Spurgeon, Charles Haddon - Die Gefahr des Zweifelns.

Spurgeon, Charles Haddon - Die Gefahr des Zweifelns.

„David aber gedachte in seinem Herzen: Ich werde der Tage einem Saul in die Hände fallen.„
1 Sam. 27, 1.

In der Freundlichkeit Gottes zu zweifeln, wird von einigen für eine sehr kleine Sünde gehalten; in der Tat, manche haben die Zweifel und Befürchtungen der Kinder Gottes zu Früchten der Gnade und Beweisen von großem Fortschritt in der Erfahrung erhoben. Es ist demütigend, zu beobachten, dass gewisse Prediger die Menschen im Unglauben und Misstrauen gegen Gott verweichlicht und verzärtelt haben, und in diesem Stück untreu gegen ihren Meister und gegen die Seelen seines Volkes gewesen sind. Fern sei es von mir, die Schwachen der Herde zu schlagen, aber ihre Sünden muss und will ich schlagen, da ich die feste Überzeugung habe, dass es eine verabscheuenswerte Sünde ist, an der Freundlichkeit, Treue und Liebe Gottes zu zweifeln. Unglaube ist dem Atheismus verwandt. Der Atheismus leugnet Gottes Dasein — der Unglaube leugnet seine Güte, und da Güte eine wesentliche Eigenschaft Gottes ist, so treffen diese Zweifel in Wirklichkeit sein eigentliches Wesen. Das kann keine leichte Sünde sein, die Gott zu einem Lügner macht; und doch wirft der Unglaube in der Tat faulen und verleumderischen Verdacht auf die Wahrhaftigkeit des Heiligen in Israel. Das kann keine kleine Sünde sein, die den Schöpfer des Himmels und der Erde des Meineides anklagt; und doch, wenn ich seinem Schwur misstraue und seiner Verheißung, die mit dem Blute seines eignen Sohnes versiegelt ist, nicht glauben will, so halte ich den Eid Gottes für unwürdig meines Vertrauens; und klage damit den König des Himmels an als untreu gegen seinen Bund und gegen seinen Eid. Außerdem ist der Unglaube, wie ich heute morgen zu zeigen haben werde, die Quelle unzähliger Sünden. Wie die schwarze Wolke die Mutter vieler Regentropfen ist, so ist der dunkle Unglaube der Vater vieler Verbrechen. Und wie, wenn ich sagte, dass der Unglaube das Laster von Jahrhunderten in einem Augenblick vereinigt und das Gift aller Sünden des Menschengeschlechts in einer Übertretung zusammenzieht? Ich würde nicht weit von der Wahrheit sein. Aber ich will keine starken Ausdrücke in der Einleitung brauchen, weil mich dünkt, der Vorfall in Davids Geschichte, auf den ich heute morgen eure Aufmerksamkeit lenke, wird an sich genug sein, euch dahin zu bringen, dass ihr euer Urteil mit dem meinigen dahin abgebt, dass der Unglaube eine verdammenswerte Sünde ist, dass er von jedem Gläubigen verurteilt, bekämpft, womöglich unterdrückt werden, und sicherlich uns Neue und Abscheu einflößen sollte.

Nun lasst uns auf David blicken, und mögen seine Sünde und sein Leid Wahrzeichen sein, die uns vor dem Bösen warnen! „David aber gedachte in seinem Herzen: Ich werde der Tage einem Saul in die Hände fallen.“ Zuerst werde ich bemerken, dass das, was er in seinem Herzen gedachte, falsch war; zweitens wollen wir die Frage tun, wie kam er dazu, so zu denken? und dann wollen wir drittens betrachten, was für Unheil aus solchem harten ungläubigen Gedanken entstand.

I.

Erstens, der Gedanke in Davids Herzen war falsch. Er sagte: „Ich werde der Tage einem Saul in die Hände fallen.„

Wir können von vornherein annehmen, dass es falsch war, weil sicher kein Grund vorlag, es zu beweisen. Bei keiner Gelegenheit hatte der Herr seinen Knecht verlassen; er war oft in gefährliche Lagen gebracht, aber kein einziges Beispiel war vorgekommen, wo Gottes Kraft nicht genügend für ihn gewesen. Die Prüfungen, denen er ausgesetzt worden, waren verschieden; sie hatten nicht nur eine Form angenommen, sondern viele; doch in jedem Falle hat Der, welcher die Prüfung sandte, auch gnädig einen Ausweg verordnet. David konnte seinen Finger nicht auf irgend eine Stelle in seinem Tagebuch legen und sagen: „Hier ist der Beweis, dass Gott mich verlassen will.“ Wenn er auf sein ganzes Leben zurück sah, von der Zeit an, wo er seines Vaters Schafe hütete und den Löwen und Bären erschlug, bis zu dem Tage, wo er den Philister herausforderte, und weiter bis zu diesem Augenblick, wo er eben seinem blutdürstigen Verfolger entgangen war, konnte er keine einzige Tatsache finden, die ein Beweis war, dass Gott seinen Sinn geändert hätte und seinen Gesalbten in die Hand seines grausamen Feindes fallen lassen würde.

Nun, merkt euch, wenn ihr und ich all Gottes Wort zweifeln, so muss man dies sagen, wir misstrauen demselben ohne eine Ursache. Ich bezeuge willig, dass ich keinen Grund habe, an meinem Herrn zu zweifeln, nicht einmal zum Schatten eines Zweifels: und ich denke, dass ihr, die ihr in Christo wart manches Jahr, ehe ich Ihn kannte, auch sagen könnt, dass ihr nie irgend einen Grund gehabt habt, all seiner Treue zu zweifeln oder euch einzubilden, dass Er euch verwerfen würde. Brüder, wir verurteilen einen Menschen nicht ohne Beweis. Sollten wir unsren liebevollen Herrn ohne Beweis verurteilen? Ich fordere Himmel und Erde und Hölle heute morgen heraus, einen Beweis zu bringen, dass Gott unwahr ist. Von den Tiefen der Hölle rufe ich die bösen Geister und von dieser Erde rufe ich angefochtene und leidende Gläubige auf, und zum Himmel wende ich mich und fordere die lange Erfahrung des im Blute gewaschenen Heeres heraus, und es ist in allen drei Reichen kein einziger zu finden, der eine Tatsache bezeugen kann, die bewiese, dass Gott nicht gütig sei, oder die seinen Anspruch auf das Vertrauen seiner Knechte schwächte. Nun lasst uns unsren Unglauben verspotten, lasst unsren Gerechtigkeitssinn ihn sofort austreiben. Lasst uns gerecht sein gegen Gott sowohl als gegen Menschen; und wenn Er noch nie einen von den Seinen verlassen oder ein einziges Versprechen gebrochen hat, so sei es fern von uns, zu zweifeln oder ungläubig zu sein.

„Du hast mich wohl erhalten,
Dass ich mich freudig tröst'.
Dich lass ich ferner walten,
Wenn mich die Not anstößt.„

Aber ferner, was David in seinem Herzen sagte, war nicht nur ohne Beweis, sondern es war im Widerspruch mit den Beweisen. Was für Grund hatte er, zu glauben, dass Gott ihn verlassen wollte? Oder vielmehr, wie viele Beweise hatte er, um zu schließen, dass der Herr ihn weder verlassen könne noch wolle? „Also hat dein Knecht geschlagen beide, den Löwen und den Bären. So soll nun dieser Philister, der Unbeschnittene, gleich sein wie deren einer.“ Das war gute Beweisführung. Warum nicht jetzt ebenso, David? Warum nicht sprechen: „Dein Knecht schlug den Philister, Dein Knecht entging dem Wurfspieß Sauls, als der wahnsinnige Monarch ihn an die Wand spießen wollte; Dein Knecht entging allen listigen Anschlägen Doegs; Dein Knecht entkam, als Saul ihn aus dem Pfade der wilden Ziegen und in den Höhlen von Engedi verfolgte; Dein Knecht entkam aus der Gewalt Achis, des Philisters; und siehe, dieser Saul, der mir nach dem Leben steht, aus seiner Hand werde ich auch entrinnen?„ Das wäre ein vernünftiger Schluss gewesen, eine richtige Art, Beweise zu gebrauchen; aber zu sagen, nach so viel vergangener Liebe und Freundlichkeit: „Er wird mich vielleicht noch sinken lassen,“ das hieß einen lügenhaften Schluss ziehen und ein Urteil fällen, das in geraden! Widerspruch mit den Beweisen stand.

Brüder und Schwestern in Christo, euer Fall ist ähnlich, wenigstens der meine ist es. O Herr Gott! Du hast uns zu keiner Zeit verlassen. Wir haben dunkle Nächte gehabt, aber der Stern der Liebe hat mitten in der Finsternis geschienen; wir haben unsre wolkichten Tage gehabt, aber unsre Sonne ging nie unter, ehe wir einen Schimmer von dem Sonnenlicht des Himmels gehabt hatten; wir sind durch manche Prüfungen hindurch gegangen, aber nie zu unsrem Schaden, immer zu unsrem Vorteil; und der Schluss, den wir aus unserer früheren Erfahrung ziehen — von der meinigen wenigstens kann ich mit Bestimmtheit sprechen — ist, dass Der, welcher in sechs Trübsalen bei uns gewesen ist, uns in der siebenten nicht verlassen wird. Er hat gesagt: „ich will dich niemals, niemals verlassen und dich niemals, niemals, niemals versäumen.„ Meint nicht, dass ich dies „niemals“ zu oft wiederhole. Ich wiederhole den Spruch gerade, wie ich ihn im Griechischen finde. Was wir von unsrem treuen Gott wissen, dient dazu, uns zu zeigen, dass Er uns bis ans Ende bewahren und bis zuletzt unser Helfer sein will. Handelt also nicht den Beweisen entgegen. Was würden wir von Geschwornen sagen, die, nachdem sie einen Fall gehört, bei dem das Urteil augenscheinlich „Nicht schuldig„ sein sollte, nichtsdestoweniger ihr „Schuldig“ sprächen? Möge die Erde von dem Schrei des Unwillens widerhallen. Ein Mensch ist verurteilt, nicht nur ungerecht, sondern im Angesicht des Beweises, der seine Unschuld dartat. O, Himmel und Erde! hallt von dem allgemeinen Unwillen aller Redlichen wider, wenn wir Gott für unwahr erklären, da alle Zeugnisse unsres vergangenen Lebens dartun, dass Er wahrhaftig und seinem Worte treu ist.

Drittens, dieser Ausruf Davids widersprach Gottes Verheißungen. Samuel hatte das Salböl auf Davids Haupt gegossen: Gottes Pfand und Verheißung, dass David König sein sollte. Lasst David durch Sauls Hand sterben, wie kann dann die Verheißung erfüllt werden? Viele Male hatte Gott seinen Knecht David versichert, dass Er den Sohn Isais erwählt hätte, der Führer seines Volkes zu sein; lasst ihn sterben, wie kann dies dann wahr werden? Er war deshalb in vollem Widerspruch mit der Verheißung Gottes, dass David durch seines Feindes Hand fallen sollte. Christ! es steht im Widerspruch mit jeder Verheißung dieses köstlichen Buchs, dass du das Opfer des höllischen Löwen werden solltest. Wie könnte Er dann wahrhaftig sein, der gesprochen hat: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselben vergäße, will ich doch deiner nicht vergessen.„ Was für Wert würde die Verheißung haben: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ Wo wäre die Wahrheit der Worte Christi: „Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer, denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen.„ Wo wären die Lehren der Gnade? Sie würden sich als Lügen erweisen, wenn ein Kind Gottes umkäme. Wo wäre die Wahrhaftigkeit Gottes, seine Ehre, seine Macht, seine Gnade, sein Bund, sein Eid, wenn einige von denen, für die Christus gestorben ist und die ihr Vertrauen auf Ihn gesetzt, desungeachtet verworfen würden? O! bei diesem kostbaren Buch, das du für wahr hältst, wenn du nicht bereit bist, es als ein schlechtes, lügenhaftes Buch wegzuwerfen, so misstraue nicht deinem Herrn, sondern sprich lieber:

„Sein Ratschluss war, ich sollte leben,
Durch seinen eingeborenen Sohn.
Den wollt' Er mir zum Mittler geben,
Den macht Er mir zum Gnadenthron.
In dessen Blute soll ich rein,
Geheiliget und selig sein.“

Aber ferner, dieser böse Ausruf Davids war im Widerspruch mit dem, was er selbst oft gesagt hatte. Hier überführe ich mich selbst, denn ich gedenke daran, zu meiner Beschämung, wie ich einmal traurig und voll Zweifel war und ein gütiger Freund ein Blatt hervornahm und mir einen kurzen Auszug aus einer Predigt über den Glauben vorlas. Ich erkannte bald den Verfasser; mein Freund las mir aus einer von meinen eignen Predigten vor. Ohne ein Wort zu sagen, überließ er mich meinem eignen Gewissen, denn er hatte mich davon überführt, dass ich denselben Fehler beging, gegen den ich so ernstlich gesprochen. Oft mögt ihr, Brüder, ebenso unbeständig erfunden werden. „O,„ sagtet ihr, „ich könnte Ihm vertrauen, ob auch der Feigenbaum nicht blühte und ob keine Herden aus den Feldern und keine Rinder im Stalle wären.“ Ah! ihr hattet den Unglauben andrer Leute verurteilt, aber wenn es euch traf, so zittertet ihr, und wenn ihr mit den „Reutern laufen„ solltet, so wurdet ihr matt und beim Anschwellen des Jordans wurdet ihr unruhig. So war es mit David. Was für starke Worte hatte er oft gesagt, wenn er mit andren sprach! Er sagte von Saul: „Seine Zeit kommt, dass er sterbe; ich will nicht meine Hand an den Gesalbten des Herrn legen.“ Er war gewiss, dass Sauls Urteil unterschrieben und versiegelt sei; und doch, in der Stunde seines Unglaubens sagt er: „Ich werde der Tage einem Saul in die Hände fallen.„ Was für ein seltsamer Widerspruch war das! Wie gut ist es, dass Gott sich nicht ändert, denn wir ändern uns zwei- oder dreimal am Tage! Aber unsre eignen Äußerungen, unsre eignen früheren Überzeugungen sind ganz dem Gedanken entgegen, dass Er uns je verlassen oder versäumen könnte. Ich berufe mich, wie jener Alte von Philipp dem Betrunkenen auf Philipp den Nüchternen sich berief, so berufe ich mich von Philipp dem Ungläubigen auf Philipp im rechten Gemütszustände. Ich erinnere euch an eure eignen Gedanken, eure eignen Gefühle, eure eignen Freudengesänge, eure eignen Siegespsalmen, und ich bitte euch, diese in Übereinstimmung mit euren jetzigen Zweifeln zu bringen. „Wenn sich schon ein Heer wider mich leget, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht. Wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf Ihn.“ Das ist David. „Ich werde eines dieser Tage umkommen durch die Hand Sauls.„ Das ist auch David. „Herzlich lieb habe ich Dich, Herr, meine Stärke; Herr, mein Fels, mein Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz. Ich will den Herrn loben und anrufen, so werde ich von meinen Feinden erlöst.“ Das ist David. „Ich werde der Tage einem Saul in die Hände fallen.„ Das ist wiederum David. Bringt keine andren Beweise herbei; lasst den Mann sich selbst überführen. Sein Unglaube ist abgeschmackt, das zeigt er selbst. So mit euch und mit mir, Brüder; wir sind große Narren, wenn wir an Gott zweifeln, das ist das Beste, was wir davon sagen können; was das schlimmste ist, das weiß nur Gott. O Herr, von dieser großen Sünde befreie uns.

Doch noch eins, dieser Ausruf Davids stand im Widerspruch mit den Tatsachen. Ich meine nicht bloß mit den Tatsachen, die als Beweise vorlagen, sondern auch mit den Tatsachen, die sich zu eben dieser Zeit vollzogen. Wo war Saul? Saul suchte ein elendes Zauberweib auf, um Samuel von den Toten heraufzubringen. Die Speere der Philister wurden zur Schlacht geschärft und die Pfeile wurden auf der Sehne bereit gemacht, die das Herz des Königs von Israel erreichen sollten; und doch sagt David hier kurze Zeit, ehe er das Reich erhält und Saul erschlagen sieht: „Ich werde eines Tages fallen durch die Hand Sauls.“ O, wenn er die Geheimnisse hätte lesen, wenn er hätte verstehen können, was die rechte Hand Gottes tat, und was der Ewige ihm bestimmt hatte, so würde er nie seinen Unglauben so ausgewimmert haben. So mit euch und mir. „Ach!„ sagst du, „es ist nicht so mit mir heute morgen, ich bin sehr niedergebeugt.“ Ja, und Gott bereitet sich vor, dich sehr hoch zu heben. „Ach! mein Leid ist aber ein sehr schreckliches.„ Ja, und sein ausgereckter Arm ist ein sehr mächtiger und Er weiß seine Kinder zu erlösen. „Ja, aber ich sehe nicht wie.“ Nein, und du brauchst es nicht zu sehen. Aber dennoch geschieht es. Gottes Zwecke reifen. Wohlan, beurteilt sie nicht falsch; bestimmt nicht die Zeit eurer Befreiung vorher, sondern harrt geduldig und hoffet ruhig. Ich weiß, dass einige von uns, wenn unsre Leiden vorüber waren, gesagt haben: „Wohl, wenn ich gewusst, dass es so gewesen wäre, so hätte ich mich nicht so sehr bekümmert.„ Das ist wahr, und nun bitte ich dich, obwohl du es nicht weißt, glaube es dennoch und gehe nicht wider die Tatsachen an, indem du an Gott zweifelst. Du bist sehr arm, nicht wahr? Aber dennoch sorgst du für deine Kinder. Was würdest du sagen zu deinem Kinde, wenn es sich weinend an den Tisch niedersetzte? „Warum weinst du, Kind?“ „Weil nichts für mich zu essen da ist.„ „Nun, du einfältiges Kind,“ sagst du, „ich wollte gerade eine Schnitte von dem Brot abschneiden; weine nicht, bis du gewiss weißt, dass kein Brot da ist.„ Der Herr sagt oft zu uns: „Warum weinst du, einfältiges Kind? Was ich hinter den Geheimnissen meiner Vorsehung tat, war dies: ich bereitete dir ein teures und kostbares Gut.“

„Ihn, Ihn lass tun und walten!
Er ist ein weiser Fürst,
Und wird sich so verhalten,
Dass du Ihn preisen wirst,
Wenn Er, wies Ihm gebühret,
Mit wunderbarem Rat
Das Werk hinausgeführt,
Das dich bekümmert hat.“

II.

Aber ich muss nun, so lange meine Kraft noch aushält, zum zweiten Teile meiner Rede übergehen, nämlich: Wie kam David dazu, so von seinem Gott zu denken?

Die erste Antwort, die ich gebe, ist, weil er ein Mensch war. Die besten der Menschen sind, wenn sie am besten sind, Menschen; und der Mensch, wenn er am besten ist, ist doch ein solches Geschöpf, dass David selbst wohl sagen mochte: „Herr, was ist der Mensch?„ Wenn wir immer Heldentaten des Glaubens vollbrächten, so möchten die Menschen sich einbilden, dass wir Halbgötter seien, denn in Wahrheit, ich sage, dass die Taten, die ein Mann des Glaubens tun kann, nur durch das Thun des Allmächtigen selber übertroffen werden. Das nächste nach der Allmacht ist der Glaube; nein, in mancher Hinsicht nicht das nächste danach, denn der Glaube vermag alles zu tun, was die Allmacht kann, wenn Gott ihn stark macht. Was waren die Heere der Philister für Simson? „Da liegen sie bei Haufen, durch eines Esels Kinnbacken habe ich tausend Mann geschlagen.“ Und was waren die Säulen des Tempels für ihn? Er neigte sich mit all seiner Kraft und riss den Palast der Philister auf die Fürsten und auf die versammelte Menge hernieder. Der Glaube kann alles tun; aber wenn er nie dem Unglauben Raum gäbe, so würden wir versucht sein, den Gläubigen zu einem Halbgott zu erheben und ihn für etwas mehr als sterblich zu halten. Damit wir sähen, dass ein Mensch voll Glauben immer noch ein Mensch ist, damit wir uns unserer Schwachheit rühmen möchten, weil durch sie die Macht Gottes noch klarer bewiesen wird, deshalb gefiel es Gott, zuzulassen, dass die Schwachheit des Menschen in betrübender Weise sich zeige. Ah, es war nicht David, der jene früheren Siege errang, sondern Gottes Gnade in David; und nun, wenn die auf einen Augenblick zurückgezogen wird, seht, was aus Israels Vorkämpfer wird!

Aber wiederum: ihr müsst erwägen, dass David einer sehr langen Prüfung ausgesetzt gewesen war; nicht eine Woche lang, sondern Monat auf Monat war er auf den Bergen gejagt worden wie ein Rebhuhn. Nun, ein Mann könnte eine Prüfung tragen, aber eine ununterbrochene Dauer von Trübsal ist sehr schwer zu ertragen. Das Haupt auf den Block zu legen, scheint mir vergleichungsweise leicht, aber an einen Pfahl angebunden sein, wie einige der Märtyrer es waren, und am langsamen Feuer Stunde auf Stunde geröstet werden, während die Glieder in der Hitze ausdörren, das muss schrecklich sein. Das Märtyrertum einer Stunde ist plötzliche Herrlichkeit, aber das Märtyrertum eines Lebens — es gehört etwas mehr als Menschliches dazu, dies zu erdulden. Gekreuzigt sein, Hände und Füße angenagelt, aber alle Hauptorgane unversehrt, alle Schmerzen des Todes fühlen bei aller Kraft des Lebens! Nun, so war Davids Prüfung — immer sicher, aber immer erschöpft; immer geschützt von Gott, aber immer herumgejagt von seinem Feinde. Kein Ort konnte ihm Ruhe geben. Wenn er nach Kegila ging, so wollten ihn die Bürger ausliefern; wenn er in die Heide von Siph ging, so verrieten ihn die Siphiter; selbst wenn er zum Priester Gottes ging, so war da jener Hund von Doeg, der zu Saul ging und den Priester verklagte; sogar in Engedi oder Adullam war er nicht sicher; sicher, das gebe ich zu, in Gott, aber immer verfolgt von seinem Feinde. Nun, dies war genug, einen weisen Mann wahnwitzig zu machen, und einen gläubigen Mann zweifelhaft. Richtet David nicht zu hart; wenigstens richtet euch selbst ebenso hart. Ich denke, wenn wir so versucht wären, so würden wir fallen, wie er es tat.

Dann müssen wir wiederum daran gedenken, David hatte starke geistige Aufregung gehabt. Gerade einen Tag oder so zuvor war er mit Abischai im Mondnschein zu dem Felde gegangen, wo Saul und sein Heer schlafend lagen. Sie gingen durch den äußeren Kreis, wo die gemeinen Soldaten lagen, und ruhig und leise gingen die zwei Helden hindurch, ohne jemand aufzuwecken. Sie kamen zuletzt zu dem Platze, wo die Hauptleute über hundert schliefen und sie traten über ihre schlummernden Körper, ohne sie zu stören. Sie erreichten die Stelle, wo Saul lag, sein Spieß in der Erde zu seinen Häuptern stak und sein Wasserbecher neben ihm, damit er sich erfrischen könne, wenn er in der Nacht wach würde. Und Abischai sprach: „Gott hat deinen Feind heute in deine Hand beschlossen: so will ich ihn nun mit dem Spieß stechen in die Erde einmal, dass er es nicht mehr bedarf.„ David hält Abischais Hand zurück; er will es nicht erlauben, sondern sagt: „So wahr der Herr lebet, wo der Herr ihn nicht schlägt oder seine Zeit kommt, dass er sterbe oder in einen Streit ziehe, und komme um; so lasse der Herr ferne von mir sein, dass ich meine Hand sollte an den Gesalbten des Herrn legen.“ So entging er dieser Versuchung, wie er es früher getan, als er nur den Zipfel von Sauls Rock abschnitt statt ihn zu erschlagen, wie er es in der Höhle von Engedi hätte tun können. Nun Brüder, ein Mann mag mit der Hilfe Gottes diese großen Dinge tun, aber weiß jemand von euch, dass nach einer Art Naturgesetz bei uns nach einer starken Aufregung eine Reaktion eintritt? Ich will euch ein Bild geben. Da drüben ist Elias. Er hat dem Herrn, seinem Gott, einen Altar gebaut; die Baalspriester haben einen andren gebaut. Elias beruft sich auf Gott. Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der sei Gott. Die Priester Baals rufen ihren Gott an. Er antwortet nicht. Sie ritzen sich mit Messern und mit Pfriemen. Ihr stummer Götze konnte seine eigne Gottheit nicht bestätigen. Elias spottet ihrer. „Rufet laut,„ spricht er, „denn er ist ein Gott; vielleicht schläft er und muss aufgeweckt werden.“ So erregt er in grimmen Sarkasmus den Zorn der Baalspriester. Keine Antwort kommt. Nun ist die Reihe an Elias. Er beugt das Knie und hebt seine Hände zum Himmel auf. Die Flamme fällt herab. Staunt, ihr Ungläubigen. Sie leckt sogar das Wasser in dem Graben aus, und die zwölf geweihten Steine werden auch verzehrt und in Rauch gen Himmel getragen eben wie die Flamme des Brandopfers. „Greifet die Propheten des Baal, dass ihrer keiner entrinne,„ ruft der strenge Elias. Er greift einen von ihnen und zieht ihn den Hügel hinab, und das willige Volk zieht die falschen Priester bei den Haaren hernieder an den Bach; und dann, nachdem er die Ärmel aufgestreift, färbt er sich mit dem Blute dieser, der Hasser Gottes und der Verräter seines Volkes, bis der Bach rot wird von dem rauchenden Blute der Baalspriester. Nun, was geschieht danach? Als Elias von all diesen heldenmutigen Wagnissen hinweggeht, so ist, eben weil er ein Mensch ist, eine Reaktion da, und siehe, er fürchtet sich vor Isebel, die ihm nach dem Leben steht, er ruft: „Lass mich sterben; ich bin nicht besser denn meine Väter;“ und er verbirgt sich, bis Gott sagt: „Was machst du hier, Elias?„ Nun, wenn Elias, der eisernste Heilige der alten Zeit, die Folgen menschlicher Schwachheit fühlte, so können wir das viel mehr noch von David erwarten. So dass ich wiederum sage, wir müssen ihn nicht zu strenge richten, wenn wir nicht bereit sind, mit dem gleichen Maße, womit wir ihn messen, auch uns selber zu messen. Aber es war noch ein andrer Grund da, denn wir dürfen nicht David von Schuld freisprechen. Er sündigte, und dies nicht nur aus Schwachheit, es war auch Böses in seinem Herzen, was die Schuld daran trug. Es scheint uns, dass David im Gebet nachgelassen. Bei jeder andren Handlung finden wir einen Wink, dass er Gott um Rat fragte. Er sagt zu Abjathar: „Lange den Leibrock her;“ und er fängt kein Unternehmen an, ohne erst das Licht und Recht zu fragen, was der Wille Gottes sei. Aber diesmal, womit sprach er? Nun, mit dem trügerischsten Dinge, das er nur finden konnte — mit seinem eignen Herzen, denn „das Herz ist trügerisch über alle Dinge und verzweifelt böse.„ Ich finde nicht, dass er es dem Priester Gottes sagte; er machte es zu einem Gegenstand des Gebetes; er konnte nicht wagen, zu beten, wenn er es auf eigne Hand unternahm. Nein, er handelte nach seinem Kopfe, und man wird bald finden, dass der Kopf ein leerer ist, der urteilen kann, ohne sich an Gott zu wenden. Nachdem er das Gebet unterlassen, beging er die törichte Handlung; er vergaß seinen Gott, er blickte nur auf seinen Feind, und es war kein Wunder, dass er, als er die Stärke und Macht des grausamen Monarchen und die Hartnäckigkeit seiner Verfolgung sah, sagte: „Ich werde eines Tages durch ihn fallen.“ Brüder und Schwestern, wünscht ihr, das Ei des Unglaubens auszubrüten, bis es zu einer Schlange wird? Unterlasst das Gebet! Wollt ihr die Übel vergrößert und die Güter verringert sehen? Wollt ihr eure Trübsale siebenfach vermehrt und euren Glauben in demselben Verhältnis vermindert sehen? Unterlasst das Gebet! Ich sage dir heute, wenn du dein Betkämmerlein vernachlässigst, so werden alle Leiden, die du je gehabt hast, wie nichts sein im Vergleich zu dem, was noch über dich kommen wird. Der kleine Finger deiner künftigen Zweifel wird dicker sein, als die Lenden deiner gegenwärtigen geistigen Angst. Du wirst erfahren, was der Mensch tun kann, wenn er seinen Gott verlässt, und du wirst in der Bitterkeit deiner Seele lernen, was für eine böse Sache es ist, die lebendige Quelle zu verlassen und dir einen löcherichten Brunnen zu graben, der kein Wasser halten kann.

Ich habe, denke, ich, so gut ich kann, die Ursachen von Davids Unglauben dargelegt. Einige davon werden dich treffen, mein Bruder. Meine Schwester, du magst hier dein Teil finden. Nun, wenn du die Ursache herausfindest, denke daran, dass das Heilmittel nahe dabei liegt. Wenn ein vergessenes Betkämmerlein dich weinen macht, so wird ein häufig besuchtes dich lächeln machen. Wenn auf die Aufregung der Wonne Niedergeschlagenheit gefolgt ist, so wird diese Aufregung selbst, wenn du sie wiederum suchst, deine Beste Heilung sein, bis deine Seele, stark gemacht, diese seligen Aufregungen zu ertragen, allmählich gekräftigt wird für die Seligkeit des Himmels, und auf der Erde wirst du fähig sein, den Himmel zu genießen, den einige der Heiligen gekannt haben, ehe sie den Strom des Todes überschritten.

III.

Aber ich muss weiter eilen, denn das Versagen meiner Stimme mahnt mich daran, dass ich bald schließen muss; aber nicht, bis wir in der Kürze über den dritten Punkt geredet haben: Welches waren die schlimmen Wirkungen von Davids Unglauben?

Ich glaube, dies war eine der Sünden, die er meinte, als er Gott bat, die Sünden seiner Jugend und seine früheren Übertretungen zu vergeben. Wir haben so oft auf seine Sünde mit Bathseba geblickt, dass wir geneigt sind, zu denken, er hätte keine andren Fehler. Und doch war, das müssen wir sagen, das Leben Davids während einiger Monate nach diesem Ausruf traurig, und man wünscht, es könne ausgetilgt werden; es war traurig, traurig in der Tat. Aber wir wollen hierüber im einzelnen sprechen, wenn auch kurz.

Was ließ sein Unglaube ihn zuerst tun? Er lieh ihn eine Torheit begehen, dieselbe Torheit, die er schon einmal früher bereut hatte. Wir sagen freilich, ein gebranntes Kind scheut das Feuer; aber David hatte sich gebrannt, und doch steckt er in seinem Unglauben die Hand wieder in dasselbe Feuer. Er ging einmal zu Achis, dem Könige von Gath, und die Philister sagten: „Das ist der David, von dem sie sangen: Saul schlug tausend, David aber zehntausend;„ und David fürchtete sich sehr „und verstellete seine Gebärde und kollerte unter ihren Händen, und stieß sich an die Tür am Tor, und sein Geifer floss ihm in den Bart,“ (für die Orientalen war es das sicherste Zeichen, dass er wahnsinnig war, wenn er seinen Bart verachtete) und sie trieben ihn fort, denn Achis sprach: „Warum habt ihr ihn zu mir gebracht? Habe ich der Unsinnigen zu wenig, dass ihr diesen herbrächtet, dass er neben mir rasete? Sollte der in mein Haus kommen?„ Nun geht er wieder zu diesem selben Achis! Ja, und merkt euch, meine Brüder, obgleich ihr und ich die Bitterkeit der Sünde kennen, so fallen wir doch, wenn wir unsrem Unglauben überlassen werden, wiederum in dieselbe Sünde. Ich weiß, wir sagten: „Nein; niemals, niemals; ich weiß zu sehr aus der Erfahrung, was für eine schreckliche Sache es ist.“ Eure Erfahrung ist keinen Strohhalm für euch wert ohne die beständige Hilfe der Gnade Gottes. Wenn euer Glaube schwach wird, so geht alles andre abwärts; und du, grauaariger Bekenner, wirst ein ebenso großer Tor sein, wie ein Knabe, wenn Gott dich dir selber überlässt. In der Tat, ich muss sagen, bei aller Ehrfurcht, die ich für ein graues Haupt habe, dass von allen Narren in der Welt alte Narren die schlimmsten sind. Ich habe mehr Sündenfälle unter bejahrten Christen gesehen, als unter irgend welch andren, bis man geneigt war zu beten: „Herr, errette die, welche auf den schlüpfrigen Pfaden des Alters sind.„ Ich habe oft gesagt, es gibt in der Schrift kein Beispiel von einem jungen Manne, der in eine große, grobe Sünde gefallen. Alle biblischen Beispiele sind nach der andren Seite hin, und ich meine, ich kann als Pastor dieser Gemeinde sagen, dass die traurigsten Fälle von Exkommunikation, die wir je gehabt, bei Männern stattfanden, die schon etliche graue Haare auf dem Kopfe hatten oder Familienväter waren, weit öfter als bei der Jugend; der Grund dafür ist, glaube ich, dieser: dass der alte Heilige oft anfängt, sich auf seine vergangene Erfahrung zu verlassen, und wenn er das tut, so ist es vorbei mit ihm; denn wir sind gerade eben solche Narren nach siebzig Jahren geistlicher Erziehung, als da wir zuerst in die Schule kamen, falls der Herr uns uns selber überlässt. Wir wachsen; wir lernen, wenn der Herr mit uns ist; aber wenn Er uns verlässt, so sind wir nicht stärker, nachdem wir im Glauben befestigt sind, als wir zuvor waren. Ich sage wieder, wenn wir irgend einen Augenblick von Gott verlassen werden, wer wir auch sein mögen, so würde die Sünde unser Streben und die Missetat unsre Gefährtin sein. Wir müssen dasselbe Gebet: „Halte Du mich, so werde ich sicher sein“ (Ps. 119, 117) bis zum Ende des Kapitels darbringen, und wir müssen unser Leben enden gerade wie David den 119. Psalm endete, mit dem Bekenntnis: „Ich bin wie ein verirrtes und verlornes Schaf, suche Deinen Knecht, denn ich vergesse Deiner Gebote nicht.„ Aber ferner: denn der Anfang der Sünde ist wie das Auslassen des Wassers, und wir gehen von Schlecht zu Schlimmerem, er ging über zu den Feinden des Herrn. Würdet ihr es glauben: er, der Goliath tötete, suchte eine Zuflucht in Goliaths Land; er, der die Philister schlug, traut den Philistern; nein, mehr, er, der Israels Vorkämpfer war, wird der Kämmerer des Achis, denn Achis sprach: „Darum will ich dich zum Hüter meines Haupts setzen mein lebenlang,“ und David wurde der Hauptmann der Leibwache des Königs von Philistäa und half das Leben eines Mannes bewachen, der ein Feind des Gottes Israels war. Ach, wenn wir an Gott zweifeln, so werden wir bald unter Gottes Feinde gezählt werden. Wankelmut wird uns hinüber in die Reihen seiner Feinde ziehen, und sie werden sagen: „Was sollen diese Hebräer hier?„ und die Frage wird von Mann zu Mann gehen: „Ist er nicht der David, von dem sie sangen am Reigen: Saul hat tausend geschlagen, David aber zehntausend? Was tut David hier?“ Bruder, wenn „Stolz vor dem Verderben kommt und Hochmut vor dem Fall,„ so kann ich, ohne die Schrift zu verdrehen, sagen: „Unglaube kommt vor dem Verderben und Zweifel vor dem Fall,“ denn so ist es. „Die Freude des Herrn ist eure Stärke;„ „Der Gerechte wird seines Glaubens leben, wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele keinen Gefallen haben,“ — diese zwei Aussprüche sind zusammengefügt, als wenn der Mangel an Glauben sicher zu einer Umkehr zur Sünde führen würde.

Habt Geduld mit mir, während ich ferner bemerke, dass David nicht nur Gottes Feinden zugezählt wurde, sondern dass er tatsächlich in offenbare Sünde geriet. Ihr werdet dies Kapitel lesen und das folgende und das nächstfolgende nach eurer Muße — und ihr werdet vielleicht heute nachmittag Muße haben; es wird euch abhalten, von Predigern zu schwätzen und von sehr vielen andren Dingen, die man ebensogut ruhen lässt am Sonntag-Nachmittag, denn das gewöhnliche Gespräch am Sonntag-Nachmittag ist dies: „Hörtet ihr je den Prediger N. N. und den Prediger so und so?„ Prediger werden ja für ein passendes Thema am Sonntag gehalten; das heißt, das Durchhecheln derselben. Wenn ihr aber statt dessen diese Kapitel durchlesen wollt, so werdet ihr Nutzen davon haben. David tat zwei sehr böse Dinge. Er handelte als Lügner und Betrüger. Harte Worte, werdet ihr sagen, von David sie zu sprechen; aber sie sind nicht zu strenge. Er zog aus und schlug die Gessariter und verschiedene andre Stämme, und dies tat er oft. Wenn er zurückkam, fragte Achis ihn, wo er gewesen sei, und er antwortete: „Gegen den Mittag Judas“ d. h. er machte Achis glauben, dass seine Ausfälle gegen sein eigenes Volk wären, statt dass sie gegen die Verbündeten Philistäas gewesen. Dies setzte er lange Zeit fort; und dann, da eine Sünde nie ohne eine Gefährtin geht, denn des Teufels Hunde jagen stets zu Paaren, war er des Blutvergießens schuldig, denn in welche Stadt er auch zog, da tötete er alle Einwohner; er schonte weder Mann noch Weib, noch Kind, damit sie nicht dem König von Philistäa sagen sollten, wo er gewesen sei. So führte eine Sünde zu der andren. Und dies ist ein sehr trauriger Teil von Davids Leben. Wer Gott glaubt und im Glauben handelt, der handelt mit Würde, und andre Menschen beugen sich vor ihm und ehren ihn; aber der, der seinem Gott misstraut und in seiner eignen fleischlichen Weisheit zu handeln beginnt, ist bald dies, bald das, bald jenes, und die Feinde werden rufen: „Aha, so wollten wir es,„ während die Gottesfürchtigen sagen werden: „Wie sind die Mächtigen gefallen! wie ist der starke Mann seinem Gegner übergeben worden!“ O, möge Gott der Heilige Geist unsren Glauben an Gott unsren Vater und den Herrn Jesum Christum bewahren, auf dass wir ohne Flecken erhalten bleiben bis an den Tag seiner Erscheinung!

Ferner, nicht nur war David aller dieser Sünden schuldig, sondern er war nahe daran, noch schlimmere zu begehen; offene Taten der Feindseligkeit gegen des Herrn Volk; denn weil David der Freund des Achis geworden war, so sprach dieser zu ihm, als er in den Kampf gegen Israel zog: „Du sollst wissen, dass du und deine Männer sollt mit mir ausziehen in das Heer;„ und David behauptete, er sei willig, es zu tun. Wir glauben, es war nur eine verstellte Willigkeit; aber dann, seht ihr, überführen wir ihn wieder der Falschheit. Der Tag kommt, wo eine entscheidende Schlacht gefochten werden soll, und die Fürsten der Philister treten vor Achis.

„Wo ist David?“ „O! David ist mit König Achis im Nachtrab,„ denn der König hat ihn zum Hauptmann der Leibwache gemacht. Er war so zu einer sehr hohen Stellung erhoben, der Begleiter des Achis, zu seiner Rechten, der Befehlshaber der Männer, die den König im Fall der Gefahr beschützen. Nun, hier ist David, und er zieht hinauf wider sein eigenes Volk, wider seinen eignen König, um dem von Gott erwählten Lande Schaden zu tun. Es ist wahr, dass Gott dazwischen trat und es verhinderte; aber dies war kein Verdienst Davids, denn ihr wisst, Brüder, wir sind einer Sünde schuldig, selbst wenn wir sie nicht begehen, falls wir willig sind, sie zu tun. Und so war es in diesem Falle; nein, es tut uns leid, sagen zu müssen, sogar als die Fürsten der Philister sich dawider setzten und sprachen: „Lass den Mann umkehren und an seinem Ort bleiben, da du ihn hin bestellet hast, dass er nicht mit uns hinabziehe zum Streit und unser Widersacher werde im Streit;“ da sprach David zu Achis: „Was habe ich getan und was hast du gespüret an deinem Knechte, seit der Zeit ich vor dir gewesen bin, bisher, dass ich nicht sollte kommen und streiten wider die Feinde meines Herrn, des Königs?„ und behauptete stets noch, dass er ungern ginge, während er, Gott weiß es, froh genug war, von einem so bösen Gange freizukommen. Wie gut ist es, dass wir einige Feinde haben, denn Gott macht unsre Feinde oft zu unsren besten Freunden. Ich habe vergessen, wer es ist, aber ich meine, es ist Bischof Hall, der in seinen Betrachtungen sagt: „Wenn die Kinder Gottes einen tödlichen Krebsschaden haben, so sind viele ihrer Freunde zu zart, die Lanzette hinein zulassen, aber ihre Feinde tun es aus Bosheit, und dadurch werden sie geheilt; denn oft lässt der Herr unsre Feinde ein Geschwür durchstechen, das sonst sich verschlimmert und unser Leben zerstört hätte, wenn ihre grausame Wunde uns nicht zum Leben von dem Tode geholfen hätte.“ So waren diese Fürsten der Philister Davids Beste Freunde.

Zum Schlüsse. Die letzte Wirkung von Davids Sünde, und hiermit hörte diese durch Gottes Gnade auf, war dies: sie brachte ihn in großes Leid hinein. Lasst mich die Geschichte kurz erzählen, und ich bin fertig. Während David mit König Achis fort war, fielen die Amalekiter im Süden ein und griffen Ziklag, Davids Stadt, an. Aus dem einen oder andren Grunde töteten sie nicht die Einwohner, sondern führten alle Männer, die wenigen, die da geblieben, die Weiber und Kinder, all ihre Geräte, ihr Vieh und ihre Schätze hinweg; sie nahmen alles fort, und als David nach Ziklag zurückkehrte, waren nur die kahlen Mauern und leeren Häuser da, und Ahinoam und Abigail, seine zwei Weiber, waren fort, und die mächtigen Männer, die mit ihm waren, hatten ihre Weiber und Kinder verloren; und sobald sie es sahen, hoben sie ihre Stimme auf und weinten. Nicht nur hatten sie ihr Gold und Silber verloren, sondern alles war ihnen genommen. Diese verbannte Schar hatte ihr eigenes Fleisch und Blut verloren, die Gefährtinnen ihres Lebens. Da wurden sie aufrührerisch gegen ihren Anführer und wollten ihn steinigen. Und hier ist David, ein Bettler ohne einen Pfennig, ein Führer, der von seinen eignen Leuten verlassen war, und wahrscheinlich bei ihnen in Verdacht stand, dass er verräterischerweise die Stadt dem Feinde übergeben hätte. Und dann steht geschrieben, und o, wie gesegnet ist dies Wort: „David aber stärkte sich in dem Herrn, seinem Gott.„ Ah! nun ist David recht; nun ist er zu seinem Ankergrunde zurückgekehrt. Selige Trübsale, die ihn zurücktreiben dahin, wo er die ganze Zeit hätte sein sollen! Sünde und Schmerz gehen zusammen; das Kind Gottes kann nicht ungestraft sündigen. Andre mögen es. Ihr, die ihr Gott nicht fürchtet, mögt hingehen und sündigen, wie ihr wollt, und oft wenig Leiden infolgedessen zu erdulden haben; aber ein Kind Gottes kann dies nicht tun. „Aus allen Geschlechtern auf Erden habe ich allein euch erkannt, darum will ich auch euch heimsuchen in aller eurer Missetat.“ Und deshalb fühlte David die Rute schärfer, als er es je zuvor getan, weil er an seinem Gott gezweifelt hatte. Ah! und was sind wir? Viele von uns glauben an Christum; aber was sind wir, wenn Gott uns verlassen sollte? Lasst uns von Herzen in das Gebet einstimmen: „Herr, stärke uns im Glauben; halte Du uns, so werden wir sicher sein!„ Und an euch, die ihr keinen Glauben an Christum habt, dies letzte Wort. Wenn zeitweiliger Unglaube so schrecklich ist, was muss dauernder Unglaube sein? „Wer glaubet, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht.“ Gott helfe dir. Ungläubiger, Jesum zu vertrauen. Es ist Leben für dich. Es wird Leben in dieser Welt und der zukünftigen sein. Vertraue Ihm deine Seele, und Er wird dich nie verlassen, sondern dich bis ans Ende bewahren und am Ende dich segnen und ohne Ende dich verklären, dass du ewig bei Ihm seiest. Möge der Herr die Worte segnen, die wir gesprochen haben und uns treu machen um Jesu willen. Amen.

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autoren/s/spurgeon/g/spurgeon-die_gefahr_des_zweifels.txt · Zuletzt geändert: von aj
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