Spurgeon, Charles Haddon - Lukasevangelium (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Lukasevangelium (Andachten)

Lukas 2, 18.

„Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten.“

Wir dürfen nicht aufhören, uns über die Wunder unseres Gottes zu wundern; denn wenn die Seele überwältigt wird von der Majestät der Herrlichkeit Gottes, und wenn sie dann nicht im Stande ist, in Liedern zu loben, oder ihre Stimme gebeugten Hauptes in demütigem Gebet zu erheben, so bewundert sie schweigend. Unser menschgewordener Gott muss angebetet und angestaunt werden, als der, des Name „Wunderbar“ heißt. Dieser Gott hat Sein gefallenes Geschöpf, den Menschen, ansehen müssen, und anstatt ihn mit der Worfschaufel der Verdammnis hinweg zu fegen, hat Er es auf sich genommen, der Versöhner für die Menschen zu werden und ein volles Lösegeld zu bezahlen; und das ist wahrlich wunderbar! Aber für jeden Gläubigen ist die Erlösung etwas Wunderbares, wenn er dabei auf sich selber blickt. Ja wahrlich, es ist ein Wunder der Gnade, dass der Herr Jesus musste den Thron der Herrlichkeit und Sein oberes Königreich verlassen, um hienieden unschuldig und schmählich für uns zu leiden. Ach, unser Geist muss sich in Staunen verlieren, denn Verwunderung ist hier am Platze. Heilige Verwunderung führt dich zu dankbarer Anbetung und inniggefühlter Dankbarkeit. Sie erweckt in dir eine göttliche Wachsamkeit; du fängst an dich zu fürchten, wider solche große Liebe zu sündigen. Wenn du die Gegenwart des gewaltigen Gottes in der Dahingabe Seines teuren Sohnes fühlst, dann ziehest du die Schuhe von deinen Füßen, weil der Ort, da du stehest, eine heilige Stätte ist. Zugleich aber wirst du zu einer herrlichen Hoffnung emporgehoben. Wenn der Herr Jesus um deinetwillen solche Wunder vollbracht hat, dann musst du fühlen, dass der Himmel selber nicht mehr zu groß ist für deine höchsten Erwartungen. Wer kann sich noch über etwas verwundern, wenn er einmal hat staunen müssen ob Krippe und Kreuz? Was kanns noch Wunderbares geben, wenn man einmal den Heiland gesehen hat? Lieber Leser, vielleicht gestattet dir die Ruhe und Einsamkeit deines Lebens kaum, es den Hirten von Bethlehem nachzutun, welche verkündigten, was sie gesehen und gehört hatten; aber du kannst doch wenigstens mit der Schar, welche anbetend um den Thron Gottes steht, dich des wundern, was Gott getan hat. (Goldstrahlen, Januar 26)

Lukas 2, 19.

„Maria aber behielt alle diese Worte, und bewegte sie in ihrem Herzen.“

Drei Kräfte ihres Wesens wurden hier in Anspruch genommen: ihr Gedächtnis: sie behielt alle diese Worte; ihre Liebe: sie behielt sie in ihrem Herzen; ihr Verstand: sie bewegte sie; so dass Gedächtnis, Liebe und Verständnis bei diesem gottgeliebten Weibe ganz mit dem, was sie gehört hatte, beschäftigt waren. Geliebte, bedenkt recht, was ihr alles von unserm Herrn Jesu gehört habt, und was er für euch getan hat; macht eure Herzen zu einem goldenen Mannakrüglein, um darin zu bewahren das Andenken an das himmlische Brot, womit ihr in vorigen Tagen seid gespeist worden. Sammelt in eurem Gedächtnis Alles, was ihr von Christo je empfunden, gehört oder geglaubt habt, und dann haltet Ihn mit eurer tiefinnigsten Liebe fest für ewige Zeiten. Liebet die Person eures Herrn und Heilandes! Bringet herbei das Nardenglas eures Herzens, und wäre es auch zerbrochen, und lasset die köstliche Salbe eurer Liebe in Strömen über Seine durchgrabenen Füße triefen. Strenget eure Verstandeskräfte an, wenn ihr über den Herrn Jesum nachdenkt. Erwäget in eurem Herzen, was ihr leset; bleibt nicht an der Oberfläche haften; vertieft euch in den Inhalt. Gleichet nicht der Schwalbe, die mit ihren Flügelspitzen den Bach bloß berührt, sondern dem Fisch, der in die tiefste Flut hinabtaucht. Bleibt an eurem Herrn: lasset Ihn nicht bloß bei euch einkehren wie einen Pilger, der nur über Nacht bleibt, sondern nötiget Ihn und sprecht: „Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.“ Haltet Ihn und lasset Ihn nicht fürder ziehen. Das Wort „bewegen“ will sagen erwägen. Machet bereit die Wage des Urteils. Aber ach, wo sind die Gewichte, die den Herrn Jesum wägen können? „Siebe, die Inseln sind Ihm wie ein Stäublein“ wer kann ihn heben? „Er wiegt die Berge mit einem Gewicht“ mit welchem Gewicht können wir Ihn wägen? Es sei also, wenn euer Verständnis ihn nicht erfassen kann, so erfasst Ihn mit eurer Liebe; und wenn euer Geist den Herrn Jesus nicht mit der Hand des Verstandes umfassen kann, so schließt Ihn in die Arme eurer Liebe.

„O du seligstes Bemühen,
Gottes Sohn ins Herz zu ziehen!“

(Goldstrahlen, Januar 27)

Lukas 2,20

Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Was war der Gegenstand ihres Lobpreises? Sie lobten Gott um Alles, das sie gehört hatten - um die große Freudenbotschaft, dass ihnen ein Heiland war geboren worden. Thun wir auch wie diese Hirten! Lasset uns einen Dankpsalm erheben für Alles, was wir von Jesu und Seinem Heil gehört haben. Sie lobten Gott auch für das, was sie gesehen hatten. Ach, welch eine herrliche Musik ist doch das, was wir erfahren, was wir inwendig gefühlt, was wir uns zu eigen gemacht haben: „Mein Herz dichtet ein feines Lied, ich will singen von einem Könige.“ Es ist nicht genug an dem, dass wir von Jesu erzählen Hören; das Gehör stimmt wohl die Harfe, aber die Finger des lebendigen Glaubens müssen die Saiten rühren. Wenn ihr den Herrn Jesum mit dem gottgeschenkten Gesicht des Glaubens geschaut habt, dann lasst keine Spinnenweben mehr auf den Saiten eurer Harfen hängen, sondern erweckt eure Psalter und Harfen zum lauten Lob der unumschränkten Gnade. Die Hirten priesen Gott auch dafür, dass das, was sie gehört und gesehen hatten, so wohl übereinstimmte. Beachtet den letzten Satz wohl: „wie denn zu ihnen gesagt war.“ Habt ihr nicht erfahren, dass das Evangelium in euch gerade das wirkt, was das Wort Gottes von ihm verheißt? Jesus sprach, er wolle euch Ruhe geben für eure Seelen; und habt ihr nicht in Ihm den süßesten Frieden gefunden? Er verhieß euch Freude und Trost und Leben durch den Glauben an Ihn; habt ihr nicht solches alles empfangen? Sind nicht Seine Wege herrliche Wege, und Seine Tritte Pfade des Friedens? Wahrlich, ihr dürft mit der Königin von Saba ausrufen; „Es ist mir nicht die Hälfte gesagt.“ Ich habe Christum köstlicher gefunden, als Alles, was mir zuvor von Ihm verkündiget war. Ich schaute Sein Bild an, wie es mir gezeigt ward, aber es war nur ein trüber Schatten gegen Ihn; denn der König überstrahlt in Seiner Schöne Alles, was lieblich heißt. Gewiss, was wir „gesehen“ haben, erreicht, nein, es übertrifft bei weitem Alles, was wir „gehört“ haben. Darum lasset uns Gott loben und preisen für einen so köstlichen Heiland, der all' unser Verlangen stillt. (Goldstrahlen, Januar 28)

Lukas 3,4

„Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, und macht Seine Steige richtig.“

Die Stimme in der Wüste forderte einen Weg für den Herrn, einen bereiteten Weg, und einen in der Wüste bereiteten Weg. Ich möchte gerne meines Herrn Aufforderung nachkommen, und Ihm eine Bahn bereiten in mein Herz, einen Weg, der zubereitet ist durch die Wirkungen der Gnade, auf dass er die Wüste meines natürlichen Wesens zugänglich mache. Die vier auf unsere Schriftstelle unmittelbar folgenden Andeutungen verlangen daher unsere ganze Aufmerksamkeit.

Alle Täler sollen voll werden. Alle Gedanken, wodurch Gott verunehrt und geschmäht wird, müssen wir fahren lassen; Zaghaftigkeit und Zweifel müssen wir verbannen, allen selbstsüchtigen und weltlichen Lüsten müssen wir den Abschied geben. Durch alle diese Tiefen und Täler muss eine Herrliche Gnadenstraße erbaut werden.

Alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden. Die eitle Selbstgenügsamkeit des Geschöpfes, die ruhmrätige Selbstgerechtigkeit muss abgetragen werden, damit für den König aller Könige eine ebene Straße entstehe. Denn der Herr hat Acht auf die Demütigen, und geht ein zu denen, die ein geängstetes und zerschlagenes Herz haben.

Was krumm ist, soll richtig werden. Das wankende und schwankende Herz bedarf einer geraden Straße, die entschieden und bestimmt zu Gott und zu einem gottgeheiligten Wandel hinführt. Unentschiedene Menschen will Gott der Wahrhaftige weder kennen noch anerkennen. Meine Seele, habe Acht darauf, dass du in allen Dingen ehrlich und wahrhaftig seiest, als vor dem Angesicht Gottes, der Herzen und Nieren prüft.

Was uneben ist, soll gerade werden. Steine des Anstoßes und Felsen der Ärgernis, welche die Sünde uns in den Weg legt, müssen hinweggeschafft, die Dornen und Disteln der Empörung wider die göttliche Ordnung müssen ausgereutet werden. Ach, dass doch diesen Abend der Herr in meinem Herzen Seiner Gnade einen Weg bereitet fände, damit Er im Triumph durch die fernsten Grenzen meiner Seele einziehe! (Goldstrahlen, Januar 3)

Lukas 4, 18.

„Zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen.“

Niemand als der Herr Jesus kann den Gefangenen Erlösung bringen. Wahre Freiheit kommt allein von Ihm. Es ist eine rechtmäßig gewährte Freiheit; denn der Sohn, der ein Erbe ist aller Dinge, hat ein Recht, die Menschen frei zu machen. Die Heiligen ehren und achten Gottes Gerechtigkeit, die ihre Erlösung fest und gewiss macht. Es ist eine teuer erkaufte Freiheit. Christus spricht sie uns zu in Kraft seiner Machtvollkommenheit; aber Er hat sie erkauft mit seinem Blut, Er macht dich frei, aber Er gab sich selber dafür in Fesseln und Bande. Du gehst frei aus, weil Er deine Last für dich getragen hat; du bist los und ledig, weil Er an deiner Statt gelitten hat. Aber ob Er gleich solche Freiheit teuer erkauft hat, gibt Er sie doch umsonst. Jesus verlangt keinerlei Vorbereitung zur Freiheit von uns. Er findet uns im Sack und in der Asche, und heißt uns das herrliche Gewand der Freiheit anziehen; Er macht uns gerade so, wie wir sind, frei und selig, und das ganz ohne unsre Hilfe und Verdienst. Wen Jesus frei macht, des Freiheit ist ihm auf ewig zugesichert; ihn kann nie wieder eine Fessel binden. Wenn der Meister zu mir spricht: „Gefangener, ich habe dich frei gemacht,“ so gilt das in alle Ewigkeit. Der Satan mag alle List und Gewalt aufwenden, um uns aufs neue zu Sklaven zu machen; es gelingt ihm nicht, denn mit uns ist der Herr, vor wem sollten wir uns fürchten? Die Welt mit ihren Versuchungen mag trachten, uns zu verführen, aber Der ist mächtiger, der für uns ist, als alle, die gegen uns sind. Die Ränke unsres eigenen trügerischen Herzens mögen uns in Verlegenheit und Gefahr bringen, aber der das gute Werk in uns angefangen hat, wird es auch hinausführen und vollenden. Die Feinde Gottes und die Feinde des Menschen mögen nur immer ihre Heereskraft sammeln und mit heftiger Wut gegen uns anstürmen; wenn uns aber Gott gerecht macht, wer will verdammen? Nicht freier ist der Adler, der sich zum Felsenhorst emporschwingt, und dann emporrauscht über die Wolken, als die Seele, die Christus befreit hat. Sind wir nicht mehr unter dem Gesetz, sondern frei von seinem Fluch, so beweise sich unsre Freiheit darin, dass wir Gott dienen mit Dank und Freude. „Ich bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn; Du hast meine Bande zerrissen. Herr, was willst Du, dass ich tun soll?“

Lukas 5, 4.

„Fahret auf die Höhe, und werft eure Netze aus, dass ihr einen Zug tut.“

Wir lernen aus dieser Erzählung die Notwendigkeit der Mitwirkung von Seiten des Menschen. Der Fischzug war wunderbar; aber weder der Fischer noch sein Schiff, noch sein Fischernetz wurde dabei müßig gelassen; sondern alles das musste mithelfen, die Fische zu bekommen. So ist es auch mit der Errettung der Seelen. Gott wirkt durch allerlei Mittel; und solange der neue Bund der Gnade in Kraft bleibt, wird es Gott wohlgefällig sein, durch törichte Predigt des Evangeliums selig zu machen, die daran glauben. Wenn Gott unumschränkt und unabhängig von der kreatürlichen Mithilfe seiner Wunder wirkt, so wird Er dadurch ohne allen Zweifel verherrlicht; aber Er hat selber die menschliche Mitbetätigung in den Plan seiner Heilsanstalten aufgenommen, als das Mittel, wodurch Er am meisten verherrlicht wird auf Erden. Die Mittel an sich selbst sind durchaus ohne Verdienst und ohne Bedeutung. „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Was war der Grund dieser fruchtlosen Abmühung? Waren sie denn nicht Fischerleute, die ihres Berufs treulich warteten? Wahrlich, sie waren keine ungeübten Hände; sie verstanden ihr Handwerk. Hatten sie es an Fleiß mangeln lassen? Nein, die ganze Nacht hatten sie gearbeitet. Oder fehlte es an Fischen im Meer? Gewiss nicht, denn sobald der Meister dabei war, gingen sie scharenweise ins Netz. Woran lag es denn? Daran, dass in den Mitteln an und für sich keine Macht liegt, wenn die Gegenwart Jesu fehlt. „Ohne Ihn können wir nichts tun.“ Aber mit Christus vermögen wir alles. Christi Gegenwart sichert den Erfolg. Jesus war im Schiff Petri, und sein Wille zog durch seinen wunderbaren Einfluss die Fische ins Netz herbei. Wenn der Herr Jesus in seiner Gemeinde erhöht wird, dann ist seine Gegenwart ihre Kraft und Macht; eines Königs Lob erschallt aus ihr und verkündigt sich ringsumher. „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Lasst uns heute an unser Tagewerk gehen, und jeder in seinem Teil Menschenseelen fischen; lasst uns empor schauen im Glauben, und rings um uns her blicken mit ernstlichem Verlangen. Lasst uns arbeiten, bis die Nacht kommt, und der uns das Netz auswerfen heißt, der füllt es auch mit Fischen.

Lukas 6, 12.

„Er blieb über Nacht in dem Gebet zu Gott.“

Wenn je einer, der vom Weibe geboren ist, hätte ohne Gebet leben können, so wäre es unser vollkommener, unbefleckter Herr gewesen; doch hat nie ein Mensch so viel gebetet, wie Er! So groß war seine Liebe zu seinem Vater, dass er beständig seine Nähe suchte; so groß war seine Liebe zu den Seinen, dass Ihn verlangte, allezeit Fürbitte zu tun für sie. Die Tatsache dieser außerordentlichen Gebetsfülle Jesu bietet uns eine große Lehre dar; Er hat uns ein Beispiel gegeben, dass wir nachfolgen sollen seinen Fußstapfen. Die Zeit, die Er dem Gebete widmete, war köstlich, die Stunde der Stille, wo Ihn das Geräusch der Menge nicht störte; die Zeit der Ruhe, wo alles zu wirken aufhörte, nur Er nicht; die Zeit, wo der Schlummer die Menschen alles Leid vergessen ließ, wo sie ihr Flehen zu Ihm um Erleichterung unterbrachen. Während andre im Schlaf die Ruhe fanden, erquickte und ermunterte Er sich im Gebet. Auch der Ort war trefflich gewählt. Er suchte die Einsamkeit, wo Ihn niemand störte, wo niemand Ihn beobachtete; da war Er sicher vor der Anmaßung der Pharisäer, wie vor unwillkommenem Geräusch. Jene schattigen, schweigsamen Hügel waren ein treffliches Gebetskämmerlein für den Sohn Gottes. Himmel und Erde hörten in mitternächtlicher Stille das Seufzen und Flehen des geheimnisvollen Wesens, in welchem beide Welten zusammengefasst waren. Es ist bemerkenswert, wie lange Er in seinem Gebete verharrte; die langen Nachtwachen waren Ihm nicht zu lang; der kalte Wind erkältete seine Inbrunst nicht; die schreckliche Finsternis verfinsterte seinen Glauben nicht, noch schüchterte die Einsamkeit sein dringendes Anhalten ein. Wir können nicht eine einzige Stunde mit Ihm wachen, aber Er wachte ganze Nächte für uns. Der Anlass zu solchem Gebet ist beachtenswert; es war, als seine Feinde vor Wut beredeten, was sie Ihm tun wollten, - da war das Gebet seine Zuflucht und sein Trost; es war vor der Aussendung seiner zwölf Apostel, - da war das Gebet der Ausgangspunkt seines Vorhabens, der Herold seines neuen Werkes. Sollten wir nicht von Jesu lernen, zum Gebet unsre Zuflucht zu nehmen, wenn wir besonders schwer heimgesucht werden, oder neue Kraft im Dienste unsres Herrn bedürfen? Herr Jesu, lehre uns beten.

Lukas 8, 13.

„Die haben nicht Wurzel.“

Meine Seele, prüfe dich jetzt im Licht dieser Schriftstelle. Du hast das Wort angenommen mit Freuden; dein Gemüt ist angeregt worden, und du hast einen lebendigen Eindruck empfangen. Aber bedenke, dass es etwas andres ist, mit den Ohren das Wort aufnehmen, und etwas andres, den Herrn Jesum selber ins Herz aufnehmen; ein lebhaftes, aber oberflächliches Gefühl ist gar oft mit innerer Herzenshärtigkeit verknüpft, und ein starker Eindruck des Wortes ist nicht immer auch ein bleibender. Nach unserem Gleichnis fiel etliches, das gesät wurde, in das Steinichte, da es nicht viele Erde hatte; und da der Same aufging, konnte er nicht unter sich wurzeln, denn das felsige Erdreich hinderte ihn, und darum trieb er mächtig in die Höhe; weil ihm aber die Wurzeln keine Nahrung zuzuführen vermochten, verwelkte er und wurde dürr. Steht es etwa auch mit mir so? Habe ich nach außen ein viel verheißendes Wachstum gezeigt, während mir das wahre, innere Leben fehlte? Ein gutes Gedeihen verlangt gleichzeitig ein Wachstum nach oben und nach unten. Bin ich fest gewurzelt in aufrichtiger Treue und Liebe gegen den Heiland? Wenn mein Herz nicht erweicht und befruchtet ist durch die Gnade, so mag der gute Same eine kurze Zeit grünen, aber zuletzt muss er absterben, denn er kann nicht gedeihen auf einem steinichten, ungebrochenen, ungeheiligten Herzen. Ach, ich will fliehen vor einer Frömmigkeit, die so schnell aufblüht, aber auch so bald hinwelkt, wie der Kürbis über dem Haupte Jonas‘; ich will die Kosten ganz überschlagen, wenn ich ein Jünger Jesu werde; vor allem aber möchte ich die Kraft seines Heiligen Geistes an mir erfahren, dann werde ich eine bleibende und lebensfähige Saat im Herzen besitzen. Wenn mein Gemüt verhärtet bleibt wie zuvor, so wird die Sonne der Heimsuchung es nur ausbrennen, und mein Felsenherz wirft die Hitze nur umso heftiger auf die spärlich bedeckte Saat zurück, und meine Gottesfurcht erstirbt schnell, und meiner wartet schreckliche Verzweiflung; darum, Du himmlischer Sämann, pflüge mich erst, und dann streue Deine Wahrheit in mich aus, und lass mich reichlich Frucht bringen!

„Herr Jesu, lass mein Herze sein
Zerknirschet und zerschlagen,
Damit der Same dring‘ hinein;
Und lass ihn Früchte tragen!“

Lukas 8, 42.

„Und da Er hinging.“

Der Herr Jesus geht durch das Gedränge auf das Haus des Jairus zu, um die tote Tochter des Obersten der Schulen zu erwecken; aber Seine Güte ist so überschwänglich, dass Er auch noch unterwegs ein anderes Wunder der Barmherzigkeit wirkt. Während dieser Aaronsstab die Blüthe eines noch unvollendeten Wunders trägt, spendet er schon die reifen Mandeln eines vollbrachten Werks der Gnade. Für uns genügt es, wenn wir uns irgend etwas vorgenommen haben, dass wir stracks hingehen und es ausführen; es wäre unklug, wollten wir unterwegs unsere Kräfte aufzehren. Wenn wir zur Rettung eines ertrinkenden Freundes herbeieilen, so dürfen wir es nicht wagen, unsere Kräfte mit der Rettung eines andern zu erschöpfen, der in gleicher Gefahr schwebt. Es ist genug, wenn ein Baum einerlei Früchte trägt, und ebenso genug, wenn ein Mensch vollbringt, was seines Berufes ist. Aber unser Herr kennt keine Grenze Seiner Macht und keine Einschränkung Seiner Pflicht. Er ist so überreich an Gnade, dass Sein Pfad von Freundlichkeit und Güte strahlt wie die Sonne, die am Himmel vorüberzieht. Er ist ein geflügelter Pfeil der Liebe, welcher nicht nur sein vorgesetztes Ziel erreicht, sondern die Luft, die Er durchfliegt, mit Wohlgeruch erfüllt. Es geht unausgesetzt eine heilsame Kraft aus von Jesu, gleich wie von Blumen süßer Duft ausströmt; und sie geht ohne Aufhören von Ihm aus, gleich wie das Wasser aus einem glänzenden Quell. Mas für eine köstliche Ermutigung liegt hierin für uns! Wenn unser Herr so bereitwillig ist, die Kranken zu heilen und zu segnen, die es bedürfen, dann, meine Seele, säume nicht, in Seine Fußstapfen zu treten und Ihm nachzufolgen, auf dass er mit freundlichem Lächeln auf dich blickt. Sei nicht träge im Bitten, wo Er so überschwänglich ist im Gewähren. Wende deine ganze Aufmerksamkeit Seinem Worte zu, jetzt und allezeit, Denn Jesus spricht durch dasselbe mit deiner Seele. Wo du Ihn finden kannst, da wende dich hin und gehe Ihm nach, und suche Seinen Segen zu empfangen. Wenn Er gerne heilt, meinst du nicht, Er könne auch dich gesund machen? Uber gewiss ist Er auch jetzt hier gegenwärtig, denn Er besucht jederzeit ein Herz, das Seiner bedarf. Du Sohn Davids, siehe auf den Trauernden, der vor Dir steht, und mache Deinen Kranken, der Dich anfleht, gesund! (Goldstrahlen August 3)

Lukas 8, 47.

„Sie verkündigte es vor allem Volk, wie sie wäre alsobald gesund geworden.“

Eines der rührendsten und lehrreichsten Wunder des Heilandes liegt uns heute Abend zur Betrachtung vor. Das Weib war sehr wenig erleuchtet; sie meinte, die Heilkraft gehe von Christo durch ein Gesetz der Nothwendigkeit aus, auch ohne Sein Wissen oder ohne Seinen Willen. Zudem hatte sie keine Kenntnis von der liebevollen Gemütsart Jesu, sonst wäre sie nicht dazu gekommen, gleichsam hinter Seinem Rücken ihre Heilung zu stehlen, die Er je und je so gerne gewährte. Das Elend sollte sich jederzeit gerade vor das Angesicht der Gnade hinstellen. Hätte das Weib die Liebe des Herzens Jesu gekannt, so hätte sie gesagt: „Ich brauche mich nur dahin zu stellen, wo Er mich sehen kann, so wird Ihm Seine Allwissenheit schon eingeben, was mir fehlt, und Seine Liebe wird meine Heilung sogleich bewerkstelligen. Wir bewundern ihren Glauben, aber wir staunen ob ihrer Unwissenheit. Nachdem sie war geheilt worden, freute sie sich mit Zittern: sie war überglücklich, dass die göttliche Wunderkraft eine so wunderbare Heilung an ihr vollbracht hatte; aber sie fürchtete, Christus möchte den Segen zurücknehmen, und säte Misstrauen in die Gewährung Seiner Gnade: ach, wie wenig begriff sie die Fülle Seiner Liebe! Wir haben kein so klares Bild von Seinem unergründlichen Wesen, wie wir es wünschen möchten; die Höhen und Tiefen Seiner Liebe bleiben uns unbekannt; wir haben aber ein gewisses unwidersprechliches Zeugnis, dass Er zu gütig ist, um einer armen, zitternden Seele die Gabe zu entziehen, für die sie empfänglich gewesen ist. Aber eben hier liegt die Größe des Wunders: so gering ihre Erkenntnis, so klein ihr Glaube war, erlöste er sie doch, und erlöste sie auf der Stelle, weil es ein ächter Glaube war. Reine Rede von einem zögernden Nachgeben das Glaubenswunder geschah augenblicklich. So wir Glauben haben als ein Senfkorn, so ist die Erlösung unser gegenwärtiges und ewiges Eigentum. Wenn wir ins Verzeichnis der Kinder des Herrn als die Geringsten aus Seiner Familie eingetragen find, so sind wir Erben durch den Glauben, und keine menschliche noch teuflische Gewalt kann uns das Heil wieder entreißen. „Sind wir gerechtfertigt durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ (Goldstrahlen Februar 14)

Lukas 10, 20.

„Doch darin freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind; freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

„Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Mir ist es lieb, dass diese Freude aus dem Glauben entspringt und dass dies die Freude ist, der wir uns völlig hingeben dürfen, weil es eine ist, in der alle Heiligen sich vereinigen können und ihren Anteil daran haben. Wenn du an den Herrn Jesus Christus glaubst, so darfst du, auch wenn du nur wenig für Ihn tun kannst, dich doch freuen, dass dein Name im Himmel angeschrieben ist. Hierüber kann die bettlägerige Schwester sich freuen! Hierüber kann der unheilbare Kranke frohlocken. Das Kind Gottes, dessen Zunge durch Schwachheit gebunden und dessen Kämpfe mit Teufeln auf sein Kämmerlein und sein Krankenzimmer beschränkt sind, kann herkommen und sagen: „Auch ich kann mich freuen, dass mein Name im Himmel angeschrieben ist.“

Und dann freue dich an diesem Tag über die Gnade, welche deinen Namen in jenem himmlischen Buch erhalten hat, so dass über dich jene alte Drohung des Gesetzes keine Macht gehabt hat: „Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt.“ 2. Mose 32, 33. Bis hierher hast du unter jenen gestanden, von denen der Geist ausdrücklich in der Offenbarung spricht: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angelegt werden; und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“ Da steht dein Name noch immer in dem lebendigen Buch des Lammes verzeichnet, obgleich wohl manche Träne von dir darauf fallen könnte, wenn du denkst, welche Gnade es ist, die ihn da erhalten hat und für immer erhalten wird. Ein Name unter den Söhnen und Töchtern Gottes ist weit besser für dich, als wenn dein Namen im Fürstenkalender geschrieben wäre. Dass es im Buch des Lebens steht, verbürgt dir Friede, Freude, Sicherheit, Segen für jetzt und sichert dir künftig einen Platz unter dem im Blut gewaschenen Heer in den „vielen Wohnungen“, dahin Christus gegangen ist, um sie zu bereiten für die, welche der Vater Ihm gegeben hat.

Und beugten dich auch Schmerz und Weh
In deinem Pilgerlauf:
Ein Augenblick in Jesu Näh‘
Wiegt tausend Schmerzen auf

Lukas 10, 21.

„In der Stunde freute sich Jesus im Geist.“

Der Heiland war „voller Schmerzen,“ aber jedes nachdenkende Gemüt hat wohl schon die Tatsache entdeckt, dass Er in der innersten Tiefe Seiner Seele einen unerschöpflichen Schatz reiner und himmlischer Freuden trug. Unter dem ganzen menschlichen Geschlecht besaß nie Einer einen tiefern, reinern und beständigern Frieden als unser Herr Jesus Christus. „Darum hat dich, o Gott, gesalbt dein Gott, mit dem Oele der Freuden, über deine Genossen.“ Sein weitherziges Wohlwollen muss Ihm, nach dem notwendigen Zusammenhang der Dinge, die möglichst tiefe Wonne gewährt haben, denn Wohlwollen ist Freude. Bei einigen besonders hervortretenden Begebenheiten offenbarte sich diese Freude. „Zu der Stunde freute sich Jesus im Geist und sprach: Ich preise Dich, Vater und Herr Himmels und der Erden.“ Ja Christus lobte auch da noch, wo Er in die Nacht der Leiden gehüllt war; obgleich Sein Antlitz entstellt war, und das Licht Seiner Augen den edlen Glanz des reinsten Glücks verloren hatte, ward es doch zuweilen verklärt von einem unvergleichlichen Strahl unnennbarer Befriedigung, wenn Er des Lohns der Verheißung gedachte und mitten unter den Versammelten Seinen Gott und Vater bezeugte. Hierin ist der Herr Jesus ein heiliges Vorbild für Seine Gemeine auf Erden. Gegenwärtig scheint es, als ob die christliche Gemeine mit ihrem Herrn einen dornenvollen Pfad der Schmerzen zu wandeln habe; durch viele Trübsal bricht sie sich Bahn zur ewigen Krone. Das Kreuz zu tragen ist ihr Beruf, und verachtet und ausgestoßen zu werden von den Kindern ihrer Mutter ist ihr Los; und dennoch besitzt des Herrn Brautgemeine einen tiefen Born der Freuden, von welchem Niemand trinken darf als ihre wahren Kinder. Da sind Reichtümer an Wein, Oel und Korn aufgehäuft mitten in Jerusalem, von welchen die Heiligen Gottes fortan erhalten und ernährt werden; und manchmal empfangen wir, wie unser Herr, Zeiten innigster Wonne, denn es soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.“ Sind wir gleich Verbannte, so freuen wir uns dennoch in unserm König; ja in Ihm wollen wir uns freuen und fröhlich sein; wir rühmen, dass er uns hilft, und im Namen unseres Gottes werfen wir Panier auf. (Goldstrahlen März 24)

Lukas 10, 40.

„Martha aber machte sich viel zu schaffen, Ihm zu dienen.“

Martha fehlte nicht darin, dass sie diente. Der Stand der Dienstbarkeit schickt sich gar wohl für jeden Christen.

„Ich diene,“ so sollte der Wahlspruch eines jeden Kindes aus der königlichen Familie des Himmels lauten. Auch das war nicht Unrecht, dass sie sich „viel zu schaffen“ machte. Wir können nicht zu viel tun. Thun wir alles, was uns möglich ist! Haupt, Herz und Hand sollen in des Meisters Dienst Beschäftigung finden. Es war kein Fehler von ihr, dass sie emsig beschäftigt war, für den Meister eine Mahlzeit zuzubereiten. O glückliche Martha, die Gelegenheit hat, einen so herrlichen und lieben Gast zu bewirthen; und selig zugleich, dass sie den Sinn dafür hat, mit ganzer Seele und von ganzem Herzen bei dieser ihrer Beschäftigung zu sein. Aber das war nicht in der Ordnung, dass sie sich zu schaffen machte, Ihm zu dienen,„ so dass sie Ihn darob vernachlässigte und nur Gedanken für das Dienen hatte. Sie ließ ihren Diensteifer den seligen Umgang überwuchern und ertötete so mit einem untergeordneten Gottesdienst den wesentlichern und wichtigern. Wir sollten Martha und Maria zugleich sein: wir sollten viel arbeiten in Seinen Dienst und zugleich Seinen Umgang pflegen. Dazu bedürfen wir große Gnade. Dienen ist leichter als Gemeinschaft pflegen. Josua ward nie müde im Kampf mit den Amalekitern; aber Mose, der auf des Berges Höhe betete, bedurfte zwei Helfer, die seine Hände stützten. Je geistlicher die Arbeit ist, umso eher ermüden wir darin. Die köstlichsten Früchte sind am mühsamsten zu ziehen; die himmlischsten Gnadengüter sind am schwersten zu pflegen. Meine Theuern, wenn wir das Äußere unserer Gottesdienste nicht versäumen, was ja an und für sich gut und recht ist, so müssen wir doch vor Allem darauf sehen, dass wir eines lebendigen, persönlichen Umgangs mit dem Herrn Jesu teilhaftig werden. Seht zu, dass das Sitzen zu Jesu Füßen nicht hintenangesetzt wird, und wäre es auch unter dem besonderen Vorwand, Ihm zu dienen. Das Erste und Nöthigste für das Heil unserer Seele, das Wichtigste für Seine Ehre und das Beste zu unserem eigenen Besten ist das, dass wir uns im beständigen Umgang mit dem Herren Jesu zu bewahren suchen. (Goldstrahlen, Januar 24)

Lukas 11, 4.

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.“

Was wir in unserem Gebet suchen oder fliehen sollen, das sollen wir gleichermaßen in unserem Thun anstreben oder meiden. Darumsollten wir so sehr als möglich aller Versuchung aus dem Wege gehen, und trachten, dass wir vorsichtiglich wandeln auf dem Pfade des Gehorsams, auf dass wir dem Teufel nicht Gelegenheit bieten zu unserer Versuchung. Dringen wir nicht ins Dickicht ein, um den Löwen zu suchen, wir möchten sonst unsere Verwegenheit teuer bezahlen. Der Löwe kann ohne unser Zutun unsern Weg kreuzen, oder uns vom Busch aus überfallen; aber machen wir uns nichts zu schaffen mit seiner Jagd. Wer ihm begegnet, hat einen schweren Kampf zu bestehen, ob er auch den Sieg gewinne. Der Christ soll beten, dass er mit solcher Begegnung möge verschont bleiben. Unser Heiland, welcher wohl wusste, was es um die Versuchung ist, ermahnte Seine Jünger dringend: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet.“

Aber wie wir uns auch verhalten, die Versuchung kommt über uns; darum die Bitte: „Erlöse uns von dem Übel.“ Gott hatte einen einigen Sohn, ohne Sünde; aber Er hat keinen Sohn ohne Versuchung. Der natürliche Mensch ist zur Trübsal geboren, gleich wie die Funken in die Höhe fliegen; und nicht minder gewiss ists, dass der Christ zur Versuchung geboren ist. Wir müssen allezeit auf unserer Hut sein wider Satan, weil er gleich einem Dieb unerwartet einbricht. Gläubige Seelen, welche des Satans Ränke erfahren haben, wissen wohl, dass es gewisse Zeiten gibt, wo er seine Angriffe versucht, gerade wie zu gewissen Jahreszeiten stürmische Winde zu erwarten sind; so muss der Christ doppelt auf der Hut sein, einmal aus Furcht vor Gefahr, und dann, um der Gefahr, wenn sie hereinbricht, kampfgerüstet begegnen zu können. Vorsicht ist besser denn Heilung des Schadens; besser, man sei so gut bewaffnet, dass der Teufel keinen Angriff wagt, als dass man die Gefahren des Kampfes besteht, und ginge man auch als Sieger aus dem Kampfe hervor. Bitte heute Abend vor Allem, dass du bewahrt bleibest vor der Versuchung; wenn aber die Versuchung komme, dass du mögest erlöst werden von dem Bösen. (Goldstrahlen Februar 9)

Lukas 11, 27. 28.

„Und es begab sich, da Er solches redete, erhob ein Weib die Stimme, und sprach zu Ihm: Selig ist der Leib, der Dich getragen hat, und die Brüste, die Du gesogen hast. Er aber sprach: Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“

Es hegen manche mit einer großen Vorliebe die Vorstellung, es müsse für Maria etwas ganz besonders Erhebendes und Seliges gewesen sein, zu wissen, sie sei die Mutter des Herrn, weil sie voraussetzen, sie habe das herrliche Vorrecht genossen, in das Innerste seines Herzens hineinzublicken in einer Weise, wie wir‘s nie hoffen und erwarten können. Es ist ein gewisser Schein von Wahrheit in dieser Voraussetzung, aber ohne triftigen Grund. Es ist uns nicht bekannt, dass Maria mehr gewusst hätte als andre; was sie wusste, das bewegte sie in ihrem Herzen; aber aus allem, was wir im Neuen Testament lesen, scheint nicht im geringsten hervorzugehen, dass sie eine tiefere Glaubenserkenntnis besessen habe, als die übrigen Jünger Christi. Alles, was sie wusste, können wir ebensogut erfahren. Wunderst du dich etwa darüber, dass du dies hörst? Hier ist eine Stelle, die es bezeugen kann: „Das Geheimnis des Herrn ist unter denen, die Ihn fürchten; und seinen Bund lässt Er sie wissen.“ Dabei denkt an des Meisters Worte: „Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kund getan.“ So seliglich enthüllt uns dieser göttliche Offenbarer aller Geheimnisse sein Herz, dass Er mit nichts zurückhält, was uns zum Segen dienen kann, und Er fügt noch die Versicherung hinzu: „Wenn es nicht so wäre, so wollte ich es euch sagen.“ Offenbart Er sich uns heute nicht auf eine Weise, wie Er sich der Welt nie offenbart? Gerade so ist es; und darum wollen wir nicht in Unwissenheit ausrufen: „Selig ist der Leib, der Dich getragen hat,“ sondern wir wollen mit klarem Bewusstsein Gott dafür danken, dass wir, die wir das Wort gehört haben und es bewahren in einem verständigen Herzen, vor allem eine ebenso innige Gemeinschaft mit dem Heiland haben, wie seine Mutter Maria, und dass wir zweitens ebenso genau vertraut sind mit den Geheimnissen seines Herzens, als es nur je möglich ist, es zu erreichen. Glückliche Seelen, die so bevorzugt sind!

Lukas 14, 10.

„Freund, rücke hinauf.“

Wenn das Leben der Gnade in der Seele seinen Anfang nimmt, dann nahen wir uns wohl zu Gott, aber nur mit großer Furcht und heftigem Zittern. Die Seele, ihrer Schuld bewusst, und unter derselben tief niedergebeugt, fühlt sich überwältigt von dem majestätischen Ernst der Gegenwart Gottes, sie wird niedergeworfen von dem Gefühl der Größe Jehovahs, vor dem sie steht. In ungeschminkter Zerknirschung fühlt sie, dass ihr der unterste Ort im Himmel gebühre. In seinem späteren Leben, wenn der Christ in der Gnade wächst, vergisst er zwar nie den feierlichen Ernst seiner Stellung zu Gott, und verliert er nie die heilige Ehrfurcht, die einen begnadigten Menschen durchschauern muss, wenn er in der Gegenwart Gottes steht, der schaffen und vernichten kann, was und wie Er will; aber seiner Furcht ist alles Furchtbare genommen; sie wird zu einer heiligen Ehrfurcht, sie ist kein schattender Schrecken mehr. Er wird zu einer höheren Stufe berufen, zu einem freiern Zugang zu Gott in Christo Jesu. Dann nahet der Mensch Gott, einherwandelnd unter den Strahlen der himmlischen Herrlichkeit, und das Antlitz gleich den herrlichen Cherubim bedeckt mit dem Flügelpaar des Bluts und der Gerechtigkeit Christi, er nahet ehrfurchtsvoll und mit demütigem Geiste dem Thron; und auf dem Throne erblickt er einen Gott der Liebe, der Güte, der Gnade; und er erkennt in Ihm vor allem den treuen, barmherzigen und gnädigen Bundesgott. Er schauet in Gott viel mehr seine Güte, als seine Größe, viel mehr seine Liebe, als seine Majestät. Dann erfreut sich die Seele, obschon gleich demütig wie zuvor, einer heiligern Freiheit des Gebets; denn indem sie vor der Herrlichkeit des unendlichen Gottes im Staube liegt, wird sie getragen von dem erquickenden Bewusstsein, dass sie sich in der Gegenwart der unbegrenzten Gnade und unendlichen Liebe befindet, und dass sie „angenehm gemacht ist in dem Geliebten.“ So findet sich der Gläubige mehr und mehr ermuntert, immer höher zu steigen, und darf endlich das Vorrecht der unbeschränkten Freude in Gott sich aneignen und mit heiligem Vertrauen Ihm nahen und sagen: „Abba, lieber Vater.“

„O Liebe, wie hast Du die Deinen erhoben,
Da Du uns Dich selber und jegliches gibst!
O Vater, das Köstlichste hier und dort oben.“

Lukas 15, 18.

Ist, dass Du in Christo uns väterlich liebst!“

Es ist fest und gewiss, dass alle, welche Christus mit Seinem teuren Blut abgewaschen hat, vor Gott als ihrem Richter kein Sündenbekenntnis mehr werden abzulegen haben; denn sie sind nicht mehr Schuldner und Sünder, weil Christus auf ewig alle ihre Sünden hinweggenommen hat in aller rechtlichen Gültigkeit, also dass sie nicht mehr in einem Stande der Verdammlichkeit erfunden werden, sondern ein für allemal angenehm gemacht sind in dem Geliebten. Sollen sie aber, da sie nun Kinder geworden sind und sich doch gleich Kindern täglich verfehlen, nicht auch täglich zu ihrem himmlischen Vater kommen und Ihm ihre Sünden bekennen, und offen gestehen, dass sie nicht gehorsam gewesen sind als gute Kinder Schon das natürliche Gefühl lehrt uns, dass es irrender Kinder Pflicht ist, ihrem irdischen Vater ihr Unrecht zu bekennen, und so lehrt uns auch die göttliche Gnade, die in unserem Herzen wirksam ist, wir als Christen unserm himmlischen Vater gegenüber dieselbe Pflicht haben. Wir fehlen täglich mannigfaltig, und dürfen uns nicht zufrieden geben, wenn wir nicht täglich aufs neue Verzeihung empfangen. Denn wenn etwa meine Übertretungen gegen meinen Vater nicht sogleich vor Ihn gebracht würden, um sie durch die reinigende Kraft des Blutes Jesu abwaschen zu lassen, was wäre dann die Folge? Sobald ich nicht Vergebung gesucht habe und nicht abgewaschen bin von diesen Versündigungen gegen meinen Vater, so muss ich mich aus Seiner Nähe verbannt fühlen; ich muss an Seiner Liebe gegen mich zweifeln; ich muss vor Ihm zittern; ich muss mich fürchten, zu Ihm zu beten. Wenn ich aber in kindlicher Reue darüber, dass ich einen so gnädigen und liebevollen Vater beleidigt habe, zu Ihm gehe und Ihm Alles bekenne, und mich nicht beruhige, bis ich Gewissheit der Vergebung erlangt habe, dann empfinde ich eine heilige Liebe zu meinem Vater und wandle durch mein Christenleben nicht bloß als ein Erlöster, sondern als Einer, der den Frieden in Gott empfangen hat und genießt durch Jesum Christum, meinen Herrn. Des Vaters Arme sind die Zuflucht für ein reuiges Bekenntnis. Wir sind zwar ein für allemal gereiniget, aber immer noch ists nötig, dass unsere Füße abgewaschen werden von dem Schmutz unseres täglichen Wandels, dieweil wir Gottes Kinder sind. (Goldstrahlen Februar 18)

Lukas 18, 1.

„Dass man allezeit beten sollte.“

Wenn man allezeit beten und nicht müde werden sollte, so liegt diese Pflicht ganz besonders den Christen ob. Jesus hat seine Jünger in die Welt gesandt mit demselben Auftrag, um deswillen Er selbst kam, und diese Sendung schließt die Fürbitte ein. Was soll ich sagen? Ist nicht die Gemeinde Gottes die Priesterin der Welt? Alle Kreatur ist stumm, aber die Gemeinde redet das Wort für sie. Es ist der Gemeinde hohes Vorrecht, erhörlich zu beten. Die Gnadenpforte ist stets offen für ihre Anliegen, und sie kehren nie mit leerer Hand zurück. Der Vorhang wurde um ihretwillen zerrissen, das Blut wurde für sie auf den Altar gesprengt, Gott ladet sie beständig ein, zu bitten um das, was sie bedarf. Soll sie das Vorrecht verschmähen, um das Engel sie beneiden könnten? Ist sie nicht die Braut Christi? Darf sie nicht zu jeder Zeit zu ihrem Könige kommen? Sollte sie das köstliche Vorrecht unbenutzt besitzen? Die Gemeinde hat allezeit nötig zu beten. Es sind jederzeit etliche in ihr, die abweichen oder in offenbare Sünden fallen. Es gilt zu beten, dass die Lämmer zu Jesu kommen, dass die Starken vor Sicherheit möchten bewahrt bleiben, dass die Schwachen nicht möchten verzagen. Wenn wir vierundzwanzig Stunden des Tages zum Gebet zusammenkämen, und im Jahr alle Tage, so würde es uns nie an besonderen Anlässen zum Gebet fehlen. Sind wir je ohne Arme und Kranke, ohne Betrübte und Verzagte? Fehlt es uns je an solchen, welche die Bekehrung ihrer Angehörigen wünschen oder die Rückkehr Abgefallener oder die Errettung der Boshaftigen? Ja, wenn die Versammlungen nie aufhören, wenn die Prediger allezeit reden, wenn Millionen Sünder tot sind in Übertretung und Sünden, wenn bei uns Aberglaube und Unglaube sich stets breiter machen, wenn diese Welt von Götzen, Schändlichkeiten und Grausamkeiten strotzt, - und die Gemeinde nicht betet, wie vermag sie die träge Vernachlässigung des Befehles ihres liebenden Herrn zu entschuldigen? Die Gemeinde sei beständig im Gebet, und jeder Gläubige lege sein Gebetsscherflein in den Gotteskasten.

„Fass uns! Lass uns
Treue Hände bis zum Ende vor Dir heben
Bis Du kommst, den Lohn zu geben!“

Lukas 18,14

Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Es sollte uns nicht schwer fallen, uns zu demütigen, denn was haben wir, worauf wir stolz sein können? Wir sollten den niedrigsten Platz einnehmen, ohne dass uns das erst gesagt würde. Wenn wir vernünftig und ehrlich sind, so werden wir klein in unsren eignen Augen sein. Besonders sollten wir im Gebet zum Herrn bis zum Nichts zusammenschrumpfen. Da können wir nicht von Verdienst sprechen, denn wir haben keins; unsre eine und einzige Berufung muss die auf Barmherzigkeit sein: „Gott sei mir Sünder gnädig.“

Hier ist ein tröstliches Wort vom Throne. Wir sollen vom Herrn erhöht werden, wenn wir uns demütigen. Für uns geht der Weg aufwärts bergab. Wenn wir des eignen Ichs entkleidet sind, dann sind wir mit Demut bekleidet, und dies ist die Beste Tracht. Der Herr will uns erhöhen zum Frieden und zum Seelenglück; Er will uns erhöhen zur Erkenntnis seines Wortes und zur Gemeinschaft mit Ihm selber; Er will uns erhöhen zur Freude an der gewissen Vergebung und Rechtfertigung. Der Herr verleiht denen Ehre, die sie zur Ehre des Gebers tragen können. Er gibt nützliches Wirken, gute Aufnahme bei Menschen und Einfluss denen, die nicht dadurch aufgeblasen werden, sondern erniedrigt durch ein Gefühl größerer Verantwortlichkeit. Weder Gott noch Menschen werden gern einen Mann erheben, der sich selbst erhebt, aber beide, Gott und gute Menschen, vereinen sich, bescheidenen Wert zu ehren.

O Herr, erniedrige mich in mir selbst, damit ich in Dir erhoben werde!

Lukas 19, 40.

„Ich sage euch: Wo diese werden schweigen, so werden die Steine schreien.“

Aber konnten denn die Steine schreien? Gewiss könnten sies, wenn Er, der den Taubstummen den Mund auftut, sie ihre Stimme würde erheben heißen. Wahrlich, wenn sie reden könnten, sie hätten Vieles zu bezeugen zum Lobe Dessen, der sie erschaffen hat durch das Wort Seiner Allmacht; sie könnten die Weisheit und Macht ihres Schöpfers verkünden, der sie ins Dasein rief. Sollen denn nicht wir lobpreisen den, der uns erneuert hat, und hat dem Abraham aus Steinen Kinder erweckt? Die Felsen des Urgebirgs könnten erzählen vom Chaos und seiner Scheidung in wohlgeordnete Massen, und von dem Wehen und Wirken des Geistes Gottes, und von den aufeinanderfolgenden Wandlungen im Schauspiel der Schöpfung. Und können denn wir nicht reden von Gottes ewigen Ratschlüssen, von Gottes großem Werk in vergangenen Zeiten, von Allem, was er vor Alters für Seine Gemeine getan hat? Wenn die Steine sprechen könnten, so würden sie erzählen von dem, der sie gehauen hat, wie Er sie aus dem harten Gestein löste und zubereitete für Seinen Tempel; und können wir nicht erzählen von unserm herrlichen Zubereiter, der unsere Herzen zerschlagen hat mit dem Hammer Seines Worts, damit wir könnten eingefügt werden in den Bau Seines Tempels? Wenn die Steine schreien könnten, so würden sie ihren Baumeister verherrlichen, der sie gesägt und geglättet hat nach dem Bauriss eines Palastes, und sollen nicht wir reden und rühmen von unserm Baumeister und Bauherrn, der uns unsere Stelle angewiesen hat im Bau des Tempels des lebendigen Gottes? Wenn die Steine schreien könnten, sie hätten eine lange, lange Geschichte zu erzählen in Denkmälern, denn gar manchmal sind große und gewaltige Steine aufgerichtet worden zum Gedächtnis der Taten des Herrn; und auch wir haben Zeugnis abzulegen von manchem Eben-Ezer, von Denksteinen der Durchhilfe, von Danksäulen des Gedächtnisses. Die zerbrochenen Steintafeln des Gesetzes schreien über uns, aber Christus selber, der den Stein von des Grabes Tür gewälzt hat, redet für uns. So wollen wir denn loben in heiligen Gesängen, und Den unser Leben lang verherrlichen, der da von Jakob genannt wird der Hirt und Stern in Israel. (Goldstrahlen März 23)

Lukas 22, 32.

„Ich habe für dich gebeten.“

Wie ermutigend ist der Gedanken an des Heilandes unaufhörliche Fürbitte für uns. Wenn wir beten, so bittet Er für uns, und wenn wir nicht beten, dann vertritt Er unsere Sache gleichwohl und schützt uns durch Sein Flehen vor allen ungesehenen Gefahren. Achtet wohl auf das Trostwert, das Er an Petrus richtet: „Simon, Simon, siehe der Satanas hat euer begehret, dass er euch möchte sichten wie den Weizen: aber“. was denn? „Geht hin und betet für euch selber?“ Das wäre wohl ein guter Rat, aber so heißts nicht. Auch spricht er nicht: „Aber ich will euch wachsam erhalten, damit ihr bewahret bleibet.“ Das wäre eine große Gnade. Nein, es heißt: „Aber ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Wir wissen gar wenig davon, wie viel wir den Gebeten unseres Heilandes verdanken. Wenn wir einst die Höhen des Himmels erreichen, und zurückschauen auf alle die Wege, auf welchen uns der Herr unser Gott geleitet hat, wie werden wir Ihn preisen, der vor dem ewigen Gnadenthrone all das Unheil gut machte, das der Satan auf Erden verübte. Wie werden wir Ihm danken, dass Er sich nie Ruhe gönnte, sondern Tag und Nacht auf die Nägelmale in Seinen Händen hinwies und unsere Namen auf Seinem Brustschildlein trug! Schon ehe der Satan seine Versuchung begonnen hatte, war ihm der Herr Jesus zuvorgekommen und hatte Seine Bittschrift vor dem Gnadenthrone eingereicht. Die Gnade überflügelt die Bosheit. Sieh, Er spricht nicht: „Satan hat dich gesichtet, und darum will ich für dich beten,“ sondern: „Satan hat euer begehret.“ Er schlägt den Satan schon in seinen Wünschen und erstickt seine Absicht schon im Keim. Er sagt nicht: „Aber ich habe begehret für dich zu bitten.“ Nein, sondern: „Ich habe für dich gebeten; ich habe es schon getan, ich bin vor den Gerichtsstuhl getreten und habe eine Vertheidigungsschrift eingelegt, schon bevor nur die Anklage ausgesprochen wurde.“ O Jesu, welch ein süßer Trost ists doch, dass Du für unsere Schuld eingetreten bist gegen unsere unsichtbaren Feinde; Du hast ihre Gruben untergraben und ihre ränkevollen Anschläge aufgedeckt. Ja wahrlich, da ist Grund zur Freude, zum Dank, zur Hoffnung, zur Zuversicht! Lobe den Herrn, meine Seele! (Goldstrahlen, Januar 11)

Lukas 22, 44.

„Sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.“

Die Bangigkeit, welche das heftige Ringen mit der Versuchung unserem Heiland verursachte, brachte seinen Körper in eine solche unnatürliche Aufregung, dass große Blutstropfen aus der Haut hervordrangen und auf die Erde fielen. Das zeigt, wie furchtbar das ganze Gewicht der Sünde auf Ihm lastete, wenn sie Ihn so zermalmen konnte, dass Er Blut schwitzte! O, welch eine Macht der Liebe offenbart sich uns hier! Es ist eine schöne Beobachtung eines älteren Naturforschers, dass das Federharz, das aus dem Kautschukbaum ohne Einschneiden in die Rinde herausfließt, das vorzüglichere ist. Jener köstliche Kopherbaum gab liebliche Würze, als Er mit Geißelhieben verwundet und am Kreuz von den Nägeln durchgraben wurde; aber siehe, seine Beste Würze entquillt Ihm, wenn weder Geißeln, noch Nägel, noch Lanzenstiche Ihn verwunden. Dies macht uns die Freiwilligkeit der Leiden Christi recht eindrücklich, weil hier das Blut von selber floss. Hier braucht‘s kein Stechen und kein Schneiden, das Blut fließt freiwillig. Hier ist kein Befehl nötig: „Steig‘ herauf, Brunnen!“ Er strömt von selber in rosinfarbenen Wellen. Wenn Menschen große Seelenangst ausstehen, so drängt sich das Blut sichtlich zum Herzen. Die Wangen werden bleich; eine Ohnmacht ist nahe; das Blut hat sich nach innen zurückgedrängt, gleichsam als müsste es den innern Menschen stärken, wenn er durch die Trübsal hindurch muss. Aber schaue den Heiland in seinem Seelenleiden an; Er hat sich so ganz seiner selbst entäußert, dass sein tödliches Ringen nicht etwa sein Blut zum Herzen treibt, um seinen eigenen inwendigen Menschen zu stärken, sondern dass es sich nach außen drängt und die Erde besprengt. Der Leidenskampf Christi hat Ihn ausgegossen auf die Erde, und enthüllt uns die Fülle der Opfergabe, die Er in sich selber für die Menschen dargebracht hat. Begreifen wir nun nicht, wie heftig der Kampf gewesen sein muss, durch den Er hindurch ging, und hören wir nicht, wie seine Stimme uns zuruft: „Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden ob dem Kämpfen wider die Sünde?“ Schauet auf den großen Apostel und Hohenpriester unsers Bekenntnisses, und schwitzet lieber Blut, als dass ihr dem starken Versucher eurer Seelen nachgebt.

Lukas 22, 48.

„Verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?“

Das Küssen des Hasses ist ein Gewäsche, spricht Salomo. Nimm dich in acht, wenn dir die Welt ein freundliches Gesicht macht, denn womöglich betrügt und verrät sie dich ebenso mit einem Kuss, wie deinen Meister. Wenn ein Mensch dem Christentum unversehens einen Hieb versetzen will, heuchelt er gewöhnlich große Achtung vor demselben. O, ich will auf der Hut sein vor der gleißenden Heuchelei, dieser Waffenträgerin der Feindschaft und Gottlosigkeit. Weil ich das falsche Wesen der Ungerechtigkeit erkenne, so will ich klug sein wie die Schlangen, um die Absichten des Feindes zu erraten und zu vereiteln. Der „närrische Jüngling“ wurde verführt vom „Weib im Hurenschmuck“ mit einem Kuss, „bis sie ihm mit dem Pfeil die Leber spaltete“: möchte doch meine Seele heute durch Gottes Gnade so viel Weisheit lernen, dass „die vielen Worte“ und der „glatte Mund“ der Welt keinen Einfluss über mich gewinnen. Heiliger Geist! gib nicht zu, dass ich armer gebrechlicher Menschensohn mit einem Kuss verraten werde. Aber wie, wenn ich mich derselben verfluchten Sünde des Judas, dieses verlornen Kindes, schuldig gemacht hätte? Ich bin getauft worden im Namen des Herrn Jesu; ich bin ein Glied seiner sichtbaren Gemeinde auf Erden; ich komme zu seinem Abendmahlstisch: alles das sind ebenso viele Küsse meines Mundes. Bin ich aufrichtig in dem allen? Wenn nicht, so bin ich ein niederträchtiger Verräter. Lebe ich ebenso sorglos in der Welt wie andre, und erfreche mich dennoch zu sagen, ich sei ein Jünger Jesu? Dann mache ich ja die Gottesfurcht zum Spott und reize die Menschen zur Lästerung des heiligen Namens, den ich trage. Gewiss, wenn ich so unredlich handle, so bin ich ein Judas, und es wäre mir besser, dass ich nie geboren wäre. Darf ich hoffen, dass ich hierin unschuldig sei? Dann, o Herr, bewahre mich. O Herr, mache Du mich aufrichtig und treu. Behüte mich vor allen Wegen der Falschheit. Lass nie zu, dass ich Dich, meinen Heiland, verrate. Ich habe Dich lieb, o Herr Jesu, und wenn ich Dich gleich oft betrübe, so möchte ich Dir doch von Herzen gern treu bleiben bis in den Tod. O Gott, bewahre mich, dass ich nicht in meinem Bekenntnis ein mächtig emporrauschender Adler sei und zuletzt doch in den Feuerpfuhl hinabstürze, weil ich meinen Herrn und Meister sollte verraten haben mit einem Kuss.

Lukas 23, 26.

„Und legten das Kreuz auf ihn, dass er es Jesu nachtrüge.“

Wir erblicken in Simons Kreuztragen ein Bild der Arbeit, welche der Gemeinde Christi von Geschlecht zu Geschlecht auferlegt wird; sie ist die Kreuzesträgerin in der Nachfolge Jesu. So merke denn, lieber Christ, dass der Herr Jesus nicht so leidet, um dich alles Leidens zu überheben. Er trägt ein Kreuz, nicht damit du dem Kreuz entschlüpfst, sondern damit du es umso leichter ertragen kannst. Christus reißt dich aus der Sünde heraus, aber nicht aus der Sorge; das bedenke, und mache dich aufs Dulden gefasst! Aber trösten wir uns mit dem Gedanken, dass wir gerade so wie Simon nicht unser eigenes Kreuz, sondern das Kreuz Christi zu tragen haben. Wenn du um deiner Frömmigkeit willen verschmäht und verlästert wirst; wenn deine Gottesfurcht dich unter das Gericht grausamen Spottes stellt, dann erinnere dich, dass es nicht dein Kreuz, sondern Christi Kreuz ist; und wie köstlich ist es, unserem Herrn Jesu das Kreuz zu tragen! Du trägst Ihm das Kreuz nach. O, da hast du eine selige Begleitung; dein Pfad ist bezeichnet mit den Fußstapfen deines Herrn. Die Spuren seiner blutgetränkten Schulter sind der schweren Last aufgeprägt. Es ist sein Kreuz, und Er geht vor dir her, wie ein Hirte vor seinen Schafen. Nimm dein Kreuz auf dich und folge Ihm nach. Vergiss auch nicht, dass du dies Kreuz in Gemeinschaft mit Ihm trägst. Einige nehmen an, Simon habe nur das eine Ende des Kreuzes getragen, und nicht das ganze Kreuz. Das ist sehr leicht möglich: vielleicht tat Christus den schwereren Teil auf sich genommen, oben beim Querbalken, und Simon mag das leichtere Ende getragen haben. Jedenfalls ist es bei dir so der Fall; du trägst nur das leichte Ende des Kreuzes, und Christus hat den schwersten Teil getragen. Und obgleich Simon das Kreuz nur eine kurze Strecke weit tragen musste, so hat es ihm doch ewige Ehre eingebracht. Und so lastet das Kreuz, das wir zu tragen haben, auch nur kurze Zeit auf uns, und danach empfangen wir die Krone und die Herrlichkeit. Wahrlich, das Kreuz muss uns lieb werden, und statt davor zurück zu schrecken, wollen wir es hoch und wert achten, denn es „schaffet uns eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit.“

Lukas 23, 27.

„Es folgte Ihm aber nach ein großer Haufe Volks und Weiber, die klagten und beweinten Ihn.“

Mitten unter dem Pöbelhaufen, der unsern Herrn und Heiland lärmend zur Richtstätte verfolgte, waren etliche begnadigte Seelen, deren bittere Schwermut sich in Klagen und Tränen Luft machte, - ein recht geeigneter Trauermarsch zur Begleitung auf diesem Leidenswege. Wenn meine Seele vermag, sich den Heiland zu denken, wie Er sein Kreuz nach Golgatha schleppt, dann schließt sie sich den gottseligen Weibern an und weint mit ihnen; denn wahrlich, hier ist ein rechter Grund zum Schmerz, ein Grund, der tiefer liegt, als jene trauernden Frauen dachten. Sie trauerten über die misshandelte Unschuld, über die verfolgte Seelengüte, über die blutende Liebe, über die in den Tod dahingegebene Sanftmut! aber mein Herz hat noch tiefere und schmerzlichere Ursache zur Trauer. Meine Sünden waren die Henkersknechte, die diesen heiligen Rücken zerrissen, die diese bluttriefende Stirne mit Dornen krönten; meine Sünden schrien: „Kreuzige! kreuzige Ihn!“ und luden seinen treuen Schultern das Kreuz auf. Dass Er zum Tode geführt wurde, ist schon mehr als genug für eine Ewigkeit der Trauer und des Schmerzes: aber dass ich‘s war, der Ihn mordete, ist mehr, unendlich mehr, als je ein armer Tränenquell erzählte. Warum jene Frauen den Herrn Jesum liebten und beweinten, ist so sehr begreiflich; aber sie konnten nicht größere Ursache zur Liebe und zum Schmerz haben, als meine eigene Seele. Der Witwe zu Nain war ihr Sohn aus dem Grabe wieder geschenkt worden - ich bin auferweckt worden zu einem neuen Leben. Petri Schwiegermutter wurde vom Fieber geheilt - ich von der schweren Sündenseuche. Aus Maria Magdalena waren sieben Teufel ausgefahren - aus mir hat Er eine Legion Teufel ausgetrieben. Maria und Martha hatten Ihn oft beherbergt - aber in mir wohnt Er. Seine Mutter hatte Ihn getragen - aber in mir hat Er eine Gestalt gewonnen zur Hoffnung der Herrlichkeit. Ich stehe in der Schuld nicht hinter den heiligen Weibern zurück, so will ich denn auch in dankbarer Trauer ihnen nicht nachstehen.

„Nichts kann und soll hinfort von Dir mich scheiden;
Ich bleibe Dein, bis Du mich dort wirst weiden,
Wo Deine Liebe ewig wird besungen
Mit Engelzungen.“

Lukas 23, 31.

„So man das tut am grünen Holz, was will am dürren werden?“

So viele Anwendungen auch diese Frage umfasst, so drängt sich uns bei ihr doch zunächst der Gedanke auf, dass unser Heiland damit sagen wollte: „Wenn ich, der unschuldige Bürge für die Sünder, schon so viel leiden muss, wie wird‘s erst sein, wenn der Sünder selbst - das dürre Holz - in die Hände des lebendigen Gottes fällt?“ Als Gott seinen Sohn zur Versöhnung hingab für die Sünder, da hat Er seiner nicht geschont, und wenn Er die Unbußfertigen und Unwiedergeborenen ohne Christum findet, so wird Er ihrer auch nicht schonen. O siehe, Sünder, den Herrn Jesum führten seine Feinde weg, und so wirst du von bösen Feinden hinweggerissen werden an einen Ort, der für dich bereitet ist. Jesus war verlassen von Gott, und wenn Er, der nur durch Zurechnung für uns zum Sünder geworden ist, verlassen war, wie vielmehr du? „Eli, Eli, lama asabtani!“ welch ein entsetzlicher Angstschrei! Aber wie herzerschütternd wird erst dein Schrei sein, wenn du ausrufen musst: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ und die Antwort zurücktönt: „Weil ich denn rufe, und ihr weigert euch; ich recke meine Hand aus und niemand achtet darauf, und lasset fahren allen meinen Rat, und wollt meiner Strafe nicht; so will ich auch lachen in eurem Unfall und euer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet.“ Wenn Gott seines eigenen Sohnes nicht verschonet hat, wie viel weniger wird Er euer schonen! Wie warten euer so glühende Geißelhiebe, wenn euch einmal das Gewissen mit all seinen Schrecken schlägt. Ihr reichsten, ihr lustigsten, ihr selbstgerechtesten Sünder; wer möchte an eurer Stelle sein, wenn Gott einmal spricht: „Schwert, mache dich auf über den Mann, der mich verworfen hat, schlage ihn, dass er die Qual spüre ewiglich?“ Jesus wurde verspieen; Sünder, welche Schmach wird deiner harren! Wir vermögen all die Schmerzen, die über das Haupt des für uns geopferten Jesus hereinbrachen, nicht in ein Wort zusammenzufassen, darum ist es unsäglich, was für Ströme und was für Meere des Elends über deine Seele hereinstürmen werden, wenn du in deinem gegenwärtigen Zustande stirbst. Bei der Seelenangst, bei den Wunden und dem Blut Jesu Christi beschwöre ich dich, rufe nicht den zukünftigen Zorn über dein Haupt herbei! Setze dein Vertrauen auf den Sohn Gottes, so wirst du nicht umkommen.

Lukas 23, 33.

„Die Stätte, die da heißt Schädelstätte.“

Golgatha ist der Hügel des Trostes; das Haus der Erquickung ist errichtet aus dem Holz des Kreuzes; der Tempel des himmlischen Segens ist auf den zerrissenen Fels gegründet, den Fels des Heils, den der Speer durchstochen und zerrissen hat. Die heilige Geschichte bietet nichts, was so, wie der Anblick seines Todes auf Golgatha, das Herz hinnimmt.

„O Welt, sieh‘ hier dein Leben
Am Stamm des Kreuzes schweben,
Dein Heil sinkt in den Tod;
Der große Fürst der Ehren
Lässt willig sich beschweren
Mit Schlägen, Hohn und großem Spott.“

Licht strömt aus der mitternächtlichen Mittagsfinsternis auf Golgatha, und jedes Pflänzchen des Gefildes blüht herrlich auf unter dem Schatten des einst verfluchten Kreuzholzes. An diesem Ort des Schmachtens hat die Gnade einen Brunnen gegraben, dessen kristallhelles Wasser ununterbrochen strömt; und jeder Tropfen dieses Heilsquells stillt der Menschheit Schmerzen. Ihr, die ihr schwere Kämpfe durchgekämpft habt, müsst bekennen, dass ihr am Ölberge keinen Trost gefunden habt, noch am Berge Sinai, noch auf Tabor; sondern „die Berge, von dannen mir Hilfe kommt,“ Gethsemane, Gabbatha und Golgatha, haben euch Trost und Erquickung gewährt. Der Wermut von Gethsemane hat manchmal die Bitterkeiten eures Lebens weggenommen; die Geißel auf Gabbatha hat oft eure Sorgen weggegeißelt, und Golgathas Todesseufzer haben all euern Seufzern den Tod gebracht. So gewährt uns die Leidensstätte seltenen und reichen Trost. Wir hätten Christi Liebe nie in ihren Höhen und Tiefen so deutlich erkannt, wenn Er nicht gestorben wäre; noch hätten wir des Vaters innige Liebe erfahren, wenn Er nicht seinen Sohn in den Tod gegeben hätte. Die gemeinsamen Gnadengaben, deren wir uns freuen, singen von Liebe, gleichwie die Seeschnecke, die wir ans Ohr halten, uns von der Tiefe des Meeres singt, aus der sie kommt; wenn wir aber den Ozean selber hören wollen, dürfen wir nicht nur nach den täglichen Gnadenerweisungen sehen, sondern dann müssen wir hinschauen auf das, was auf Golgatha sich für uns erfüllt hat. Wer lernen will, was Liebe ist, der gehe hin zur Stätte der Kreuzigung und schaue, wie der Mann der Schmerzen stirbt.

Lukas 24, 16.

„Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie Ihn nicht kannten.“

Die Jünger hätten doch den Herrn Jesum kennen sollen, sie hatten seine Stimme so oft gehört und so oft in sein liebreiches Antlitz geschaut, dass es zum Verwundern ist, wie sie Ihn nicht mehr kennen konnten. Und ist nicht doch bei uns das nämliche der Fall? Du hast den Herrn Jesum jüngst nicht gesehen. Du bist ein Gast an seinem Tisch gewesen und bist Ihm daselbst nicht begegnet. Du bist heute Abend in tiefer Traurigkeit, und ob Er gleich offen sagt: „Ich bin‘s, fürchte dich nicht,“ so kannst du Ihn doch nicht entdecken. Ach, eure Augen werden gehalten. Wir kennen seine Stimme; wir haben in sein Antlitz geschaut; wir haben unser Haupt an seine Brust gelehnt, und obgleich uns der Herr Jesus sehr nahe ist, sprechen wir doch: „Ach, dass ich doch wüsste, wo ich Ihn finden könnte!“ Wir sollten Jesum kennen, denn wir haben die Heilige Schrift, aus welcher uns sein Bild zurückstrahlt: und doch geschieht es so leicht, dass wir das köstliche Buch auftun und auch keine Spur von unserem geliebten Freund entdecken. Liebes Kind Gottes, bist du in dieser Lage? Jesus weidet unter den Rosen des Wortes Gottes, und du wanderst unter diesen Rosen, und du siehst Ihn doch nicht. Er pflegt in den Schattengängen der Heiligen Schrift zu wandeln und mit den Seinen zu verkehren, wie sein Vater mit Adam des Abends, da der Tag kühl geworden war; und doch bist du im Eden der Heiligen Schrift, ohne dass du Ihn erblickst, obgleich Er immer daselbst ist. Und warum sehen wir Ihn nicht? Bei uns ist, wie bei den Jüngern, der Unglaube schuld daran. Sie erwarteten offenbar nicht, dem Herrn Jesus zu begegnen, und darum erkannten sie Ihn nicht. Im Geistlichen wird uns fast immer geschenkt, was wir vom Herrn erwarten und hoffen. Der Glaube allein offenbart uns den Herrn Jesum. O, lass doch das deine Bitte sein: „Herr, öffne mir die Augen, damit ich meinen Heiland bei mir erblicke.“ Es ist etwas Seliges darum, wenn es uns drängt, Ihn zu sehen; aber o, wie viel besser ist es doch, wenn wir Ihn mit Augen sehen. Denen, die Ihn suchen, ist Er köstlich, aber denen, die Ihn finden, ist Er unaussprechlich teuer! „Ja, schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist; wohl dem, der auf Ihn trauet!“

Lukas 24, 27.

„Und legte ihnen alle Schriften aus, die von Ihm gesagt waren.“

Die beiden Jünger auf dem Wege nach Emmaus hatten eine äußerst gesegnete Reise. Ihr Gefährte und Lehrer war der Beste aller Erzieher; der Eine aus tausend Auslegern, in welchem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind. Der Herr Jesus ließ sich herab, ein Prediger des Evangeliums zu werden, und Er schämte sich nicht, Seinen Beruf vor einer Zuhörerschaft von zwei Personen auszuüben, und so weigert Er sich auch nicht, eines Einzigen Lehrer zu sein. Suchen wir mit allem Fleiß den Umgang eines so trefflichen Lehrers, denn so Er uns nicht gemacht wird zur Weisheit, werden wir nimmermehr weise zur Seligkeit.

Dieser unvergleichliche Lehrer und Erzieher braucht das Beste aller Bücher als Lehrbuch. Ob Er gleich im Stande war, neue Wahrheiten darzulegen, so zog Ers dennoch vor, die alte Wahrheit zu erklären. Er wusste in Seiner Allwissenheit, welches die lehrreichste und fasslichste Art des Unterrichts sei, und fing an von Mose und den Propheten, und zeigte uns, dass der gewisseste Weg zur Weisheit nicht das Philosophieren und Spekulieren oder das Lesen menschlicher Bücher sei, sondern das Forschen im Worte Gottes. Der trefflichste Weg, um geistlich reich zu werden in himmlischer Erkenntnis, ist der, dass wir in diesem Diamantschacht graben, und Perlen suchen in diesem himmlischen Meere. Wenn der Herr Jesus Andere reich zu machen suchte, so arbeitete Er in den Schachten der Heiligen Schrift.

Das beneidenswerte Jüngerpaar wurde angeleitet, den besten aller Stoffe zu betrachten, denn Jesus sprach von Jesu, und letzte ihnen aus, was von Ihm geschrieben war. Der Herr des Hauses führte die Gäste an seine Tafel, und stellte ihnen seine eigenen Lieblingsgerichte auf. Der die Schätze in seinem Acker verborgen hatte, führte die Schatzgräber selber dazu. Unser Herr redete natürlich von dem Lieblichsten und Seligsten; und Köstlicheres konnte Er nicht finden, als Sein eigenes Wesen und Wirken: wenn wir in der Schrift forschen, sollte unser Blick immer auf Beides gerichtet sein. O, welch eine Gnade, mit Jesu Sein heiliges Wort zu betrachten, so dass Er zugleich unser Lehrer und der Gegenstand unserer Betrachtung ist! (Goldstrahlen, Januar 18)

Lukas 24,33.35.

„Und sie standen auf zu derselbigen Stunde, kehrten wieder gen Jerusalem … und erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war, und wie Er von ihnen erkannt wäre.“

Als die beiden Jünger Emmaus erreicht hatten, und sich beim Abendmahl stärken wollten, da nahm der geheimnisvolle Begleiter, der unterwegs mit seinen Reden ihr ganzes Herz gewonnen hatte, das Brot, dankte und brach es, gab sich ihnen zu erkennen und verschwand aus ihren Augen. Sie hatten Ihn genötiget, bei ihnen zu bleiben, weil der Tag sich geneigt hatte; jetzt aber ward ihre Liebe ihnen zu einer Leuchte auf dem Wege, ja, gab ihren Füßen Flügel, obgleich es unterdes noch später geworden war; sie vergaßen die Dunkelheit, ihre Müdigkeit war vergangen, und sie kehrten die sechszig Feldweges sogleich wieder zurück, um die Freudennachricht vom auferstandenen Herrn, der ihnen auf dem Wege erschienen war, zu verkünden. Sie kamen nach Jerusalem zu den andern Jüngern und wurden jubelnd mit ähnlichen köstlichen Nachrichten empfangen, bevor sie noch erzählen konnten, was ihnen selber begegnet war. Diese ersten Christen waren ganz begeistert in der Erzählung der Auferstehung Christi, und in der Verkündigung dessen, was sie vom Herrn wussten: sie machten ihre Erfahrungen zu einem Gemeingut. Heute Abend wollen wir uns von ihrem Beispiel recht stärken und erquicken lassen. Auch wir müssen den Herrn Jesum bezeugen. Johannis Erzählung vom Grabe bedurfte der Ergänzung durch Petrus; Maria konnte wieder etwas Anderes berichten; das alles zusammen gibt uns ein vollständiges Zeugnis, dessen Einzelheiten im innigsten Zusammenhang stehen. Auch wir haben besondere Gaben und Offenbarungen; aber das Eine, was Gott im Auge hat, ist die Vollendung des ganzen Leibes Christi. Darum müssen wir unsern geistlichen Besitz herzubringen, und zu der Apostel Füßen legen und den mitteilen, was uns Gott geschenkt hat. Haltet nicht zurück mit der göttlichen Wahrheit, sondern redet, was ihr wisset, und bezeugt, was ihr gesehen habt. Weder Mühe, noch Dunkelheit, noch etwa der Unglaube eurer Freunde darf in die Waagschale gelegt werden. Auf! und begebt euch an den Ort eurer Pflicht und verkündiget, wie große Dinge Gott euern Seelen erzeigt hat, so wird Er selber sich euch noch mehr offenbaren! (Goldstrahlen Mai 25)

Lukas 24, 38.

„Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in eure Herzen?“

Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: „Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott über?“ der Herr nimmt sich aller Dinge an, und die geringsten Geschöpfe haben teil an seiner allgewaltigen Fürsorge; aber mit besonderer Sorgfalt wacht Er über seine Heiligen. „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten.“ „Ihr Blut wird teuer geachtet werden vor Ihm.“ „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die nach dem Vorsatz berufen sind.“ Die Tatsache, dass Er, ein Heiland aller Menschen, ganz besonders ein Heiland aller derer ist, die da glauben, sei euch ein großer Trost und eine große Freude. Ihr seid Ihm besonders teuer und wert, sein königlicher Kronschatz, den Er bewacht wie seinen Augapfel, sein Weinberg, den Er Tag und Nacht behütet: „Auch die Haare auf eurem Haupte sind alle gezählet.“ Lasst den Gedanken an seine besondere Liebe zu euch alle eure geistlichen Sorgen ertöten und alle eure Schmerzen lindern und beruhigen: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.“ Gott spricht dies ebensogut zu euch, wie zu allen Heiligen alter Zeit. „Fürchte dich nicht; ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ Wir verlieren manche Tröstung dadurch, dass wir uns gewähnt haben, seine Verheißungen auf die ganze Gemeinde des Herrn zu beziehen, statt sie unmittelbar für unser eigenes Bedürfnis in Anspruch zu nehmen. Gläubiger Freund, fasse das göttliche Wort mit einem persönlichen, aneignenden Glauben auf. Bedenke, dass der Herr Jesus gesagt hat: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Denke, du sehest Ihn wandeln auf den Fluten deiner Trübsal; denn Er ist wirklich daselbst und spricht zu dir: „Fürchte dich nicht; ich bin‘s. Fürchte dich nicht.“ Ach, wie lieblich sind doch diese Worte Christi! Möge der Heilige Geist dir zu fühlen geben, dass sie auch zu dir gesprochen sind; vergiss andre eine kleine Weile, nimm die Stimme des Herrn an als an dich gerichtet, und sprich: „Jesus tröstet mich, ich kann Ihm nicht wehren; ich will unter seinem Schatten ruhen und mich in Ihm erquicken, und die Liebe ist sein Panier über mir.“

Lukas 24, 45.

„Da öffnete Er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden.“

Der, von dem wir gestern hörten, wie Er den Seinen die Schrift öffnete, tritt uns heute entgegen als Der, der auch das Verständnis öffnet. In jenem ersten Geschäft stehen Ihm manche Mitarbeiter zur Seite; aber in diesem zweiten steht Er einzig da; Viele bringen das Wort den Gemütn entgegen, aber der Herr allein kann das Herz zubereiten, dass es das Wort aufnimmt. Unser Herr Jesus unterscheidet sich von allen andern Lehrern; diese erreichen das Ohr, Er aber unterrichtet das Herz; sie habens mit dem geschriebenen Wort zu tun, aber Er teilt den innern Sinn für das Verständnis der Wahrheit mit, so dass wir ihre Kraft und ihren Geist erfahren und erfassen. Die Ungebildetsten unter den Menschen werden reife Schüler der Gnade, wenn der Herr Jesus durch Seinen Heiligen Geist die Geheimnisse Seines Königreichs ihnen entschleiert und ihnen die heilige Salbung verleiht, durch welche sie im Stande sind, das. Unsichtbare zu erfassen. Selig sind wir, wenn unser Verständnis vom Meister selber geklärt und gestärkt wird! Wie viele Männer voll tiefer Gelehrsamkeit bleiben unwissend in den Dingen der unsichtbaren, ewigen Welt! Sie wissen den tötenden Buchstaben des Worts der Offenbarung, aber seine lebendige Kraft können sie nicht erkennen; ein Schleier liegt über ihrer Seele, durch welchen das Auge der fleischlichen Vernunft nicht hindurchdringt. So stands noch vor kurzem mit uns; wir, die wir jetzt klar sehen, waren damals noch ganz und gar verblendet: Die Wahrheit war für uns eine vom Dunkel der Nacht verhüllte Schönheit, etwas Unbekanntes und Unbeachtetes. Wäre nicht die Liebe Jesu gewesen, so wären wir bis zu dieser Stunde in der tiefsten Unwissenheit geblieben; denn ohne Sein gnädiges Auftun unseres Verständnisses wären wir nie zur geistlichen Erkenntnis hindurchgedrungen. Menschliche Schulen können uns lehren, was man glauben soll, aber die Schule Christi allein kann uns unterweisen, wie man es wirklich glaubt. So wollen wir uns denn zu Jesu Füßen setzen und in ernstlichem Gebet Seine gnädige Hilfe erflehen, damit unser verfinsterter Sinn erleuchtet und unser schwaches Verständnis zur Aufnahme der himmlischen Weisheit tüchtig gemacht werde. (Goldstrahlen, Januar 19)

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