Spurgeon, Charles Haddon - Die Hauptsache der Weizen.

Spurgeon, Charles Haddon - Die Hauptsache der Weizen.

Als Hauptsache den Weizen“ (nach dem Englischen).
Jes. 28,25.

Der Prophet erwähnt es als eine weise Maßregel von Seiten des Ackermannes, dass er die Hauptsache zuerst säte und derselben auch seine Hauptaufmerksamkeit zuwandte. Der Sinn des Textes ist etwa dieser: „Der Landmann geht nicht in seine Scheune und nimmt Weizen und Kümmel und Spelt und Gerste und wirft es durcheinander hin, sondern er berechnet die Bedeutung eines jeden und richtet seine Saat demgemäß ein. Er ist nicht der Meinung, dass Wicken und Kümmel, welche er nur um des Wohlgeschmackes willen zieht, von so großer Bedeutung sind, wie sein Brotkorn. Ja, selbst die Gerste und den Spelt, obschon sie sehr wertvoll sind, hält er doch nicht gleichbedeutend mit dem Weizen, welchen er die Hauptsache nennt. Er ist ein Mann von Überlegung, er richtet die Sachen ein; der Hauptfrucht gibt er den Vorzug und wendet ihr die Beste Pflege zu.

Hievon lasst uns lernen. Beobachtet bei Allem die gehörige Ordnung und werft in eurem Gemüt nicht alles durcheinander in oberflächlicher Gedankenlosigkeit. Geht nicht ohne Vorsicht und Überlegung dahin, dass ihr alles mit einem Maßstab messet, sondern wisset den gehörigen Unterschied zwischen dem Wertvollen und dem Wertlosen zu machen.

Berechnet den Wert des Einen und des Anderen und dann haltet Regel und Ordnung - der Hauptsache den Vorzug und dann das Geringere. Ich möchte ganz besonders den jungen Leuten anraten, sich zu fragen beim Eintritt ins Leben: „Für was leben wir?“ Es gibt eine Hauptsache, wofür wir leben, was soll es sein? Habt ihr dieses wohl überlegt, oder geht ihr aufs Geradewohl dahin? Wofür lebt ihr? Was ist euer Hauptziel? Ist es das des alten Herrn im Horaz, welcher zu seinem Sohne sagte: „Sammle Geld; ehrlich, wenn du kannst, aber unter allen Umständen sammle Geld!“ Wollt ihr Geldwürmer werden? Soll Gold eine Hauptfrucht sein? Oder wollt ihr ein Leben der Vergnügungssucht - „ein kurzes, Lustiges Leben“ führen, wie so viele Toren zu ihrem Unglück gesagt haben? Soll euer Leben in Unmäßigkeit dahingehen? Wollt ihr als Hauptfrucht Disteln säen? Wie die Disteln schöne Blüthen treiben, wollt ihr ein Leben des vergnügten Lasters führen? Und wollt ihr euch darauf betten, wenn ihr zum Sterben kommt? Suchet und sehet, was die Hauptsache vom Leben sei, wenn ihr es gefunden habt, dann bittet den Heiligen Geist, dass er euch helfe, das Eine zu erwählen, und weihet alle eure Kräfte und Fähigkeiten der Pflege desselben. Der Landmann, welcher einsieht, dass Weizen seine Hauptfrucht sein muss, macht es so; und mit diesem Gedanken geht er an die Arbeit. Lernt von ihm, einen Hauptpunkt im Augenmerk zu haben, und dann widmet demselben eure ganze Aufmerksamkeit.

Der Ackermann war klug, denn er hielt Dasjenige, das er am nötigsten hatte, für die Hauptsache. Seine Familie konnte ohne Wicken fortkommen; seine Hausfrau oder die Köchin mochte vielleicht darnach fragen, aber das war von viel weniger Bedeutung, als wenn seine Kinder nach Brot schrien. Weizen mussten sie haben, denn Brot ist die Stütze des Lebens. Deshalb muss er Weizen bauen, und wenn sonst nichts gesät wird. Das Eine, welches not war, hielt er für die Hauptsache. Ist nicht dies gesunder Verstand? Wenn wir weise wären und überlegen würden, dann sagten wir: „Vergebung der Sünden, Frieden mit Gott zu haben, heilig und für den Himmel vorbereitet zu sein, das ist das Größte, das Nöthigste für mich, und darum will ich es zur Hauptsache meines Lebens machen.“ Ein Geschöpf kann nicht zufrieden sein, es sei denn, es entspricht dem Zwecke, zu welchem es geschaffen wurde, und die Bestimmung eines jeden vernünftigen Wesens ist, Gott zu verherrlichen, und dann sich Gottes zu freuen. Welch ein Glück muss es sein, sich auf ewig in Gott zu freuen. Andere Dinge mögen wünschenswert sein, aber dieses Eine ist notwendig. Ein hinreichendes Einkommen, Ansehen vor den Leuten, gute Gesundheit - diese Dinge machen das Leben angenehm, aber in Christo gerecht zu sein, das ist in sich selbst das ewige Leben. Jesus Christus ist das Brot, welches unseren Seelen Leben gibt. Ach, dass wir Alle weise wären, zu empfinden, dass eins zu sein mit Christo, das Eine ist, das not tut; dass Frieden zu haben mit Gott, Hauptsache, dass die Gottähnlichkeit das Glück unseres Lebens ist. Andere Pflanzen mögen seiner Zeit an die Reihe kommen, aber der Weizen ist die Hauptfrucht, deshalb müssen wir ihn bauen.

Der Landmann in unserem Text war weise, weil er die Hauptsache zu erst vornahm. Freilich Gerste ist auch nützlich als Nahrung, und ganze Völker haben sie als Brot genossen; auch Spelt hat schon vielen Leuten als Speise gedient - Hafer und andere Früchte auch. Aber ein Stück gutes Weizenbrod ist doch immer das Beste von allem. Dieser Mann nun wusste, dass Weizen die Hauptsache war, deshalb säte er nicht die geringere Frucht, welche im Nothfalle als Ersatzmittel dienen mochte, an den Hauptplatz. Der Weizen hatte den Vorzug.

Und was gibt es, meine Brüder, das so für das Herz, den Verstand und die Seele des Menschen passt, als Gott und Jesum Christum erkennen? Andere geistige Nahrung, als die Früchte der Wissenschaft, die Delikatessen der Kunst - ausgezeichnet wie sie an ihrem Platze sind - können doch nur als untergeordnete Nahrung betrachtet werden, weil sie den inwendigen Menschen nicht aufbauen. In Gott und meinem Heilande finde ich meinen Himmel und mein Alles. Meine Seele setzt sich hin zu der Wahrheit in Christo und findet großes Genüge und Freudigkeit im Genuss derselben. Je mehr wir Gott erkennen und uns in ihm freuen und ihm ähnlich werden, und je mehr uns Christus zur täglichen Nahrung wird, je mehr empfinden wir, wie alles dies unseren erneuerten Sinn emporhebt. O meine Lieben, lasst das, was einem unsterblichen Geiste am meisten zusagt, die Hauptsache eures Lebens sein.

Aber dieser Landmann war auch deshalb weise, weil er das zur Hauptsache machte, welch es am vorteilhaftesten war. Unter gewissen Umständen ist in unserem Lande der Weizen nicht immer die vorteilhafteste Frucht. Im Allgemeinen jedoch ist es die Hauptfrucht, welche die Erde hervorbringt, und darum redet der Text von derselben als der Hauptsache. Unsere Vorfahren verließen sich auf die Weizenernte, um von derselben ihre Miete zu entrichten. Sie sahen auf ihr Getreide als auf die Kraft ihres Arms, und ob es auch heute nicht gerade so ist, so war es doch so und mag auch einmal wieder so werden. Jedenfalls findet das Bild seine Anwendung mit Bezug auf das wahre Christentum. Das ist die vorteilhafteste Sache. Man sagt mir, dass es den Kapitalisten schwer fällt, ihr Vermögen heutzutage in Etwas anzulegen, das mehr als fünf Prozent abwirft. Aber diese gesegnete Frucht des Herrn ist eine außerordentlich vorteilhafte Anlage, denn sie bezahlt nicht hundert-, ja tausendfach, sondern der Mensch fängt dabei an mit nichts, und durch den Glauben werden alle Dinge sein eigen. Von der Sünde befreit, werden wir durch die Fülle der göttlichen Gnade so reich, dass wir den Himmel, ja Jesum und Gott selbst zu unserem Besitz zählen können. Alle Dinge sind unser. O, welch eine herrliche Frucht ist das! Und welch eine köstliche Ernte wird sie bringen! Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze, beides in diesem und in jenem Leben. Gottseligkeit ist ein Segen für den Leib des Menschen; sie bewahrt ihn vor Trunksucht und Laster, und sie ist ein Segen für seine Seele; denn sie macht ihn heilig und rein. Sie ist ein Segen in jeder Beziehung. Wenn ich sterben müsste wie ein Hund, so wollte ich doch leben wie ein Christ. Wenn mit diesem Leben alles aus wäre, so würde ich doch um des Trostes und der Freude willen das Leben des Christentums vorziehen. Es ist eine gründliche Wahrheit in dem, was der Dichter von der wahren Religion sagt:

„Sie fördert dieses Erbenleben,
Sie schützt vor manchem Weh und Leid,
Des Segens Fülle noch daneben
Beut sie in dieser Prüfungszeit;
Und wer sie hält in Pein und Noth.
Den tröstet sie selbst auch im Tod.“

Nur muss diese Religion nicht von der alltäglichen Sorte sein, sie muss als Wurzel den lebendigen Glauben in Christo haben. Seht doch zu. Unsere Religion muss uns entweder Alles oder nichts, erstes oder nirgends sein. Macht es euch zur Hauptsache, den Weizen, und es wird euch reichlich lohnen.

2. Der Ackermann kann uns zum andern als Lehrer dienen, weil er der Hauptsache den Hauptplatz einräumt. Ich finde, dass es im hebräischen von gelehrten Männern erklärt wird: „Ihr sät den Weizen an den Hauptplatz.“ Die Handvoll Wicken für die Hausfrau, womit sie den Kuchen würzt, sät er in eine Ecke, und die andern Pflanzen finden ihren Standort irgendwo am Rande. Die Gerste und der Spelt haben auch ihren Platz; aber der gute Grund, der Beste auf der Farm, wird für die Hauptfrucht - den Weizen - bestimmt. Das ausgewählteste Feld wird gesucht, um die Früchte zu tragen, von welchen das Leben der Familie abhängt.

Das ist eine Lehre für euch und für mich. Lasst uns der wahren Gottseligkeit unsere besten Kräfte und Fähigkeiten widmen, der Sache Gottes unsere heiligsten Betrachtungen. Ich bitte euch, lasst euch die Religion nicht Nebensache sein. Leset, merket, lernet und innerlich verdaut das Wort Gottes. Der denkende Christ ist der wachsende Christ. Bedenkt, dass der Dienst Gottes unsere Hauptsache und erstes Bestreben sein sollte. Wir sind arm und gering im besten Falle; aber wir sollten dem Herrn nichts weniger als unser Bestes geben. Gott will nicht, dass wir ihm gedankenlos dienen, sondern dass wir alle unsere Verstandeskräfte daran setzen, sein Wort recht zu verstehen und zu halten. Denkt darüber nach. Gib dich dem Herrn ganz bin. Wenn deine Gedanken zu irgend einer Zeit klarer und frischer sind, als zu einer andern, dann lass dies die Zeit sein, in welcher du die Hauptsache, den Weizen, säest.

Sieh ebenfalls zu, dass du dieser Sache deine herzlichste Liebe widmest. Das Beste Feld in dem kleinen Besitz eines Menschen ist nicht der Kopf, sondern das Herz. Dahin säe den Weizen. O, das wahre Leben aus Gott im Herzen zu haben und fest zu halten, das ist die Hauptsache. Der Herr spricht: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz.“ Der Herr will mit nichts weniger zufrieden sein. O, wenn dein Eifer am glühendsten, deine Liebe am brünstigsten ist, dann lass alle diese Gluth und Inbrunst dem Dienste deines Heilandes, der dich erlöst hat mit seinem Blut, zu Gute kommen. Zu Gott und Christus soll ebenfalls auch dein sehnlichstes Verlangen gerichtet sein. Dein Hunger und Durst sei nach ihm und seiner Gerechtigkeit. Alle eure Wünsche seien auf Heiligung und diejenigen Dinge, welche euch Christo ähnlicher machen, gerichtet.

Dann habe den Herrn in deinem täglichen Leben beständig vor Augen. In jeder Handlung lass es kund werden, dass du ihm angehörst. Wenn wir wahre Christen sind, so müssen wir es ebenso wohl außerhalb der Kirche sein als in derselben. Wir essen oder trinken, oder was wir tun, es geschehe alles zu Gottes Ehre. Ziehe keine Scheidelinie zwischen deinen geschäftlichen und religiösen Handlungen, sondern lass das Geschäftliche durch das ernste Verlangen, Gottes zu verherrlichen, eben so religiös werden als das andere. Lasset uns Gott in den gewöhnlichsten Dingen des Lebens dienen, wie ihm am ewigen Throne gedient wird. So sollte es ein. Lasset uns den guten Weizen säen in unseren Gesprächen, in Geschäften, in der Familie, unter unseren Freunden und bei unseren Kindern. Möchten wir alle fühlen: „Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.“ Lasset euer ganzes Wesen Christum zuneigen und angehören.

Dieser Hauptsache sollten wir auch unsere ungeteilte Tätigkeit widmen. Wir sollten uns für die Ausbreitung des Evangeliums opfern. Ein Christ sollte sich dem Dienste Gottes ganz weihen. Ich hasse es, einen Christen in der Politik so eifrig und in der Andacht so lau zu sehen; in heller Flamme bei einer Auktion und winterkalt in der Betstunde. Manche fliegen wie die Adler im Dienste der Welt, aber im Dienste Gottes sind sie flügellahm. So sollte es nicht sein. Wenn uns irgend etwas aufwecken und den Löwen in uns zum Brüllen veranlassen kann, so sollte es sein, wenn wir den Feinden des Kreuzes gegenüber stehen oder kämpfen im Dienste des Herrn. Der Dienst Gottes ist die Hauptsache, lasst uns vereinigt mit ihm kämpfen.

Dieses sollte uns auch bewegen, der Hauptsache unsere größten Opfer zu bringen. Die Liebe Christi sollte so stark in uns sein, dass sie das „Ich“ verzehre und Selbstverleugnung unsere tägliche Freude werde. Um des Namens Christi willen sollten wir bereit sein, Armut, Widerspruch, Verleumdung, Verbannung und den Tod zu leiden. Nichts sollte dem Christen seinem Heilande gegenüber zu teuer sein. Nun will ich euch auf die Probe stellen, ob es so ist oder nicht. Ist die Liebe zu Jesu die Hauptsache, der Weizen, in euch? Räumen wir der Religion den ersten Platz ein oder nicht? Ich befürchte, Manche behandeln die Religion, wie ein Gutsbesitzer ein entferntes Landgut behandelt. Er setzt einen Verwalter darauf und sieht nur hie und da einmal nach. Der Prediger ist der Verwalter, und von ihm erwarten sie, dass er Alles für sie besorgt. Diese Güter bringen nichts ein. Betrachtet diese halbherzigen Brüder. Sie besitzen Religion. Freilich. Aber sie gleichen jenem Manne, von welchem ein Kind in der Sonntagschule das folgende Zeugnis gab: „Ist dein Vater ein Christ?“ fragte der Lehrer einen Schüler. „Ja,“ war die Antwort, „aber er hat in der letzten Zeit nicht viel dran getan.“ Ich könnte derselben Einige bezeichnen, welche ihren Weizen sehr sparsam säen und dazu noch an den magersten Platz, den sie finden können. Sie bekennen, Christen zu sein, aber das Christentum ist ein mageres Korn auf ihrem Acker. Manche haben ein großes Feld für die Welt, aber nur ein kleines Eckchen für Christum. Sie ziehen weltliche Vergnügungen und selbstsüchtige Freuden, aber das wenige Christentum steht verkümmert am Wege - um des Scheins willen. So darfs nicht bleiben. Gott lässt sich nicht spotten. Wenn wir ihn und seine Wahrheit verwerfen, so werden wir auch verworfen. Darum kommt, lasst uns unsere Beste Zeit, unser Talent, Denken und Bemühen dem widmen, was die Hauptsache für uns sterbliche Geister ist. Möchten wir dem Landmann ähnlich sein, der dem Weizen den Hauptplatz auf seinem Gute ein: räumt.

3. Aber lasst uns eine dritte Lehre merken. Der Ackermann wählt auch den besten Samen, wenn er seinen Weizen sät. Wenn der Bauer seinen Saatweizen zurecht macht, so wählt er nicht den leichten, kernlosen Weizen, sondern den besten Samen, den er nur bekommen kann. Manche Farmer durchforschen das ganze Land, um ausgezeichneten Saatweizen zu finden. Davon lasst uns lernen, dass wir das allerreinste Christentum aussäen sollen.

Das geschieht zunächst, indem wir die reine Lehre des Wortes glauben. Ich glaube nicht an diese oder jene Ansicht, sondern an die reine, unverfälschte Wahrheit, wie Jesus sie lehrte, denn ein heiliger Charakter entwickelt sich nur durch den Heiligen Geist, aus der reinen Lehre. Irrtum erzeugt Sünde, aber die Wahrheit erzeugt und fördert Heiligkeit. Deshalb sollten wir unsern Samen vorsichtig sortieren und jeden Irrtum ausscheiden. Wenn wir weise sind, so werden wir den Hauptwahrheiten unsere größte Aufmerksamkeit schenken; denn ich habe Leute kennen lernen, welche den unbedeutendsten Dingen die größte Wichtigkeit beilegten. Sie stritten sich über die Spreu und ließen die Krähen den Weizen fressen. Was mich angeht, so mag über Gefäße und Instrumente disputieren, wer da will; ich werde mich hauptsächlich damit beschäftigen, die Lehre von dem köstlichen Blute und die herrlichen Wahrheiten von der Stellvertretung und Versöhnung zu predigen. Diese Lehren sind die Hauptsache, der Weizen, und an diese werde ich mich halten.

Zum andern sollten wir die reinsten Vorbilder säen. Manche sind verkrüppelt, weil sie sich im Anfang ein verkehrtes Muster wählten. Sie folgen dem lieben alten So und So, bis sie ihm in allen Dingen merkwürdig ähnlich werden mit Ausnahme des Guten, was er an sich hat. Ein Prediger ist z. E. von tiefernster Gemütsart und predigt demgemäß über die tiefen Erfahrungen der Kinder Gottes, und in Folge dessen halten es manche seiner Zuhörer für ihre Pflicht, auch melancholisch zu werden. Warum aber müssen sie in den Graben fallen, weil ihr Führer hineinfiel? Wir sollten niemals die Schwachheiten eines Menschen nachahmen. Wir brauchen keine wehen Augen zu haben, um Paulus nachzufolgen, noch zu zweifeln, um zu werden wie Thomas. Wenn ihr euch einen guten Mann zum Vorbilde wählt, so gibt es einen Punkt, wo die Nachfolge aufhört. Wenn ihr ein menschliches Muster braucht, so wählt euch den reinsten der heiligen Männer Gottes; aber wie viel besser wäre es doch, dem reinen Vorbilde nachzuahmen, welches ihr in Christus Jesus habt.

Auch sollten wir den besten Weizen eines reinen Gemüts säen. O, wie schnell wird unser Gemüt befleckt durch Hochmut, Selbstsucht, Verzagtheit, Nachlässigkeit oder sonstige üble Neigungen. Aber welch ein großes Ding ist es, im Geiste Jesu Christi zu leben! Ach, möchten wir demütig, gering, mutig, selbstverleugnend, rein, keusch und heilig sein.

Und nun erwähne ich noch einen Punkt. Wir sollten uns bestreben, beständig im innigsten Umgang mit Gott zu leben. Vorhin betete ein Bruder, dass Gott uns so viel Gnade geben möchte, als wir fassen könnten, und uns in einen solchen Stand bringen, dass wir ihn in nichts hindern möchten, was er durch uns auszuführen beabsichtigte. Das ist ein gutes Gebet. Es sollte unser Streben sein, uns auf die höchsten Höhen des geistlichen Lebens zu schwingen. O ihr jungen Leute, wenn ihr ein frommes Leben führen wollt, so lasst es euch ernst sein. Schleicht nicht durch die Welt, als ob ihr euch eures Heilandes schämtet. Wenn ihr Christum angehört, so zeigt eure Farbe. Schart euch um sein Banner, sammelt euch beim Schall der Posaune und dann stehet fest, stehet fest für Jesum. Wenn Männlichkeit in euch ist, so zeigt sie in diesem guten Werke. Möge der Geist Gottes euch helfen!

4. Der Ackermann baut die Hauptsache, den Weizen, mit der größten Pflege. Manche Ausleger sagen, nach der richtigen Übersetzung sollte es heißen, dass der Ackermann den Weizen in Reihen pflanze. Es wird gesagt, dass die großen Ernten in alter Zeit in Palästina daher kamen, dass die Leute den Weizen pflanzten. Er wurde in Reihen gepflanzt, so dass er an keinem Platz zu dick oder zu dünn stand und durch Unregelmäßigkeit Schaden litt. Der Weizen wurde gepflanzt, und das Wasser umfloss dann die Wurzel einer jeden Pflanze. Kein Wunder deshalb, dass das Land so reichlich trug.

Wir sollten die Hauptsache aufs Beste pflegen. Unsere Gottseligkeit sollte mit Überlegung und Vorsicht gepflegt werden. Brüder, sind wir vorsichtig genug in unserem geistlichen Wandel? Warum seid ihr Glieder einer besonderen Kirche? Weil es eure Mutter war? Nun, das ist eine gute aber keine genügende Ursache. Ich bitte euch, untersucht euren Stand! Wenn ein christlicher Prediger sich fürchtet, euch darauf aufmerksam zu machen, so habe ich meine Zweifel mit Bezug auf Pflichttreue. Ich bitte euch, prüfet Alles, was ich sage, denn ich möchte nicht für das Glaubensbekenntnis eines Andern verantwortlich sein. Wie die Leute zu Beröa, sucht in der Schrift, ob sichs auch also verhält. Eine der größten Segnungen, welche der Kirche widerfahren könnte, wäre ein Geist der Schriftforschung, welcher Alles auf Gottes Wort bezöge. Wenn jemand nicht nach diesem Worte redet, so ist kein Licht in ihm. Betreibt euren Gottesdienst so ordnungsgemäß, wie der morgenländische Bauer seinen Weizen pflanzte. Ihr dient einem Herrn, der es genau nimmt, darum nehmt ihr es auch genau. Er ist ein eifriger Gott, darum bewacht mit Eifersucht die Reinheit der Lehre.

Seht auch zu, dass ihr jeden Teil eures Gottesdienstes begießet, wie der Landmann seine Pflanzen begoss. Betet um Gnade, dass ihr niemals trocken und dürre werdet. Tut zu eurem Glauben, eurer Hoffnung, eurer Liebe und allen euren Seelenpflanzen Alles das, was der Landmann zu seinen Pflanzen tut. Pfleget die Gnade Gottes, denn sie ist es wert.

5. Schließlich: Tut alles dieses, weil ihr hiervon eure Haupternte erwartet. Wenn das Christentum die Hauptsache ist, so muss vom Christentum eure Hauptbelohnung kommen. Die Ernte kommt euch auf verschiedene Weise. Ihr werdet in dieser Welt den größten Erfolg haben, wenn ihr ganz zu Gottes Ehre lebt. Erfolg oder Fehlschlag hängt viel von dem Gegenstande und Ziele unseres Strebens ab. Es nützten mich die Singübungen nichts, denn ich werde doch niemals einen Chor zu leiten im Stande sein. Darin hätte ich keinen Erfolg, aber im Predigen mag ich Erfolg haben, denn das ist mein Amt. Und wenn du, mein lieber Mitchrist, der Welt leben willst, so wirst du keinen Erfolg haben, denn das ist nicht deine Bestimmung. Die Gnade hat dich „zum Sündigen verdorben.“ Wenn du aber von ganzem Herzen Gott dienst, so wirst du darin erfolgreich sein, denn dazu hat dich Gott bestimmt. Wie er den Vogel für die Luft und den Fisch für das Wasser geschaffen hat, so ist der Gläubige zur Heiligung und zum Dienste Gottes verordnet; und du bist ein Fisch außerhalb des Wassers, ein Vogel im Strom, wenn du den Dienst Gottes versäumst. Die Gottseligkeit muss dir deine Freuden bringen. Und ist denn ein Segen der Freude gleich, dass du das Bewusstsein hast, ein Kind Gottes, ein Miterbe Jesu Christi zu sein? Deine Religion bringt dir Trost auf dem Kranken- und Sterbebette, und - dort magst du dich sehr bald befinden.

Und in jener Welt - welche Früchte, welche Ernte wird der Dienst des Herrn dort bringen! Aber was wird alles Andere bringen? Leeren Dunst. Ein Mann hat eine Million Dollars gesammelt, nun ist er tot. Was nützt ihm sein Reichtum jetzt? Der Ruhm eines großen Kriegshelden schaut durch die Lande, aber nun ist er tot. Was bringt ihm diese Ehre ein? Der Welt zu leben, ist wie das Spielen mit Kindern um blinkende Knöpfe. Das Leben in Gott allein ist wirklich und erfolgreich, alles Andere ist leer und öde. Lasset uns das bedenken und unsere Lenden umgürten und dem Herrn leben. Möge der Geist Gottes uns helfen, die Hauptsache, den Weizen, zu säen, und in der Hoffnung auf die einstige herrliche Ernte, ihm treu zu leben. Er hat verheißen: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“

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