Spurgeon, Charles Haddon - Hesekiel (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Hesekiel (Andachten)

Hes. 3,7

„Das ganze Haus Israel hat harte Stirnen und verstockte Herzen.“

Gibts keine Ausnahme? Nein, keine. Sogar das geliebte Volk wird so bezeichnet. Sind schon die Besten so arg, wie muss es erst mit den Bösen stehen! Komm, mein Herz, betrachte, wie weit du Teil hast an dieser allgemeinen Anklage, und während du darüber nachdenkst, sei bereit, dich vor dir selbst zu schämen ob deinem Anteil an der Schuld. Die erste Anklage betrifft Schamlosigkeit, Härtigkeit der Stirne, Mangel an heiliger Scham, heillose Frechheit zum Bösen. Vor meiner Bekehrung konnte ich Sünden begeben und keine Unruhe darob empfinden, von meiner Verschuldung reden hören und mich doch nicht dadurch demütigen lassen, ja sogar meine Missetat eingestehen, und keine innere Zerknirschung deshalb fühlen. Wenn Einer in Sünden dahinlebt, und ins Haus Gottes geht, und vorgibt, er bete zu Gott, und Ihm Lieder singt, so setzt das eine eherne Stirn der schlimmsten Art voraus. Ach, und seit dem Tage meiner Wiedergeburt habe ich meinem Herrn ins Angesicht gezweifelt, ohne Erröthen in Seiner Gegenwart gemurrt, angebetet vor Ihm mit kaltem Herzen, und Sünden begangen, ohne deshalb traurig über mich zu werden. Wäre meine Stirne nicht wie ein Diamant, härter als Kieselstein, so sollte ich viel mehr heilige Furcht und viel tiefere Geisteszerknirschung empfinden. Wehe mir, ich gehöre zu dem schamlosen Hause Israel.

Der zweite Vorwurf ist Herzensverstocktheit, und ich wage nicht, mich hierin für unschuldig zu halten. Einst hatte ich nur ein steinernes Herz, und obgleich ich aus Gnaden ein neues, fleischernes Herz empfangen habe, so bleibt doch noch viel Verstockung in mir. Der Tod Jesu geht mir nicht so zu Herzen, wie er sollte; das Verderben meiner Nebenmenschen, die herrschende Bosheit, die Heimsuchungen des himmlischen Vater, mein eigenes Elend bewegt mich nicht, wie es recht wäre. Ach, dass doch mein Herz ob den Leiden und dem Tod meines Heilandes gerührt würde! Wollte Gott, ich wäre diesen harten Fels in mir, diesen elenden Leib des Todes los. Gelobt sei der Name des Herrn, die Krankheit ist nicht unheilbar; des Heilandes teures Blut ist die wahre Arznei, und mich, ja eben mich wird es erweichen, bis mein Herz zerschmilzt wie Wachs vor dem Feuer. (Goldstrahlen April 28)

Hes. 11,16

Darum sprichst du: So spricht der Herr Herr: Ja, ich habe sie ferne weg unter die Heiden lassen treiben, und in die Länder zerstreut; doch will ich ihnen wie ein Heiligtum sein in den Ländern, dahin sie gekommen sind.

Verbannt von den öffentlichen Gnadenmitteln, sind wir nicht abgeschnitten von den Gnadenmitteln. Der Herr, der die Seinen dahin stellt, wo sie sich wie Verbannte fühlen, will selber mit ihnen sein und ihnen alles sein, was sie daheim an der Stätte ihrer feierlichen Versammlungen gehabt haben könnten. Nehmt dies zu Herzen, o ihr, die ihr zum Wandern berufen seid!

Gott ist für sein Volk eine Stätte der Zuflucht. Sie finden bei Ihm eine Freistätte vor jedem Widersacher. Er ist auch ihre Stätte der Andacht. Er ist mit ihnen wie mit Jakob, als er auf dem offenen Felde schlief und beim Aufstehen sagte: „Gewisslich ist der Herr an diesem Ort.“ Auch eine Stätte der Stille will Er ihnen sein, wie das Allerheiligste, das die geräuschlose Wohnung des Heiligen war. Sie sollen ruhig sein und ohne Furcht vor Übel.

Gott selbst in Christo Jesu ist die Stätte der Barmherzigkeit. Die Bundeslade ist der Herr Jesus, und Aarons Rute, und die Gelte mit dem Manna und die Gesetzestafeln, alles ist in Christo, unsrem Heiligtum. Zu Gott finden wir den Schrein der Heiligkeit und der Gemeinschaft. Was haben wir mehr nötig? O Herr, erfülle diese Verheißung und sei uns stets wie ein Heiligtum!

Hes. 15,2

„Du Menschenkind, was ist das Holz vom Weinstock vor anderem Holz? Oder eine Rebe vor anderem Holz im Walde?“

Diese Worte dienen den Kindern Gottes zur Demütigung; sie werden Gottes Weinstock genannt, aber was sind sie von Natur mehr als andre? Durch Gottes Güte sind sie fruchtbar geworden; denn Er hat sie in einen guten Boden gepflanzt; der Herr hat sie an der Mauer des Heiligtums erzogen, und sie bringen Frucht zu seiner Ehre; was wären sie aber ohne ihren Gott? Was wären sie ohne den beständigen Einfluss des Heiligen Geistes, der ihnen Fruchtbarkeit verleiht? O gläubiger Mensch, lerne hier allen Stolz ablegen, denn du musst erkennen, dass du keinen Grund dazu hast. Wer du auch seiest, du hast nichts, worauf du pochen magst. Je mehr du hast, desto mehr bist du in Gottes Schuld; und du solltest nicht stolz sein auf das, was dich zu einem Schuldner macht. Schaue zurück auf deine Herkunft; betrachte, was du gewesen bist. Überlege, was du ohne die göttliche Gnade jetzt wärest. Und bedenke, was du noch jetzt bist. Schlägt dich dein Gewissen nicht? Steht dir dein tausendfältiges Abirren nicht vor der Seele und hält dir vor, dass du nicht wert bist, sein Sohn zu heißen? Und wenn Er dich doch zu etwas gemacht hat, zeigt dir das nicht, dass dich die Gnade umgewandelt hat? Du von großem Glauben, du wärst jetzt ein großer Sünder, wenn dich Gott nicht bekehrt hätte. Der du für die Wahrheit eiferst, du hättest ebenso für den Irrtum geeifert, wenn dich die Gnade nicht erfasst hätte. Darum sei nicht stolz, ob du gleich ein großes Gut, ein weites Reich der Gnade besitzest; du könntest auch nicht das allergeringste dein eigen nennen, außer deiner Sünde und deinem Elend.

O, welch seltsame Betörung, dass du, dem alles geschenkt ist, dich meinst erheben zu dürfen; ein armer Bettler, der von der Güte seines Heilandes lebt, einer, dessen Leben erlischt, wenn er nicht neue Lebensströme aus Jesu empfängt - und dennoch stolz! O du törichtes Herz!

„Ihr Reben, seid ihr festgebunden
An Ihm? Senkt ihr euch tiefer ein?
Begrabt ihr euch in seine Wunden?
Könnt ihr in Ihm ganz selig sein?
Bleibt fest an Ihm durch Lieb‘ und Glauben!
Lasst niemand euch das Kleinod rauben!“

Hes. 16,6

„Ich aber ging vor dir über und sprach zu dir: Du sollst leben.“

Erretteter, betrachte mit tiefgefühltem Dank diesen Ruf der Gnade. Sieh, dieses „Werde“ Gottes ist voller Majestät. In unserer Schriftstelle haben wir einen Sünder vor Augen, an dem nichts als Sünde und nur Sünde ist, und der nichts zu erwarten hat als Gottes Zorn; aber der Herr der Ewigkeit geht in Seiner Herrlichkeit vorüber; Er schaut, Er hält stille, und Er spricht das einzige, aber königliche Wort: „Lebe.“ Hier spricht ein Gott. Wer sonst als Er dürfte es wagen, mit dem Leben so zu walten und es in einer Sylbe mitzuteilen? Dies „Werde“ ist aber auch mannigfaltig. Wenn Er spricht: „Du sollst leben,“ so begreift dies vielerlei in sich. Hier ist ein gerechtfertigtes Leben. Der Sünder hat sich auf die Verdammnis gefasst gemacht, aber der Mächtige spricht: „Lebe,“ und er erhebt sich rein und frei von aller Schuld. Es ist ein geistliches Leben. Wir kannten Jesum nicht, unsere Augen konnten Christum nicht erblicken, unsere Ohren konnten Seine Stimme nicht hören, da sprach Jehovah: „Lebe,“ und wir, die wir tot waren in Übertretung und Sünden, wurden lebendig gemacht. Überdies schließt es ein Leben der Herrlichkeit in sich, welches die Vollendung des geistlichen Lebens ist. „Ich sprach zu dir: Du sollst leben;“ und dies Wort tönt fort durch die Jahre und Lebensalter, bis der Tod kommt und selbst noch mitten unter den Todesschatten ertönt des Herrn Stimme: „Du sollst leben!“ Am Auferstehungsmorgen ists dieselbe Stimme wieder, die der Erzengel erschallen lässt: „Du sollst leben,“ und wenn selige Geister gen Himmel aufsteigen, um in der Herrlichkeit ihres Gottes ewige Wonne zu genießen, so geschieht dies wiederum in Kraft des Wortes: „Du sollst leben.“ Sieh, es ist auch ein unwiderstehliches Gebot. Saulus von Tarsen ist unterwegs nach Damaskus, um die Heiligen des lebendigen Gottes zu greifen. Eine Stimme ertönt vom Himmel, und ein Licht erscheint, heller als der Glanz der Sonne, und Saulus ruft aus: „Herr, was willst Du, dass ich tun soll?“ Dies Gebot ist endlich ein Gebot der freien Gnade. Wenn Sünder selig werden, so geschiehts einzig und allein, weil Gott es haben will, um damit Seine freie, unbegehrte, unverdiente Gnade zu verherrlichen. (Goldstrahlen Juli 7)

Hes. 16,10

„Ich kleidete dich mit gestickten Kleidern und zog dir semische Schuhe an, ich gab dir feine leinene Kleider und seidene Schuhe.“

Sieh, mit welch unvergleichlicher Großherzigkeit der Herr für seines Volkes Schmuck sorgt. Seine Kinder sind so gekleidet, dass die göttliche Sorgfalt für unvergleichlich „schön gestickte Gewänder“ gesorgt hat, in welche alle herrlichen Eigenschaften sich vereinigen und alle göttliche Schönheit sich offenbart.

Keine Kunst erreicht das Kunstwerk unserer Erlösung; wie die Gerechtigkeit der Heiligen gibt es keine gewirkte Arbeit mehr von gleicher Vortrefflichkeit. Die Rechtfertigung durch den Glauben hat zu allen Zeiten in der Gemeinde Gottes begeisterte Federn in Bewegung gesetzt und wird in alle Ewigkeit ein Gegenstand der Bewunderung sein. Der Herr hat sie wahrlich „wunderbarlich gemacht.“ Zu all dieser köstlichen Arbeit kommt die Nützlichkeit und Dauerhaftigkeit, dass wir gleichsam wie mit semischen Schuhen angetan sind. Das zu semischen Schuhen verwendete Leder war äußerst fein und stark, aus demselben war auch eine der äußeren Decken der Stiftshütte verfertigt. Die Gerechtigkeit, die aus Gott kommt durch den Glauben, hat eine ewige Dauer, und wer mit diesem göttlichen Schuhwerk angetan ist, darf die Wüste ohne Sorgen betreten und darf seinen Fuß selbst auf Löwen und Ottern setzen. Reinheit und Heiligkeit unsres Kleides sind dargestellt durch „feine leinene Kleider.“ Wenn der Herr sein Volk heiligt, werden sie gleich Priestern in reines Weiß gekleidet; selbst der Schnee übertrifft sie an Reinheit nicht; sie sind in den Augen der Menschen und der Engel herrlich anzuschauen, und selbst in den Augen des Herrn sind sie makellos rein. Zugleich ist dies köstliche Kleid reich und kostbar wie „Seide.“ Keine Kosten sind dafür gescheut, keine Schönheit des Schmuckes vergessen, kein zierliches Geschmeide gespart.

Wie nun, lässt sich nichts hieraus schließen? Gewiss fordert solche Gnade und Güte zur Dankbarkeit auf und ruft zum Jubel der Freude. Komm, mein Herz, lass dein Abend-Halleluja erschallen! Greife in die Saiten deiner Harfe! Schlage deine Zimbeln!

„O Freude über Freude!
Wie bin ich doch entzückt!
O süße Himmelsweide,
Wie werd‘ ich doch erquickt!“

Hes. 16,60.

Ich will aber gedenken an meinen Bund, den ich mit dir gemacht habe zur Zeit deiner Jugend, und will mit dir einen ewigen Bund aufrichten.„

Ungeachtet unserer Sünden ist der Herr noch treu in seiner Liebe zu uns.

Er sieht zurück. Seht, wie Er an jene, unsre jungen Tage, als Er einen Bund mit uns machte, und wir uns Ihm übergaben, gedenkt. Glückliche Tage waren das! Der Herr wirft sie uns nicht vor und klagt uns nicht der Unaufrichtigkeit an. Nein, Er sieht mehr auf seinen Bund mit uns, als auf unsren Bund mit Ihm. Es war keine Heuchelei in jenem heiligen Vertrage, von seiner Seite keinenfalls. Wie gnädig ist der Herr, so in Liebe zurück zu sehen!

Er sieht auch vorwärts. Er hat beschlossen, dass der Bund nicht aufhören soll. Wenn wir nicht dabei bleiben, Er tut es. Er erklärt feierlich: „Ich will mit dir einen ewigen Bund aufrichten.“ Er hat keine Neigung, seine Verheißungen zurückzunehmen. Gelobt sei sein Name, Er sieht das heilige Siegel, „das Blut des ewigen Bundes,“ und Er gedenkt an unsren Bürgen, in dem Er diesen Bund bestätigte, seinen eignen, lieben Sohn; und deshalb hält Er fest an seinen Bundesverpflichtungen. „Er bleibet treu; Er kann sich selbst nicht leugnen.“

O Herr, lege mir dies kostbare Wort ans Herz, und hilf mir, mich den ganzen Tag daran zu laben!

Hes. 20,41

„Ihr werdet mir angenehm sein mit dem süßen Geruch.“

Das große Verdienst unsers mächtigen Erlösers ist dem Höchsten ein süßer Geruch. Ob wir von der leidenden oder tätigen Gehorsam der Gerechtigkeit unsers Herrn Jesu reden, so finden wir überall gleich köstliche Spezerei. Es war ein süßer Geruch in allen Taten Seines Lebens, durch welche Er das göttliche Gesetz ehrte und jedes Gebot in der reinen Fassung Seiner heiligen Person mit reinem Glanze erstrahlen ließ, wie den köstlichsten Edelstein. Und so war auch Sein Leidensgehorsam, da Er mit klageloser Ergebung Hunger und Durst, Frost und Blöße erduldete und zuletzt in Gethsemane große Blutstropfen schwitzte, Seinen Rücken darhielt den Peinigern, und Sein Angesicht denen, die Ihn zerschlugen und anspeieten; da Er ans Marterholz geschlagen ward, damit Er um unsertwillen den Zorn Gottes erduldete. Beides ist süß und köstlich vor Gott dem Höchsten; und um Seines Thuns und Sterbens, um Seines stellvertretenden Leidens und Seines für uns vollbrachten Gehorsams willen nimmt uns der Herr unser Gott in Gnaden an. Was muss doch in Ihm für eine köstliche Würze sein, die all' unsern Mangel ersetzt und mit Wohlgeruch überflutet! Welch ein starker, süßer Duft, der den argen Gestank unserer Sündenschuld auslöscht und vertreibt! Welch eine reinigende Kraft liegt in Seinem Blut, das unsere so großen Sünden abwäscht! Und welche Herrlichkeit wohnt in Seiner Gerechtigkeit, die so verworfene Geschöpfe angenehm macht in dem Geliebten! Sieh, liebe gläubige Seele, wie fest und unwandelbar muss unsere Kindschaft sein, weil wir in Ihm angenehm gemacht sind! Hüte dich, dass du nie an deiner Annahme in Jesu zweifelst. Wenn dir Sein Verdienst zugerechnet ist, so kannst du nicht verworfen werden. Trotz aller deiner Zweifel, Ängsten und Sünden blickt doch das Auge Jehovas nie anders als gnädig auf dich herab; obgleich Er in dir selber Sünde sieht, so sieht Er keine mehr, wenn Er dich durch Christum ansieht. In Christo bist du dem Vaterherzen allzeit angenehm, allzeit gesegnet und teuer. Darum erhebe einen Lobgesang, und wenn du den Weihrauch vom Verdienste deines Heilandes heute Abend emporwallen siehst zum saphirnen Thron, so lass auch den Weihrauch deines Lobgesange aufsteigen. (Goldstrahlen März 28)

Hes. 20,43

Daselbst werdet ihr gedenken an euer Wesen und an alles euer Thun, darinnen ihr verunreinigt seid, und werdet Missfallen haben über alle eure Bosheit, die ihr getan habt.

Wenn wir von dem Herrn angenommen sind und Gnade, Friede und Sicherheit erlangt haben, so werden wir dahin geführt, für alle unsre Fehler und Vergehen wider unsren gnädigen Gott Buße zu tun. So köstlich ist die Buße, dass wir sie einen Diamanten reinsten Wasser nennen können, sie ist dem Volk Gottes verheißen als eins der heiligsten Resultate der Errettung. Er, der die Buße annimmt, gibt auch die Buße, und Er gibt sie nicht aus der „bitteren Büchse“, sondern sie ist wie eine jener „Semmeln mit Honig“, mit denen Er Sein Volk speisete. Ein Gefühl der mit Blut erkauften Vergebung und der unverdienten Barmherzigkeit ist das Beste Mittel, ein Herz von Stein zu erweichen. Fühlen wir uns hart? Lasst uns an die Liebe des Bundes denken, dann werden wir die Sünde aufgeben, sie beklagen und Missfallen an ihr haben; ja, wir werden Widerwillen gegen uns selber fühlen, weil wir gegen eine so unendliche Liebe gesündigt. Lasst uns zu Gott mit dieser Verheißung der Buße kommen und Ihn bitten, uns zu helfen, dass wir gedenken und bereuen und Buße tun. und wiederkehren. O, dass wir die Rührungen heiligen Schmerzens empfinden könnten! Welche Erleichterung würde eine Flut von Tränen sein! Herr, schlage den Felsen oder sprich zu dem Felsen, und lass die Wasser fließen!

Hes. 33,22

„Und die Hand des Herrn war über mir des Abends.“

Der Herr kann vielleicht Seine Hand über uns halten zum Gericht, und dann geziemt sichs mir, über die Ursache einer solchen Heimsuchung nachzudenken, und auf das Schlagen der Rute zu achten und auf Den der sie braucht. Ich bin nicht der Einzige, der in Zeiten der Dunkelheit solche Züchtigung erfährt; dann lasset uns demütig uns in solche Züchtigung ergeben und es unser sorglichstes Anliegen sein, wie wir dadurch gefördert werden. Aber des Herrn Hand kann auch noch in anderer Weise empfunden werden; er kann unsere Seele stärken und unsern Geist heben und emportragen zu dem, was ewig und unvergänglich ist. Ach, dass ich doch erfahren dürfte, dass der Herr also mit mir umgeht! Ein Gefühl der göttlichen Gnadengegenwart und Inwohnung trägt den Geist zum Himmel empor wie auf Adlers Fittigen. In solchen Zeiten sind wir bis zum Rande mit geistlicher Freude erfüllt, und wir vergessen darob alle irdischen Sorgen; der dienende Leib harrt am Fuße des Berges, und der frei waltende Geist betet an auf dem Gipfel der heiligen Höhe in der Gegenwart des Herrn. Ach, dass doch eine selige Zeit göttlicher Gemeinschaft mir heute Abend zu Teil würde! Der Herr weiß, wie sehr ichs bedarf. Die mir verliehenen Gnadengaben lechzen, mein Verderben stürmt auf mich ein, mein Glaube ist schwach, meine Andacht kalt; Ursache genug, dass er mir Seine heilende Hand auflegen sollte. Seine Hand vermag die Hitze meiner brennenden Stirne zu fühlen, und die Aufregung meines pochenden Herzens zu stillen. Seine herrliche Rechte, die das Wort geschaffen hat, kann auch meinen Geist erneuern; die unermüdliche Hand, welche der Erde mächtige Pfeiler trägt, ist stark genug, auch meinen Geist zu tragen; die liebende Hand, die alle Heiligen umfasst, liebkost auch mich; und die gewaltige Hand, die den Feind zerschmettert, kann auch meine Sünden überwinden. Warum sollte ich nicht heute Abend diese Hand auch fühlen? Komm, liebe Seele, flehe zu deinem Gott mit der mächtigen Bitte, dass die Hände Jesu um deiner Versöhnung willen seien durchgraben worden, so wirst du gewiss dieselbe Hand auch fühlen, die den Daniel anrührte und ihn aufrichtete, damit er die Gesichte Gottes ertragen könne. (Goldstrahlen, Januar 6)

Hes. 34,11

Denn so spricht der Herr HERR: Sieh, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie aussuchen.

Das tut Er zuerst, wenn Seine Erwählten wie irrende Schafe sind, die weder den Hirten noch die Hürde kennen! Wie wunderbar findet der Herr Seine Erwählten heraus! Jesus ist groß als suchender Hirte sowohl wie als errettender Hirte. Obgleich viele von denen, die sein Vater Ihm gegeben, der Höllenpforte so nahe gekommen sind, wie sie nur können, findet der Herr sie doch durch Forschen und Suchen und nimmt sich ihrer in Gnaden an. Er hat uns ausgesucht: lasst uns gute Hoffnung für diejenigen haben, die uns in unsren Gebeten auf das Herz gelegt sind, denn Er wird auch sie herausfinden.

Der Herr wiederholt dies Verfahren, wenn einige Seiner Herde von der Weide der Wahrheit und Heiligkeit abirren. Sie mögen in groben Irrtum, traurige Sünde und betrübte Verhärtung hinein geraten; aber dennoch wird der Herr, der für sie bei seinem Vater Bürge geworden ist, nicht zulassen, dass eins sich so weit verliert, dass es umkommt. Er wird sie durch Seine Vorsehung und durch Seine Gnade bis in fremde Länder, in die Stätten der Armut, in die Höhlen der Dunkelheit, in die Tiefen der Verzweiflung hinein verfolgen; Er wird keinen von denen verlieren, die Ihm der Vater gegeben hat. Es ist ein Ehrenpunkt für Jesum, die ganze Herde ohne eine einzige Ausnahme zu suchen und zu retten. Was für eine Verheißung, die ich geltend machen darf, wenn ich zu dieser Stunde gezwungen bin, zu schreien: „Ich bin wie ein verirrtes und verlornes Schaf!“

Hes. 34,15

Ich will selbst meine Schafe weiden, und ich will sie lagern, spricht der Herr Herr.

Unter dem göttlichen Hirtenamt werden die Heiligen zur vollen Genüge geweidet. Ihnen wird nicht ein windiges, unbefriedigendes Gericht von bloß menschlichen „Gedanken“ gegeben, sondern der Herr weidet sie auf der soliden, wesenhaften Wahrheit göttlicher Offenbarung. Es ist wirklich Nahrung für die Seele in der Schrift, wenn sie dem Herzen durch den Heiligen Geist eingeprägt wird. Jesus selber ist die wahre, lebenerhaltende Nahrung der Gläubigen. Hier verheißt unser großer Hirte, dass solche heilige Nahrung uns von Ihm selber gegeben werden soll. Wenn unser irdischer Hirte am Sabbat mit leeren Händen kommt, so tut der Herr dies nicht.

Wenn die Seele voll heiliger Wahrheit ist, so ruhet sie. Die, welche Jahwe weidet, sind in Frieden. Kein Hund soll sie plagen, kein Wolf soll sie zerreißen, kein unruhiges Streben soll sie stören. Sie sollen sich lagern und die Nahrung, die sie genossen, verdauen. Die Lehren von der Gnade sind nicht nur kräftigend, sondern tröstend: in ihnen haben wir die Mittel zum Aufbauen und zum Niederlegen. Wenn Prediger uns keine Ruhe geben, so lasst uns sie vom Herrn erwarten.

Möge uns der Herr heute weiden lassen auf den Auen seines Wortes und uns darauf lagern. Möge keine Torheit und keine Sorge, sondern Nachdenken und Frieden diesen Tag bezeichnen.

Hes. 34,25

Ich will einen Bund des Friedens mit ihnen machen, und alle bösen Tiere aus dem Lande ausrotten, dass sie sicher wohnen sollen in der Wüste, und in den Wäldern schlafen.

Es ist die Höhe der Gnade, dass Jahwe im Bunde mit dem Menschen, einem schwachen, sündigen und sterbenden Geschöpf, ist. Doch hat der Herr feierlich einen Vertrag mit uns geschlossen, und diesem Bund will Er nie untreu werden. Kraft dieses Bundes sind wir sicher. Wie Löwen und Wölfe von den Hirten hinweg getrieben werden, so sollen alle schädlichen Einflüsse fortgescheucht werden. Der Herr will uns Ruhe vor den Störern und Zerstörern geben; die bösen Tiere sollen aus dem Lande ausgerottet werden. O Herr, erfülle diese Deine Verheißung eben jetzt.

Des Herrn Volk soll sich der Sicherheit erfreuen an Plätzen der größten Gefahr: Wüsten und Wälder sollen wie Weiden und Hürden für die Herde Christi sein. Wenn der Herr uns nicht einen besseren Platz gibt, so wird Er uns umso besser an dem Platze machen. Die Wüste ist kein Platz zum Wohnen, aber der Herr kann sie dazu machen; in den Wäldern fühlt man sich eher zum Wachen als zum Schlafen verpflichtet, und doch gibt der Herr seinen Freunden selbst dort Schlaf. Nichts von außen oder von innen sollte dem Kinde Gottes Furcht verursachen. Durch den Glauben können die Wüsten die Vorstädte des Himmels werden und die Wälder die Vorhalle der Herrlichkeit.

Hes. 34,26

„Ich will auf sie regnen lassen zu rechter Zeit, das sollen gnädige Regen sein.“

Hier ist unumschränkte Gnade: „Ich will ihnen Regen geben zu seiner Zeit.“ Ist das nicht unumschränkte, göttliche Gnade? Denn wer darf sagen: „Ich will ihnen Regen geben,“ außer allein Gott? Es gibt nur eine einzige Stimme, die mit den Wolken reden und ihnen befehlen kann, den Regen auszugießen.

Wer sendet den Regen herab zur Erde? Wer streut die strömenden Tropfen aufs grüne Gras? „Tue ich‘s nicht, der Herr?“ So ist die Gnade Gottes Gabe und wird nicht von Menschen geschaffen. Es ist auch notwendige Gnade. Was sollte der Erdboden schaffen ohne Regen? Die Schollen könnt ihr brechen und einsäen euer Saatkorn; aber was vermögt ihr ohne den Regen? Ebenso unumgänglich nötig ist der göttliche Segen. Ihr arbeitet umsonst, wenn Gott nicht seinen fruchtbaren Regen gibt und sein Heil herniedersendet. Weiter ist es reichliche Gnade. „Ich will ihnen Regen geben.“ Es heißt nicht: „Ich will ihnen Tropfen geben,“ sondern „Regen.“

So verhält sich‘s mit der Gnade. Wo Gott einen Segen verleiht, so schenkt Er ihn meist in solchem Maße, dass es an Raum fehlt, ihn zu beherbergen. Reichliche Gnade! Ja, wir bedürfen reichlicher Gnade, damit wir demütig bleiben, damit wir eifriger und inbrünstiger werden im Gebet, damit wir uns mehr heiligen lassen; reichliche Gnade, damit wir ernster werden, damit wir bewahrt bleiben durch dies ganze Leben, und endlich heimgelangen in die himmlische Heimat. Wir verschmachten ohne die sättigenden Regengüsse der Gnade. Wiederum ist es rechtzeitige Gnade. „Ich will auf sie regnen lassen zu rechter Zeit.“ Ist‘s heute Morgen für dich die rechte Zeit? Ist‘s die Zeit der Dürre? O, dann ist es die rechte Zeit zum Regnen. Ist‘s eine Zeit tiefer Schwermut und schwarzer Wolken, dann ist es die rechte Zeit zum Gnadenregen. „Dein Alter sei wie deine Jugend.“

Und hier ist ein mannigfaltiger Segen. „Das sollen gnädige Regen sein.“ Das Wort steht in der Mehrzahl. Allerlei Segensströme will Gott senden. Alle Segen Gottes gehen ineinander, wie die Glieder einer goldenen Kette. Wenn Er bekehrende Gnade schenkt, so gibt Er auch Trost-Gnade dazu. Er sendet „gnädige Regen.“ Richte dich heute auf und schaue empor, o du vertrocknete Pflanze, und öffne deine Blätter und Blüten dem himmlischen Begießen.

Hes. 34,30

„Und sollen erfahren, dass ich, der Herr, ihr Gott, bei ihnen bin und dass sie vom Hause Israel mein Volk seien, spricht der Herr Herr.“

Des Herrn eigenes Volk sein, ist ein köstlicher Segen, aber wissen, dass wir es sind, ist ein tröstlicher Segen. Es ist eine Sache, zu hoffen, dass Gott mit uns ist, und eine andre Sache, zu wissen, dass Er es ist. Der Glaube errettet uns, aber die Heilsgewissheit befriedigt uns. Wir nehmen Gott als unsren Gott an, wenn wir an Ihn glauben, aber wir gelangen erst zur Freude in Ihm, wenn wir wissen, dass Er unser ist und dass wir sein sind. Kein Gläubiger sollte mit Hoffen und Vertrauen zufrieden sein, er sollte den Herrn bitten, ihn zur völligen Heilsgewissheit zu leiten, so dass gehoffte Dinge sich in sichere Dinge wandeln.

Wenn wir der Bundessegnungen genießen und unsren Herrn Jesum für uns als „eine berühmte Pflanze“ erweckt sehen, dann kommen wir zu einer klaren Erkenntnis der Huld Gottes gegen uns. Nicht durch das Gesetz, sondern durch die Gnade lernen wir, dass wir des Herrn Volk sind. Lasst uns stets unsre Augen in der Richtung der freien Gnade wenden. Glaubensgewissheit kann nie durch Werke des Geistes kommen. Es ist eine evangelische Kraft und sie kann uns nur auf evangelischem Wege werden. Lasst uns in unser Inneres schauen. Lasst uns auf den Herrn allein blicken. In dem Maße, wie wir Jesum sehen, werden wir unser Heil sehen.

Herr, sende uns eine solche Flutzeit Deiner Liebe, dass wir über allen Schlamm des Zweifels und der Furcht empor getragen werden!

Hes. 35,10

„Obgleich der Herr da wohnt.“

Die Fürsten Edoms sahen, wie das ganze Land verlassen und verwüstet war, und sprachen: „Diese beiden Völker mit beiden Ländern müssen mein werden, wir wollen sie einnehmen“; aber ein großes Hindernis beachteten sie nicht in ihrem Vorhaben, es war ihnen Eines bei ihren Anschlägen entgangen: „Der Herr wohnte allda“; und in Seiner Gegenwart lag die Bürgschaft für die Sicherheit des auserwählten Landes. Wie gewaltig und furchtbar auch die ränkevollen Anschläge der Feinde des Volkes Gottes sein mögen, so bleibt ihm immer noch dieselbe kräftige Schutzwehr, wodurch ihre Absicht zu Schanden gemacht wird. Die Heiligen sind Gottes Eigentum, und Er ist mitten unter ihnen und beschützt die Seinen. Welch einen großen Trost gewährt uns diese Gewissheit in unsern Trübsalen und geistigen Kämpfen. Beständig werden wir angelaufen, und doch allzeit bewahret! Unsere guten Werke sind das Ziel der Angriffe Satans. Ein Kind Gottes besaß nie irgend eine Gottesgabe oder eine Tugend, welche nicht das Ziel der höllischen Anfechtungen gewesen wäre: sei es freudig strahlende Hoffnung der künftigen Herrlichkeit, oder warme und inbrünstige Liebe, oder Geduld, die Alles erträgt, oder Eifer, der wie feurige Kohlen brennt; der alte Widersacher alles Guten versuchte es immer zu zerstören. Der einzige Grund, dass irgend eine Tugend oder irgend etwas Liebliches in uns lebendig bleibt, bestehet darin: „Der Herr wohnt da.“

Wenn der Herr mit uns durchs Leben geht, so brauchen wir nichts zu fürchten für unsere Zuversicht im Tode; denn wenns mit uns zum Sterben kommt, so werden wir auch dann erfahren: „der Herr wohnt da;“ wo die Wogen stürmisch brausen, und die Fluten schauerlich toben, da werden wir einen festen Grund haben, und erfahren, dass dieser Grund nicht wankt; unsere Füße stehen auf dem Fels der Ewigkeiten, wenn alles Zeitliche vergeht. Geliebte, vom Anfang bis zum Ende des Christenlebens bleibt das der einzige Grund unserer Bewahrung: „Der Herr wohnt da.“ Wenn der Gott der ewigen Liebe sich ändern und Seine Auserwählten dem Verderben preisgeben könnte; dann könnte die Gemeine Gottes untergehen, sonst aber nicht; denn es stehet geschrieben: „Der Herr wohnt da.“ (Goldstrahlen Februar 17)

Hes. 36,25

„Und will reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet. Von aller eurer Unreinigkeit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen.“

Was für eine außerordentliche Freude ist dies! Er, der uns mit dem Blute Jesu gereinigt hat, will uns mit dem Wasser des Heiligen Geistes reinigen. Gott hat es gesagt, und so muss es sein: „Ihr sollt rein sein.“ Herr, wir fühlen und betrauern unsre Unreinigkeit, und es ist ermutigend, durch Deinen eignen Mund versichert zu werden, dass wir rein sein sollen. O, dass Du dies schleunigst vollziehen möchtest!

Er will uns von unsren schlimmsten Sünden befreien. Der Unglaube, der sich erhebt, die fleischlichen Lüste, welche wider die Seele streiten, die schändlichen Gedanken des Stolzes und die Eingebungen Satans, den heiligen Namen zu lästern - all dieses soll so hinweggetan werden, dass es nimmer wiederkehrt.

Er will uns auch von all unsren Götzen, ob goldenen oder irdenen, reinigen. Unsre unreine Liebe und unsre übermäßige Liebe zu dem, was in sich selbst rein ist. Das, was wir vergöttert haben, soll entweder vor unsren Augen zerrissen werden, oder wir sollen davon losgerissen werden.

Es ist Gott, der von dem spricht, was Er selbst tun. will. Deshalb ist dies Wort begründet und sicher und wir dürfen kühn das erwarten, was es uns verbürgt. Dies ist ein Bundessegen, und der Bund ist in allen Dingen wohl geordnet und sicher.

Hes. 36,26

„Und ich will euch ein fleischernes Herz geben.“

Ein fleischernes Herz erkennt man an seiner zarten Empfindlichkeit gegen die Sünde. Wenn ein Fleischernes Herz einer lüsternen Vorstellung, einem ungöttlichen Verlangen auch nur einen Augenblick Raum gegeben hat, so ist das schon genug, um es in die tiefste Trauer vor dem Herrn zu versetzen. Das steinerne Herz achtet eine große Sünde für nichts; ganz anders das fleischerne Herz.

„Wie wird man oft durch Reu' und Scham gebeuget,
Wenn sich nicht mehr der erste Eifer zeiget,
Wenn uns die Zucht des Geistes überführt,
Dass sich bei uns der erste Treu verliert.“

Das fleischerne Herz ist zartfühlend für den Willen Gottes. Mein Meister Eigenwille ist ein rechter Starrkopf, und es ist schwer, ihn unter den göttlichen Willen zu beugen; wenn uns aller einmal das fleischerne Herz geschenkt ist, so erzittert unser Wille wie ein Espenlaub bei jedem Hauch des Himmels, und beugt sich wie eine Weide bei jedem Wehen des Geistes Gottes. Der natürliche Wille ist kaltes, sprödes Erz, das nicht mit dem Hammer in Formen kann getrieben werden; aber der erneuerte Wille wird von der Hand der Gnade leicht, wie zerschmolzenes Metall, gestaltet. Im fleischernen Herzen zeigt sich Zartheit der Liebe. Das harte Herz empfindet keine Liebe zum Erlöser, aber das erneuerte Herz brennt von inniger Liebe zu Ihm. Das harte Herz ist selbstsüchtig und fragt gleichgültig: „Weshalb sollte ich über die Sünde weinen? Warum sollte ich den Herrn lieben?“ Aber das fleischerne Herz spricht: „Herr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe; hilf mir, dass ich Dich noch mehr lieben kann!“ Ein solches erneuertes Herz besitzt viele Vorzüge:

„Hier wohnt der Heilige Geist,
Hier herrscht Jesus Christ.“

Es ist empfänglich für jeden geistlichen Segen und jeder Segen wird ihm auch zu Teil. Es ist zubereitet, zur Ehre und zum Preis Gottes allerlei himmlische Früchte zu bringen, und darum hat der Herr Seine Freude an ihm. Ein zartes Herz ist der Beste Schutz wider die Sünde, und die Beste Vorbereitung für den Himmel. Ein erneuertes Herz steht auf der Warte, und schauet hinaus nach der Zukunft des Herrn Jesu. Hast du ein solches fleischernes Herz? (Goldstrahlen August 15)

Hes. 36,37

„So spricht der Herr Herr: Ich will mich wieder fragen lassen vom Hause Israel, dass ich mich an ihnen erzeige.“

Gebet geht der Gnade voraus. Suche in der heiligen Geschichte, so wirst du finden, dass dieser Welt kaum je eine große Gnade widerfuhr, ohne dass sie sich zuvor ankündigte im Anrufen des Herrn. Auch eure eigene Erfahrung muss euch das bestätigen. Gott hat euch zwar ungebeten manchmal und mancherlei Gnade widerfahren lassen; dennoch war stets anhaltendes und ernstliches Gebet das Vorspiel zu einer großen Gnadenerweisung an euch. Als ihr zuerst im Kreuzesblut Gnade und Vergebung fandet, da hattet ihr viel zu Gott gefleht und ernstlich mit Ihm gerungen, dass Er euch möchte alle Zweifel wegnehmen und euch aus euren Gewissensängsten erlösen. Eure Beruhigung war die Folge eures Bittens und Flehens. Wenn euch zu irgendeiner Zeit große und selige Erquickung zuteil wurde, so musstet ihr sie ansehen als die Erhörung eurer Gebete.

Wenn ihr aus schweren Trübsalen mit mächtiger Hand erlöst, aus großen Gefahren mit starkem Arm errettet wurdet, dann habt ihr sagen müssen: „Da ich den Herrn suchte, antwortete Er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht.“ Das Gebet ist immer die Vorrede zu jedem Segenswerk. Es geht jeder Wohltat voraus als der Schatten der Güte Gottes. Wenn der Sonnenschein der göttlichen Gnade aufgeht über unsern Bedürfnissen, dann wirft er den Schatten des Gebets weithin aufs ebne Land. Oder, um ein andres Bild zu gebrauchen, wenn Gott einen Gnadenhügel erhebt, so leuchtet sein strahlendes Antlitz hinter demselben und wirft den Schatten des Gebets auf unsre Seelen; so verlassen wir uns denn darauf, dass, wenn wir ernstlich und eifrig beten, so ist unser Flehen die Abschattung seiner Gnade! Und deswegen ist Gebet und Gnade so innig miteinander verknüpft, damit uns der hohe Wert des Gebets recht zu Gemüte geführt werde. Strömte uns der Segen zu, ohne dass wir darum bäten, so könnten wir meinen, es sei nichts Besonderes daran; aber das Gebet macht die Gnadengeschenke köstlicher denn Diamanten. Herrliche Dinge sind‘s, um die wir bitten, aber wir erkennen ihren Wert nicht, wenn wir nicht ernstlich um dieselben gerungen haben im Gebet.

„Komm, Seele, betend zu dem Herrn!
Dein Heiland hört die Bitten gern.“

Hes. 47,9

Ja, alles, was darinnen lebet und webet, dahin diese Ströme kommen, das soll leben.

Das lebendige Wasser in dem Gesicht des Propheten floss in das Tote Meer und brachte Leben mit sich, selbst in diesen stehenden See. Wo die Gnade kommt, da ist geistliches Leben die unmittelbare und immerwährende Folge. Die Gnade strömt unumschränkt dem Willen Gottes gemäß, eben wie ein Fluss in allen seinen Windungen seinem eignen Willen folgt; und wo sie kommt, da wartet sie nicht darauf, dass das Leben zu ihr komme, sondern sie schafft Leben durch ihren eignen belebenden Strom. O, dass sie unsre Straßen entlang fließen und unsre Winkelgassen überfluten wollte! O, dass sie jetzt in mein Haus kommen wollte und steigen, bis jede Kammer davon überschwemmt wäre! Herr, lass das lebendige Wasser zu meiner Familie und meinen Freunden fließen, und lass es nicht an mir vorübergehen. Ich hoffe, ich habe schon davon getrunken; aber ich wünsche, darin zu baden, ja, darin zu schwimmen. O mein Heiland, ich habe reichlicheres Leben nötig. Komme zu mir, ich bitte dich, bis jeder Teil meiner Natur lebendig, energisch und mit aller Kraft tätig ist. Lebendiger Gott, ich bitte dich, fülle mich mit Deinem eignen Leben.

Ich bin ein armer, dürrer Stock; komm und mache mich so lebendig, dass ich wie Aarons Stab grünen und blühen und Frucht tragen möge zu Deiner Ehre. Belebe mich um meines Herrn Jesu willen. Amen.

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