Spurgeon, Charles Haddon - Für geängstigte Seelen

Spurgeon, Charles Haddon - Für geängstigte Seelen

Stricke des Todes hatten mich umfangen und Angst der Hölle hatte mich getroffen; ich kam in Jammer und Not. Aber ich rief an den Namen des Herrn: „ O Herr, errette meine Seele. Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.“
Psalm 116, 3.4.8

Die große Trübsal, die hier beschrieben ist, kam wahrscheinlich über David, nachdem er schon lange ein Gläubiger gewesen war. Er hatte das Leben des Glaubens vielleicht jahrelang in ruhiger, glücklicher, stiller Weise geführt; nach und nach kam äußere Trübsal über ihn und nicht geringer innerer Kampf. Zu einer oder der andern Zeit zwischen dem Eingang durch die enge Pforte und dem Übergang über den letzten Fluss muss der Gläubige gewöhnlich einen großen Leidenskampf durchmachen. Meine Beobachtung hat mich gelehrt, das diejenigen, welche mit rauen Zeiten beginnen, oft später einen ebenen Pfad haben, während Anderer, deren erste Erfahrungen sehr sonnig und friedlich waren, weiterhin harte Kämpfe warten. Die, welche sich eines langen, ruhigen und verhältnismäßig leichten Lebens erfreut haben, haben vielleicht ihre stürmischsten Stunden am Ende ihrer Tage, denn einige der besten Kinder Gottes werden, um einen alten Puritanischen Ausdruck zu gebrauchen, „Im Dunkeln zu Bett gebracht“. Ihre Sonne geht in Wolken unter, aber ohne Zweifel geht sie im vollen Glanze des ewigen Morgens wiederum auf. Auf eine oder andere Weise, Bruder, wirst du erkennen lernen, dass

„Der Pfad des Leides und nur er allein
Führt zu dem Land, wo Leid nicht mehr wird sein“.

Die Heiligen droben, welche das neue Lied singen, werden, wenigstens viele von ihnen, durch die Worte beschrieben: „ Diese sind's, die gekommen sind aus großer Trübsal“. Das ist der gewöhnliche Weg zum Himmel und vielleicht erreichen wenige Pilger das Paradies auf einem anderen Pfade.

Lasst die Gläubigen daher nicht auf Freiheit vom Leiden rechnen, sondern nur auf Gnade, die hinreicht, um es zutragen. Lasst sie glauben, das Gottes tröstliche Liebebriefe uns in schwarzgeränderten Umschlägengesandt werden. Wir werden durch das Couvert1) erschreckt, aber, wenn wir das Siegel zu brechen wissen, so werden wir inwendig reiche Schätze für unsere Seele finden. Große Trübsale sind die Wolken, aus denen Gott große Gnaden regnen lässt. Sehr oft braucht der Herr, wenn er uns eine außerordentliche Gnade zu senden hat, seine grauen und wilden Pferde, um sie vor unsere Türe zu bringen. Die ruhigen Flüsse der Behaglichkeit werden meist nur von kleinen, mit gewöhnlicher Ware gefüllten Schiffen befahren, aber eine große, mit Schätzen beladene Galeone durchschneidet die tiefen Meere.

Lasst die Kinder Gottes aus dieser Stelle in Davids Erfahrung lernen, das die Beste Zuflucht in Nöten das Gebet ist. Wenn die Stricke des Todes euch umfangen, betet! Wenn die Angst der Hölle euch getroffen, betet! Wenn ihr in Jammer und Not kommt, betet! Alles Andre, was Klugheit und Weisheit euch eingeben, muss in Zeiten der Not getan werden, aber auf nichts von Diesen müsst ihr euch verlassen. „Die Hilfe kommt vom Herrn“, ob es Hilfe aus den Nöten oder aus den Sünden ist. Ihr tut Recht, das Pferd für den Tag der Schlacht in Bereitschaft zu halten, aber doch, die Sicherheit kommt vom Herrn. Gebraucht die Mittel, aber ersetzt nie den Glauben durch den Gebrauch der Mittel. Wenn ihr alles getan habt, traut auf Gott, als wenn ihr nichts getan hättet, denn „Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst“. Betet in allen Dingen; und seid versichert, wenn ihr in diesem Augenblick in den selbem Zustand seid, in dem David war, so wird euch das Gebet da heraus bringen. Das Gebet ist die Universalarznei, das allgemeine Heilmittel, es besiegt jede Krankheit. In geistlichen Kämpfen hat es tausendfachen Nutzen. Ihr könnt davon sagen: „Hiermit will ich Kriegsvolk zerschmeißen, hiermit will ich über die Mauer springen; hiermit will ich Schild und Harnisch anlegen und hiermit will ich den Feind schlagen“. Das Gebet kann die Schätze Gottes aufschließen, und die Pforten der Hölle zuschließen; Das Gebet kann die Wut der Flammen auslöschen und der Löwen Rachen verstopfen; das Gebet kann den Himmel überwinden und die Macht zu seinem Willen herabbeugen. Nur, Bruder, bete gläubig und in dem Namen des Eingeborenen, und Friedensantworten müssen die gegeben werden.

Ich beabsichtige, heute Abend den Text in einer andern Beziehung zu brauchen. Ich will ihn anwenden und ihn brauchen, und ich glaube, das ich dazu das Recht habe, als eine Beschreibung des Zustandes, in dem ein erweckter Sünder sich befindet. An die Sünder, die zur Erkenntnis ihrer Sünden gekommen sind, möchte ich mich heute Abend wenden, denn ich weiß, es sind Solche in der Versammlung. Ich freute mich, neulich Abends ihr Schreien zu hören und ich habe den Glauben, das Gott vorhat, sie zu segnen und in die Freiheit zu führen. Wir werden zuerst sprechen von dem Zustand dieser armen Seele; dann davon, was der Erweckte tut; und dann von der Errettung, die ihm zu Teil wird.

I.

Zuerst ist hier der elende Zustand, in den manch arme erweckte Seele geraten ist, beschrieben. Aber lasst mich, ehe ich weiter gehe, sagen, das wenn Einige von euch an Christum glauben, und nicht all das gefühlt haben, wovon ich spreche, ihr euch deshalb nicht zu verdammen braucht. Es gibt viele Krankheiten in der Welt und wenn ich ein Übel beschreibe und die Art, wie der Arzt es heilt, müsst ihr nicht sagen: „ Es stehet mit mir gewiss nicht richtig, denn ich fühlte nie jene Phase der Krankheit“. Das tut nichts. Kein Mensch erleidet alle Krankheiten. Wenn ihr euch allein auf Christum verlasst, so beunruhigt euch nicht; das, wovon ich reden will, bezweckt nicht, euch Unruhe zu bringen, sondern andern Leuten Trost.

Nach unserem Texte bemerke ich zuerst, das manches unruhige Gewissen die „Stricke des Todes“ ( Im Engl.: „Schmerzen des Todes“)fühlt; das heißt, es leidet ähnliche Schmerzen, wie die, welche die Menschen auf ihrem Sterbebett erdulden. Ich habe diesen Zustand selber durchgemacht und kann ihn daher mit um so mehr Gefühl beschreiben. Was sind die Schmerzen des Todes?

Einer der Schmerzen bei dem Tode eines Sünders ist der Rückblick. Der sterbende Sünder sieht zurück und sieht nichts in seinem Leben, das ihm Trost verleiht. Er möchte wünschen, das der Tag „finster“ gewesen, an dem man sprach: es ist ein Kind geboren in die Welt, (Hiob 3,4) denn er fühlt, das sein Dasein ein leeres Blatt gewesen ist und schlimmer, als das, eine Beleidigung Gottes und eine Ursache des Elends für ihn selbst. Er kann keinen hellen oder hoffnungsvollen Fleck in seiner ganzen Geschichte sehen. Ebenso weint der wahrhaft erweckte Mensch über eine furchtbare Vergangenheit und klagt, weil alles böse ist und selbst die Dinge, deren er sich einst rühmte, befleckt sind. Er sieht, dass das, was er früher für Gerechtigkeit hielt, Sünde gewesen ist und er wehklagt über sich und spricht in seinem Herzen: „ Wollte Gott, ich wäre nie geboren“. Mancher Erweckte hat mit John Bunyan gesagt, er wünschte lieber ein Frosch oder eine Kröte oder eine giftige Schlange gewesen zu sein, als ein Mensch, der so gelebt, wie er gelebt habe. Fühlst du, lieber Freund, oder hast du je diesen Todesschmerz gefühlt? Einige von uns haben ihn tief empfunden.

Ein anderer Schmerz des Todes ist der Kummer über die Gegenwart. Der Mann liegt da, sich hin und her wälzend auf seinem letzten Bette und all seine Herrlichkeit und Schönheit ist vergangen. Die Blüte der Gesundheit ist von ihm gewichen. Er ist ein ganz Andrer, als er in den Tagen seiner Kraft und Lebendigkeit war, und er weiß das. So ist es mit dem Sünder; er fühlt, das die ausmergelnde Krankheit ihn verzehrt, wie die Motte ein Kleid verzehrt. Seine Frische ist in die Dürre des Sommers verwandelt; seine Herrlichkeit ist eine vertrocknete Blume, und die Vortrefflichkeit seines Fleisches, deren er sich rühmte und sagte, er sei nicht schlechter als Andre und vielleicht sogar besser, ist nun dahin. Wenn der Geist über einen Menschen dahinfährt und findet, das alles Fleisch Gras ist, so dörrt er alles aus; und zerstört so die Herrlichkeit dessen, was der Mensch besitzt, macht seine Trefflichkeit zunichte, bis der Mensch einen tödlichen Ekel vor sich selber empfindet. Der Sterbende sieht auch all seine Kraft schwinden. Vielleicht versucht er, gleich Simson sich aufzurütteln, wie zu andern Zeiten, aber er täuscht sich. Die Füße, die ihn zu seinem Bette trugen, weichen unter ihm und die Hand, mit der erarbeitete, fällt gelähmt an seine Seite. Die Augenlieder selbst können sich kaum noch neigen, um einen Vorhang vor dem Lichte zu bilden oder sich zu erheben, um die freundlichen Strahlen der Sonne zuzulassen . der goldene Quell verläuft und der silberne Strick reißt entzwei. Es ist gerade so mit dem erweckten Sünder. Er fühlt den Tod in seiner Seele. Er pflegte, nach seiner Meinung, zu allem fähig zu sein, seine Idee war, das er Buße tun und glauben könnte, sich bessern und ändern und sich selig machen, wann immer es ihn beliebte; aber nun ist der alte Hauch des Todes über alle seine Kräfte gekommen und er hört selbst Christum in Erbarmen sprechen: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“. „Es kann Niemand zu mir kommen, es sei denn, das ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat“. Der Mensch fühlt eine furchtbare Lähmung in seiner Seele, wenn er wirklich und gründlich erweckt ist, und der Geist Gottes einen sicheren Grund für seine Bekehrung legt. Er sieht seine Schönheit verwelkt und seine Kraft gewichen, und so erfassen ihn die Schmerzen des Todes. Ein andere Schmerz des Todes ist die Entdeckung, das Freunde ihm nichts mehr helfen können. Der sterbende Mann muss Weib und Kinder verlassen; sie möchten ihn gern begleiten, aber sie können nicht. Das teure Weib würde willig dem Tode selber trotzen, wenn sie die Gefährtin des Mannes bleiben könnte, den sie geliebt hat, aber es darf nicht sein. Die tiefste Zuneigung kann jetzt nicht helfen. Der erweckte Sünder erfährt genau dasselbe in Bezug auf geistliche Hilfe. Er würde zu einem Priester aufblicken, aber er wagt es nicht; er würde zu seinem Prediger um Hilfe anflehen, aber er weiß, wenn er es täte, würde er getäuscht werden. Er findet „leer“ auf jeder Kreatur geschrieben, so weit die Bedürfnisse seiner Seele in Betracht kommen. Seine Beulen sind zu schrecklich, als das irgend ein Mann ein Pflaster dafür finden könnte, seine Wunden sind zu tief, als das irgend eine menschliche Hand sie schließen könnte. Die Schmerzen des Todes umfangen ihn in dieser Hinsicht.

Vielleicht ist der schlimmste Schmerz im Tode eines Gottlosen seine Aussicht in die Zukunft. Die Vergangenheit ist schwarz, aber schwärzer noch die Zukunft. Die Vergangenheit ist trübe, aber, o, die Finsternis, die er empfindet, die das jenseits umhüllt! Der Sterbende schaudert vor der fürchterlichen Zukunft und ebenso der erweckte Sünder. Er wagt nicht, vorwärts zu gehen; ihm ist bange und ein schrecklicher Ton ist in seinen Ohren. Ich selbst war, eh ich Gnade erlangte, bange, das jedes Rasenstück, auf das ich trat, sich unter meinen Füßen öffnen und mich verschlingen würde. Mit solchem Gewicht lag die Sünde auf mir, das ich nicht gestaunt hätte, wenn ich in meinen täglichen Gängen, wie Bileam einem Engel mit einem bloßen Schert begegnet wäre und er zu mir gesprochen: „Du bist auf ewig verdammt um deiner Sünden willen“, ich hätte nur vor ihm verstummen oder die Gerechtigkeit des Urteilsspruches bekennen können. So fühlt mancher Sünder sich umfangen von den Stricken des Todes. Sie umgeben ihn alle -diese Schmerzen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.

Die Beschreibung wird noch drastischer im nächsten Satz. Erweckte Sünder fühlen manchmal das, was sie als Pein der Hölle beschreiben: nicht, als wenn irgend eine lebender Mensch die Pein der Hölle in dem Maße ertragen könnte, in welchem sie in der Hölle gelitten wird, aber ein furchtbarer Vorgeschmack jener Pein mag wohl empfunden werden und manchmal empfindet ein erwecktes Gewissen ihn. Was sind diese Höllenqualen?

Zuerst ist da die Pein der Gewissensbisse. Ehe die Seele an Jesum glaubt, hat sie keine Buße, aber sie leidet Gewissensbisse, eine Traurigkeit über die Sünde, um ihrer Strafe willen, ein furchtbares Grauen, das sie ein solches Leben gelebt hat, weil sie sieht, das sie für ein solches Leben bestraft werden muss, und das Gott, der unendlich Gerechte, die Übertretungen rächen muss. Gewissen! Ist sein Zahn nicht so scharf, wie der des niemals sterbenden Wurmes? Ist sein Brennen nicht gleich den Feuern zu Tophet? Als wir es fühlten, schrien wir: „ Meine Seele wünscht erhängt zu sein und meine Gebeine den Tod“. Wenn Gott in seiner Barmherzigkeit die Seele nicht mit ein wenig schwankender Hoffnung aufrecht hielte, selbst ehe sie zum Glauben an Jesum kommt, gewiss, der Mensch würde gänzlich zusammenbrechen unter den Vorwürfen des Gewissens.

Eine der Höllenqualen ist das Gefühl des Gerichtetseins. Die verlorenen Seelen werden die „verdammten“ genannt - das heißt, die gerichteten. Sicherlich, Einige von uns haben, ehe wir an Jesum glaubten, gefühlt, das wir gerichtet seien“. „Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in alle dem, was geschrieben stehet in dem Buch des Gesetztes, das er's tue.“ Ich erinnere mich, wie dieser Fluch durch meine Seele heulte, gleich dem Sturm, der in den Segeltauen eines sinkenden Schiffes daherbraust. Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in alle dem, das geschrieben stehet in dem Buche des Gesetztes., das er's tue. - Ich wusste, dass ich nicht in allem geblieben war, was das Gesetz verlangt und ich wusste, dass ich verflucht war. Und dann kam dieser andere Spruch; er war die evangelische Seite derselben furchtbaren Windsbraut: „Wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet“. - schon gerichtet - „denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohn Gottes“. Wenn zwei solche Winde wie diese beiden Sprüche zusammen treffen, da ist's genug, um das arme schwache Gebäude der menschlichen Natur hinweg zu fegen und eine Zerstörung anzurichten, gleich jener, die das Haus umwarf, in dem die Söhne Hiobs zusammen kamen, ein Fest zu feiern. O, Brüder, es ist kein Geringes - lasst diejenigen, welche es wissen, es euch versichern, die Angst der Hölle gefühlt zu haben.

Vielleicht ist eine der schärfsten Qualen der erwachten Gewissens das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, eine furchtbare Verzweiflung, nicht gelindert durch irgend eine Aussicht auf eine Verbesserung in der Zukunft. Unsrer Einige waren auch dahin getrieben: alle Hoffnung, selig zu werden, war verloren. Manchmal war ein kleiner blinkender Lichtstrahl da, welcher zu sagen schien: „Jesus kam, um die Sünder zu suchen und selig zu machen“; aber wir konnten nicht einmal diesen einsamen Stern jederzeit sehen, denn wir meinten, er sei nicht gekommen, solche Sünder, wie wir wären, zu suchen und selig zu machen; und überdies, da wir ihn früher verworfen hatten, fürchteten wir, das seine Barmherzigkeit auf immer von uns gewichen. Wie verzweifelnd pflegte ich immer diesen Einen Gedanken wiederzukäuen! Ich wünsche jetzt, ich hätte es nicht getan, aber ich weiß, das einige andre es tun und ich möchte mich an ihre Erfahrung wenden. Gott rette ihre leichten Barken aus dem Strudel der Verzweiflung, jenem furchtbaren Strudel, der so viele hinabgezogen hat.

Es gibt eine andere Angst der Hölle, welche die Erweckten fühlen und das ist ein zermalmendes Gefühl des Elends. Obgleich noch nicht in der Hölle - und Gott sei gelobt, ihr werdet nicht dahin kommen - so fühlen doch Einige von euch sich so elend, als wenn sie da schon wären; denn Gewissensbisse, verstärkt durch ein Gefühl des Gerichtetseins und gepeitscht von der Verzweiflung, erzeugen einen furchtbaren Sturm in eurer Seele, bis eurer Herz ausruft: „ Deine Fluten rauschen daher, das hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich“.

„Ich bin von deinem Angesichte verworfen: ich suche dich, aber ich kann dich nicht finden; ich schreie nach dir, aber du hörest mich nicht“. Dann ist die Seele in der Tat zerschlagen. Leset die Bücher Hiob und Jeremia und ihr werdet sehen, was zerbrochene Herzen leiden können. Diese Bücher sind nicht nur für die Leute in alten Zeiten geschrieben, sondern sie beschreiben die gegenwärtige Erfahrung von Menschen, die nach Christo suchen und so verleihen sie oft armen Seelen Trost, wenn kein andrer Teil des Wortes Gottes eine Silbe für sie zu haben scheint.

So habe ich zwei große Worte des Textes genommen - „Die Schmerzen des Todes umfingen mich“ - und „Angst der Hölle hatte mich getroffen“. Aber es war noch schlimmer als dies, denn die arme Seele fühlte keine Erleichterung und wusste keinen Ausweg. Diese Schmerzen und Ängste waren allein, ungemildert, in all ihrem Schrecken gelassen, die Galle war unvermengt, der Essig unvermischt. Beachtet die Ausdrücke:“ Die Schmerzen des Todes umfingen mich“. Es ist ein sehr starkes Wort. Wenn die Jäger ihre Beute suchen, bilden sie einen Kordon um das arme Tier, das getötet werden soll. Das arme keuchende Geschöpf flieht zur Rechten, aber ein Mann mit einem Speer ist da, es flieht zur Linken, aber da sind die Hunde. Vor und hinter ihm sind mehr Speere, mehr Hunde, mehr Jäger; da ist kein Weg zum Entrinnen. So sieht eine erweckte Seele keine Zuflucht, keinen Ausweg, auf dem sie befreit werden könnte. Der Text sagt: „ Die Angst der Hölle ergriff mich“, ( engl. Üb. ) ergriff mich, „als wenn des Löwen Zähne schon das Lamm hielten oder die Klauen der Bären das arme Schaf schon umfassten.“ „Ergriff mich, als wenn Gottes furchtbarer Gerichtsscherge die Hand an seine Schulter gelegt und gesagt hätte: „Ich verhafte dich im Namen Gottes, um dich in das Gefängnis der Hölle zu werfen, wo du auf immer verderben sollst“.“ Manche Seele hat das gefühlt und auch gefühlt, das sie von dem schrecklichen Griff sich nicht losmachen konnte. Einige, die nichts von Zerknirschung und Herzbrechen wissen, fragen: „Warum kommen sich nicht aus solcher Knechtschaft heraus“? Ach, wenn ihr in solchem Zustand wäret, würde diese Frage euch weh tun, wenn nicht erbittern. Ich habe gesehen, das Leute eine Menge Fragen an bekümmerte Herzen tun, die sie selber nicht beantworten könnten, wenn sie in ihrer Gemütsverfassung wären. Fragt ihr einen Mann, der beide Beine gebrochen und auf den Schienen der Eisenbahn liegt,–warum gehst du nicht zu Hause? Warum geht er nicht zu Hause? Sagt lieber - warum tut ihr solche törichte Frage? Wenn eine arme Seele zerbrochen und verzweifelt ist, sagt ihr, was Christus für sie getan hat, und sprecht sehr wenig von dem, was sie zu tun hat, ihr werdet nie den Verzagten dadurch aufrichten, das ihr ihm seine Pflicht vorhaltet, sprecht lieber von Jesu Liebe. Arme Seelen, sie sind so zerstört und umher geworfen, das sie nichts tun können: sagt ihnen, was Jesus getan hat; das ist das Mittel, um Licht in ihre Seelen zu bringen.

Noch eins, der Psalmist fand keinen Trost in irgend einer Anstrengung, die er machte. Das liegt im letzten Satze der Beschreibung in unserem Texte. „Ich fand Jammer und Not“; (engl. Übersetzung.) so das er nach etwas suchte, aber das einzige Resultat seines Suchens, war, das er Jammer und Not fand. Erinnerst du, lieber Christ, wie du in jenen Tagen , als du noch unter dem knechtischen Joch warst um deiner Sünde willen, dich abmühtest unter Moses, deine Seligkeit selber zu schaffen durch dein eigen Gutes? Was erhieltest du? Gewiss du fandest Not in der Arbeit und Jammer als ihren Lohn. Du warst wie das Pferd in der Mühle; die Peitsche ward oft genug gebraucht, aber sie brachte dir nichts als das Gefühl, das Alles fehlgeschlagen, die Überzeugung, das alles, was du getan, eher eine Beleidigung Gottes sei, da du einem Antichrist, deiner eigenen Gerechtigkeit dientest, als irgend welche Hilfe zu einer Sühne deiner Sünde. Du fandest Jammer und Not. Vielleicht gingst du zu dem Herrn Gesetzlich und er und sein Sohn, Herr Sittlich, taten, was sie konnten, für dich; aber falls du wirklich erweckt warst, so war alles, was du durch sie erhieltest, Jammer und Not. Das war das ganze Resultat. Es ist möglich, das du über die Straße hinüber gingst in den Zeremonienladen,– einen der ritualistischen Götzentempel besuchtest, den Vorstellungen dort beiwohntest und dir dann gesagt wurde, das ein Priester dich absolvieren und eine äußere Form und Zeremonie deine Seele beruhigen könnte. Ach, wenn du eine lebendige Seele warst, so fandest du Jammer und Not an all diesen Narreteien , und jetzt bist du dahin gekommen, mit tiefer Verachtung darauf zu blicken, als auf den unerträglichen Betrug irgend eines Zeitalters, seit die Menschen, „viele Künste suchen“. Vergeblich ist es, vor einem hungrigen Magen die Harfe zu spielen oder vor einem zerbrochenen Beine zu tanzen und eben solcher Spott sind alle tiefe Posituren und Vermummungen des Romanismus für die, deren Herzen ihrer Sünden wegen bluten.

„Jesus, Jesus ganz allein
Macht uns von der Sünde rein“.

Wenn sie anderswo suchen, werden sie Jammer und Not finden und nichts mehr.

Gewiss, das ist eine arge Klemme, in die man geraten. Was ist zu tun? Was ist zu tun? Sünder, nichts ist zu tun; wenigstens nichts, was du tun kannst. Du bist so eingeschlossen, das du von Jesu gerettet werden oder verloren gehen musst. Mir gefiel die Bemerkung, die ein lieber Bruder neulich auf dieser Plattform machte, das Prediger des Evangeliums Fischer wären und das wir mit Netzen fischen sollten. Es wäre durchaus ein Irrtum, das wir die Leute mit einem Köder fangen sollten; das sei Angeln und in Christi Auftrage sei nichts von angeln enthalten. Wir sollen mit Netzen fischen. Nun, wozu ist das Netz? Das Netz ist da, um die Fische einzuschließen; es ist unter ihnen, um sie herum, überall und schließt sie so ein, das sie nicht heraus können. Das ist gerade das, was Gott armen Sündern tut, die er retten will. Er schließt sie vollständig ein, Er legt das Netz um sie herum und sie können nicht hinaus. Nun, wenn das Netz die Fische ganz einschließt, kann der Fischer des Evangeliums sie aus dem Meer der Sünde ziehen und in das Boot heben, wo Jesus sitzet. Wir müssen das netz rund um sie legen - sie durch das Netz einschließen, damit sie zu Jesu gebracht werden. Jeder Ausweg zum Entrinnen ist dir auf immer verschlossen, Sünder, außer einem und das ist Christus welcher spricht: „ Ich bin die Tür“. Es gibt keine andere Tür, weder oben noch unten, weder rechts noch links, weder vor dir, noch hinter dir. Du bist ruiniert und dem Verderben anheim gefallen, o Sünder, und umkommen musst du, wenn du dir selbst überlassen bleibst. Es ist Niemand auf Erden oder im Himmel, der dir helfen kann, außer einem Einzigen; und, o, wenn der Herr dich dahin brächte, auf ihn zu blicken, welch eine selige Sache wäre das.

II.

Dies führt uns zu dem zweiten Teil unserer Rede, nämlich das, was der erweckte Sünder tut. „Aber ich rief an den Namen des Herrn“.

Was tat er? Zuerst, er rief an - rief an den Namen des Herrn, rief zu ihm, sprach zu ihm, erhob sein Herz und erhob seine Stimme und rief, wie Jemand tut, der sich im Neben verirrt hat und einen Nachbarn ruft, in der Hoffnung, eine Stimme zu hören, die ihn leiten werde; oder wie Einer, der weit weg in den Wäldern Australiens ist und einen Ruf erschallen lässt, hoffend, das eine menschliche Stimme darauf antworten werde. Dieser Ruf wird oft beschrieben als ein Schrei - eine natürliche, einfache, nutzlose, misstönende, aber sehr wirksame Art, unsere Not kundzugeben. O Sünder, wenn Gott wirklich sein Werk in dir gehabt hat und dich zu dem Punkt gebracht, den ich jetzt beschrieben, so wirst du jetzt Gott anrufen, dein Herz wird jetzt gleich zu Gott schreien. Tränen werden für dich sprechen, Seufzer werden für dich sprechen, dein Herz in seinem schweigen wird zu Gott sprechen und seinen Namen anrufen.

Nun, bemerkt, das er sagt: „Aber ich rief an den Namen des Herrn“. Es wird nicht mehr ein Anrufen der Prediger sein oder ein Anrufen der Priester oder ein Anrufen des eigenen Ichs, sondern: „ich rief den Namen des Herrn“. Der Sünder hatte bis dahin den Herrn vergessen, nun kam ihm der Herr wieder ins Gedächtnis. „Da schlug er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben“; so erinnerte sich der verlorene Sohn seines Vaters. Wenn wir unter die Säue geraten, und begehren unseren Bauch zu füllen mit Trebern und es nicht können, dann fangen wir an zu Gott zu beten, den wir vergessen haben. „Ich rief an den Namen des Herrn“. Nun, was konnte er Besseres tun, denn wer konnte ihm helfen, wenn die Stricke des Todes ihn umfingen? Wer, als derjenige, der en Tod überwand und das Grab besiegte? Wer kann uns helfen, wenn die Angst der Hölle uns trifft, als der, welcher die Qualen der Todesstrafe erlitt, die wir verdient hatten und der beide, den Tod und die Hölle in den feurigen Pfuhl geworfen? Wer kann dem Hoffnungslosen so gut helfen als der Sieger über Hölle und Tod? Wer kann Mitgefühl mit uns haben, wie der Herr? Der Herr Jesus hat selber die Schmerzen des Todes gekannt und deshalb hat er Mitleiden mit den Menschenkindern, Ist er nicht selber der Menschensohn, der versucht ist allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde? Armer Sünder, ich versuchte, dich einzuschließen, aber nun zeige ich dir eine offene Tür. Rufe den Namen dessen an, der deinen Zustand kennt und fähig ist, ihn zu ändern und ich zu befreien.

Wann rief er an? Das ist der wichtige Punkt in diesem Wort, „Da rief ich an den Namen des Herrn“.(engl. Über.) Da. War es das erste Mal in seinem Leben? Vielleicht war es das. Beginne sogleich, o Sünder. Beachte, er sagt: „Die Schmerzen des Todes umfingen mich, und die Angst der Hölle ergriff mich, ich fand Jammer und Not: Da rief ich den Namen des Herrn an“. Als sein Zustand am allerschlimmsten war, da rief er Gott an. Warum wartete er nicht, bis es besser geworden? Er wusste, das Aufschieben gefährlich ist. „Da rief ich“. Hätte er gezögert, bis es besser geworden, so würde er überhaupt nie gerufen haben; aber er rief da, und obgleich es das erste Mal war, schämte er sich nicht, das Eis zu brechen oder wenn er sich schämte, tat er es dennoch und es gelang ihm. Gesetzt, du hättest bis zum heutigen Abend noch niemals zu deinem himmlischen Vater aufgeblickt und du wärst jetzt in der schlimmsten Lage, in der du je gewesen wärest. Was dann? Gerade dann ist es Zeit zu beten. Nun brauchst du deinen Gott; und nun kannst du deinen Gott haben. „Da rief ich“; Ihr seht ihn nicht zu Gott rufen, ehe Gott Tod und Hölle hinter ihm herschickt. Er war ein Schaf, das in die Irre ging und so sehr das herumwandern liebte, das es nicht zurückkehren wollte, bis die zwei wildesten Hunde, die der große Hirte hält, hinter ihm her kamen, dann erst kehrte es willig zurück. Ich wünschte halb, Gott möchte Tod und Hölle hinter einigen von euch hersenden, die sonst niemals kommen wollen und das sie euch zausen und zerreißen möchten und euch zu dem großen Hirten zurück treiben. „Da rief ich“, das heißt, als ich Niemand Anders anrufen konnte. Kein Sünder ruft je Gott an, bis er findet, das er nirgend anders hingehen kann; und doch nimmt Gott diese Nichtsnutzigen an. Obgleich wir nur kommen, weil wir zum Kommen gezwungen sind, will er uns doch aufnehmen. In den Hafen der freien Gnade läuft nie ein Schiff ein, es sei denn durch das Ungetüm des Wetters dazu getrieben; wenn das Wetter brauset und der Wind tobet und der Sturm losgelassen ist und das Schiff dem Untergange nahe, dann wird der Herr Eigenwille, der vorher das Steuer lenkte und sprach: „ich will in jenen Hafen niemals einlaufen“, plötzlich unterwürfig und schreit: „O, das wir einen Stoß himmlischen Windes hätten, um uns durch die zwei roten Lichter hindurch, gerade in das sichere Wasser zu treiben, wo wir in Frieden fahren könnten“. Ich bitte Gott, einen Sturm hinter jedem Jonas unter euch her zu schicken, damit ihr doch an den rechten Ort gebracht werdet und sicher am Ufer des freien Erbarmens landet. „Da rief ich an den Namen des Herrn“.

Und nun sein Gebet, Hier ist es - „O Herr, errette meine Seele“. Ein sehr natürliches Gebet, nicht wahr? Er sagte gerade, was er meinte und meinte, was er sagte, und das ist die rechte Art, zu beten. Es ist ein sehr kurzes Gebet. Manches Gebet ist zwanzig mal zu lang. Es wird erstickt unter einer Bettdecke von Worten. Es gibt Zeiten, wo ein Christ stundenlang beten kann; aber es ist ein großer Irrtum, wenn christliche Brüder ihre Bitten nach der Uhr abmessen. Die große Hauptsache ist nicht, wie lange ihr betet, sondern wir ernstlich ihr betet. Beachtet lieber das Leben des Gebets, als seine Länge. Wenn euer Gebet den Himmel erreicht, so ist es lang genug. Wenn es nicht den Herrn erreicht, wäre es nicht lang genug, um von Nutzen zu sein, wenn es auch eine ganze Woche dauerte.

Es war ein demütiges Gebet: „O Herr, ich flehe dich“.(engl. Übersetzung) Es ist die Sprache Eines, der in den Staub gebeugt ist. Es war ein dringendes Gebet: „O Herr, ich flehe dich, errette meine Seele“. Aber ich möchte vor Allem, das ihr beachtet: es war ein Schriftgemäßes Gebet. Es sind drei große kleine Gebete in der Schrift:–“ O Herr, ich flehe dich, errette meine Seele“, „Gott, sei mir Sünder gnädig“; und „Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst“. Diese sind alle in dem Vater Unser enthalten. „O Herr, ich flehe dich, errette meine Seele“, ist: „Erlöse uns vom Übel“; „ Gott sei mir Sünder gnädig“,–was ist das anders als: „Vergib uns unsere Schuld“? Und was ist das Gebet, „ Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst“, anders als jene große Bitte: „Dein Reich komme“? Wie wunderbar umfassend ist das Gebet, was unser Herr uns zum Muster gegeben hat. Alle Gebete können in dasselbe zusammengefasst oder aus demselben herausgezogen werden.

Lasst Niemanden hier sagen: „ich bin in dem Elend, das du beschrieben hast, aber ich kann nicht beten“. Warum nicht? „Ich habe keine Worte“. Du brauchst keine Worte: wortlose Gebete sind oft die besten. „Aber ich kann nur stöhnen“. Stöhne nur zu, Bruder. „Aber ich fühle, als wenn ich nur seufzen könnte“. Seufze denn . „Mein Herz tut weh, aber ich weiß mich nicht auszudrücken“. Drücke dich nicht aus; lass dein Herz nur weh tun, aber lass dein Weh auf zu Gott gehen. Richte alle deine Wünsche auf ihn und lass dies die dringende Bitte deines Inneren sein: „O Herr, ich flehe dich, errette meine Seele“. Ihr wisst, wir haben ein Gesetz, das die Leute in den Straßen nicht betteln dürfen. Ich kenne einen Mann in einer gewissen Straße, der nicht bettelt und doch bettelt. Die Polizei würde ihn nicht betteln lassen und deshalb bettelt er niemals, –er nicht. Es würde Verleumdung sein, von ihm zu sagen, das er bettelt, er trägt nur ein Paar Schuhe, durch welche ihr seine Zehen und die Seiten seiner Hacken sehen könnt; ihr seht die Knie durch die Beinkleider durchschimmern; seine Wangen sind eingesunken und seine ganze Erscheinung ist die eines Schwindsüchtigen, der bald sterben muss. Er hat die Schwindsucht nun viele Jahre gehabt und ist täglich ganz behaglich dem Tode nahe. Ich glaube, wenn ich zu ihm sagte: „Bist du ein Bettler“? so würde er antworten: „Bettler? Nein, mein Herr, gewiss nicht, ich bettle niemals“. Doch ist er einer der Bettler, die am meisten erhalten. Seine Blicke betteln, seine Lumpen betteln, sein Fleisch bettelt, seine Mattigkeit bettelt, sein krankhaftes Aussehen bettelt, Alles an ihm bettelt. Der ganze Mensch bettelt. Das ist die Weise, wie man beten muss. Schüttet euer Herz vor dem Herrn aus, mit oder ohne Worte, wie ihr es am leichtesten findet, aber lasst euer Innerstes wirklich voll Verlangen sein. Seid entschlossen, den Segen zu gewinnen. Tut, wie neulich Abends Einer tat, der zu sich sprach: „Ich bin eine verlorene Seele, aber ich will nicht aufstehen von diesem Platze, bis ich meinen Heiland finde. Ich bin entschlossen, Vergebung zu erlangen oder auf meinen Knien zu sterben“. Er schrie und stöhnte und errang den Sieg. Wir hätten sein Jammerschrei nicht hören mögen, denn es war keine Schönheit oder Eleganz in seiner Sprache und keine Musik in seinem Ächzen; aber der Herr hörte ihn und errette seine Seele.

„O Herr, ich flehe dich, errette meine Seele“, ist ein für solchen Zustand sehr angemessenes Gebet und in jeder Weise dafür passend. O, das alle Gebete so passend wären, wie dieses. Dies ist das Weiseste für jede arme, geängstigte Seele in ihrer Zeit der Not. Sie muss durch den einfachen Glauben an Jesum, ihre Wünsche an dem Kreuze aufseufzen uns sagen: „Jesus, Heiland, mache mich nun selig und errette meine Seele.“

III.

Unser dritter Punkt ist die Errettung, und hier weise ich euch auf den achten Vers.

Dieser arme, flehende, zweifelnde, zitternde Beter erhielt das, worum er bat. Er sprach: „O Herr, errette meine Seele“, und nicht lange, da sang er: „ Du hast meine Seele errettet“. Wie das Echo der Stimme antwortet, so antwortet der Herr seinen Bitten. Wenn du mit deinem ganzen Herzen um Errettung flehst, dein Auge auf Christi Kreuz gerichtet ist, so wirst du sie erhalten. Wenn du dich vor Jesu nieder wirfst und zu ihm sagst: „Wenn ich umkomme, so will ich vor deinen durchbohrten Füßen umkommen“, dann wirst du nicht umkommen. Wenn du aufrichtig um Vergebung schreist, wie der Zöllner, so wirst du gerechtfertigt hinab gehen in dein Haus.

Bemerkt ferner, er erhielt das, worum er bat und es kam von Dem, den er darum gebeten. „Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen“. Es ist unsre Wonne, unsre Seligkeit ganz dem dreieinigen Gottes zuzuschreiben. Einige Brüder sind etwas unklar in ihren Reden über die Seligkeit des Menschen; aber wenn ihr zu der inneren Erfahrung aller wahren Gläubigen kommt, werden sie euch immer sagen, dass sie sich nicht selber selig machten und sie stimmen darin überein, dass sie nicht durch ihren eigenen Willen oder ihr eigenes Verdienst selig geworden, sondern durch die freie Gnade Gottes allein. Die Selbstgerechten mögen durch sich selber oder durch ihre Nebenmenschen Errettung erlangen; aber die, welche der Heilige Geist von ihrer Sünde überführt, müssen von dem Herrn selber errettet werden; nichts Andres als ein göttliches Heil kann ihnen genügen. „Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen“. Mein Zustand war ein solcher, in dem Niemand als du selber, mein Gott, mir helfen konntest. Meine Schmerzen erforderten die Stärkungen der Allmacht; nur das Blut Jesu und der Balsam des Heiligen Geistes konnten mich trösten.

Beachtet wiederum, dieser Segen kam in solcher Weise zu ihm, das er sich desselben bewusst war. „Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen“. Er sagt nicht: „Ich hoffe, du hast“, sondern: „Du hast“. „Ich weiß es, ich bin dessen gewiss, ich freue mich darüber.“ Es ist nicht: „Ich habe den Segen in Gemeinschaft mit vielen Andern erhalten und ich hoffe, dass ich einen Anteil daran habe“. Nein; sondern: Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen. Wenn kein anderer Erretter in der Welt ist, ich bin einer. Der Glaube, welcher allein auf Jesum blickt, ist eine aneignende Gnade, und setzt die Seele in den Stand, zu sagen: „Er hat mich geliebt, und sich selbst für mich dargegeben“. Wie eine liebe junge Freundin mir letzten Montag sagte, als ich mit ihr über ihre Seele sprach: „Ich kann dahin, das ich sah, Christus liebt mich so sehr als wenn kein anderer Mensch in der Welt wäre und ließ sein Leben an meiner Statt, als wenn kein anderer Sünder gewesen wäre, der sein Blut nötig hätte. Als ich Christum ganz für mich allein hatte, da freute ich mich in ihm; und nun“, sagte sie, „möchte ich, das jeder Andere ihn auch hätte“. Es ist gerade so, wir müssen ihn mit einer heilige Begier haben, die ihn rund herum einhegt, ganz für uns selbst, dann werden wir eine weitherzige Liebe für Seelen haben und wünschen, das jeder Andre denselben teuren Christus kenne. So erhielt der Psalmist, wie ihr seht, das worum er bat, es kam von ihm, zu dem er betete und es kam in einer bewussten Art zu ihm. Aber ich möchte, das ihr noch Eins betrachtet. Er erhielt sehr viel mehr, als das, worum es bat. Er betete: „ O Herr, errette meine Seele“, und Gott errettete seine Seele vom Tode, sein Auge von den Tränen und seinen Fuß vom Gleiten. Er bat um Eins und erhielt es und noch zwei andre Dinge daneben; denn es ist unseres himmlischen Vaters Art, überschwänglich zu tun, über alles, was wir bitten und verstehen. Gelobt sei sein Name.

Er erteilt Errettung vom Tode; denn Seelen können sterben, obgleich sie nicht aufhören können, zu existieren. Sie sterben, wenn sie von Gott getrennt sind, wie Adams Seele an dem Tage starb, da er von der verbotenen Frucht aß; und wie alle Seelen tot sind, bis sie durch Bereinigung mit Gott zu einem geistlichen Leben erweckt sind. Durch Gottes Gnade ward David errettet von dem geistlichen Tode, der in uns herrscht und dem ewigen Tode, zu dem derselbe führt.

Seine Augen wurden auch von den Tränen befreit. Wer ist nicht frei von Schmerz, wenn er frei von der Furcht der Todesstrafe ist? Der Vergebung, wo immer sie kommt, folgt die Freude auf dem Fuße.

Und dann, nachdem er Errettung und Freude bekommen, gab ihm der Herr Beständigkeit. Diese Füße, die so geneigt zum Gleiten waren, wurden auf festen Boden gestellt und die Furcht vor künftigem Abfall, ward hinweggetan, durch die Sicherheit, die Gott in seiner Gnade ihm gab, das er ihn nimmer verlassen wolle. So hatte er einen Segen für seine Seele, seine Augen und seiner Füße -Errettung Freude und Beständigkeit.

Das letzte Wort, welches gesagt werden soll, ist dies - diese selben Segnungen können Andre erhalten. Wenn ich zu Einigen spreche, die jetzt die Erfahrungen Davids durchleben oder etwas Ähnliches, oder zu Einigen, die keine solchen Erfahrungen haben, aber nichts desto weniger das ewige Leben begehren, möchte ich ihnen sagen, bedenkt, der Grund, warum David gehört ward, lag nicht in seinem Gebet oder in ihm selber, sondern in Gott. Leset den Vers, der auf meinen ersten Text folgt - den fünften Vers: „ Der Herr ist gnädig und gerecht und unser Gott ist barmherzig“. Das ist es, weshalb der Herr Davids Gebet erhörte - weil er gnädig ist und es liebt, den Sündern Gnade zu erzeigen. Es war auch, weil er gerecht ist, und deshalb seine Verheißung hält. Er hat eine Verheißung gegeben, das er das Gebet erhören will und er hat gesagt: „So wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, das er uns die Sünde vergibt“, und deshalb will er in Gnade und Gerechtigkeit uns hören.

Bedenkt auch daran, dass, wenn euer Elend gleich Davids ist, ihr dasselbe Gebet brauchen könnt, weil ihr dieselben Verheißungen habt. Gottes Verheißungen sind nicht aufgebraucht und vertan, so dass sie euch nichts mehr nützen. Wenn für ein halb Dutzend Leute ein gutes Mahl bereitet ist und sie es ganz verzehren und nachher sechs andre kommen, nun, so müssen sie leer ausgehen: aber mit Gottes Verheißungen ist es nicht so; von ihnen nähren sich Myriaden und doch bleiben sie immer dieselben. Zehn tausend Seelen hat Christus gespeist und sie haben von ihm erhalten, was sie brauchten und doch mögen noch zehntausend kommen.

„Du sterbend' Lamm, dein teures Blut
verliert die Kraft zu keiner Zeit,
bis die erlöste Seele ruht,
von Sünden frei in Ewigkeit“.

Lasst uns denn daran gedenken, das wir dieselben Verheißungen und denselben Gott haben. Das dasselbe Gebet von jedem Unbekehrten hier getan werden: „O Herr, errette meine Seele“. Gottes Antwort darauf ist: „Glaube an meinen Sohn, Jesum Christum. Traue ihm ganz und deine Seele ist gerettet“.

„Die Wunden hält dir Jesus zu,
Die Sicherheit und süßte Ruh,
Darin der Zuflucht finden kann,
Der ihn im Glauben sieht an“.

Traue auf ihn und du bist errettet, denn so spricht der Herr: „ Er soll erlöst werden, dass er nicht hinunterfahre ins Verderben; denn ich habe eine Versöhnung gefunden“. Wende deine Augen zu dem, was Jesus Christus getan hat, Ruhe in seinem vollendeten Opfer und gehe freudig deines Weges. Möge Gott der ewige Geist jeden von euch armen Sündern dahin führen und ich möchte euch bitten, wenn er das tut, kommt und lasst es uns wissen. Tut, wie der Psalmist euch durch ein Beispiel lehrt. Sagt: „ Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den heilsamen Kelch nehmen und des Herrn Namen predigen. Ich will meine Gelübde dem Herrn bezahlen vor allem seinem Volk“. Verbergt nicht seine Liebe: bekennt sie zu seiner Ehre, zum Throne seines Volkes, zur Ermutigung seines Dieners, und zur Stärkung seiner Kirche. Der Herr sei mit euch, Brüder und Schwestern, um Christi willen. Amen.

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