Spurgeon, Charles Haddon - Das königliche Priestertum der Heiligen.

Spurgeon, Charles Haddon - Das königliche Priestertum der Heiligen.

Und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und wir werden herrschen auf Erden.“ Offenb. 5, 10.

„Musik tut Wunder.“ Ja, von der geistlichen Musik ist das gewiss wahr; denn ich habe etwas von ihrer Wunderkraft empfunden, da wir soeben das herrliche Lied sangen. Es liegt eine Gewalt in der Harmonie; eine bezaubernde Macht in der Melodie, welche die Seele entweder in Rührung zerschmelzt oder sie zu unaussprechlicher Freude emporhebt.

Ich weiß nicht, wie es manchen Gemütn ergeht; vielleicht widerstehen sie dem Eindruck des Gesanges; aber ich vermag es nicht. Wenn ich die Heiligen Gottes höre in vollen Chören das „Lied Mosis“ (Offenb. 15, 3.) singen, wenn ich höre, wie liebliche Laute ihren Lippen entströmen in feierlicher Bewegung des Rhythmus, dann fühle ich mich gehoben; und vergessend alles Irdischen um mich her, schwingt sich mein Geist himmelwärts. Wenn hier unten auf Erden schon der Lobgesang der Heiligen so lieblich tönt, wo doch so mancher Misston und so manche Sünde grell in die Harmonie einschneidet, wie überaus köstlich und lieblich muss es erst droben sein, wenn wir singen mit Cherubim und Seraphim. O, was für Lobgesänge müssen doch das sein, welche der Ewige auf seinem Thron unaufhörlich vernimmt! Welch' himmlisches Lobgetöne mag es sein, das den Lippen reiner Unsterblicher entquillt, unbefleckt von Sünde, ungetrübt von Seufzern! Wo man nur Hymnen der Freude und Seligkeit vernimmt, in die kein Sorgen, noch Kummer, noch irdisches Grämen sich mischt. O, selige Sänger! wenn werde ich eurer Schaar einverleibt?

Horch, wie sie loben um den Thron! Ich meinte manchmal, ich müsste es hören, wie sie singen um den Thron. Ich hörte im Geiste den mächtigen Strom des himmlischen Chorgesangs, wie er gleich gewaltigen Donnerposaunen vom Himmel herniederwogt, gleich dem Rauschen vieler Wasser; ich hörte jene volltönenden Saiten schwingen, welche die Harfner auf ihren Harfen vor dem Throne Gottes anschlagen. Ach, es war nur die Vorstellung meiner sehnsuchtsvollen Seele. Wir könnens jetzt noch nicht hören; diese Ohren sind nicht geschaffen zu solcher Musik; diese Seelen könnten nicht in diesem Leibe verbleiben, wenn wir einmal den kräftigen Klang einer Engelsharfe hören sollten. Wir müssen uns gedulden, bis wir dort hinaufkommen. Alsdann werden wir, wie Silber, siebenmal gereinigt von der irdischen Befleckung, und gewaschen in dem teuren Blut unsers Heilandes, und geheiligt durch den reinigenden Einfluss des Heiligen Geistes

„Rein und vollkommen, wie die Sonne,
Entzückt, voll göttlich hoher Wonne,
Vor unsers Vaters Throne stehn.“
„Dann preisen wir mit lautem Schalle,
Dass Erd' und Himmel wiederhalle,
Voll Jubel Gottes Gnad' und Huld.“

Unser lieber Johannes, der hochbegünstigte Apostel der Offenbarung, hat uns einen Ton aus dem himmlischen Lobgetöne hinterlassen; diesen Ton wollen wir anschlagen, und ihn wieder und immer wieder erklingen lassen. Ich will diese himmlische Stimmgabel nun anschlagen und euch einen der Grundtöne angeben. „Und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht; und wir werden herrschen auf Erden.“ Möge der große und gnadenreiche Geist, der allein die Finsternis zu erhellen vermag, nun auch meinen Verstand erleuchten, wenn ich jetzt versuche, kurz und bündig über dies Schriftwort zu reden. Es ist in demselben Dreierlei enthalten: erstens, des Erlösers Tat: „Und hast uns gemacht“ zweitens, der Heiligen Würden und Ehren: „Unserm Gott zu Königen und Priestern;“ und drittens, der Welt Zukunft: „und wir werden herrschen auf Erden.

I.

Zuerst haben wir vor uns des Erlösers Thun. Die, welche vor dem Thron stehen, singen von dem Lamm - dem Löwen vom Stamme Juda, der das Buch nahm und seine Siegel auftat „Du hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht.“ Im Himmel singt man nicht:

„Preis, Ehre, Ruhm und Macht
Werd' ewig und gebracht.“

Im Himmel singt man nie das eigene Lob; man verherrlicht dort nicht die eigene Kraft; man spricht dort nicht vom eigenen Willen und von der eigenen Macht; sondern dort schreibt man die ganze Erlösung vom Anfang bis zur Vollendung ganz und gar Gott allein zu. Fraget sie, wie sie erlöst sind, und sie werden euch antworten: „Das Lamm hat uns zu dem gemacht, was wir jetzt sind.“ Fraget sie, von wannen ihre Herrlichkeit stammt, so werden sie euch sagen: „Sie ist uns erworben vom sterbenden Lamm.“ Fraget sie, woher sie das Gold ihrer Harfen empfangen haben, so werden sie euch sagen: „Jesus hats in den Tiefen der Todesangst und Todesbitterkeit gegraben.“ Forschet von ihnen, wer ihre Harfen besaitete, so werden sie euch belehren, dass Jesus jede Sehne seines Körpers nahm zu Harfensaiten. Fraget sie, wo sie ihre Kleider gewaschen und helle gemacht haben, so werden sie euch bezeugen:

„In jenem Born, mit Blut gefüllt,
Das aus des Lammes Herzen quillt.“

Viele auf Erden wissen nicht, wohin sie die Krone legen sollen; die im Himmel aber wissen es. Sie legen das Diadem auf das rechte Haupt; und sie singen fort und fort: „Er hat uns gemacht zu dem, was wir sind.“

Wohlan, Geliebte, würde dieser Ton uns nicht ansprechen? Denn „was hast du, das du nicht empfangen hast?“ (1. Kor. 4,7.) Wer hat uns vorgezogen? Heute weiß ich, dass ich gerechtfertigt bin; ich habe die völlige Versicherung, dass

„Die Handschrift ist zerrissen,
Die Zahlung ist vollbracht,
Er hat michs lassen wissen,
Dass er mich frei gemacht.
Er, der versank im bitteren Tod,
Und der für meine Seele
Sein Blut zum Opfer bot.“

Im Buch des Gerichts steht keine einzige Sünde von mir: sie sind alle auf ewig ausgetilgt durch das Blut Jesu Christi, und quittiert mit seiner eigenen rechten Hand. Ich darf nichts fürchten; ich kann nicht verdammt werden. „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Gott nicht, denn er hat gerecht gemacht (Röm. 8,33.); Christus nicht, denn er ist gestorben (V. 34). Wenn ich aber nun gerechtfertigt bin, wer hats vollbracht? Ich sage: „Und hat gemacht Alles, was ich um und um bin“ (Hiob 10,8.). Die Rechtfertigung ist von Anfang bis zu Ende aus Gott. Die Erlösung ist aus dem Herrn allein.

Viele von euch sind geheiliget, aber ihr seid nicht vollkommen geheiliget, ihr seid nicht gänzlich gereiniget von der irdischen Schlacke; ihr habt noch ein ander Gesetz in euren Gliedern, welches streitet wider das Gesetz in eurem Gemüt (Röm. 7,23.); und ihr werdet dies Gesetz in euch haben, so lange ihr im Glauben wandelt; nie werdet ihr in eurer Heiligung vollkommen werden, bis ihr einmal hinauf kommt vor den Thron Gottes, wo diese Unvollkommenheit eures Wesens wird von euch genommen, und euer fleischliches Verderben wird vernichtet werden. Aber dennoch, Geliebte, handelt sichs hier um einen inwendigen Grund; ihr wachset in der Gnade; ihr nehmet zu in der Heiligung. Ja, aber wer erwarb euch dies Wachstum? Wer reinigte euch von dieser bösen Lust? Wer kaufte euch los von jenem Laster? Wer hieß euch absagen dem Treiben, in welches ihr verflochten wart? Könnet ihr nicht von Jesu sagen: „Er hat uns gemacht!“ Christus ists, der alles das getan hat, und seinem Namen sei Ehre und Preis und Herrlichkeit und Macht.

Wir wollen einen Augenblick hiebei verweilen und sehen, in welchem Sinne Christus uns dazu gemacht hat. Wenn hat Christus die Seinen zu Königen und Priestern gemacht? Wie durfte gesagt werden: „Und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht?“

1) Vor Allem hat er uns eingesetzt zu Priestern und Königen, da er den Bund der Gnade bekräftigte. In ferner, ferner Ewigkeit ward die Urkunde der Heiligen geschrieben von der Hand Gottes, und es bedurfte einer Unterschrift, um ihr Rechtskraft zu geben. Es war in diesem Bunde eine Bestimmung, dass der Mittler sollte ins Fleisch geboren werden, ein Leben voller Leiden und Entsagungen führen und zuletzt einen schmachvollen Tod erdulden; und es erforderte nur eine Unterschrift, die Unterschrift des Sohnes Gottes, um dieses Testament rechtsgültig, ewig und in allen Dingen fest und gewiss zu machen. Es ist mir, als sehe ich ihn; mein Geist zeigt mir den erhabenen Sohn, wie er die Feder ergreift. Sieh, wie seine Finger den Namen schreiben; und nun steht er, in unauslöschlicher Schrift: „Der Sohn!“ O heilige Bestätigung der Urkunde; sie wird gestempelt und besiegelt mit dem Groß-Siegel unseres Vaters im Himmel. O herrliches Testament, das damals auf ewig bestätiget ward! Im Augenblick der Unterzeichnung dieses wunderbaren Vertrags begannen die Geister vor dem Throne, die Engel, ihr Loblied zu singen und sprachen von der ganzen Schaar der von Ewigkeit her Erwählten: „Und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht;“ und hätte damals für einen Augenblick die ganze auserwählte Zahl ins Dasein erscheinen können, so hätten sie jubelnd ihre Hände gefaltet und gesungen: „Durch deine Unterschrift sind wir nun unserm Gott zu Königen und Priestern eingesetzt.“

2) Aber dabei blieb er nicht stehen. Es bedurfte nicht bloß seiner Beistimmung zu dem Wortlaut dieses Testaments; sondern zur zuvorversehenen Zeit erfüllte er es Alles - ja, bis zum letzten Jota und Titel. Jesus sprach: „Ich will nehmen den Kelch des Heils;“ und er nahm ihn: den Kelch der Erlösung. Bitter waren seine Tropfen; Galle lag auf seinem Grunde; es waren Schmerzen, Seufzer, Tränen in dem roten Trank; aber er nahm ihn ganz und trank ihn bis auf die Hefen, und trank den ganzen furchtbaren Kelch aus. Es war Alles aus. Er trank den Kelch der Erlösung und aß das Brot der Leiden. Sieh ihn in Gethsemane den Kelch trinken, wo der Inhalt des Bechers sich mit seinem Blute mischte, und jeden Tropfen zu einem verzehrenden Gifte machte. Sieh, wie die feurigen Wallungen des Schmerzes seine Adern schwellen. Sieh, wie jeder Nerv vom Todeskampf geschnürt und gewürgt wird. Sieh seine schweißbedeckte Stirne; betrachte, wie eine Todesangst die andere verfolgt bis in die innersten Tiefen seiner Seele. Redet, ihr Verlorenen, und erzählt, was der Hölle Qualen bedeuten; und doch könnt ihr nicht ausreden die Leiden von Gethsemane. O, unsägliche Tiefe! Tief unten ein Abgrund, wohin unser Heiland sein Haupt beugte, da er sich hingab zwischen die beiden Mühlsteine der Rache des Vaters, und seine ganze Seele zu Staub zermalmt wurde! Ach! dieser ringende Mensch - Gott - dieser leidende Mensch von Gethsemane! Weinet über ihn, ihr Heiligen, weinet über ihn! Wenn ihr ihn sehet sich erheben vom Gebet im Garten und entgegenschreiten dem Fluchholz des Kreuzes; wenn ihr ihn hängen sehet an diesem Kreuz vier lange Stunden in der sengenden Sonne, überwunden von seines Vaters über ihn ergehenden Zorn, wenn ihr seine Seite von erstarrten Blutströmen entstellt sehet, wenn ihr seinen Todesschrei hört: „Es ist vollbracht!“ und sehet seine Lippen dürr von der Fieberhitze der Wunden, mit nichts befeuchtet, als mit einem Gemisch von Essig und Galle, - ach! dann werft euch nieder an seinem Kreuz, beugt euch in den Staub vor diesem Mann der Schmerzen und sprecht: „Du hast uns gemacht - Du hast uns gemacht zu Allem, was wir sind um und um; ohne Dich können wir nichts sein.“ Das Kreuz Jesu ist der Grundstein der Herrlichkeit der Heiligen; Golgatha ist die Geburtsstätte für den Himmel; der Himmel ward geboren in Bethlehems Krippe; nur um der Leiden und Todeskämpfe Golgathas willen ward uns Köstliches zu Teil. O, du Erlöster! erblicke in jeder Gnade das Blut des Heilandes; schau auf dies Buch - es ist mit Blut besprengt; siehe auf dieses Betaus, - es ist geheiliget durch seine Leiden; siehe dein tägliches Brot an - es ist erkauft mit seinem Zittern und Zagen. Jede Gnadengabe komme als ein bluterkaufter Schatz zu dir; achte sie hoch, weil sie von ihm kommt, und allzeit sprich: „Du hast mich zu dem gemacht, was ich bin.“

3) Geliebte, unser Heiland Jesus Christus vollendete das große Werk, uns zu dem zu machen, was wir sind, in seiner Himmelfahrt. Wäre er nicht aufgefahren in den Himmel, und hätte das Gefängnis gefangen geführt, so wäre sein Tod nicht genügend gewesen. „Er ist um unserer Sünden willen dahingegeben, aber um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket“ (Röm. 4,25.). Die Auferstehung unsers Heilandes in seiner Majestät, da er des Todes Bande zerriss, war für uns eine Versicherung, dass Gott sein Opfer angenommen hatte; und seine Himmelfahrt war nichts Anderes, als das Ab- und Vorbild von der wahrhaften und wirklichen Himmelfahrt aller seiner Heiligen, wenn er kommen wird in den Wolken zum Gericht, und alle die Seinen zu sich versammeln wird. Seht den Gott-Menschen an, wie er gen Himmel auffährt; betrachtet seinen Siegeszug durch die Himmel, während die Sterne sein Lob verkündigen und die Planeten in feierlichem Reigen tanzen; folget ihm mit den Blicken durch die unbekannten Gefilde des Äthers, bis dass er ankommt am Throne Gottes im siebenten Himmel. Alsdann hört ihn sagen zu seinem Vater: „Ich habe vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte (Joh. 17,4.); siehe mich und die Kinder, die du mir gegeben hast; ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet; ich habe Alles vollbracht; ich habe jedes Vorbild verwirklicht; ich habe das Testament in allen Teilen erfüllt; nicht ein Jota habe ich übersehen, nicht einen Titel vergessen; es ist Alles vollendet.“ Und horch, wie nun die vor dem Throne Gottes singen: „Du hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht: und wir werden herrschen auf Erden.“

Das habe ich in wenig Worten sagen wollen über das, was der Heiland tat. Arme Lippen können nicht besser reden; das schwache Herz vermag sich nicht emporzuschwingen zur Höhe dieses Gegenstandes. Ach, dass dieser Mund eine so beredte und erhabene Sprache hätte, dass er mehr von dem wunderbaren Thun des Erlösers zu reden vermöchte!

„Die am Thron der Thronen stehen,
Betet an des Himmels Herrn!
Jesus heißt er, Himmelsbrüder!
Sinkt aufs Antlitz vor ihm nieder,
Lichtheer Gottes, nah und fern!
Singt, erzählt in Engelssprachen
Jedem Himmel seinen Sieg!“ „Himmel, Erd' und alle Tiefen,
Beuget euch vor seinem Thron!
Alle Zungen, singt mit Schalle:
Jesus ist Herr über alle!
Beuget euch vor seinem Thron!
Neigt die Stirnen, beugt die Knie
Diesem Gott und Menschensohn!“

II.

Nun zweitens: Der Heiligen Würden und Ehren: „Und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht.“ Als die ehrwürdigsten aller Herrscher wurden stets jene betrachtet, die nicht nur zur königlichen, sondern auch zur priesterlichen Oberhoheit ein Recht besaßen, jene Könige, welche einmal die Krone der Königsmacht und ein anderemal die priesterliche Stirnbinde tragen konnten; welche Rauchfass und Scepter handhabten; welche das Volk vor der Gottheit vertraten, und Völker regieren durften. Groß stehen die wahrlich da, welche Könige und Priester sind; und daran seht ihr, wie hoch die Heiligen geehrt sind, nicht mit einem Titel nur oder einem Amt, sondern mit zweien. Sie werden nicht nur zu Königen gemacht, sondern zu Königen und Priestern; nicht zu Priestern allein, sondern zu Priestern und Königen. Auf die Heiligen werden auf einmal zwei Würden gelegt, sie werden priesterliche Könige und königliche Priester.

Betrachten wir zuerst die königliche Würde der Heiligen. Sie sind Könige. Sie sollen nicht nur Könige im Himmel sein, sondern sie sind auch Könige auf Erden; denn wenn unser Textwort dies auch nicht ausdrücklich sagt, so bezeugt es die Bibel an einem andern Ort: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum“ (1. Petri 2,9.). Wir sind jetzt schon Könige. Ich möchte, dass ihr dies fasset, ehe ich es erkläre. Jeder Heilige des lebendigen Gottes hat nicht bloß die Aussicht, im Himmel ein König zu sein, sondern er ist in Gottes Augen schon jetzt und wirklich ein König, und er muss für sich und seine Mitbrüder bekennen: „Und hast uns“ schon hier und jetzt „unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht; und wir werden herrschen auf Erden.“ Ein Christ ist ein König. Er ist nicht nur einem Könige ähnlich, sondern er ist ein König, wirklich und wahrhaftig. Ich will euch jedoch zeigen, worin er einem Könige gleich ist.

Denkt an seine königliche Ahnenreihe. Was für ein Wesen machen nicht Viele von ihren Großeltern und Vorfahren. So erinnere ich mich, in einem berühmten Collegium den Stammbaum irgend eines großen Lords gesehen zu haben, der bis auf Adam zurückging, und auf demselben war Adam, der erste Mensch, als Erdarbeiter angeführt. Dieser Stammbaum war ohne Unterbrechung durchgeführt; aber was da stand, glaubte ich natürlich nicht. Aber hiervon abgesehen, was würde nicht Mancher drum geben, wenn er einen Stammbaum aufzuweisen hätte, in welchem Herzoge, Grafen, Könige und Prinzen vorkommen? Ich glaube jedoch, dass nicht das, was unsere Vorfahren waren, sondern das, was wir sind, uns in den Augen Gottes wert macht; nicht dass königliches oder priesterliches Blut in unsern Adern fließt, sondern dass wir unserm Geschlechte Ehre machen, dass wir nämlich wandeln in den Wegen des Herrn, und die Gemeine Gottes und die Gnade, die uns rechtschaffen macht, Ehre an uns gewinne. Weil aber viele Menschen in ihrer Abkunft Ehre suchen, so suche ich darin Ehre, dass die Heiligen vor aller Welt die stolzeste Ahnenreihe haben, Redet von Cäsar und Alexander, ja redet von der königlichen Majestät unserer Regentin: ich sage, ich bin von eben so hoher Abkunft als der erhabenste Fürst auf Erden. Ich stamme ab vom König aller Könige. Der Heilige darf wohl von seiner Abstammung reden - er darf sich deren rühmen, er darf damit glänzen - denn er ist der Sohn Gottes, wirklich und wahrhaftig. Die Mutter des Gläubigen, die Gemeine Gottes, ist die Braut Christi; er ist ein wiedergeborenes Kind des Himmels; ein Zweig aus dem königlichen Blut des Weltenbeherrschers. Das ärmste Weib, der ärmste Mann auf Erden, der Christum liebt, ist königlichen Geschlechts. Gebt einem Menschen die Gnade Gottes ins Herz, so ist seine Abkunft edel. Ich darf das Pergament meines Stammbaums entrollen, und kann auch sagen, er ist so alt, dass er keinen Anfang hat; er ist älter als alle Stammtafeln aller Mächtigen der Erde zusammen; denn mein Vater lebt von Ewigkeit her; und darum habe ich wahrlich einen recht königlichen und uralten Stammbaum.

Und dann haben die Heiligen, wie Fürsten, ein glänzendes Gefolge. Könige und Fürsten dürfen nicht ohne einen gewissen Prachtaufwand reisen. Vor Zeiten war solche Pracht weit größer, als heut zu Tage; aber auch noch in unsern Tagen sehen wir, wenn Fürsten auf Reisen gehen, noch große Pracht entfaltet. Da müssen besondere, ausgezeichnete Pferde, herrliche Wagen und Vorreiter sein, und all' die übrigen Beiwerke eines glänzenden Aufwandes. Aber die Könige Gottes, die Jesus Christus ihrem Gott zu Königen und Priestern gemacht hat, haben auch ein solches königliches Gefolge. „Ach!“ sprichst du, ich sehe doch manche von ihnen in zerrissenen Kleidern; sie wandern einsam durch dies Erdenthal, oft ohne Freund und Berater.„ O! da fehlts euch an den rechten Augen. Hättet ihr Augen, zu sehen, so würdet ihr eine Leibwache von Engeln erblicken, die einem Jeden aus der bluterkauften Familie dienen. Ihr erinnert euch an den Knaben des Elisa, der nichts sehen konnte als der Feinde Menge, bis der Herr ihm die Augen öffnete, dass er sah; und siehe, da war der Berg der Stadt Dotan voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her (2. Kön. 6,17.). Und du, Geheiligter des Herrn: überall, wo du bist, sind feurige Rosse und Wagen. In der Schlafkammer, da ich geboren ward, standen Engel und verkündigten im Himmel meine Geburt. In Meeren der Trübsal, wo Welle um Welle über mich zu gehen scheint, sind Engel bereit, die mein Haupt über der Tiefe erhalten; und gehts mit mir zum Sterben, und tragen trauernde Freunde mich weinend zum Grabe, so stehen Engel um meine Totenbahre; und werde ich ins Grab versenkt, so wird ein starker Engel stehen und meinen Staub bewahren, und mit dem Teufel zanken über meinem Leichnam (Judä 9.). Warum sollte ich mich fürchten? Ich habe eine Schaar von Engeln um mich her; und wenn ich reisen muss, ziehen Cherubim der Herrlichkeit vor mir her. Die Menschen sehen sie nicht; ich aber sehe sie, denn „der Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet; eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr. 11,1.). Wir haben ein königliches Gefolge: wir sind Könige, nicht bloß nach unserer Abkunft, sondern auch nach unserm Gefolge.

Nun achtet auf die Standeszeichen und Hoheitsrechte der Heiligen. Könige und Fürsten haben gewisse Dinge, die ihnen von Rechtswegen zukommen, ihre Residenz-Schlösser, ihre Kronjuwelen. Aber hat denn ein Heiliger einen Palast? Ja. Ich habe einen Palast, und seine Mauern sind nicht von Marmor, sondern von Gold; seine Zinnen sind aus Rubinen gemacht, und alle seine Grenzen von auserwählten Steinen (Jes. 54,12.), und seine Tore von Glanzgestein; seine Steine sind mit Schmuck gelegt, und er ist gegründet mit Saphiren (V. 11); er erglänzet weithin im Schmucke edler Krystalle; Rubinen leuchten daraus hervor; und der Perlen sind unzählige.. Viele nennens eine Wohnung; aber ich habe ein Recht, es einen Palast zu nennen, denn ich bin ein König. Es ist eine Hütte, wenn ich auf Gott schaue, es ist ein Palast, wenn ich auf die Menschen blicke; denn es ist die Wohnung eines Fürsten. Nun merke, wo dieser Palast steht. Ich bin kein irdischer Fürst - ich habe kein Erbteil in einem fernen Wunderland, von dem die Menschen träumen - ich besitze kein El Dorado; aber dennoch besitze ich einen wirklichen und wahrhaften Palast, nicht im Lande der wesenlosen Einbildungen schwärmerischer Gefühle, wie die Toren meinen und höhnen, die da sprechen: Es ist kein Gott. Dort oben auf den himmlischen Höhen steht er; ich kenne seinen Ort nicht unter den andern himmlischen Wohnungen; aber dort steht er; und „wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrechen wird, dass wir einen Bau haben, von Gott, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, der ewig ist im Himmel“ (2 Kor. 5,1.).

Haben Christen auch eine Krone? O ja; aber sie tragen dieselbe nicht täglich. Sie haben eine Krone, aber ihr Krönungstag ist noch nicht erschienen. Sie sind gesalbte Herrscher und haben Recht und Ansehen von Herrschern; aber sie sind noch keine gekrönten Herrscher. Aber die Krone ist bereitet. „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird“ (2 Tim. 4.8.), O, du Geheiligter, wenn du jetzt im Himmel könntest die rechte geheime Türe öffnen und eingehen in das himmlische Schatzhaus, so würdest du es mit herrlichen Kronen angefüllt finden. Als Cortez in den Palast Montezumas eintrat, fand er ein vermauertes, geheimes Gemach, und fand daselbst eine solche Menge der verschiedensten Kostbarkeiten aufgehäuft, dass er meinte, er fände hier den Reichtum der ganzen Welt beisammen. Könntet ihr aber in Gottes geheime Schatzkammer gehen, welch' einen Reichtum würdet ihr da erblicken! „Gibts denn auch,“ würdet ihr ausrufen, „so viele Herrscher, so viele Fürsten und so viele Kronen?“ Ja, und ein glänzender Engel würde sagen zu euch: „Siehst du diese Krone? Es ist die Deine.“ Und wenn ihr die Innenseite des Kronenreifes betrachtetet, würdet ihr eingegraben finden: „Gefertigt für einen aus Gnaden selig gewordenen Sünder, des Name ist ….“; und dann würdest du deinen Augen kaum trauen, wenns dein Name wäre. Du bist wahrhaftig ein König vor Gott; denn dir ist im Himmel eine Krone beigelegt. Auch alle andern Kronjuwelen, die ein König haben kann, werden die Heiligen besitzen. Sie werden weiße seidene Kleider haben; sie werden herrliche Harfen haben, sie werden Alles besitzen, was zur königlichen Pracht gehört; so dass wir also wirkliche Herrscher sind; nicht Spott-Könige, die in den Purpur der Schmach gekleidet sind und verhöhnt werden mit dem Ruf: „Heil dir, Judenkönig;“ sondern wir sind wirkliche Herrscher. „Er hat uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht.“

Es liegt aber auch noch ein anderer Gedanke darin. Könige sind die hoch geachtetsten unter allen Menschen. Man sieht stets mit Ehrfurcht und höchster Achtung auf sie. Wenn ihr sagen dürftet: „Hier ist ein König!“ so würde die Menge Bahn machen. Ich würde nicht viel Achtung gebieten, wenn ich mich durch eine Menschenmasse durchdrängen wollte. Sobald aber Jemand riefe: „Seht, unsre Königin kommt!“ so würde Jedermann ausweichen und Bahn machen. O! Geliebte, wir denken vielleicht, die weltlichen Fürsten seien die geehrtesten aller Erdenbewohner; wenn ihr aber Gott fragtet, so würde er antworten: „Meine Heiligen, an denen ich Wohlgefallen habe, sind herrlich.“ Sagt mir nichts von Pracht und Prunk; von Gold und Silber nichts; Diamanten und Perlen rühmet mir nicht; erhebt nicht Macht und Herrlichkeit; aber das preiset: einen Menschen, der ein Heiliger Gottes ist, denn er ist ein herrlicher Mensch. Gott achtet ihn hoch, die Engel ehren ihn, und das Weltall wird ihn einst preisen, wenn Christus kommt und ihn heißt Rechnung ablegen von seinem Haushalten, und ihm zuruft: „Ei, du frommer und getreuer Knecht, gehe ein zu deines Herrn Freude“ (Matth. 25,21.). Sünder, jetzt noch magst du ein Kind Gottes schmähen und verachten; du kannst ihn verspotten; kannst sagen: er ist ein Heuchler; du kannst ihn einen Heiligen, einen Pietisten, einen Methodisten nennen, und wie du sonst willst; aber wisse, dass diese Schimpfnamen seine Würde nicht kränken - er ist herrlich auf Erden, und Gott achtet ihn hoch.

Aber Manche werden sagen: „Ich hätte gerne, dass Sie auch beweisen könnten, was Sie sagen, dass nämlich die Heiligen Könige seien; denn wenn wir Könige wären, so hätten wir nie über Sorgen zu klagen; Könige sind ja nicht arm wie wir und leiden nicht, was wir zu leiden haben.“ Wer hat so etwas gesagt? Ihr sagt, wenn ihr Könige wäret, so hättet ihr ein angenehmes Leben. Haben denn Könige nichts zu erdulden? War nicht David auch ein gesalbter König? Und wurde dennoch geängstet, wie man ein Rebhuhn jaget auf den Bergen (1. Sam. 26,20.). Musste der König nicht sogar über den Bach Kidron fliehen sammt seinen wenigen Getreuen, da ihn sein Sohn Absalom verfolgte? (2. Sam. 15,23.) Und war er nicht Herrscher, da er über Nacht auf der Erde lag, und kein anderes Lager hatte, denn den feuchten Erdboden? (2. Sam. 12,16.) O ja, auch Könige haben ihren Kummer - gekrönte Häupter ihre Trübsale. Gar oft

„Ruht hart das Haupt, das eine Krone trägt.“

Erwarte nicht, weil du ein König seist, so werdest du nichts Schweres haben. „O nicht die Könige, Lemuel, nicht die Könige lass Wein trinken, noch die Fürsten starkes Getränk begehren“ (Spr. 31,4.). Und das ist oft so. Die Heiligen bekommen hier unten nur selten Wein. Es ist Königen nicht beschieden, den Wein der Freude zu trinken; es ist Königen nicht beschieden, viel von dem berauschenden Getränk und Gebräu des weltlichen Freudentaumels zu kosten. Sie sollen der Freuden Fülle genießen dort oben, wenn sie das Gewächs des Weinstocks neu trinken werden in des Vaters Reich (Matth. 26,29.). Armer Heiliger! Hierauf stelle ab. Du bist ein König! Ich bitte dich dringend, lass dir das nicht aus dem Sinn kommen, sondern mitten unter deinen Heimsuchungen freue dich darüber. Wenn du durch die dunkle Höhle der Verleumdung gehen musst um Christi Namens willen; wenn du verhöhnt und geschmäht wirst, so freue dich dennoch in dem Gedanken: „Ich bin ein König, und mein wird sein die Herrschaft über alle Länder der Erde!“

Ich habe noch das Letzte beizufügen. Könige haben ein Reich. Wisst ihr auch, dass ich ein Mann des fünften Weltreichs bin? Zur Zeit Cromwells sagte Einer, es hätte vier Weltreiche gegeben, und wenn das fünfte käme, würde es jedes andere umstürzen. Ja wohl; freilich möchte ich nicht handeln, wie sie handelten, aber ich glaube mit ihnen, dass eine fünfte Monarchie kommen wird. Es hat vier große Weltreiche gegeben, welche sich die Herrschaft über alle Länder der Erde anmaßten; und es wird keine weltumfassende Herrschaft mehr geben, bis dass Christus kommt. Jesus, unser Herr, wird König über die ganze Erde sein, und alle Völker regieren mit herrlichem, geistlichen und persönlichem Regiment. Weil die Heiligen Könige in Christo Jesu sind, so haben sie ein Recht an die ganze Welt. Ich habe hier eine Versammlung um mich; da möchten Etliche sagen: „Bleibe auf deiner Kanzel und tue, was deines Amtes ist;“ auch habe ich den Rat vernommen: „Gehe nicht aus deiner Gemeine.“ Aber Rowland Hill pflegte zu sagen, er komme seiner Lebtage nie aus seiner Gemeine; seine Gemeine war England, Schottland und Wallis, und er kam nie aus diesem Bezirk. Ich denke, das ist auch meine Gemeine und die Gemeine jedes evangelischen Predigers. Wenn wir eine Stadt voller Sünde und Gottlosigkeit sehen, was sollen wir dazu sagen? Die gehört unser; wir wollen geben und sie erobern.

Wenn wir eine Straße in einem dichtbevölkerten Quartier sehen, wo die Leute böse und gottlos sind, sollten wir sagen: „Das ist unsre Straße, wir wollen gehen und sie besetzen.“ Wenn wir ein Haus sehen, wo man das Evangelium nicht will annehmen, müssen wir sagen: „Das ist unser Haus, wir wollen hingehen und es angreifen.“ Wir wollen nicht hingehen mit dem gestrengen Arm des Gesetzes; wir wollen nicht den Beistand der Polizei oder der Regierung in Anspruch nehmen, sondern uns wappnen mit „Waffen unserer Ritterschaft,“ welche sind nicht fleischlich, sondern geistlich, und mächtig vor Gott, zu verstören Befestigungen“ (2. Kor. 10,4.). Wir wollen gehen, und durch Gottes Geist werden wir obsiegen. Dort ist eine Stadt, wo sich die Kinder verwahrlost auf den Gassen herumtreiben; wir wollen gehen und diese Kinder nehmen - sie rauben für Christum. Wir wollen eine Sonntagsschule halten. Sinds zerlumpte Bettelbuben, die in keine Sonntagsschule kommen können, so fangen wir eine Lumpenschule an. Es ist eine Gegend auf Erden, deren Bewohner in Unwissenheit und Aberglauben versunken sind: wir schicken einen Missionar hin. Ach! wer die Missionssache nicht liebt, kennt die Würde der Heiligen nicht. Redet von Indien, redet von China; „sie sind mein,“ spricht der Heilige. Alle Reiche der Welt sind unser. „Afrika ist mein Waschtopf; Asia, jauchze mir zu (Ps. 60,8.). Sie sind mein! sie sind mein!“ „Wer will mich führen in eine feste Stadt? Tust du es nicht, o Herr?“ (Ps. 108,11.12.) Gott wird uns geben das Reich Christi. Die ganze Erde ist unser; und vor der Macht des h. Geistes wird Bel sich beugen, wird Nebo niederfallen (Jes. 46,1.); werden der Heiden Götter, Buddha und Brahma, stürzen, und alle Völker werden sich beugen vor dem Scepter Christi. „Er hat uns zu Königen gemacht.“

Das Zweite, was wir in aller Kürze zu betrachten haben, ist: „Er hat uns zu Königen und Priestern gemacht.“ Die Geheiligten des Herrn sind nicht nur Könige, sondern auch Priester.

Wir sind Priester, denn Priester sind göttlich erwählte Personen, und solche sind wir. „Niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern der berufen wird von Gott, gleich wie Aaron“ (Hebr. 5,4.).. Wir haben aber diese Berufung und Erwählung; wir waren Alle dazu berufen, von Grundlegung der Welt an. Wir wurden zuvor bestimmt zum Priestertum, und in der Zeiten Lauf empfingen wir die tatsächliche Berufung, welcher wir nicht widerstanden, und welche uns zuletzt so überwältigte, dass wir auf einmal Priester Gottes wurden. Wir sind Priester, göttlich dazu verordnet. Wenn wir sagen, wir seien Priester, so sagen wir das nicht in dem Sinne, wie jene, welche sich mit diesem Namen eine Auszeichnung anmaßen. Wer Gottes Wort verkündigt, ist nicht mehr, als der es hört und aufnimmt. Alle Heiligen sind Priester. Aber die Scheidung in Priester und Laien ist eine Falschheit. Ich freue mich über das biblische Priestertum; denn es ist die Würde und Ehre eines Volkes, wo Alle Priester sind; jede andere Priesterschaft aber ist mir ein Gräuel. Jeder Heilige Gottes ist ein Priester des Altars Gottes, und ist berufen, Gott anzubeten mit dem heiligen Weihrauch des Gebets und Lobpreisens. Wir sind Alle Priester, wenn wir berufen sind durch die göttliche Gnade; denn so sind wir Priester nach göttlicher Verordnung. Wir sind aber auch Priester, weil wir göttlicher Ehre teilhaftig sind. Nur ein Priester durfte durch den Vorhang ins Heilige gehen; auch war ein Priestervorhof am Tempel, in welchen Niemand kommen durfte, als die dazu Berufenen. Priester hatten gewisse Vorrechte, welche Andere nicht besaßen. Du Heiliger des Herrn Jesu! Du Himmelserbe! Du hast hohe und herrliche Vorrechte, von welchen die Welt nichts ahnt! Warest du auch schon im Allerheiligsten, in der Gemeinschaft deines Herrn Jesu? Bist du schon im Vorhof des Hauses Gottes gewesen, im Priestervorhof, wo er dich gelehrt und sich dir offenbart hat? Ich frage dich. Ja, du weißt, dass du das erfahren hast; du erfreuest dich eines steten offenen Zuganges zum Thron der Gnade; du hast ein Recht, zu kommen, und deinen Kummer und deine Sorgen Jehova ins Ohr zu klagen. Der arme Weltmensch darf nicht zu ihm kommen; das beklagenswerte Kind des Zorns hat keinen Gott, dem es sein Weh klagen könnte. Er darf nicht durch den Vorhang treten; er hat auch kein Verlangen, es zu tun; du aber darfst gehen; du darfst in Gottes geheime Kammer kommen, darfst das Rauchfass vor dem Throne schwingen und deine Bitte im Namen Jesu darbringen. Andere können sich solcher göttlichen Ehre nicht rühmen. Du wirst göttlich geehrt und göttlich gesegnet.

Noch Eines: wir haben einen heiligen Gottesdienst zu erfüllen; und weil ich heute für euch alle einen großen Altar bauen, weil ich euch heute zu dienenden Priestern, und diese Stätte zum Opfertempel haben möchte, so ermahne ich euch feierlich: habet Acht auf euren Gottesdienst. Ihr seid Alle Priester, weil ihr seinen teuren Namen lieb habt, und weil ihr ein großes Opfer darbringen sollt; nicht eine Versöhnung für eure Sünden, denn das hat der vollkommene Hohepriester getan einmal, da er sich selbst opferte (Hebr. 7,27.), sondern ein heiliges Dankopfer. O, wie lieblich tönts in Gottes Ohr, wenn die Seinen Dank sagen! Das ist das Opfer, welches ihm angenehm ist; und wenn ihre heiligen Loblieder aufwärts schallen gegen den Himmel, wie wohlgefällig ists ihm, wenn er es annimmt; denn alsdann kann er sagen: „Es opfern Dank die Schaaren meiner Priester.“ Und wisst ihr auch, Geliebte, dass gar Viele unter uns es in einem Stücke mangeln lassen bei ihren Opfern vor dem Herrn? Wir bringen ihm Dank und Lob dar; wie wenig aber opfern wir dem Herrn von unserem Gut! Ich wollte heute Morgen, als ich daran dachte, euch heute zu einer recht außergewöhnlichen Freigebigkeit zu reizen, folgende Worte zu meinem Texte wählen: „Ehre den Herrn von deinem Gut, und von den Erstlingen alles deines Einkommens, so werden deine Scheunen voll werden, und deine Keltern mit Most übergehen“ (Spr. 3,9.10.); und ich hatte im Sinne, zu zeigen, dass unser Gut des Herrn sei, und wir verpflichtet, ihm einen nicht unbedeutenden Teil desselben zu weihen, und dass, wenn wir also tun wollten, wir auch im Zeitlichen auf reichen Segen hoffen dürften, denn er würde unsre Scheunen voll machen und unsre Keltern übergehen. Ich halte es jedoch für überflüssig, eine Collekten-Predigt zu halten, und ich will euch lieber von eurer Würde und Ehre reden, und alsdann sollt ihr geben, was euch gefällt; denn das ist gerade der rechte und einzig gottgefällige freie Selbstwille: ein freiwilliges Opfer.

Erlaubet mir, Geliebte, ein paar Worte. Gott hat gesagt in seinem Wort: ihr sollt ihn mit eurem Gut ehren. Wollt ihr, als Priester des Herrn, heute dem Herrn nicht etwas opfern? Gott hat durch die Verkündigung seines teuren Worts schon viele Seelen zum Heil geführt, das Amt seiner Diener ist mit der Bekehrung ganzer Schaaren gesegnet worden. Aber wie Viele sind noch daheim und in fernen Weltteilen, die noch sitzen im Schatten des Todes und der Finsternis! O! tut es euren Herzen nicht weh, wenn ihr denkt, wie Vielen das teure Evangelium könnte verkündigt werden, wenn nur die Mittel dazu vorhanden wären; und nun muss es noch unterbleiben, weil es bis jetzt an Opferwilligkeit gefehlt hat. O, ihr Priester, opfert nun dem Herrn! Es sollen die Priester das Haus des Herrn bauen; es sollen die, welche anbeten im Heiligtum, heute die Kelle zur Hand nehmen, und Mörtel und Steine legen, auf dass das Haus des Herrn in dieser legten Zeit erfüllet werde mit der Herrlichkeit des Herrn und mit seinen Erlösten!

III.

Wir haben uns nun zuletzt noch zu beschäftigen mit der Welt Zukunft. „Wir werden herrschen auf Erden.“ Ihr werdet vielleicht denken, ich werde nun zu reden haben von dem tausendjährigen Reiche und von der persönlichen Regierung des Herrn Jesu. Aber von dem rede ich nicht; denn darüber weiß ich nichts. Ich habe schon Viele und Vielerlei davon reden hören; und wenn mir jemand eine Schrift über das tausendjährige Reich zeigen will, so sage ich: „Ich kann es jetzt nicht lesen.“ Ein lieber Mann hat jüngst ein Werk darüber geschrieben, und ein Freund empfahl es mir so dringend, dass ich es aus Höflichkeit kaufen musste; aber ich erhob es in die höheren Regionen meines Bücherschranks, und versetzte es dort in die hintern Reihen; dort hats nun gute Ruhe. Ich fühle mich nicht dazu berufen, noch befähigt, das Labyrinth dieses Gegenstandes zu betreten, und ich glaube auch nicht, dass der sehr ehrenwerte Verfasser es tun kann. Es ist ein so dunkler Gegenstand, und ich habe so viele einander widersprechende Ansichten darüber gehört, dass es für mich ein Rätsel bleibt. Ich glaube Alles, was das Wort Gottes von einer herrlichen Zukunft sagt, aber ich maße mir nicht an, eine Karte zu entwerfen, die für alle Zukunft gültig wäre. Nur das Eine fasse ich als eine unumstössliche Tatsache auf, dass die Heiligen einst herrschen werden auf Erden. Diese Wahrheit ist mir vollkommen klar, was für verschiedene Ansichten auch über das tausendjährige Reich im Schwange gehen mögen. Jetzt regieren die Heiligen nicht sichtbar; sie werden verachtet. Vor Zeiten wurden sie in die Klüfte und Höhlen der Erde vertrieben; aber es kommt die Zeit, wo Könige werden heilig sein und Fürsten die Berufenen Gottes genannt werden - wo Königinnen werden Nährmütter sein und Könige die Pfleger der Kirche Christi. Es kommt die Stunde, wo die Heiligen, statt verunehrt, sollen geachtet, wo Fürsten, einst Feinde der Wahrheit, sollen ihre Freunde werden. Die Heiligen werden herrschen. Sie werden in der Überzahl sein; das Reich Christi wird die Oberhand haben; es wird nicht darniederliegen - diese Erde wird nicht mehr Satans Reich sein - sie wird wieder jauchzen mit ihren Geschwistersternen und anstimmen den nimmer verstummenden Lobgesang.

O! ich glaube, es kommt der Tag, wo die Sonntagsglocken erschallen werden über die Ebenen Afrikas - wo die tiefen und dichten Dschungeln Indiens1) schauen werden, wie die Heiligen Gottes zu ihren Gotteshäusern wallen; und ich habe die zuversichtliche Überzeugung, dass die dichtgedrängten Schaaren Chinas sich versammeln werden in Bethäusern, und werden lobsingen dem ewigen, herrlichen Jehova:

„Preist Gott, dem alles Heil entquillt!“ O seliger Tag! seliger Tag! möchtest du doch bald kommen!

Und nun zum Schluss noch ein kurzes Wort. Ihr seid Könige und Priester unserm Gott. Wie viel sollten Könige nun heute geben zu einer Beisteuer? Sprechet also bei euch selbst: „Ich bin ein König; so will ich auch geben, wie sichs einem Könige gegen einen König geziemt.“ Also, wohlgemerkt, keine armseligen Gaben. Man erwartet nicht, dass Könige ihre Namen für eine unbedeutende Kleinigkeit hergeben. Und wiederum: ihr seid Priester. Wohlan, du Priester, hast du im Sinne zu opfern? „Ja.“ Du wirst aber doch nicht ein Lahmes oder Unvollkommenes opfern wollen, nicht wahr? Möchtest du nicht das Beste von deiner Heerde nehmen? „Ja, wohl.“ Nun so wähle das Allerbeste aus der Landesmünze und opfere, wenn du es vermagst, ein Schaf mit goldenem Vließ. Entschuldigt meine Zudringlichkeit; ich hoffe, dass ihr mirs nicht übel auslegt; es ist ja nicht meine Sache, sondern meines Herrn - schon oft habt ihr für andre edle Zwecke freigebig Gaben gespendet - ich fürchte nicht für euch, dass ihr zurückweicht, ihr werdet mit königlichem Sinn und priesterlicher Liebe tun, was euch euer Herz vollbringen heißt, um eures einigen Königs und Hohenpriesters willen! Amen.

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Dichte Sumpfgebiete, welche Schaaren wilder Tiere aller Art bergen
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