft von den furchtbarsten Versuchungen gequält. Die geheiligtste Sammlung des Geistes sichert uns nicht gegen die Anfechtung des Teufels. Der Herr Jesus war durch und durch geheiliget. Es war Seine Speise und Sein Trank, zu tun den Willen Des, der Ihn gesandt hatte; und dennoch ward Er versucht! Und wenn eure Herzen von Seraphimsflammen der Liebe zu Jesu lodern, so versucht der Satan dennoch, euch zu laodicäischer Lauheit herabzustimmen. Sage mir, wann Gott einem Christen gestattet, seine geistliche Waffenrüstung abzulegen, dann will ich dir sagen, wann Satan von seiner Versuchung ablässt. Wie einst die Ritter in Kriegszeiten, so müssen auch wir uns schlafen legen in voller Waffenrüstung mit Helm und Harnisch; denn der Erzbetrüger benützt unsern ersten unbewachten Augenblick, um uns zur Beute zu erhaschen. Der Herr erhalte uns wachsam allezeit! (Goldstrahlen Februar 20)

Mat. 4,4

Der Mensch soll nicht leben vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes geht.

Wenn Gott es so gewollt, könnten wir ohne Brot leben, wie Jesus vierzig Tage lang tat; aber wir könnten nicht ohne sein Wort leben. Durch dieses Wort wurden wir geschaffen, und dadurch allein können wir im Dasein erhalten werden, denn Er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort. Brot ist eine zweite Ursache; der Herr selbst ist die erste Ursache unserer Erhaltung. Er kann ebensogut ohne die zweite Ursache wirken wie mit ihr; und wir dürfen Ihn nicht auf eine Weise des Wirkens beschränken. Lasst uns nicht zu begierig nach dem Sichtbaren sein, sondern auf den unsichtbaren Gott blicken! Wir haben Gläubige sagen hören, dass in tiefer Armut, wenn ihr Brotvorrat gering, auch ihr Hunger gering gewesen sei; und andren hat der Herr, wenn die gewöhnlichen Hilfsquellen versiegten, unerwartet Hilfe gesandt.

Aber wir müssen das Wort des Herrn haben. Mit diesem allein können wir dem Teufel widerstehen. Nehmt uns dieses, und unser Feind wird uns in seiner Macht haben, denn wir werden bald ermatten. Unsre Seelen brauchen Speise, und es gibt keine für sie außerhalb des Wortes Gottes. Alle Bücher und alle Prediger der Welt können uns nicht ein einziges Mahl liefern; nur das Wort aus dem Munde Gottes kann den Mund eines Gläubigen füllen. Herr, gib uns allewege dieses Brot! Wir schätzen es höher als königliche Leckerbissen.

Mat. 5,4

Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.

Durch das Tränenthal kommen wir nach Zion. Man hätte denken sollen, Leidtragen und Seligsein ständen im Gegensatz zu einander, aber der allweise Heiland verbindet sie in dieser Seligpreisung. Was nun Er zusammengefüget hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Leidtragen um die Sünde, - unsre eigne und die Sünde andrer - ist des Herrn Siegel, das Er auf seine Treuen setzt. Wenn der Geist der Gnaden auf das Haus Davids ausgegossen ist, oder auf irgend ein andres Haus, so wird es Leid tragen. Durch heiliges Leidtragen empfangen wir die besten unserer Segnungen, eben wie die seltensten Waren auf dem Wasserwege zu uns kommen. Nicht nur soll der Leidtragende an irgend einem zukünftigen Tage selig sein, sondern Christus erklärt ihn schon jetzt für selig. Der Heilige Geist wird sicherlich die Herzen trösten, die um die Sünde leidtragen. Sie sollen durch das Blut Jesu und durch die reinigende Macht des Heiligen Geistes getröstet werden. Sie sollen getröstet werden über die große Sünde ihrer Stadt und ihres Zeitalters durch die Zusicherung, dass Gott sich verherrlichen will, wie sehr sich auch die Menschen gegen Ihn empören mögen. Sie sollen getröstet werden mit der Erwartung, dass sie binnen kurzer Zeit gänzlich von der Sünde befreit und bald hinauf genommen werden sollen, um auf ewig vor dem glorreichen Angesichte ihres Herrn zu weilen.

Mat. 5,7

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Es geziemt sich nicht, dass dem, der nicht vergeben will, vergeben wird, und dem Mangel dessen, der den Armen nicht helfen will, soll auch nicht abgeholfen werden. Gott wird uns mit unsrem eignen Maß messen, und die, welche harte Herren und harte Gläubiger gewesen sind, werden finden, dass der Herr hart mit ihnen verfahren wird. „Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat.“

Heute lasst uns versuchen zu vergeben. Lasst uns tragen und ertragen. Lasst uns freundlich und sanft und milde sein. Lasst uns das Thun andrer nicht zu strenge auslegen, nicht beim Kaufen zu sehr feilschen, nicht alberne Zänkereien anfangen, nicht so schwierig sein, dass niemand es uns recht machen kann. Gewiss, wir wünschen, gesegnet zu werden, und wir wollen gern Barmherzigkeit erlangen: lasst uns barmherzig sein, damit uns Barmherzigkeit werde. Lasst uns die Bedingung erfüllen, damit wir die Seligpreisung uns aneignen können. Ist es nicht eine angenehme Pflicht, freundlich zu sein? Ist das nicht süßer, als zornig und ungroßmütig sein? Wie? Es ist Seligkeit in der Sache selber! Überdies ist das Erlangen der Barmherzigkeit eine reiche Belohnung. Wer anders als die unumschränkte Gnade konnte eine Verheißung wie diese eingeben? Wir sind gegen unsre Mitsterblichen barmherzig in Groschen, und der Herr erlässt uns „alle diese Schuld“.

Mat. 5,8

Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Reinheit, Herzensreinheit soll unser Hauptstreben sein. Wir müssen innerlich durch den Geist und das Wort rein gemacht werden, dann werden wir äußerlich durch Hingabe und Gehorsam rein sein. Es ist ein enger Zusammenhang zwischen den Neigungen und dem Verstande: wenn wir das Böse lieben, so können wir das nicht verstehen, was gut ist. Wenn das Herz unrein ist, wird das Auge trüb sein. Wie können diejenigen einen heiligen Gott schauen, die unheilige Dinge lieben?

Was für ein Vorrecht ist es, Gott hier zu sehen! Ein Schimmer von Ihm ist der Himmel hienieden! Zu Christo Jesu schauen die reines Herzens sind, den Vater. Wir sehen Ihn, seine Wahrheit, seine Liebe, seinen Ratschluss, seine Herrschaft, seine Bund mit uns, ja wir sehen Ihn selber in Christo. Aber dies erfassen wir nur in dem Maße, in welchem wir die Sünde aus dem Herzen fern halten. Nur die, welche nach Gottseligkeit streben, können ausrufen: „Meine Augen sehen stets zu dem Herrn.“ Der Wunsch des Mose: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ kann nur in uns erfüllt werden, wenn wir uns von aller Missetat reinigen. „Wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Und „ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu Ihm, der reinigt sich.“ Der Genuss gegenwärtiger Gemeinschaft und die Hoffnung des seligen Schauens sind dringende Beweggründe zur Reinheit des Herzens und des Lebens. Herr, mache uns reinen Herzens, auf dass wir Dich schauen!

Mat. 5,9

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

Wir haben die siebente der Seligpreisungen zur Betrachtung vor uns: und Sieben war bei den Hebräern die Zahl der Vollendung. Vielleicht hat eben deshalb der Heiland die Friedfertigen als die Siebenten in der Reihe genannt, weil sie dem vollkommenen Menschen in Christo Jesu am nächsten stehen. Wer gern vollkommener Seligkeit teilhaftig wäre, so fern sie auf Erden erreichbar ist, muss nach dieser siebenten Seligpreisung trachten und ein Friedfertiger werden. Auch die Reihenfolge, in welcher unser Schriftwort steht, ist bedeutungsvoll. Der vorausgehende Vers redet von der Seligkeit derer, „die da reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Es ist also wohl zu beachten, dass wir „aufs erste rein (keusch), danach friedsam“ sind. Unsere Friedfertigkeit darf nie ein Vertrag mit der Sünde, eine Duldsamkeit gegen das Böse sein. Unser Herz muss hart sein wie Kiesel gegen Alles, was wider Gott und Sein heiliges Wesen ist; ist die Reinheit festgewurzelt in unsern Herzen, dann erst können wir wahrhaft friedfertig sein. Nicht weniger scheint der nachfolgende Vers absichtlich mit unserer Schriftstelle verbunden zu sein. Wie friedfertig wir uns auch in dieser Welt beweisen, so werden wir doch missverstanden und unser Thun missdeutet; und das darf uns nicht wundern, denn selbst der Fürst des Friedens zündete durch Seine Friedfertigkeit ein Feuer an auf Erden. Er selber, der doch alle Menschen liebte und kein Übels tat, war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit; „Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor Ihm verbarg.“ Damit der von Herzen Friedfertige nicht verwundert sei, wenn er Feinden begegnet, so heißt es im folgenden Verse: „Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.“ So werden also die Friedfertigen nicht nur selig gepriesen, sondern sie werden mit Segnungen von allen Seiten umgeben. Herr, schenke uns die Gnade, dass wir auch zu dieser siebenten Seligpreisung emporgelangen! Läutere unsere Gemüt, dass wir „fürs erste keusch, danach friedsam“ werden, und stärke unsern Geist, damit unsere Friedfertigkeit uns nicht zur Feigheit verführe, wenn wir um Deinetwillen verfolgt werden.“ (Goldstrahlen März 17)

Mat. 5,43

Du sollst deinen Nächsten lieben.“

Liebe deinen Nächsten. Vielleicht schwelgt er in Reichtümern, und du bist arm, du lebst in einer niedrigen Hütte neben seinem herrlichen Palast; du erblickst jeden Tag seine Pracht, seine feine Leinwand und seine üppigen Gastmähler; Gott hat ihm diese Gaben gegeben, beneide ihn um seinen Wohlstand nicht, und hege keine argen Gedanken gegen ihn. Sei zufrieden mit deinem Los, wenn‘s dir nicht gelingt, dich zu verbessern; aber siehe nicht mit Missgunst auf deinen Nächsten, wünsche nicht, er würde deinesgleichen. Liebe ihn, so wirst du ihn nicht beneiden. Oder umgekehrt, vielleicht bist du reich, und neben dir wohnt der Arme. Schäme dich nicht, ihn deinen Nächsten zu heißen. Halte dir‘s vor Augen, dass du zur Liebe gegen ihn verpflichtet bist. Die Welt sagt, er stehe tief unter dir. Worin ist er geringer als du? Er ist weit eher deinesgleichen, als dir untergeordnet an Rang und Stand, denn „Gott hat gemacht, dass von einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen, und zwar ist Er nicht fern von einem jeglichen unter uns.“ Dein Kleid freilich ist besser als das seine, du selbst aber bist um kein Haar besser als er. Er ist ein Mensch, und was bist du mehr als das? Habe acht, dass du deinen Nächsten liebst, auch wenn er in Lumpen gekleidet oder in die tiefste Armut versunken ist.

Aber du sprichst vielleicht: „Ich kann meine Nächsten nicht lieb haben, denn für alles, was ich an ihnen tue, lohnen sie mir nur mit Undank und Geringschätzung.“ Nun, so kann sich ja die Großmut deiner Liebe nur umso herrlicher offenbaren. Nicht wahr, du wärst lieber ein Federbett-Soldat als ein Streiter, der den schweren Kampf der Liebe wagt? Wer wagt, gewinnt; und ist der Pfad deiner Liebe rau, so nimm ihn mutig unter die Füße, und liebe deine Nächsten immer zu, durch dick und dünn. Sammle feurige Kohlen auf ihr Haupt, und sind sie schwer zufrieden zu stellen, so such‘s deinem Meister recht zu machen, und bedenke das: wenn sie deine Liebe verschmähen, so verschmäht sie dein Heiland nicht, und Er hat sie noch nie zurückgewiesen, und dein Tun ist Ihm so angenehm, wie wenn sie es dankbar anerkannt hätten. Liebe deinen Nächsten, denn wenn du das tust, so trittst du in die Fußstapfen deines Herrn und Meisters. „Denn die Liebe ist von Gott, und wer lieb hat, der ist von Gott geboren und kennt Gott.“

Mat. 6,3.4

Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, auf dass dein Almosen verborgen sei; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dirs vergelten öffentlich

Keine Verheißung wird denen erteilt, die den Armen geben, um von Menschen gesehen zu werden. Sie haben ihren Lohn sogleich und können nicht erwarten, zweimal bezahlt zu werden.

Lasst uns unsre Wohltätigkeit verbergen; - ja, sie vor uns selber verbergen. Gib als etwas, was sich von selber versteht; so oft und so viel, dass du ebensowenig darauf achtest, dass du den Armen gegeben, als dass du deine regelmäßigen Mahlzeiten genossen hast. Gib deine Almosen, ohne dir auch nur zuzuflüstern: “Wie freigebig bin ich!” Versuche nicht, dich auf diese Weise zu belohnen! Überlass die Sache Gott, der niemals verfehlt, zu sehen, in sein Buch zu verzeichnen und zu belohnen! Gesegnet ist der Mann, dessen Freundlichkeit im Verborgenen tätig ist, er findet eine besondere Freude an seinen unbekannten Wohltaten. Dies ist das Brot, das verstohlen gegessen, süßer ist, als Festmahle der Könige. Wie kann ich mir heute diesen köstlichen Bissen verschaffen? Lasst mich ein wirkliches Fest der Mildtätigkeit und der Herzensfreundlichkeit haben.

Hier und dort droben wird der Herr persönlich darauf sehen, dass der verborgene Geber der Almosen belohnt wird. Das wird auf Seine Weise und zu Seiner Zeit sein: und Er wird die allerbeste wählen. Wieviel diese Verheißung bedeutet, das zu enthüllen, wird es der Ewigkeit bedürfen.

Mat. 6,9

Darumsollt ihr also beten: Unser Vater in dem Himmel.“

Dies Gebet fängt damit an, womit jedes wahre Gebet anfangen muss, mit dem Geist der Kindschaft: „Unser Vater.“ Es ist kein Gebet wohlgefällig vor Gott, wenn wir nicht sagen können: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Dieser kindliche Geist erfasst schnell die Größe des Vaters „in dem Himmel,“ und erhebt sich zu demütiger Anbetung: „Geheiliget werde Dein Name.“ Das Kind, das lispelt: „Abba, lieber Vater,“ wird zum gewaltigen Cherub, der da ruft: „Heilig, heilig, heilig!“ Es ist nur ein einziger Schritt von der entzückten Gottesanbetung zu dem feurigen Geist der bekehrenden Liebe, welcher stets unfehlbar aus der kindlichen Liebe und der ehrfurchtsvollen Anbetung hervorwächst! „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel.“ Darauf folgt der herzliche Ausdruck der Abhängigkeit von Gott und des Vertrauens auf Ihn: „Gib uns heute unser tägliches Brot.“ Werden wir weiter vom Heiligen Geist erleuchtet, so entdecken wir, dass wir nicht allein abhängig sind, sondern auch sündhaft; darum flehen wir um Gnade: „Vergib uns unsre Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Und wenn wir Vergebung empfangen haben, wenn uns die Gerechtigkeit Christi zugerechnet ist, wenn wir wissen, dass wir angenehm gemacht sind in dem Geliebten, dann bitten wir demütig um heilige Bewahrung: „Führe uns nicht in Versuchung.“ Ein Mensch, dem in Wahrheit Vergebung zuteil geworden ist, lässt sich‘s angelegen sein, dass er nicht abermals sündige; der Besitz der Rechtfertigung führt zu einem ernstlichen Verlangen nach Heiligung. „Vergib uns unsre Schulden,“ das ist Rechtfertigung; „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel,“ das ist Heiligung, Förderung im Guten, wie Bewahrung vor dem Bösen. Als Endergebnis von dem allen folgt eine herrliche siegreiche Lobpreisung: „Dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Wir freuen uns, dass unser König regiert in dem Reich der Vorsehung, und dass Er herrschen wird in Gnade von einem Meer bis an das andere, und vom Wasser bis an der Welt Ende, und seine Herrschaft wird kein Ende haben. So führt dieses kurze Vorbild des Gebets unsre Seele hinauf zur Gemeinschaft mit unserem königlichen Herrn. Herr, lehre uns beten!

Mat. 6,26

Euer himmlischer Vater.“

Gottes Kinder sind doppelt seine Kinder, sie sind seine Kinder durch ihre Erschaffung, und sie sind seine Söhne durch ihr Kindesrecht in Christo. Darum haben sie das herrliche Vorrecht, zu Ihm beten zu dürfen: „Unser Vater, der Du bist in dem Himmel.“ Vater! Welch ein lieblicher Laut ist das! Es liegt darin Würde: „Bin ich nun Vater, wo ist meine Ehre?“ Seid ihr Söhne, wo ist euer Gehorsam? Es liegt darin Liebe, verbunden mit Würde; eine Würde, die nicht zum Widerstand reizt; eine Erwartung des Gehorsams, der freudig erfüllt wird. Der Gehorsam, den Gottes Kinder Gott leisten, muss ein Gehorsam der Liebe sein. Wandelt nicht zum Hause Gottes wie Sklaven, die sich mit Widerstreben ihrer Arbeit unterziehen, sondern geht in den Wegen seiner Gebote, denn es ist eures Vaters Weg. Begebet eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, weil Gerechtigkeit eures Vaters Wille ist, und sein Wille auch seines Kindes Wille sein soll. Vater! Darin liegt königliches Ansehen, aber so zart in Liebe verhüllt, dass man in des Königs Miene der Königskrone vergisst, und sein Herrscherstab zu einem silbernen Gnadenzepter wird; dies Zepter ist wahrlich keine eiserne Rute, sondern wird in der liebenden Hand Dessen, der es hält, kaum wahrgenommen. Vater! hierin liegt Ehre und Liebe. Wie groß ist doch eines Vaters Liebe gegen seine Kinder! Was keine Freundschaft vermag, was kein Wohlwollen unternimmt, das leistet eines Vaters Herz und Hand für seine Söhne. Sie sind sein Fleisch und Blut; er muss sie segnen; sie sind seine Kinder, mit starkem Arm nimmt er sich ihrer an. Wenn ein irdischer Vater mit unermüdlicher Liebe und Sorgfalt seine Kinder überwacht, wie viel mehr wird das nicht unser himmlischer Vater tun? Abba, lieber Vater! Wer das sagen kann, hat ein herrlicheres Loblied gesungen, als alle Cherubim und Seraphim. Es liegt ein ganzer Himmel auf dem Grunde des Wortes: Vater! Es birgt alles, was ich begehren kann; alle meine Bedürfnisse dürfen nur fordern, alle meine Wünsche dürfen nur verlangen. Ich besitze alles in allem auf ewige Zeiten, wenn ich nur lallen kann: „Vater!“

“O Du, mein Vater, neig‘ herab
Zum Kinde, das Dein Sohn Dir gab,
Den Zepter Deiner Majestät;
Hör‘ und erhöre mein Gebet!“

Mat. 6,30

So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute stehet und morgen in den Ofen geworfen wird; sollte Er das nicht vielmehr euch tun? O ihr Kleingläubigen!

Kleider sind kostspielig, und arme Gläubige mögen in Sorgen sein, woher ihr nächster Anzug kommen soll. Die Sohlen sind dünn; wie sollen wir neue Schuhe erhalten? Seht, wie unser vorsorgender Herr dieser Sorge vorgebeugt hat. Unser himmlischer Vater kleidet das Gras auf dem Felde mit einer Pracht, der Salomo nicht gleichkommen konnte: wird Er nicht seine eignen Kinder kleiden? Wir sind gewiss, dass Er es will. Es mag manchen Flicken und manche Stopfstelle geben, aber Kleidung sollen wir haben.

Ein armer Prediger fand, dass seine Kleider fadenscheinig und so abgetragen waren, dass sie kaum noch zusammen hielten; indes als ein Diener des Herrn erwartete er, dass sein Herr ihm die Livree geben würde. Es traf sich so, dass dem Schreiber dieses, als er einen Freund besuchte, die Kanzel dieses guten Mannes geliehen ward, und es kam ihm in den Sinn, eine Kollekte für ihn zu halten, und seine Livree war da. Viele andre Fälle haben wir gesehen, wo die, welche dem Herrn dienten, fanden, dass Er an ihre Kleidung dachte. Der, welcher den Menschen so machte, dass er, nachdem er gesündigt, der Kleider bedurfte, versah ihn auch in Barmherzigkeit mit denselben; und die, welche der Herr unsren ersten Eltern gab, waren viel besser, als die, welche sie selber für sich machten.

Mat. 6,33

„Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit; so wird euch solches alles zufallen.“

Seht, wie die Bibel beginnt: „Am Anfang Gott“. Lasst euer Leben in derselben Weise beginnen. Trachtet mit eurer ganzen Seele zuerst und zuvörderst nach dem Reiche Gottes als dem Orte eures Bürgerrechtes, und nach seiner Gerechtigkeit als dem Stempel eures ganzen Lebens. Und das übrige wird von dem Herrn selber kommen, ohne dass ihr ängstlich darumsorget. Alles, was zum Leben und göttlichen Wandel nötig ist, „soll uns zufallen“.

Was für eine Verheißung ist dies! Nahrung, Kleidung, Haus usw. will Gott euch zufallen lassen, während ihr Ihn sucht. Ihr sorgt für seine Sache, und Er wird für die eure sorgen. Wenn ihr Papier und Bindfaden braucht, so bekommt ihr die dazu, wenn ihr wichtigere Güter kauft; und ebenso soll uns alles, was wir an irdischen Dingen nötig haben, zugleich mit dem Reich Gottes in den Kauf gegeben werden. Wer ein Erbe des Reiches ist, soll nicht Hungers sterben; und wer seine Seele mit der Gerechtigkeit Gottes bekleidet, kann nicht von dem Herrn mit einem nackten Körper gelassen werden. Hinweg mit der nagenden Sorge, und richtet eure ganze Seele darauf, den Herrn zu suchen. Geldgier ist Armut und Ängstlichkeit ist Elend! Vertrauen auf Gott ist ein Besitztum, und Ähnlichkeit mit Gott ist ein himmlisches Erbe. Herr, ich suche Dich, lass Dich von mir finden.

Mat. 7,7

Bittet, so wird euch gegeben.“

Es gibt irgendwo eine Ortschaft, wo noch heutigestags jedem Durchreisenden, der es begehrt, ein Geschenk von Brot in der Herberge verabreicht wird. So hat auch der Herr Jesus eine solche Liebe zu den Sündern, dass Er für sie eine Herberge errichtet hat auf Golgatha, und jeder hungrige Sünder darf nur anklopfen, so werden alle seine Bedürfnisse gestillt. Ja, Er hat noch mehr getan; Er hat mit seiner Herberge auch ein Bad verbunden, und wo ein Sünder sich findet, der befleckt und besudelt ist, der darf nur hingehen, so wird er abgewaschen und rein gemacht von allen Sünden. Der Brunnen ist stets gefüllt und jederzeit kräftig zur Reinigung. Noch nie ist je ein Sünder hingekommen, der hätte erfahren müssen, dass dieser Brunnen nicht imstande sei, ihn von seiner Befleckung zu reinigen. Sünden, die rot waren wie Scharlach und Rosinrot, sind ganz und gar verschwunden, und der Sünder ist weißer geworden als der Schnee. Aber wie wenn‘s auch hieran noch nicht genug wäre, so ist mit der Golgatha-Herberge auch noch eine Kleiderkammer verbunden, und ein Sünder, der sich einfältiglich als Sünder bekennt und meldet, wird dort bekleidet vom Kopf bis zum Fuß; und möchte er gern ein Streiter Christi werden, so erhält er nicht nur ein Kleid zum gewöhnlichen Gebrauch, sondern überdies noch eine vollständige Waffenrüstung, die ihn deckt von der Fußsohle bis zum Scheitel. Braucht und verlangt er ein Schwert, so wird ihm eins gegeben, und ein Schild dazu. Nichts, was ihm dienlich sein kann, wird ihm verweigert. Er bekommt Zehrgeld, so lange er lebt, und es ist ein ewiges Erbe von kostbaren Schätzen für ihn bereit, die er empfängt, sobald er eingeht zu seines Herrn Freude.

Wenn alle diese Güter mit einfachem Anklopfen an der Gnadenpforte können erlangt werden, o dann, meine Seele, klopfe heute recht kräftig an, und bitte Großes von deinem großmütigen Herrn. Gehe nicht hinweg vom Gnadenthrone, bis dass du alle deine Anliegen vor dem Herrn dargelegt und durch den Glauben eine tröstliche Zusicherung empfangen hast, dass sie dir sollen gewährt werden. Keine törichte Schamhaftigkeit braucht dich zurückzuhalten, wenn der Herr Jesus dich einladet. Kein Unglaube darf dich hindern, wenn dein Heiland dir etwas verheißt. Keine Kaltherzigkeit darf dich säumig machen, wo du solche Segensreichtümer dir aneignen kannst.

Mat. 9,6

Des Menschen Sohn hat Macht auf Erden, die Sünden zu vergeben.“

Sieh, das ist eine der gewaltigsten Leistungen unseres großen Arztes: Er hat Macht, die Sünden zu vergeben! So lange Er hienieden lebte, ehe Er noch das Lösegeld bezahlt hatte, noch ehe das Blut wirklich auf den Gnadenstuhl gesprengt war, hatte Er Macht, die Sünden zu vergeben. Und sollte Er jetzt, da Er gestorben ist, die Macht der Vergebung nicht mehr besitzen? Welch eine Macht muss nicht in Dem wohnen, der die Schulden Seines Volkes bis auf den letzten Heller getreulich erstattet hat! Er besitzt eine unbegrenzte Macht, da Er nun der Missetat gewehrt und der Sünde ein Ende gesetzt hat. Wenn ihr noch daran zweifelt, so schaut hin, wie Er von den Toten aufersteht! Betrachtet Ihn im Glanzlicht Seiner Himmelfahrt, da Er erhöht ist zur Rechten Gottes! Hört, wie er Fürbitte tut vor Seinem ewigen Vater, und auf Seine Wunden hinweist, und das Verdienst Seines heiligen Leidens geltend macht! Welch eine Macht der Vergebung findet sich hier! Er ist aufgefahren in die Höhe und hat den Menschen Gaben gegeben. „Er musste auferstehen von den Toten und predigen lassen in Seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden.“ Die blutigsten Sünden werden abgewaschen durch Sein Blut der Versöhnung. In diesem Augenblick, liebe Seele, hat Christus Macht, dir zu vergeben, wie überaus sündig auch deine Sünde sei; hat Macht, dir zu vergeben, und mit dir Millionen Andern, die nicht besser sind als du. Ein einziges Wort vollbringts. Er braucht nichts mehr zu vollbringen, um deine Vergebung zu erlangen; das Versöhnungswerk ist ganz vollbracht. Er kann dein Geschrei und Tränen erhören, und dir heute, jetzt, deine Sünden vergeben und dich dessen gewiss machen. Er kann in eben diesem Augenblick deiner Seele einen Frieden mit Gott einflößen, der alles Verständnis übersteigt, und welcher entspringt aus der vollkommenen Versöhnung deiner mancherlei Übertretungen. Glaubst du das? Ich hoffe, du glaubst es. Mögest du nun die Macht Jesu, die Sünden zu vergeben, an dir erfahren! Verziehe keinen Augenblick, dich an den Arzt deiner Seele zu wenden, sondern eile zu Ihm mit dringendem Flehen um Gnade! Und siehe, wie brennt Sein Herz in Liebe gegen dich! (Goldstrahlen August 10)

Mat. 10,24.25

Der Jünger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über den Herrn. Es ist dem Jünger genug, dass er sei wie sein Meister.“

Niemand wird diese Wahrheit bestreiten, denn es würde dem Knecht nicht geziemen, dass er über seinen Meister erhöht würde. Was erfuhr unser Herr für eine Behandlung, als Er auf Erden wandelte? Leistete man seiner Aufforderung Gehorsam, befolgte man seine Lehren, beugte man sich anbetend vor seinen göttlichen Tugenden, da Er kam zu segnen und selig zu machen? Nein; „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste.“ Er wurde außerhalb des Lagers geführt, das Kreuz musste Er tragen. Gewährte Ihm diese Welt Ruhe und Frieden? „Die Füchse haben ihre Gruben, und die Vögel haben ihre Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da Er sein Haupt hinlege.“ Diese ungastliche Stätte bot Ihm keine Zuflucht; sie verwarf Ihn und kreuzigte Ihn. Das ist es, was auch du zu erwarten hast, wenn du ein Jünger Jesu und in Wort und Wandel aufrichtig bist, gleichwie Christus; das harrt deiner, wenn dein geistliches inneres Leben im äußern Wandel vor die Augen der Welt tritt. Sie wird nicht anders mit dir verfahren, als mit dem Heiland auch; sie wird dich verachten und verhöhnen. Wähne nicht, dass du bei den Weltlichgesinnten Anklang findest, oder dass die Leute umso freundlicher gegen dich sind, je heiliger und Christo ähnlicher du lebst. Sie schätzten den geschliffenen Diamant nicht, wie können sie den rohen Edelstein wert achten? „Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie vielmehr werden sie seine Hausgenossen also heißen?“ Wären wir Christus ähnlicher, so würden uns seine Feinde auch heftiger hassen. Es wäre eine traurige Ehre für ein Kind Gottes, wenn es der Welt Günstling wäre. Es ist ein gar schlimmes Zeichen, wenn die arge Welt Beifall klatscht und einem Christen zujubelt: „Brav gemacht!“ Er mag sich in seinem Wandel in Acht nehmen und zusehen, ob er nicht unrecht getan hat, wenn die Gottlosen ihm Lob spenden. Halten wir treu zu unserem Meister, und pflegen wir nicht Freundschaft mit einer blinden und argen Welt, die Ihn verachtet und verspottet. Ferne sei von uns, dass wir da eine Ehrenkrone suchen, wo unserem Herrn und Heiland eine Dornenkrone zuteil wurde.

Mat. 10,25

Es genügt dem Schüler, dass er sei wie sein Meister

Keiner wird diese Äußerung bestreiten, denn es wäre unwahrscheinlich, dass der Knecht im Ansehen über seinem Herrn stünde. Als der Herr auf Erden war, wie wurde er da behandelt? Wurden seine Forderungen angenommen, seine Anweisungen befolgt, wurde seiner Vollkommenheit von denen, die er segnete, gehuldigt? Nein; „Er war verachtet und von den Menschen verworfen.“ Außerhalb des Lagers war sein Platz: das Kreuz zu tragen war seine Aufgabe. Gewährte die Welt ihm Trost und Ruhe? „Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nichts, worauf der seinen Kopf legen kann.“ Dieses unwirtliche Land bot ihm keinen Schutz: Es grenzte ihn aus und kreuzigte ihn.

Wenn Du ein Nachfolger Jesu bist und einen beständigen, christusgemäßen Wandel führst, musst Du auch damit rechnen, dass der größte Teil deines geistlichen Lebens, das sich nach außen sichtbar entwickelt, von den Menschen beobachtet wird. Sie werden es so beurteilen wie sie den Heiland beurteilten - sie werden es verachten. Träume nicht davon, dass die Weltmenschen Dich bewundern werden, oder dass die Leute umso friedlicher mit Dir umgehen, je heiliger und christusgemäßer Du bist. Sie schätzten den geschliffenen Edelstein nicht, wie sollten sie da den Wert des Edelsteinrohlings schätzen? Wenn sie den Meister als einen aus dem Hause Beelzebubs beschimpft haben, wieviel mehr werden sie seine Haushalter beschimpfen? Wenn wir Christus ähnlicher wären, würden wir umso mehr von seinen Feinden gehasst werden. Es wäre eine traurige Schande für ein Gotteskind, wenn es der Liebling der Nationen wäre. Es ist ein übles Omen, wenn man hört, dass die böse Welt in die Hände klatscht und einem Christen zuruft „Gut gemacht!“ Vielleicht beginnt man dann, seinen Charakter zu betrachten, und fragt sich, ob man es nicht falsch gemacht hat, wenn einem die Ungerechten ihre Anerkennung aussprechen.

Lasst uns aufrichtig gegenüber unserem Meister sein und keine Freundschaft mit einer blinden und gemeinen Welt eingehen, die Ihn verspottet und verwirft. Es sei ferne von uns, eine Ehrenkrone zu begehren, wo doch unser Herr eine Dornenkrone vorfand.

Mat. 10,32

„Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater.“

Gnadenvolle Verheißung! Es ist eine große Freude für mich, meinen Herrn zu bekennen. Was auch meine Fehler sein mögen, ich schäme mich nicht meines Jesu und fürchte mich auch nicht, die Lehren von seinem Kreuz zu verkünden. O Herr, ich habe nicht Deine Gerechtigkeit in meinem Herzen verborgen.

Süß ist die Aussicht, die der Text mir eröffnet! Freunde verlassen mich und Feinde frohlocken, aber der Herr verleugnet seinen Knecht nicht. Ohne Zweifel wird der Herr mich auch hier noch anerkennen und mir neue Zeichen seiner Gunst geben. Aber es kommt ein Tag, wo ich vor dem großen Vater stehen muss. Was für eine Seligkeit, zu denken, dass Jesus mich dann bekennen will! Er wird sagen: „Dieser Mann vertraute mir wahrhaft und war willig, um meines Namens willen Schmach zu leiden und deshalb erkenne ich ihn als den meinen an.“ Neulich wurde ein großer Mann zu einem Ritter gemacht und die Königin übergab ihm ein mit Juwelen besetztes Hosenband; aber was ist das! Es wird eine Ehre über alle Ehren sein, wenn der Herr Jesus uns bekennt in Gegenwart der göttlichen Majestät in dem Himmel. Möge ich mich nie schämen, meinen Herrn zu bekennen. Lasst mich nie feige schweigen oder einen schwachherzigen Kompromiss zustimmen. Soll ich erröten, Ihn zu bekennen, der verheißt, mich zu bekennen?

Mat. 10,34

Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.“

Ein Christ kann sicher darauf zählen, dass er sich Feinde macht. Er lässt es sich angelegen sein, niemand zum Feinde zu haben: wenn aber dadurch, dass er das Rechte tut und das Wahre glaubt, ihm jeder irdische Freund verloren gehen sollte, so schlägt er diesen Verlust gering an, weil sein großer Freund im Himmel sich ihm nur umso freundlicher erzeigt und sich ihm gnädiger offenbart, denn je. O ihr, die ihr sein Kreuz auf euch genommen habt, wisst ihr nicht, was euer Meister spricht? „Ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter; und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.“ Christus ist der große Friedensstifter, aber ehe Er den Frieden bringt, bringt Er Streit. Wo das Licht eindringt, muss die Finsternis weichen. Wo die Wahrheit ist, muss die Lüge fliehen; oder wenn sie bleibt, muss es zu einem harten Kampf kommen, denn die Wahrheit kann und will ihr Panier nicht senken, und die Lüge muss unter die Füße getreten werden. Wenn du Christo nachfolgst, so heulen dir alle Hunde der Welt auf den Fersen nach. Wenn du so zu leben suchst, dass du am jüngsten Tage vor dem Richterstuhl bestehen könnest, so verlass dich darauf, dass die Welt kein Gutes von dir redet. Wer der Welt Freundschaft besitzt, wird Gottes Feind; wenn du dich aber treu und wahrhaftig zum Höchsten hältst, so fühlen sich die Menschen von deiner unerschütterlichen Treue verletzt, weil sie ein Zeugnis ist wider ihre Missetaten. Du musst unbekümmert um alle Folgen das Rechte tun. Du hast den Mut eines Löwen nötig, wenn du unentwegt einen Lauf unternimmst, der dir deinen besten Freund zum bittersten Feinde macht; aber um der Liebe Jesu willen musst du tapfer und mutig sein. Um der Wahrheit willen Achtung und Liebe in die Schanze schlagen, ist ein so gewichtiges Ding, dass du, um in diesem Wege zu beharren, eine solche Höhe sittlicher Kraft bedarfst, wie sie nur der Geist Gottes in dir wirken kann; aber wende nicht feige deinen Rücken, sondern sei ein Mann. Folge mit männlichem Mut deinem Meister nach, denn Er hat vor dir diesen rauen Pfad betreten. Besser ein kurzer Kampf und ewige Ruhe, als ein fauler Friede und ewige Qual.

Mat. 10,42

Und wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket, in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch: es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.

Nun, dies kann ich tun. Ich kann dem Diener des Herrn eine Freundlichkeit erzeigen. Der Herr weiß, ich liebe sie alle und würde es für eine Ehre halten, ihre Füße zu waschen. Um ihres Meisters willen liebe ich die Jünger.

Wie gnädig von dem Herrn, eine so unbedeutende Handlung zu nennen: „nur mit einem Becher kalten Wassers tränket!“ Dies kann ich tun, wie arm ich auch bin; dies darf ich tun, wie niedrig ich auch bin: dies will ich freudig tun. Dies, was so wenig scheint, bemerkt der Herr – bemerkt es, wenn es dem Geringsten seiner Nachfolger getan wird. Augenscheinlich sind es nicht die Kosten, noch die Geschicklichkeit, noch die Größe, worauf Er sieht, sondern der Beweggrund: das, was wir einem Jünger tun, weil er ein Jünger ist, beobachtet sein Herr und vergilt es. Er belohnt uns nicht nach dem Verdienst dessen, was wir tun, sondern nach dem Reichtum seiner Gnade.

Ich gebe einen Becher kalten Wassers, und Er lässt mich lebendiges Wasser trinken. Ich gebe einem seiner Kleinen, und Er behandelt mich wie einen von ihnen. Jesus findet eine Rechtfertigung für seine Freigebigkeit in der Handlung, zu der seine Gnade mich geleitet hat, und Er spricht: „es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.“

Mat. 11,25

Zu derselbigen Zeit antwortete Jesus.“

Der Anfang dieser Schriftstelle lautet sonderbar: „Zu derselbigen Zeit antwortete Jesus.“ Wenn man den Zusammenhang übersieht, so ist hier nirgends die Rede davon, dass Ihn Jemand etwas gefragt, oder dass Er mit irgend einem Menschen ein Gespräch geführt hätte. Dennoch heißt es: „Zu derselbigen Zeit antwortete Jesus und sprach: Ich preise Dich, Vater.“ Wenn ein Mensch antwortet, so antwortet er einer Person, die mit ihm gesprochen hat. Wer hatte also mit Christo gesprochen? Sein Vater. Und doch wird an dieser Stelle nichts hiervon erwähnt; nun, das soll uns zeigen, dass der Herr Jesus in beständigem Umgang mit Seinem Vater lebte, und dass Gott so oft, so unaufhörlich in Seinem Herzen mit Ihm redete, dass dieser Umstand keiner besonderen Erwähnung bedurfte. Es war des Herrn Jesu Leben und Odem, mit Seinem Gott zu reden. Und wie dies mit dem Herrn Jesu hienieden der Fall war, so sollte es auch mit uns der Fall sein; und darum wollen wir uns die wichtige Lehre aneignen, die sich aus dem angeführten Umstande aus dem Leben Jesu für uns ergibt. Möchten auch wir diesen stillen Herzensumgang mit dem Vater pflegen, und Ihm oft antworten; und wenn die Welt auch keine Ahnung davon hat, mit wem wir reden, so wollen wir doch jener Stimme antworten, die für jedes andere Ohr unhörbar ist, die aber unser von Gott dem Heiligen Geiste geöffnetes Ohr mit Freuden vernimmt. Gott hat zu uns geredet, so wollen wir denn auch zu Ihm reden, entweder zu bezeugen und zu besiegeln, dass Gott treu und wahrhaftig ist in Seinen Verheißungen; oder um die Sünde zu bekennen, welche uns Gott der Heilige Geist zum Bewusstsein gebracht hat; oder um die Gnadenerweisungen zu rühmen, die Gottes Vorsehung uns geschenkt hat; oder um unsere Bewunderung der großen Wahrheiten auszudrücken, für welche uns Gott der Heilige Geist das Verständnis geöffnet hat. Welch ein Gnadenvorrecht ist doch die innige Gemeinschaft mit dem Vater unserer Seelen! Es ist ein Geheimnis, das der Welt verborgen ist, eine Freude, von welcher selbst der nächste unserer Freunde nichts weiß. Wenn wir das Lispeln der Liebe Gottes vernehmen wollen, dann muss unser Ohr zuvor gereinigt und zum Gören Seiner Stimme zubereitet werden. (Goldstrahlen Februar 5)

Mat. 11,28

Kommet her zu mir.“

Kommet! ist der liebliche Zuruf, den die evangelische Heilsbotschaft an uns richtet. Das alttestamentliche Gesetz befahl in strengem Tone: „Gehe, habe acht auf deine Tritte, dass du richtig wandelst. Brich das Gesetz, so wirst du umkommen; halte die Gebote, so wirst du leben.“ Das Gesetz war ein Bund der Schrecknisse, der die Menschen vor sich hintrieb wie mit Geißelhieben; das Evangelium zieht die Sünder mit Seilen der Liebe. Jesus ist der gute Hirte, der vor den Schafen hergeht, der sie Ihm nachfolgen heißt und sie zu den lieblichen Höhen des Himmels leitet mit dem süßen Lockruf: „Kommet.“ Das Gesetz verstockt, das Evangelium lockt. Das Gesetz offenbart die Kluft, die zwischen Gott und Menschen befestigt ist; das Evangelium überbrückt den schauerlichen Abgrund, und trägt den Sünder sicher hinüber.

Vom ersten Augenblick deines geistlichen Lebens an bis hinaus zu deinem Eingang zur ewigen Herrlichkeit lautet Christi Einladung an dich: „Komm, ja, komm her zu mir.“ Gerade wie eine Mutter, die ihrem Kindlein den Finger darreicht und es zum Gehen ermutigt mit den Worten: „Komm,“ so macht‘s auch der Herr Jesus. Er bleibt allezeit vor euren Augen und heißt euch Ihm nachfolgen, wie ein Krieger seinem Heerführer nachfolgt. Er schreitet unaufhörlich vor euch her, um euch den Weg zu bahnen und euren Pfad zu ebnen, und ihr vernehmt seine aufmunternde Stimme, wie Er euch durch euer ganzes Leben hindurch Ihm nachfolgen heißt; und in der feierlich ernsten Stunde des Todes ruft Er euch mit dem köstlichen Zuruf ab in die himmlische Heimat: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters.“ Aber dies ist nicht allein Christi Zuruf an dich, sondern, wenn du an Ihn glaubst, so ist es auch dein Sehnsuchtsruf nach Ihm: „Komm! ja, komm!“ Dich verlangt sehnlich nach seiner zweiten Zukunft; du rufst aus: „Komm bald; ja, komm, Herr Jesu!“ Du seufzest nach innigerem und herzlicherem Umgang mit Ihm. So wie seine Stimme dir zuruft: „Komm,“ so antwortet Ihm deine Stimme zurück: „Komm, o Herr, und bleibe bei mir. Komm, und nimm alleinigen Besitz von meinem Herzen, wohne und throne darin; herrsche darin unumschränkt und mit ungeteilter Gewalt, und heilige mich ganz zu Deinem Dienst.“

Mat. 11,28

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe geben.

Wir, die errettet sind, finden Ruhe in Jesu. Die, welche nicht errettet sind, werden Ruhe empfangen, wenn sie zu Ihm kommen, denn hier verheißt Er, sie zu „geben“. Nichts kann freier sein, als eine Gabe; lasst uns fröhlich annehmen, was Er fröhlich gibt! Ihr sollt sie nicht kaufen noch borgen, sondern sie als eine Gabe annehmen. Ihr mühet euch ab unter der Peitsche des Ehrgeizes, der Habgier, der Lüste oder der Sorge: Er will euch aus dieser eisernen Knechtschaft befreien und euch Ruhe geben. Ihr seid „beladen“, - ja, schwer beladen mit Sünde, Furcht, Sorge, Gewissensangst, Todesfurcht, aber, wenn ihr zu Ihm kommt, will Er euch entlasten. Er trug die zermalmende Masse unserer Sünde, damit wir sie nicht länger trügen. Er machte sich zum großen Bürdenträger, damit jeder Schwerbeladene aufhörte, unter dem furchtbaren Drucke sich zu beugen.

Jesus gibt Ruhe. Es ist so. Willst du es glauben? Willst du die Probe versuchen? Willst du das sogleich tun? Komme zu Jesu, indem du jede andre Hoffnung aufgibst, an Ihn denkst, Gottes Zeugnis über Ihn glaubst und Ihm alles anvertrauest. Wenn du so zu Ihm kommst, so wird die Ruhe, die Er dir geben wird, tief, sicher, heilig und immerwährend sein. Er gibt eine Ruhe, welche sich zum Himmel entwickelt, und Er gibt sie noch diesen Tag allen, die zu Ihm kommen.

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Jesus sagt: „Kommet zu mir, - nicht zu jemand anders, sondern zu mir.“ Er sagt auch nicht: „Hört eine Predigt über mich,“ sondern er sagt: „Kommet zu mir. Kommet zu mir, gleich und ohne Vermittler.“ Ja, kommt gleich zu Jesus, kommt zu Jesus selbst. Ihr braucht einen Vermittler zwischen Gott und euch, aber ihr braucht keinen Mittler zwischen euch und Christus. Jesus Christus ist der Mittler zwischen euch und dem Vater; ihr braucht niemanden, der zwischen euch und Christus steht. Zu ihm dürfen wir unmittelbar und mit unverhülltem Angesicht aufschauen, so sündhaft wir auch sein mögen. Erquickung und Herzensfrieden ist mehr wert als alles Gold. Friede zu haben, dar die Seele nicht mehr hin- und hergeworfen wird; sich sicher, fröhlich, glücklich zu fühlen, das ist besser als alle Schätze der Welt. Eines Menschen Leben besteht nicht darin, dass er die Fülle aller Güter hat; mancher Arme ist glücklicher als der Besitzer großen Gutes, denn nicht Reichtum, sondern Genügsamkeit gibt Frieden.

Das Kräutlein Seelenfrieden wächst oft in einem kleinen Garten; glücklich, wer es immer am Herzen trägt. Denn dieses Gut,. das Jesu allen verheißt, die zu ihm kommen, leuchtet heller als Perlen und Edelsteine. Unser Herr Jesus kann allen Mühseligen und Beladenen Ruhe geben. Er verheißt nicht mehr als er leisten kann. Du magst noch so schwarz und gräulich aussehen - er kann dich befreien, er kann es und er will es, zweifle nicht daran.

Kommet zu mir, sagt er, und ich will euch Erquickung geben. Das ist das Evangelium. Du sagst: „Herr, ich kann dir nichts geben.“ Er verlangt auch nichts. Er gibt. Nicht was du Gott gibst, sondern was er dir gibt, dient zu deiner Seligkeit. So komm doch und nimm; Gottes Gabe liegt offen vor dir. Wenn du auch als Jesu Jünger ihm dein ganzes Leben dientest, du machst ihn dadurch nicht reicher. Er ist für dich gestorben, kannst du ihm dass jemals vergelten? Er lebt im Himmel und bittet für dich und liebt dich; kannst du ihn dafür belohnen? Unsere Hoffnung liegt nicht in dem, was wir ihm etwa geben könnten, sondern in dem, was er uns gibt. Es kommt für uns alle ein Tag, wo wir uns nach Ruhe und Erquickung sehnen. Wir brauchen sie auch jetzt schon notwendig, und ohne sie führen wir ein trostloses Leben. Wenn wir auch haben, was unser Herz wünscht, fühlen wir doch, dass wir nicht glücklich wären ohne unseren Heiland. Wir alle müssen sterben, und was dann? Ein junger Mann sagte zu seinem Vater: „Es geht mir jetzt ausgezeichnet in meinem Geschäft; wenn es so weiter geht, wohin führt das schließlich?“ „Ins Grab,“ antwortete der Vater. Ja, so ist es. Alles Irdische endet hier auf Erden. Wären wir doch immer bereit zum Sterben! Wer recht zum Leben bereit ist, der ist auch bereit zum Sterben. Der Tod brauchte keinen plötzlichen Ruck in unsrem Dasein zu machen, das Leben sollte dahinfließen wie ein Strom, der ganz von selbst endlich ins Meer einmündet; aber das ist nur möglich, wenn es in dem rechten Bette dahinfließt. Wenn wir jetzt auf dem rechten Wege sind, auf dem Weg des Glaubens, der Liebe, der Gottesfurcht, und auf dem Weg beharren, so wird Jesus am letzten Gerichtstage wieder zu uns sagen: „Kommet her; kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, und ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.“

Mat. 12,15

Ihm folgte viel Volks nach, und Er heilte sie alle.“

Welch eine Menge hässlicher und abscheulicher Krankheiten muss dem Herrn Jesus stets unter die Augen gekommen sein! Doch lesen wir nirgends, dass Ihn davor ekelte, sondern dass Er jedem Kranken seine ganze Sorgfalt widmete. Welche merkwürdige Seuchen der verschiedensten Art mögen sich vor Ihm zusammengefunden haben! Welche fressenden Eiterbeulen und welche stinkenden Wunden! Dennoch war Er bei jeder neuen Erscheinung des Ungeheuers „Seuche“ mit Hilfe bereit und überwand sie siegreich in jeder Gestalt. Der feurige Pfeil mochte fliegen, woher er wollte, so dämpfte Er seine verzehrende Gewalt. Die Hitze des Fiebers, der Frost der Wassersucht, die Entkräftung der Gicht, die Wut der Besessenheit, die Verunreinigung des Aussatzes oder die Finsternis der Blindheit: alle erfuhren die Macht seines Wortes, und entflohen vor seinem Befehl. Auf jedem Teil des Schlachtfeldes blieb Er siegreich über das Übel und empfing die Huldigung der befreiten Gefangenen. Er kam, sah, siegte. Es ist noch heute so. Wie auch mein Übel möge beschaffen sein, so kann mich der geliebte Arzt dennoch heilen; und wie elend auch der Zustand andrer sei, derer ich in diesem Augenblick im Gebet gedenke, so darf ich dennoch zu Jesu hoffen, dass Er imstande sei, sie von ihren Sünden zu heilen. Mein Kind, mein Freund, meine Lieben alle, - für jedes darf ich hoffen, für jedes ohne Ausnahme, wenn ich an die heilende Macht meines Herrn und Heilandes denke; und was mich selber betrifft, so darf auch ich getrosten Mut fassen, wie ernst und schwer auch mein Kampf mit Sünde und Versuchung sei. Er, der auf Erden die Hallen der Siechen und Kranken besuchte, beweist seine Gnade noch immer und wirkt Wunder unter den Menschenkindern: Kommt denn und lasst uns zu Ihm gehen, jetzt gleich und mit rechtem Ernst!

Ich will Ihn jetzt loben, wenn ich daran denke, wie Er von geistlichen Krankheiten heilt; ich will Ihn rühmen und hoch preisen. Er hat unsre Krankheit getragen. „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Seine Gemeinde auf Erden ist voller Seelen, die unser geliebter Arzt geheilt hat; und die himmlischen Heere müssen bekennen: „Er heilte sie alle.“ So komm denn, meine Seele, mache weit umher kund die Herrlichkeit seiner Gnade, „und dem Herrn soll ein Name und ewiges Zeichen sein.“

Mat. 12,20

Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird Er nicht auslöschen.“

Was ist schwächer als das zerstoßene Rohr oder das glimmende Tocht? Ein Rohr, das im Sumpf oder am See wächst, ist so leicht zerbrechlich, dass es schon knickt, wenn nur die wilde Ente sich auf ihm niederlässt; sobald des Menschen Fuß nur daran stößt, bricht es und wird zerquetscht; jeder Wind, der übers Wasser zieht, bewegt es hin und her. Man kann sich nichts Zerbrechlicheres und Spröderes denken, nichts, dessen Dasein gefährdeter ist, als ein zerstoßenes Rohr. Dann seht auf das glimmende Tocht; was ists? Es lebt noch ein Funke darin, aber freilich, dieser Funke ist fast erloschen; eines Kindes Hauch löscht ihn gar aus; nichts hat ein vergänglicheres Dasein, als dieser Funke. Hier sind recht schwache Kräfte geschildert, und doch spricht der Herr Jesus davon: „Das glimmende Tocht will Ich nicht auslöschen; das zerstoßene Rohr will Ich nicht zerbrechen.“ Manche Kinder Gottes werden so gestärkt, dass sie Großes für Ihn auszurichten im Stande sind; Gott hat hie und da Seinen Simson, der die Tore zu Gaza aushängt und sie vor die Stadt auf den Berg trägt; Er hat einige Starke unter Seinem Volk, mit löwengleichem Mut; aber die Mehrzahl der Seinen ist ein schwaches, furchtsames Geschlecht; sie sind wie Stare, die jeder Vorübergehende verscheucht, eine kleine, furchtsame Herde. Wenn die Versuchung kommt, so werden sie gefangen wie die Vögel in der Schlinge; wenn Trübsal droht, so geraten sie in Angst und Furcht; ihr schwankendes Schifflein wird von jeder Woge auf- und niedergeworfen, sie werden in die Flucht getrieben, wie eine Meerschwalbe vom springenden Schaum der Wogen. Schwache Geschöpfe sind sie, ohne Kraft, ohne Weisheit, ohne Umsicht. Und doch, so schwach sie auch sind, ja eben weil sie so schwach sind, ist ihnen diese Verheißung ganz besonders geschenkt. Hier ist Gnade und Barmherzigkeit! Hier ist Liebe und Freundlichkeit! Wie zeigt uns dies Wort den Herrn Jesum in Seiner ganzen Sanftmut und Treue! Er ist so zart, so liebevoll, so gnadenreich! Wir dürfen vor Seiner Berührung nicht zurückbeben. Wir haben kein schmerzendes Wort von Ihm zu fürchten; ob Er uns schon schelten könnte ob unserer Schwachheit, so straft Er uns doch mit keiner Sylbe. (Goldstrahlen Juli 19)

Mat. 13,12

Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe.

Wenn der Herr einem Menschen viel Gnade gegeben hat, will Er ihm mehr geben. Ein wenig Glaube ist ein Nestei: mehr Glaube wird hinzu kommen. Aber dann muss es nicht scheinbarer Glaube, sondern wirklicher und wahrer sein. Was für eine Notwendigkeit ist uns auferlegt, es mit der Religion ernst zu nehmen, und nicht vieles zu bekennen und nichts zu besitzen! Denn eines Tages wird auch das Bekenntnis uns genommen werden, wenn das alles ist, was wir haben. Die Drohung ist ebenso wahr, wie die Verheißung.

Gelobt sei der Herr, es ist seine Weise, wenn Er einmal den Anfang gemacht hat, fortzufahren die Gnaden seines Geistes zu verleihen, bis der, der nur wenig hatte und doch dies wenige wirklich hatte, die Fülle hat. O, dass wir diese Fülle hätten! Fülle der Gnade ist etwas, das wir begehren müssen. Es würde gut sein, viel zu wissen, aber besser, viel zu lieben. Es wäre schön, eine Fülle von Geschicklichkeit im Dienste Gottes zu haben, aber besser noch eine Fülle von Glauben, so dass wir Geschicklichkeit und alles andre vom Herrn vertrauensvoll erwarten.

Herr, da Du mir ein Gefühl der Sünde gegeben hast, so vertiefe meinen Hass des Bösen. Da Du mich auf Jesum hast vertrauen lassen, so erhebe meinen Glauben zur vollen Zuversicht. Da Du mir Liebe zu Dir gegeben, so lass mich von dieser Liebe entflammt und fortgerissen werden!

Mat. 14,30

Er hob an zu sinken, schrie und sprach: Herr, hilf mir.“

Zeiten des Sinken sind Zeiten des Gebetes bei den Knechten des Herrn. Petrus versäumte das Gebet, als er auf seinen wunderbaren Gang achtete; als er aber anfing zu sinken, trieb ihn seine Gefahr ins Gebet, und sein Hilferuf kam zwar spät, doch nicht zu spät. Wenn wir Stunden körperlichen Leidens und geistlicher Anfechtungen durchmachen müssen, so erfahren wir, dass wir dadurch ebenso notwendig zum Gebet getrieben werden, wie das Wrack durch die Wogen auf den Strand. Der Fuchs sucht Schutz in seiner Höhle; der Vogel fliegt, um sich zu bergen, in den Wald; und ebenso flüchtet sich der geängstigte Gläubige vor den Gnadenthron, wenn er Rettung suchen muss. Des Himmels großer Rettungshafen ist der Allbeter; tausende sturmgepeitschter Fahrzeuge haben da einen Bergungsort gefunden, und sobald ein Sturm anbricht, tun wir wohl, mit allen Segeln darauf los zu steuern.

Kurze Gebete sind lang genug. Nur drei Wörtlein enthielt die Bitte, die Petrus in seiner Angst ausstieß; aber sie genügten für seine Absicht. Nur nicht lang und lahm, sondern kurz und kräftig, das ist das wahre Erfordernis. Das Gefühl der Noth ist ein gewaltiger Lehrer, wie man sich kurz zu fassen hat. Wortkram ist im Gebet, wie Spreu im Weizen. Geschmeide liegen in knappen Kästchen, und was in mancher langen Anrede an Gott wahrhaft Gebet ist, könnte vielleicht mit ebenso kurzen Worten gesagt werden, wie im Ausruf Petri.

Unsre höchsten Nöthen sind des Herrn Gelegenheiten. Sobald ein kräftiges Gefühl dringender Gefahr uns einen Angstschrei auspresst, hörts das Ohr unsers Herrn Jesu, und bei Ihm geht Ohr und Herz zusammen und die Hand zögert dann keinen Augenblick. Im äußersten Augenblick rufen wir unsern Meister, aber Seine gewandte Hand macht uns plötzlich und kräftig frei. Wenn wir beinahe verschlungen werden von den stolzen Wellen der Trübsal, dann wollen wir unsere Seelen empor heben zu unserem Heiland, und wir können ruhig sein, dass Er uns nicht zu Grunde gehen lässt. Suchen wir Seine mächtige Hilfe auf unsere Seite zu ziehen, so ist Alles gut. (Goldstrahlen, Januar 14)

Mat. 15,23

Und Er antwortete ihr kein Wort.“

Wahrhaft heilsbegierige Seelen, die bis dahin das Heil noch nicht an sich erfahren haben, mögen aus unserer heutigen Erzählung Trost schöpfen. Der Heiland gewährte die Bitte nicht sogleich, obgleich das kananäische Weib großen Glauben an Ihn hatte. Er wollte ihr Erhörung schenken, aber Er wartete eine Weile damit. „Er antwortete ihr kein Wort.“ Waren denn ihre Gebete nicht gut? Es gibt keine bessern in der Welt. War ihr Anliegen nicht dringend? Ja, dringend im höchsten Grade. Fühlte sie ihr Bedürfnis nicht genugsam? O, sie fühlte es in überwältigendem Maße. War es ihr nicht ernst genug damit? Äußerst ernst. Hatte sie keinen Glauben? Sie hatte Glauben in solchem hohen Grade, dass sich der Herr Jesus selber darüber verwunderte und sprach: „O Weib, dein Glaube ist groß.“ So siehst du nun, dass, obgleich der Glaube Frieden bringt, er ihn doch nicht immer augenblicklich bringt. Es mag mancherlei Gründe geben, welche die Prüfung des Glaubens bedingen, wohl viel mehr als für die Belohnung des Glaubens. Der echte Glaube kann in einer Seele liegen wie ein verborgener Same, aber bis jetzt ist er noch nicht in Knospen und Blüten der Freude und des Friedens aufgegangen. Ein peinliches Schweigen von Seiten des Heilandes ist eine schwere Prüfung für manche suchende Seele, aber noch schwerer die Trübsal einer harten, schneidenden Antwort, wie die: „Es ist nicht fein, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ Viele finden im Harren auf den Herrn selber eine Erquickung, aber nicht allen geht es so. Etliche, wie der Kerkermeister, werden in einem Augenblick von der Finsternis zum Licht bekehrt, aber andre sind Pflanzen von langsamerm Wachstum. Dir kann ein tieferes Schuldbewusstsein geschenkt werden, statt des Gefühls der Vergebung, und dann bedarfst du Geduld, um den härteren Schlag ertragen zu können. Ach, armes Herz, ob dich gleich Christus schlägt und verwundet, ja, zermalmt, dennoch vertraue auf Ihn; ob Er dir gleich harte Worte gibt, dennoch glaube an die Liebe seines Herzens. Ich beschwöre dich, gib das Suchen und Sehnen nach meinem Meister nicht auf, weil du die gewisse Freude noch nicht empfangen hast, die du begehrst. Klammere dich an Ihn, und bleibe unentwegt an Ihm, auch wo du nicht freudige Hoffnung zu hegen vermagst.

Mat. 15,27

Sie sprach: Ja, Herr, aber doch essen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herren Tische fallen.“

Dies Weib erfuhr in ihrem Elend dadurch einen mächtigen Trost, dass sie von Christo Großes dachte. Der Herr hatte vom Brot der Kinder gesprochen: „Nun,“ schloss sie, „Wenn Du denn der Herr des Gnadentisches bist, so weiß ich, dass Du ein großherziger Haushalter bist, und dann ist gewiss auch ein reicher Überfluss an Brot auf Deiner Tafel; es wird ein solch überschwängliches Maß von Speise für die Kinder vorhanden sein, dass noch Brosamen genug übrig bleiben, die man den Hündlein unter die Tische streut, und die Kinder werden deshalb nicht weniger reichlich gesättigt, wenn auch noch die Hündlein ihren Hunger stillen.“ Sie dachte von Ihm, Er führe einen so guten und trefflichen Tisch, dass alles, was sie bedürfe, dagegen nur Brosamlein seien; und doch, erinnere dich, dass sie nichts Geringeres verlangte, als dass der Teufel aus ihrer Tochter ausgetrieben werde. Für sie war das etwas sehr Großes, aber sie hatte eine so hohe Meinung von Christo, dass sie sprach: „Es ist Ihm das Allergeringste, es ist für Christum ein bloßes Brosamlein, das Er gibt.“ Das ist die königliche Straße zum Trost und Heil. Wenn du bloß von deinen Sünden große Vorstellungen hegst, so treiben sie dich zur Verzweiflung, aber große Gedanken von Christo führen dich in den Hafen des Friedens. Die Last meiner Sünden drückt mich nieder, wie der Fuß eines Riesen, der einen Wurm zertritt; aber für meinen Heiland ists ein Stäublein, weil Er ihren Fluch an Seinem eigenen Leibe getragen hat am Holz des Kreuzes. Es ist für Ihn nur ein Geringes, mir völlige Verzeihung zu schenken, wenn es gleich für mich ein unendlicher Segen ist, dass ich sie empfange. Das Weib öffnet den Mund ihrer Seele weit, denn sie erwartet Großes von Jesu und Er erfüllt sie mit Seiner Liebe. Liebe Seele, tue auch also. Sie bekannte, was der Herr Jesus ihr vorhielt, aber nur umso fester klammerte sie sich an Ihn an, und entnahm die Gründe für ihre Bitte Seinen eigenen Worten; sie glaubte das Größte von Ihm und darum überwand sie Ihn. Sie errang den Sieg darum, dass sie an Ihn glaubte. Ihre Geschichte ist ein Beispiel von der Allmacht des Glaubens; und wenn wir auch überwinden wollen wie sie, so müssen wir uns wie sie verhalten. (Goldstrahlen März 27)

Mat. 19,16

Guter Meister.“

Wenn der Jüngling im Evangelium diese Anrede gebrauchte, als er mit dem Herrn Jesus sprach, wie viel mehr schickt sichs für mich, dass ich Ihm diesen Namen gebe. Er ist wahrlich mein Meister in doppeltem Sinne, ein befehlender Meister und ein belehrender Meister. Es ist mir eine Freude, Seine Befehle auszurichten und zu Seinen Füßen zu sitzen. Ich bin beides, Sein Knecht und Sein Schüler, und rechne es mir zur höchsten Ehre, dass ich diesen doppelten Gehorsam leisten darf. Wenn er mich fragen würde: „Was heißest du mich gut?“ so wäre ich gleich mit einer Antwort bereit. Es ist wohl wahr, dass „Niemand gut ist, denn der einige Gott,“ aber Er ist ja Gott, und alle Güte Gottes leuchtet aus Ihm hervor. In meiner innern Erfahrung habe ich Ihn „gut“ erfunden, so gut, dass alles Gute, was ich habe, mir durch Ihn zu Teil geworden ist. Er war gut gegen mich, da ich noch tot war in Sünden, denn Er weckte mich auf durch die Macht Seines Geistes; Er ist gut gegen mich gewesen in allen meinen Bedürfnissen, Prüfungen, Kämpfen und Leiden. Es hat nie einen besseren Meister geben können, denn Sein Dienst ist Freiheit, Sein Gesetz ist Liebe; ich wollte, ich wäre als Knecht nur den tausendsten Teil so gut. Wenn Er mich lehrt als mein Rabbi, so ist er unaussprechlich gut, Seine Lehre ist göttlich, Sein Benehmen ist herablassend, Sein Geist ist die Sanftmut selber. Kein Irrtum mengt sich mit Seiner Lehre, rein ist die goldene Wahrheit, die Er darlegt, und alle Seine Ermahnungen leiten zum Guten, und sind für Seine Jünger so heiligend als erbaulich. Engel haben an Ihm einen guten Meister und huldigen Ihm mit Wonne am Fuße Seines Thrones. Die alten Heiligen erfuhren, dass Er ein guter Meister ist, und sie sangen Ihm voll Freude: „Ich bin Dein Knecht, o Herr!“ Auch ich muss das bezeugen, und wills bezeugen vor meinen Freunden und Nachbarn, ob sie vielleicht durch mein Zeugnis könnten bewogen werden, den Herrn Jesum zu suchen als ihren Meister. Ach, dass dies geschähe! Nie würden sie diese weise Tat bereuen. Wenn sie nur Sein sanftes Joch auf sich nehmen wollten, so würden sie erfahren, dass sie in einem königlichen Dienste stehen, dass sie einen guten Meister haben, den sie ewiglich nicht wieder zu verlassen begehren. (Goldstrahlen Juni 2)

Mat. 20,7

Geht ihr auch hin in den Weinberg; und was recht sein wird, soll euch werden.

Ja, es gibt Arbeit in Christi Weinberg für die Alten. Es ist die elfte Stunde, und dennoch will Er uns arbeiten lassen. Was für eine große Gnade ist dies! Gewiss, jeder Alte sollte diese Einladung mit Freuden ergreifen. Männer in vorgerückten Jahren will niemand als Diener haben; sie gehen von Laden zu Laden, und die Besitzer blicken auf ihre grauen Haare und schütteln das Haupt. Aber Jesus will alte Leute bringen und ihnen guten Lohn geben! Das ist in der Tat Erbarmen. Herr, hilf den Greisen, ohne eine Stunde Verzug in deinen Dienst zu treten!

Aber will der Herr alten, abgelebten Leuten Lohn bezahlen? Zweifelt nicht daran. Er sagt, Er will euch geben, was recht ist, wenn ihr auf Seinem Felde arbeiten wollt. Er wird euch sicher Gnade hier und Herrlichkeit dort geben. Er will jetzt Trost und künftig Ruhe gewähren; Kraft, die eurem Tage angemessen ist, und einen Blick in die Herrlichkeit, wenn die Todesnacht herankommt. Alles dieses will der Herr Jesus den im Greisenalter Bekehrten ebensowohl geben wie dem, der in der Jugend in Seinen Dienst tritt.

Ich will dies einem noch nicht erretteten alten Manne oder einer alten Frau sagen und den Herrn bitten, es um Jesu Willen zu segnen. Wo kann ich solche Personen finden? Ich will mich nach ihnen umsehen, und ihnen freundlich die Botschaft mitteilen.

Mat. 20,8

Rufe die Arbeiter, und gib ihnen den Lohn.“

Gott ist ein guter Zahlmeister. Er bezahlt seine Knechte sowohl schon während der Arbeit, als wenn sie fertig geworden sind; und eine seiner Belohnungen besteht in einem guten Gewissen. Wenn du jemandem Christum aufrichtig bezeugt hast, und du abends zu Bett gehst, so fühlst du dich glücklich in dem Gedanken: „Ich habe heute mein Gewissen freigemacht von dem Blut dieses Menschen.“ Es liegt eine große Befriedigung in der Arbeit für den Herrn Jesum. Ach, welch ein Glück, wenn wir Edelsteine einsetzen dürfen in seine Krone und Ihm dürfen zu schauen geben den Lohn der Arbeit seiner Seele! Auch liegt eine große Belohnung in der Überwachung der ersten Entwicklung des Sündenbewusstseins in einer Seele, wenn wir sagen können von irgendeinem der Kindlein des Glaubens: „Das ist ein zartes Gemüt; ich glaube, dass der Herr an diesem Herzen arbeitet;“ wenn wir heimkommen und beten über eine Seele, von welcher wir aus einzelnen Äußerungen schließen können, dass sie von der göttlichen Wahrheit tiefer ergriffen sei, als erwartet werden konnte! Ach, welche Hoffnungsfreude! Aber noch viel größer ist die Freude über eine vollendete Bekehrung! Sie ist unaussprechlich. Diese Freude, wie überschwänglich sie auch ist, macht Hunger, man sehnt sich nach weitern Erfolgen. Seelen gewinnen ist die köstlichste Sache von der Welt. Mit jeder Seele, die du Christo zuführst, erlangst du einen neuen Himmel auf Erden. Aber wer kann den Segen fassen, der droben auf uns wartet? Ach, wie lieblich ist der Ausspruch: „Gehe ein zu deines Herrn Freude!“ Kennst du die Freude Christi über einen geretteten Sünder? Das ist die Freude, die uns im Himmel erwartet. Ja, wenn Er auf seinem Stuhl sitzt, wirst du Ihm zur Seite sitzen. Wenn die himmlischen Hallen widerhallen von dem Ruf: „O, du frommer und getreuer Knecht!“ wirst auch du teilhaben am Lohn; du hast mit Ihm gearbeitet, gelitten, so sollst du auch mit Ihm herrschen; du hast mit Ihm gesät, so sollst du auch mit Ihm ernten; dein Antlitz war gleich dem seinen mit Schweiß bedeckt, und deine Seele bekümmert über der Menschen Sünden, wie die seine: darum wird nun dein Antlitz glänzen mit himmlischem Glanze, wie sein Antlitz, und schon hienieden wird deine Seele erfüllt mit seliger Freude, wie seine Seele.

Mat. 22,42

Wie dünket euch um Christus?“

Die große, entscheidungsvolle Frage, von welcher deiner Seele Heil abhängt, ist: „Wie dünket euch um Christus?“ Ist Er euch „der Schönste unter den Menschenkindern,“ „auserkoren unter vielen Tausenden,“ ist Er euch „schön und lieblich?“ Überall, wo Christus so wert gehalten wird, werden alle Fähigkeiten des geistlichen Menschen aufs Beste geübt. Ich will eure Frömmigkeit wie an einem Wetterglas daran erkennen: Steht Christus bei euch hoch oder tief? Wenn ihr wenig an Christum denkt, wenn ihr gleichgültig seid gegen seine Gegenwart, wenn ihr euch wenig um seine Ehre bekümmert, wenn ihr seine Gebote gering achtet: dann weiß ich, dass es nicht gut steht um eure Seele; Gott gebe, dass sie nicht krank sei zum Tode! Wenn aber der erste Gedanke eures Geistes darauf gerichtet ist: „Wie kann ich Jesum ehren?“ Wenn das tägliche Verlangen eurer Seele dahin geht: „Ach, dass ich wüsste, wo ich Ihn finden könnte!“ dann sage ich euch: ihr könnt noch mit tausend Schwachheiten behaftet sein und kaum wissen, ob ihr Kinder Gottes seid oder nicht; so habe ich doch die unzweifelhafte Gewissheit, dass ihr wohl geborgen seid, weil Jesus noch in eurer Achtung steht. Was kümmern mich deine Lappen; nur darauf kommt‘s an, was du von seinem königlichen Schmucke hältst. Was kümmern mich deine Wunden, ob sie gleich mit Strömen Bluts fließen; aber was dünket dich um seine Wunden? Achtest du sie gleich funkelnden Rubinen? Ich denke darum nicht geringer von dir, weil du wie Lazarus in der Asche sitzest, und Hunde deine Schwären lecken; um deiner Armut willen verachte ich dich nicht; aber was hältst du von dem König in seiner Schöne? Besitzt Er in deinem Herzen einen herrlichen und erhabenen Thron? Möchtest du Ihn gern noch mehr erhöhen, wenn du könntest? Würdest du gern sterben, wenn du damit dem Posaunenschall, der sein Lob verkündet, noch einen Klang beifügen könntest? O, dann steht‘s gut um dich. Was du auch von dir selber denken magst; wenn dir nur Christus groß erscheint, so wirst du in einer Kürze bei Ihm sein.

“Jesu, wunderbarer König,
Dem die Völker untertänig!
Alles ist vor Dir zu wenig:
Du allein bist liebenswert.“

Mat. 24,22

„Um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzet.“

Um seiner Auserwählten willen hält der Herr viele Gerichte ganz zurück und verkürzt andre. In großen Trübsalen würde das Feuer alle verzehren, wenn der Herr nicht aus Rücksicht für seine Erwählten die Flammen dämpfte. So erhält Er, während Er seine Erwählten um Jesu willen errettet, auch das Menschengeschlecht um seiner Erkorenen willen.

Was für eine Ehre wird so den Heiligen angetan! Wie fleißig sollten sie ihren Einfluss bei ihrem Herrn benutzen! Er will ihre Gebete für Sünder hören und ihre Bemühungen um ihr Heil segnen. Er segnet die Gläubigen, damit sie denen, die im Unglauben sind, ein Segen sein möchten. Mancher Sünder lebt um der Gebete seiner Mutter, eines Weibes oder einer Tochter willen, die der Herr in Gnaden ansieht.

Haben wir die seltsame Macht reichlich gebraucht, welche der Herr uns anvertraut? Beten wir für unser Vaterland, für andre Länder und für unser Zeitalter? Stehen wir in Zeiten des Krieges, des Hungers und der Pestilenz als Fürbitter da mit dem Gebete, dass die Tage verkürzet werden mögen? Beklagen wir vor dem Herrn die Ausbrüche des Unglaubens, der falschen Lehre und der Zügellosigkeit, und flehen wir den Herrn Jesum an, die Herrschaft der Sünde zu verkürzen, dadurch, dass Er sein eigenes glorreiches Erscheinen beschleunigt? Lasst uns auf unsre Knie fallen und niemals ruhen, bis bessere Tage kommen.

Mat. 24,39

Und sie achteten‘s nicht, bis die Sündflut kam und nahm sie alle dahin. Also wird auch sein die Zukunft des Menschen Sohnes.“

Über alle kam des Verderben; es entrann weder reich noch arm. Der Gelehrte wie der Ungebildete, der Berühmte wie der Verachtete, der Priester wie der gemeine Mann, die Bejahrten wie die Jungen, sie fanden alle ihren Untergang in demselben allgemeinen Strafgericht. Ohne Zweifel hatten viele den Erzvater verlacht - wo sind nun ihre spöttischen Witze? Andere hatten ihn um seines Eifers willen, den sie Wahnsinn nannten, gescholten - wo ist nun ihr stolzes Rühmen und ihre harte Rede? Der Tadel, der des greisen Mannes Werk verurteilte, ist erstickt in der Meeresflut, die seine höhnischen Zeitgenossen bedeckt. Wer des gutmütigen Greises Überzeugungstreue herablassend entschuldigte, ohne ihm nachzueifern, ist untergegangen, um sich nie wieder zu erheben; und die Arbeiter, die um Lohnes willen die seltsame Arche bauen halfen, sind gleichfalls alle umgekommen. Die Flut begrub sie alle und schonte keines einzigen. Ebenso ist jedem vom Weibe geborenen Menschen, der nicht in Christo ist, das endliche Verderben gewiss; weder Bildung noch Besitz, weder Talent noch Tugend vermag auch nur eine Seele zu erretten, die nicht an den Herrn Jesum geglaubt hat. Meine Seele, nimm dies Urteil zu Herzen, und zittere für dein Heil.

Wie auffallend ist doch diese allgemeine Gleichgültigkeit! Sie aßen und tranken, sie freiten und ließen sich freien, bis dass der verhängnisvolle, schreckliche Morgen graute. Es war auch nicht ein einziger weiser Mensch auf der ganzen Erde, außer in der Arche. Torheit umgarnte das ganze Geschlecht, die Torheit des Selbstbetruges: die törichtste aller Torheiten. Torheit des Zweifels am treuesten Gott: der ärgste Selbstbetrug. Ist das nicht schrecklich, meine Seele? Kein Mensch kümmert sich um seine Seele, bis die Gnade Weisheit schenkt! dann erst lässt er von seinem Wahne, vorher nicht.

Alle in der Arche waren wohlgeborgen; gottlob! kein Verderben fand hier Eingang. Vom gewaltigen Elefanten bis zur Zwergmaus waren alle gut aufgehoben. Der furchtsame Hase wie der mutige Löwe, das hilflose Lamm wie der starke Ochse waren unter sicherem Schutz. In Jesu sind wir alle geborgen. Meine Seele, ruhst auch du in Ihm?

Mat. 26,33

Petrus aber antwortete und sprach zu Ihm: Wenn sie auch alle sich an Dir ärgerten, so will ich mich doch nimmermehr ärgern

„Wie?“ ruft jemand, „dies ist keine Verheißung Gottes!“ Ganz recht, aber es war eine Verheißung eines Menschen, und deshalb ward nichts daraus. Petrus meinte, er würde sicherlich ausführen, was er sagte; aber eine Verheißung, die keine bessere Grundlage hat, als einen menschlichen Entschluss, wird auf die Erde fallen. Kaum war die Versuchung da, so verleugnete Petrus seinen Meister und gebrauchte Eide, um seine Verleugnung zu bekräftigen.

Was ist des Menschen Wort? Ein irdener Topf, der mit einem Streiche zerbrochen wird. Was ist dein eigner Entschluss? Eine Blüte, die durch Gottes Sorgfalt zur Frucht werden kann, die aber sich selbst überlassen, auf den Boden fallen wird bei dem ersten Wind, der den Zweig bewegt.

An des Menschen Wort hänge nur das, was es tragen wird. Auf deinen eignen Entschluss verlasse dich ganz und gar nicht.

An die Verheißung deines Gottes hänge Zeit und Ewigkeit, diese Welt und die nächste, dein alles, und all deiner Lieben alles.

Dies Bändchen ist ein Checkbuch für Gläubige, und diese Seite will eine Warnung sein, damit sie sich vorsehen, auf welche Bank sie ziehen und wessen Unterschrift sie annehmen. Baue auf Jesum ohne Einschränkung. Traue nicht dir selber oder irgend einem vom Weibe Gebornen, über die gebührenden Grenzen hinaus; sondern traue du einzig und völlig auf den Herrn.

Und Er ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete.“

Mat. 26,39

Es kommen verschiedene lehrreiche Umstände bei dem Gebet unsers Heilandes in seiner Trübsalsstunde vor. Es war ein einsames Gebet. Er ließ sogar seine drei Lieblingsjünger zurück. Gläubige Seele, lass dir das Gebet in der Einsamkeit angelegen sein, besonders in Zeiten der Trübsal. Das Gebet in der Familie, das Gebet im Freundeskreis, das Gebet in der Gemeinde tut‘s noch nicht; sie sind wohl köstlich, aber der kostbarste Weihrauch steigt dann aus eurem Rauchfass auf, wenn ihr in einsamer Stille zum Herrn ruft, wo nur Gottes Ohr euch hört. Es war ein demütiges Gebet. Lukas sagt: Er kniete nieder; aber ein andrer Evangelist berichtet: Er „fiel nieder auf sein Angesicht.“ Welche Stellung gebührt denn dir, du geringer Knecht des großen Meisters? Mit wie viel Staub und Asche sollte dein Haupt bedeckt sein? Demut ist ein guter Fußschemel beim Gebet. Wir dürfen nicht hoffen, bei Gott etwas zu vermögen, wenn wir uns nicht selbst erniedrigen, damit Er uns erhöhe zu seiner Zeit.

Es war ein kindliches Gebet: „Abba, lieber Vater.“ Ihr werdet es erfahren, dass die Berufung auf eure Gotteskindschaft euch eine feste Burg ist zur Zeit der Trübsal. Als Untertanen habt ihr auf keine Rechte Anspruch, denn ihr habt euch ihrer durch euren Abfall verlustig gemacht; aber nichts kann eines Kindes Recht an das Vaterherz austilgen. Fürchtet euch nicht, zu sagen: „Mein Vater, höre mein Geschrei.“ Achtet darauf, dass es ein anhaltendes Gebet war. Er betete dreimal. Lasst nicht nach, bis dass ihr Erhörung findet. Macht‘s wie die unverschämte Witwe, die durch wiederholtes Anhalten erlangte, was ihr erstes Flehen nicht zustande brachte. „Haltet an am Gebet, und wachet in demselben mit Danksagung.“

Endlich war‘s ein Gebet voller Ergebung. „Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“ Gib nach, so gibt Gott nach. Lass alles geschehen, wie Gott will, und Gott wird‘s zum Besten wenden. Begnüge dich, dein Gebet in seiner Hand zu lassen, der da weiß, wann Er geben, wie Er geben, was Er geben, und was Er verweigern soll. Wenn du so betest, ernstlich, eindringlich, anhaltend, aber demütig und ergeben, so wirst du überwinden.

Mat. 26,56

Da verließen Ihn alle Jünger und flohen.“

Er verließ sie nie, sie aber verließen Ihn in feiger Furcht für ihr Leben und flohen schon beim Beginn seiner Leiden. Dies ist nur ein einzelnes lehrreiches Beispiel von der Unzuverlässigkeit der Gläubigen, wenn sie sich selbst überlassen sind; sie sind im besten Falle wie Schafe, und fliehen, wenn der Wolf kommt. Sie waren alle vor der Gefahr gewarnt worden, und hatten beteuert, sie wollten lieber sterben, als ihren Meister verlassen; und doch ergriff sie plötzliche Angst, und sie liefen davon.

Vielleicht habe auch ich beim Beginn dieses Tages meinen Sinn gestählt, damit ich möchte um des Herrn willen Trübsal ertragen, und ich traue mir fest zu standhafte Treue zu üben; aber ich muss mich sehr vor mir selbst in Acht nehmen, damit ich nicht mit dem gleichen bösen Herzen des Unglaubens von meinem Herrn hinwegeile wie die Apostel. Es ist etwas andres, etwas zu versprechen, und etwas andres, das Versprochene zu halten. Es hätte den Jüngern zur ewigen Ehre gereicht, wenn sie Jesu recht mannhaft zur Seite gestanden hätten; sie flohen vor ihrer eigenen Ehre, zu ihrer Schande; ach, dass ich doch bewahrt würde vor ähnlicher Schmach! Wo hätten sie irgend besser aufgehoben sein können, als bei ihrem Herrn und Heiland, welcher den Vater hätte bitten können, dass Er Ihm zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel? Sie flohen hinweg von ihrem sicheren Hort. O Gott, lass mich doch nicht in solche Torheit fallen! Die göttliche Gnade kann auch den Feigling zum Helden machen. Der glimmende Flachs kann aufflammen wie das Feuer auf dem Altar, wenn es der Herr will. Sogar diese Apostel, die doch furchtsam waren wie die Hasen, wurden erfüllt mit Löwenmut, nachdem der Heilige Geist auf sie herabgekommen war; und so kann auch der Geist Gottes meine furchtsame Seele mutig machen in dem Bekenntnis meines Herrn und im Zeugnis für seine Wahrheit.

Welche Angst muss den Herrn ergriffen haben, als Er seine Freunde so treulos sah! Es war ein bitterer Tropfen in seinen Leidenskelch; aber der Kelch ist geleert; ich will nicht abermals Wermut und Galle hineingießen. Wenn ich meinen Herrn verlasse, so kreuzige ich Ihn aufs neue, und mache Ihn öffentlich zuschanden. Bewahr mich, o Geist der Erbarmung, vor einem so schmachvollen Ende, und erhalte mich in der Demut und in der furchtlosen Liebe zu meinem teuren Freund und Heiland.

Mat. 26,64

Dennoch sage ich euch: Hernach wird es geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Macht und kommen in den Wolken des Himmels.

Ach Herr, Du warst am tiefsten erniedrigt, als Du vor Deinen Verfolgern wie ein Verbrecher stehen musstest! Doch konnten die Augen Deines Glaubens über die gegenwärtige Demütigung hinweg in Deine künftige Herrlichkeit hinein sehen. Was für Worte sind diese: „Dennoch - hernach“! Ich möchte Dein heiliges Voraussehen nachahmen, und inmitten der Armut, Krankheit oder Verleumdung möchte ich auch sprechen: „Dennoch - hernach“. Anstatt Schwachheit hast Du alle Kraft; statt Schande alle Herrlichkeit; statt Verhöhnung alle Anbetung. Dein Kreuz hat nicht den Glanz Deiner Krone getrübt, ebensowenig hat das Anspeien die Schönheit Deines Antlitzes entstellt. Nein, eher bist Du um Deiner Leiden willen desto mehr erhöht und geehret.

Ebenso, Herr, möchte auch ich Mut schöpfen aus dem „hernach.“ Ich möchte die gegenwärtige Trübsal über dem künftigen Triumph vergessen. Hilf mir, indem Du mich in Deines Vaters Liebe und in Deine eigne Geduld hinein führst, so dass ich, wenn ich um Deines Namens willen verspottet werde, nicht wanke, sondern immer mehr und mehr an das „hernach“ denke und deshalb umso weniger an das heute. Ich werde bald bei Dir sein und Deine Herrlichkeit schauen. Darum schäme ich mich nicht, sondern sage in meiner innersten Seele: „Dennoch - hernach.“

Mat. 27,14

Und Er antwortete ihm nicht auf ein Wort.“

Nie war Er sparsam gewesen mit Worten, wenn es galt, die Menschenkinder zu segnen; für sich selber hat Er aber auch kein einziges Wort geredet. „Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch,“ und kein Mensch war schweigsam wie Er. War dieses merkwürdige Schweigen ein Zeichen seiner vollkommenen Selbstaufopferung? Bewies es etwa, dass Er auch nicht ein einziges Wort wollte aufwenden, um den Mord seiner heiligen Person aufzuhalten, die Er dargegeben hatte zum Opfer für unsre Sünden? Hatte Er sich so ganz und gar ergeben, dass Er auch nicht im geringsten etwas für sich mochte tun, oder geschehen lassen, sondern sich wollte binden und hinschlachten lassen als ein Lamm, das den Mund nicht auftut noch zuckt vor seinem Peiniger? Oder war dies Schweigen ein Zeichen der Unentschuldbarkeit der Sünde? Nichts kann zur Beschönigung oder Entschuldigung der Sünde der Menschen gesagt werden; und darum stand Er, der ihre ganze Last zu tragen hatte, sprachlos vor seinem Richter. Ist nicht geduldiges Schweigen die Beste Antwort auf die Anklagen der Welt? Ruhiges Dulden widerlegt manche Beschuldigungen beredter als die erhabenste Rede. Die besten Verteidiger des Christentums waren in seinen ersten Tagen seine Blutzeugen. Der Amboss zerbricht viele Hämmer nur dadurch, dass er geduldig ihre Schläge erträgt. Hat uns nicht das schweigsame Lamm Gottes ein erhabenes Beispiel der Weisheit gegeben? Wo jedes Wort neue Gotteslästerungen hervorrief, gebot die Pflicht, der sündlichen Flamme keinen neuen Nahrungsstoff zu bieten. Die Doppelzüngigen und die Falschen, die Unwürdigen und Niederträchtigen widersprechen und beschämen sich bald, und darum darf‘s der Wahrhaftige darauf ankommen lassen, und darf ruhig bleiben, und er erfährt, dass Schweigen Weisheit ist. Augenscheinlich hat unser Herr durch sein Schweigen auch zur merkwürdigen Erfüllung der Weissagungen beigetragen. Eine lange Verteidigung seiner selbst wäre im Widerspruch gewesen mit der Verkündigung Jehovahs: „Er ist wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scherer, und seinen Mund nicht auftut.“ Durch seine Ruhe bewies Er sich überzeugend als das wahrhafte Lamm Gottes. Sei bei uns, o Jesu, und lass uns in der Stille unsres Herzens die Stimme Deiner Liebe vernehmen.

Mat. 27,51

Sieh, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke, von oben an bis unten aus.“

Es war kein geringes Wunder, dass der schwere und dicke Vorhang zerriss; aber dies Wunder sollte nicht nur ein bloßes Zeugnis der Macht Gottes sein, sondern es wird uns in demselben mancherlei geoffenbart. Das alte Gesetz der Opfergottesdienste wurde abgetan und wie ein abgetragenes Kleid zerrissen und beiseite gelegt. Als der Herr Jesus starb, wurden alle Opfer vollendet, weil in Ihm alles seine Erfüllung fand, und deshalb wurde die Stätte ihrer Darbringung mit einem sichtbaren Zeugnis des Verfalls bezeichnet. Der Riss offenbarte auch alle heiligen Geheimnisse des alten Bundes; der Gnadenstuhl konnte nun gesehen werden und die Herrlichkeit des Herrn, die strahlend darüber schwebte. Durch den Tod unsers Herrn Jesu wird uns eine deutliche Offenbarung Gottes zuteil, denn Er war nicht „wie Moses, der die Decke vor sein Angesicht hing.“ Leben und unvergängliches Wesen sind nun ans Licht gebracht, und was verborgen war von Grundlegung der Welt her, ist offenbart in Ihm. Das große jährliche Versöhnungsopfer wurde aufgehoben und ungültig. Das Versöhnungsblut, das sonst einmal des Jahres im Allerheiligsten dargebracht wurde, wurde nun einmal für immer geopfert durch den großen Hohenpriester, und darum wurde die Stätte des vorbildlichen Gottesdienstes der Verwüstung preisgegeben. Kein Blut der Farren und Lämmer ist mehr nötig, denn Jesus ist durch den Vorhang eingegangen mit seinem eigenen Blut. Daher ist von nun an ein freier Zugang geöffnet zu Gott, und dieser Zugang ist ein Vorrecht aller Gläubigen in Christo Jesu. Es ist uns nicht bloß eine kleine Lücke geöffnet, durch welche wir uns zum Gnadenthron hindurchwinden müssten, sondern der Riss reicht von oben bis unten. Wir dürfen mit Freudigkeit hinzutreten zu dem himmlischen Gnadenstuhl. Und sollten wir irren, wenn wir sagen, dass dieser durch den Todesschrei Jesu so wunderbar geöffnete Zugang zum Allerheiligsten ein Vorbild ist auf die Pforten des Paradieses, die nun allen Gläubigen durch die Macht des Erlösungsleidens geöffnet sind? Unser Heiland hat die Schlüssel des Himmels; Er tut auf und niemand schließt zu; so gehen wir denn mit Ihm ein zu den himmlischen Wohnungen, und bleiben bei Ihm, bis dass seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt sind.

Mat. 28,1

Am Morgen kam Maria Magdalena, das Grab zu besehen.“

Von Maria Magdalena wollen wir lernen, wie wir in die Gemeinschaft des Herrn Jesu kommen können. Achten wir darauf, wie sie Ihn suchte. Sie suchte den Heiland am Morgen sehr frühe. Wenn du auf Christum warten kannst, wenn du dich geduldig der Hoffnung überlassen kannst, du werdest später schon noch einmal zum innigen Umgang mit Ihm kommen, dann wirst du dieses Umgangs überhaupt nie teilhaftig werden; denn dasjenige Herz, das zur Gemeinschaft Christi reif ist, ist ein Herz, das da hungert und dürstet.

Sie suchte Ihr auch mit großem und starkem Mut. Andere Jünger flohen von dem Grabe, denn sie zitterten und waren bestürzt, von Maria aber heißt es, sie „stand“ am Grabe. Wenn ihr Christum bei euch haben wollt, so sucht Ihn mutig. Lasst euch nichts abhalten und zurückschrecken, bietet der ganzen Welt Trotz. Wo Andere fliehen, drängt euch hinzu.

Sie suchte Christum voller Glauben, sie stand vor dem Grabe. Manche finden es schwer, bei einem lebendigen Heiland zu stehen, sie aber stand bei einem toten. Wir wollen Christum auf diese Weise suchen, und uns auch an das Geringste halten, was Ihn betrifft, und gläubig dabei stehen bleiben, ob auch alle Andern Ihn verlassen.

Beachten wir ferner, dass sie den Herrn Jesum mit Ernst suchte; sie stand und „weinte.“ Diese fließenden Tränen waren gleichsam ein Bann, durch welchen der Heiland gebunden ward, dass Er kommen und sich ihr zeigen musste. Wenn ihr wünscht, dass der Herr Jesus euch nahe sei, so weint nach Ihm. Wenn ihr nicht glücklich sein könnt, es sei denn, dass Er komme und zu euch spreche: „Du bist mein Freund,“ so wirst du Seine Stimme bald vernehmen.

Endlich sehen wir, dass sie nur allein den Herrn Jesum suchte. Was kümmerte sie sich um die Engel, sie wandte sich von denselben ab; sie verlangte nur nach dem Herrn. Wenn Christus unsere eine und alleinige Liebe ist, wenn unser Herz alle Götzen verbannt hat, so werden wir den Trost und Frieden Seiner Gegenwart nicht lange missen. Maria Magdalena suchte so angelegentlich, weil sie viel liebte. Wir wollen unser Herz wie Maria erfüllen lassen von Christe, so wird unsere Liebe volle Genüge an Ihm haben. O Herr, offenbare Dich uns! (Goldstrahlen Juli 14)

Mat. 28,20

Ich bin bei euch alle Tage.“

Es ist doch recht gut, dass einer da ist, der immer derselbe bleibt und allezeit bei uns ist. Gut ist es, dass mitten in den gewaltigen Wogen des Lebensmeeres ein unerschütterlicher Fels dasteht. O meine Seele, hänge dein Herz nicht an vergängliche Schätze, die der Rost und die Motten fressen, sondern hange mit ganzer Seele an Dem, der dir ewiglich treu bleibt. Baue dein Haus nicht auf den beweglichen Flugsand einer Welt voller Täuschungen, sondern gründe deine Hoffnung auf diesen Fels, der inmitten rauschender Regengüsse und gewaltig wogender Fluten ruhig, unerschütterlich feststeht. Meine Seele, o, ich beschwöre dich, birg deine Schätze in der einzigen sicheren Schatzkammer; versorge dein Perlen- Geschmeide da, wo du sie nie und nimmer verlieren kannst. Vertraue all dein Vermögen Christo an; schenke deine ganze Liebe ungeschmälert seiner Person, gründe all deine Hoffnung auf sein Verdienst, setze deine ganze Zuversicht auf sein allmächtiges Blut, suche alle deine Wonne und Freude im Umgange mit Ihm: so kannst du jede Gefahr verlachen, und jedes Unfalls spotten, und kein Verderben wird dich anrühren. Bedenke, dass nach und nach alle Blumen aus dem Lustgarten dieser Welt verwelken, und dass der Tag kommt, wo davon nichts übrig bleibt als die dunkle, kalte Erde. Die schwarze Lichtputze des Todes wird in kurzem dein Lebenslicht auslöschen. O, wie lieblich ist es dann, dass dir die Sonne scheint, wenn dein Lichtlein ausgegangen ist! Bald wogt die dunkle Flut zwischen dir und allem was dein ist; dann vermähle dein Herz Dem, der dich nie verlässt; vertraue dich Ihm, der mit dir geht durch den schwarzen, schwellenden Strom der Todeswellen, und der dich sicher ans himmlische Ufer geleitet und dich bei Ihm wohnen lässt in den himmlischen Wohnungen ewiglich. Gehe hin, du betrübtes Kind der Leiden, erzähle all dein Anliegen dem Freunde, der mehr liebt und fester beisteht denn ein Bruder. Vertraue alle deine Sorgen Dem an, der dir nimmer kann geraubt werden, der dich nie verlässt; und der nie zugibt, dass du Ihn verlässt, nämlich: „Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit.“ „Sieh, ich bin bei euch alle Tage,“ das ist genug für meine Seele, und mag sonst auch alles mich verlassen.

“Ach, komm, du süßer Herzensgast,
Mein Herz heißt dich willkommen!“

Mat. 28,20

Sieh, ich bin bei euch alle Tage.“

Der Herr Jesus steht mitten unter seiner Gemeinde; Er wandelt mitten unter den goldenen Leuchtern; seine Verheißung ruft uns zu: „Sieh, ich bin bei euch alle Tage.“ Er ist gegenwärtig so gewiss bei uns, als einst mit seinen Jüngern am Meer bei Tiberias, da sie Kohlen gelegt sahen und Fische darauf und Brot. Zwar nicht körperlich, aber deshalb nicht minder wahrhaftig ist Jesus bei uns. Und das ist eine selige Wahrheit, denn wo Jesus ist, wird die Liebe angefacht. Von allen Dingen in der Welt, die ein Herz können in Flammen setzen, kommt nichts der Gegenwart Jesu gleich! Ein Blick von Ihm überwältigt uns so sehr, dass wir ausrufen möchten: „Wende Deine Augen von mir, denn sie machen mich brünstig.“**

Sogar der Geruch von Aloe und Myrrhen und Kezia, welche von seinen duftenden Kleidern herniedertriefen, stärken den Kranken und Schwachen. Wenn wir nur einen Augenblick unser müdes Haupt an seinen liebevollen Busen lehnen, und seine göttliche Liebe in unsre armen kalten Herzen aufnehmen können, so bleiben wir nicht mehr kalt, sondern glühen wie Seraphim, sind jeder Anstrengung gewachsen und vermögen jedes Leiden zu ertragen. Wenn wir wissen, dass Jesus bei uns ist, entfaltet sich jede unserer Fähigkeiten zur höchsten Kraft, und jede Tugend erstarkt in uns, und wir widmen uns dem Dienst des Herrn und seines Reichs mit ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen unsern Kräften; darum ist die Gegenwart Jesu Christi über alles begehrenswert. Die Macht seiner Gegenwart erweist sich vor allen bei denen, die Ihm ähnlich geworden sind. Wenn dich verlangt, Christum zu sehen, so musst du Ihm gleich werden. Trachte durch die Kraft des Heiligen Geistes, eins zu werden mit Christus in allen deinen Wünschen und Absichten und in deiner Handlungsweise, so wirst du sicherlich auch bald mit seinem Umgange begnadigt werden. Bedenke, dass du seine Gegenwart haben und genießen kannst. Es ist seine Wonne, bei uns zu sein. Wenn Er nicht zu uns kommt, so geschieht es nur, weil wir Ihn durch unsre Gleichgültigkeit daran hindern. Auf unser ernstliches Gebet will Er sich uns offenbaren und gestattet in Gnaden, dass wir Ihn mit unsern Bitten und Tränen festhalten; denn das sind die goldenen Ketten, die Jesum an sein Volk fesseln.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/spurgeon/m/spurgeon-andachten_zum_evangelium_nach_matthaeus.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain