Spurgeon, Charles Haddon - Die eherne Schlange.

Spurgeon, Charles Haddon - Die eherne Schlange.

Und wie Moses in der Wüste die Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden; auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ - Joh. 3, 14.

Die Gelehrten erklären uns, dass alle Sprachen auf Bildern beruhen, dass die Sprache der uncivilisierten Völker bloß Bilder enthält, und dass in der Tat die Sprache der gebildetsten Nationen, auf ihren Ursprung zurückgeführt, sich von einem Grundstock von sinnbildlichen Formen ableitet, die der Verstand auffasst und in der Sprache benützt. Das wissen wir Alle wohl, dass wenn wir die Kinder wollen sprechen lehren, wir ihnen gewisse Laute vorsagen, welche mit dem Geschrei derjenigen Tiere übereinstimmen, die wir bezeichnen wollen, während die uns bekannten Namen der Tiere ganz anders lauten.

Nun, Geliebte, gerade so wie mit der natürlichen Sprache, verhält sichs auch mit der geistlichen Sprache. Nikodemus war erst ein Kindlein in der Gnade. Als der Herr Jesus ihn über Dinge des Reiches Gottes wollte reden lehren, unterhielt er sich nicht in abstrakten Worten mit ihm, sondern er gebrauchte solche bildliche Ausdrücke, aus welchen er die Sache fasslicher vernehmen und verstehen konnte, als aus bloßen Begriffen. Als er sich mit Nikodemus unterredete, sprach er kein Wort von Heiligung, sondern er sagte: „Es sei denn, dass Jemand geboren werde aus Wasser“ (Joh. 3,5.). Er sprach kein Wort von der gewaltigen Änderung des Herzens, sondern er sagte: „Es sei denn, dass Jemand von Neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (V. 3). Er wollte ihm im Anfang nicht viel vom Geist reden, sondern er sprach: „Der Wind wehet, wo er will“ (V. 8); und als er ihn über das Wesen des Glaubens belehren wollte, sprach er nicht: „Durch den Glauben sind wir Christo angeleibt, und empfangen das Heil durch unser lebendiges Haupt;“ sondern er sprach: „Gleichwie Moses in der Wüste die Schlange erhöht hat.“ Und so findet die erste geistliche Unterhaltung zwischen Bekehrten immer in Bildern statt. Nicht die Briefe Pauli, welche bloße Lehrschriften sind, sondern die Worte Jesu müssen vor Allem den Sündern vorgehalten werden, bevor sie vom Heiligen Geist erleuchtet sind und die Reichsgeheimnisse verstehen. Und ich glaube, ich habe nun auf den Grund hingewiesen, warum unser Heiland mit Nikodemus in lauter Gleichnissen redete: weil die Wurzel einer jeden Sprache aus Bildern besteht.

Und nun möchte ich heute mit euch, Geliebte, ganz einfach von dem Glauben an den Herrn Jesum handeln, in welchem die Menschen selig werden, und zwar möchte ich dem Beispiele in unserm Texte folgen und suchen es zu machen, wie unser Herr und Heiland, auf dass ich das Wesen des Glaubens ganz klar mache denen, die noch Kindlein in der Gnade sind.

Wir wollen demnach, teure Freunde, zuerst das Volk in der Wüste kennen lernen, als ein Abbild derer, die in Sünden wandeln. Dann wollen wir die eherne Schlange betrachten, das Vorbild des gekreuzigten Christus. Dann lasst mich euch zeigen, was mit der ehernen Schlange sollte getan werden; sie sollte erhöht werden, und so musste auch Christus erhöht werden. Und endlich wollen wir erwägen, was die von den feurigen Schlangen Gebissenen zu tun hatten: sie sollten die eherne Schlange ansehen; und so müssen die Sünder an Christum glauben.

I.

Unser erstes Bild zeigt uns die Menschen im Sündenzustand, und das Bild ist entlehnt von den Kindern Israel in der Wüste, als sie von den feurigen Schlangen angefallen wurden. Könnt ihr euch wohl das Entsetzen und den Abscheu vorstellen, der sich auf den Gesichtern der Israeliten malte, als sie zum ersten Male sich von einem Heere feuriger, fliegender Schlangen angegriffen sahen? Tapfer hatten sie im Wetter der Schlacht gegen Amalek ausgehalten; das aber waren Feinde, die beim Anblick des Schwertes nicht bebten. Moses hatte sie streiten gelehrt mit Bogen, wie geschrieben stehet im Buch der Frommen (vgl. 2 Sam. 1,18.); aber diese waren Solche, denen kein Pfeil etwas anhaben konnte. Sie hatten Mühsale, Hunger und Durst ertragen; zuweilen hatte sie die Sonne am Tage gepeinigt und der Frost bei Nacht, und hätte nicht Gott sie behütet, so hätten die Schrecken der Wüste sie aufgerieben. All das hatten sie ertragen und hatten sich daran gewöhnt; aber diese feurigen Schlangen waren etwas Neues, und alle neuen Schrecknisse sind umso schrecklicher, weil sie neu sind. Könnt ihr euch vorstellen, wie sie einander von den furchtbaren Fremdlingen zu erzählen anfingen, die sie erblickt hatten! und könnt ihrs euch denken, wie sich ihr Angstgeschrei gleich einem Sturmwind von einem Ende des Lagers zum andern verbreitete?

Und nun, teure Freunde, wenn ein Jeder von uns seine Lage in dieser Welt erkennte, so müsste uns heute ein gleiches Gefühl überwältigen, wie Israel, als es von den Schlangen überfallen wurde. Wenn unsre Kindlein in diese Welt geboren werden, so glauben wir, dass sie mit der Sünde behaftet sind; aber es ist nicht minder schrecklich, wenn wir uns vorstellen, dass auch dann, wenn diese Schlange sie nicht schon bei der Geburt gebissen hätte, sie dennoch überall von unzähligem Bösen umlauert sind! Kann ein Vater seinen Sohn in diese verderbte Welt hinausschicken ohne Bangen, da er weiß, wie viel Böses dort auf denselben wartet? Und kann ein Christ mit Zuversicht inmitten dieses gottlosen und verderbten Geschlechtes wandeln, ohne die Überzeugung, von Versuchungen umgeben zu sein, die ihm tausendmal gefährlicher werden müssten, als die verderblichsten Schlangen, wenn er ohne höhere Bewahrung nur sich selbst überlassen wäre?

Aber das Bild muss noch dunkler werden; wir müssen noch tiefere Schatten hineinmalen. Schauet sie an, die Gebissenen! Könnt ihr euch ihren erschütternden Jammer und ihre entsetzlichen Krämpfe vorstellen, als das Schlangengift in ihren Adern zu wüten begann? Die alten Berichte sagen, dass der Biß dieser Schlangen eine solche furchtbare Hitze im Körper verursachte, als ob glühendes Erz in den Adern brennte. Die Gebissenen litten unsäglichen Durst; sie tranken unaufhörlich und schrien ununterbrochen nach Wasser, um den in ihnen zehrenden Brand zu ersäufen. Es war eine Gluth in den Brunnen ihres Lebens gegossen, welche von da aus alle Nerven und Sehnen durchraste; sie wurden von Qualen gefoltert und starben unter den fürchterlichsten Martern. Nun, teure Brüder, wir können freilich nicht sagen, dass die Sünde augenblicklich eine solche Wirkung hervorbringt auf diejenigen Menschen, über die sie Gewalt erlangt hat; aber wir bezeugen, dass wenn die Sünde ungehemmt wirkt, sie noch weit größeres Unheil und Elend anstiftet, als je der Biß der feurigen Schlangen hätte anrichten können. Freilich ahnt der Jüngling, der den Giftbecher der Verführung schlürft, nicht, dass eine Schlange darin ist, denn die Schlange liegt in der Hefe verborgen; gewiss ahnt die Hoffärtige, die sich mit ihren Juwelen behängt, und sich in ihrem Stolze so behaglich dünkt, nicht, dass sie um die Brust mit einer Schlange gegürtet ist; denn das erkennt sie nicht für eine Schlange, aber sie wird es erkennen, wenn die Tage ihrer Lust ein Ende nehmen. Auch weiß der Flucher, der Gott verflucht, nicht, dass eine Viper ihm das Gift eingeflößt hat, das er gegen seinen Schöpfer ausschäumt; aber ein künftiger Tag wird ihms beweisen. Sieh dort jenen zerrütteten Säufer! Jahre des Lasters haben alle Manneskraft in ihm zerstört, und als ein armes, schwaches Geschöpf schwankt er seinem Grabe zu; die Säulen seines Hauses sind morsch, seine Kraft ist dahin, und das, was Gott zu seinem Ebenbild erschaffen hatte, ist ein Bild des leibhaften Elendes geworden. Sieh dort den Wollüstling; das Laster hat ihm den kurzen Tag des Genusses zu früh verdunkelt! Doch nein. Es widerstrebt mir, ihn zu schildern; meine Lippen sträuben sich, das Elend zu schildern, welches unsre Spitäler tagtäglich erblicken; den furchtbaren Fluch, die entsetzliche Krankheit, die sogar die Knochen derer buchstäblich zerfrisst, welche dem Laster gefröhnt haben. Feurige Schlangen, nichts seid ihr im Vergleich mit glühenden, verzehrenden Leidenschaften! Ihr könnt wohl dem Blute euer Gift einflößen; aber die böse Lust tut nicht nur das, sondern noch mehr, denn sie flößt das Verdammungsurteil in die Seele! Wenn die Sünde ihr Werk getan hat; wenn sie ihren letzten Reiz aufgeboten und sich zum vollendeten Verbrechen, zur gottlosen Untat vollendet hat - dann enthüllt sich vor uns ein Bild, welches das schlangengebissene Israel mit all seinen Schrecknissen uns nicht zu bieten vermag.

Immer noch verdunkeln sich aber die Schatten; die Finsternis bricht noch tiefer herein und die Wolken werden noch düsterer! Wie schrecklich muss der Tod derer gewesen sein, welche am Schlangenbiss starben! Es gibt ein Sterben, von dem es lieblich ist zu reden. So wie der gewaltige Prediger Dr. Beaumont starb, auf der Kanzel, möchte wohl gerne ein Jeder von uns sterben; dessen befreiter Geist unter dem lieblichen Gesang seiner Gemeinde den müden Leib verließ und aufgenommen ward in den Himmel, hingerückt zum Throne Gottes. Das Leben dessen, der seinem Herrn gedient hat, senkt sich im Tode als eine reife Ähre, oder wie die Sonne, die ihre Bahn vollendet hat, und solch ein Tod erweckt nur liebliche Gedanken in dem, der ihn betrachtet. Aber der Tod des Sünders, den die Lüste verwundet haben, und der nicht durch den Glauben in Christo selig geworden ist - ach schrecklich, schrecklich! Es steht nicht in der Macht einer menschlichen Sprache, die Schrecken am Sterbebette eines Menschen zu malen, der ohne Gott und ohne Christum dahingelebt hat. Ich rufe die Redner aller Zeiten in die Schranken, dass sie aus dem Schatz ihrer Beredtsamkeit Worte entlehnen, die Schrecken und Entsetzen genug bieten, um das Verscheiden eines Menschen zu beschreiben, der mit Gott in Feindschaft gelebt hat, und dessen Gewissen alsdann aufwacht. Es ist wahr, Manche leben in Sünden und schlürfen den letzten Tropfen der Sinnenlust aus dem vergifteten Becher der Leidenschaften vor ihrem Abscheiden, und sie fahren hinab blindlings in den Pfuhl der Verdammnis, ohne den leichtesten Anflug einer Bangigkeit; aber Viele, deren Gewissen erwachten, sind nicht also gestorben. O, der Schrecken! O, des Heulens! O, des Zähneknirschens! Welch Entsetzensantlitz! welches Winden eines zertretenen Wurms! welch Elend! Habt ihr noch nie gehört, wie Menschen die Fäuste geballt und geschworen haben, sie wollten nicht sterben; wie sie entsagensvoll starrten und schreiend sich bäumten: „Ich mag nicht sterben, ich kann nicht sterben, ich bin nicht bereit dazu!“ Sie schauderten zurück vor dem Feuermeer; sie klammern sich an den Arzt und beschwören ihn: Wenn es möglich ist, so verlängere doch den Spinnfaden meines Daseins. Wie manche Wärterin hat nicht gelobt, sie wolle nie mehr einen solchen Menschen pflegen, es würde sonst das Entsetzen eines solchen Erlebnisses sie bis zu ihrem Tode verfolgen.

Und nun, teure Zuhörer, ihr liegt jetzt nicht im Sterben; aber bald, bald müsst ihr sterben. Keiner von euch hat eine Versicherung auf sein Leben gelöst; es ist euch nicht möglich, auch nur für die kommende Stunde euch eures Lebens zu vergewissern. Und wenn ihr gottlos und Heilandslos seid, so habt ihr Alle das Gift jenes unaussprechlichen Todes in euch, der euer Abscheiden über alle Beschreibung schrecklich macht! Wollte Gott, ich vermöchte das Band meiner stammelnden Zunge so zu lösen, dass ich mit aller Macht und Gewalt über diesen wichtigen Gegenstand mit euch reden könnte. Täglich sterben Menschen um uns her; in diesem Augenblick gehen Tausende hinüber in die andere Welt. In den Häusern, wo trauernde Verwandte Tränenströme über ihr scheidendes Haupt vergießen; fern im wildtobenden Meere, wo brüllender Wogen Schaum den einzigen Sarg des schiffbrüchigen Seemanns bildet; tief, tief, tief unten in der tiefsten Schlucht und hoch oben auf den luftigsten Höhen sterben jetzt Menschen, sterben unter all den Ängsten und Todeskämpfen, die ich euch soeben zu beschreiben suchte und es nicht im Stande war. Ach, und auch ihr müsst sterben! Und wollt doch unaufhaltsam immer tiefer in den Schlamm des Verderbens hinein, Schritt für Schritt, tändelnd und scherzend, und denkt nicht, was hernach kommt? Ach, seid ihr denn wie ein unverständiger Ochse, der willig seinem Schlächter folgt, wie das Lamm, das seines Würgers Todesmesser leckt! Wahnsinniger, wahnsinniger Mensch, der du den dem ewigen Zorn und den Abgründen der furchtbarsten Verdammnis entgegeneilst, ohne einen Seufzer deines Herzens, ohne ein Stöhnen deiner Lippen zu äußern! Täglich stirbst du und seufzest nicht bis zum letzten Tag, dem Tage deines Todes, der ein Anfang deines Elendes wird! Ja, der große Haufe der Menschen ist in der gleichen Lage, wie die Kinder Israel, die von feurigen Schlangen gebissen wurden.

II.

Und nun kommt das Heilmittel. Das Heilmittel für die gebissenen Israeliten war eine eherne Schlange; und für die Sünder ist das Heilmittel der gekreuzigte Christus. „Narrheit, Unsinn,“ sprachen vielleicht manche Israeliten, als sie hörten, dass eine auf einem Pfahl erhöhte eherne Schlange das Mittel zu ihrer Heilung sein sollte. Viele unter ihnen lachten im Wahnsinn ihres Unglaubens: „Unsinnig, lächerlich; wer hat je so etwas gehört; wie ist das möglich? Eine eherne Schlange, auf einem Stamm erhöht, soll uns von diesen Wunden heilen, wenn man sie ansieht! Alle Kunst der Ärzte kann das nicht; wie solls denn ein Blick auf jene Schlange? Unmöglich!“ Das weiß ich gar wohl; wenn auch Viele sind, die eine eherne Schlange nicht verachten würden, so verschmähen sie dennoch Christum, den Gekreuzigten. Soll ich euch sagen, was sie über ihn reden? Sie reden über ihn, wie über die eherne Schlange. Ein Kluger äußerte: „Wenn eine Schlange das Unglück verursacht hat, wie kann es eine Schlange wieder ungeschehen machen?“ Ja, und die Menschen werden sagen: „Durch den Menschen ist Sünde und Tod in die Welt gekommen, wie kann denn ein Mensch das Mittel zu unserer Erlösung und Seligkeit sein?“ „Ach,“ sagt ein Anderer, der ein jüdisches Vorurteil hegt, „und was für ein Mensch! Kein König, kein Fürst, kein mächtiger Eroberer; er war nur ein armer Zimmermannssohn, und starb am Kreuz.“ Ach, so sprachen Manche im Lager; sie sagten, es wäre doch nur eine eherne Schlange, keine goldene; und was sollte ihnen doch eine eherne Schlange nützen? Man würde nicht viel dafür bekommen; wenn sie eingeschmolzen würde. Was sollte sie denn nützen? Und so reden die Menschen auch über Christum. Er wird von den Menschen verachtet und verworfen, ein Mann der Schmerzen und von Mühsalen bedrängt; und sie verbergen das Gesicht vor ihm, weil sie so gar nicht begreifen, wie er ihnen helfen könne.

Aber Viele behaupten nicht nur, dass die Predigt vom Kreuz nicht nur nicht könne selig machen, sondern sie vermehre noch das Übel. Vor Zeiten gabs Ärzte, welche behaupteten, es gebe nichts in der Welt, was den Tod so leicht befördere, als Metalle; der glänzende Anblick verstärke die Wirkung des Gifts, so dass beim Anblick des Erzes der Tod hätte augenblicklich erfolgen müssen. Und dennoch, merkwürdig, heilte das Anschauen der ehernen Schlange. „Nun,“ spricht der Gottlose, „ich kann nicht einsehen, wie die Menschen durch die Predigt von Christo sollten von Sünden erlöst werden.“ „Wahrlich,“ spricht er, „Sie sagen ja zu den Leuten, wenn sie noch so schwer gesündigt hätten, so brauchten sie nur an Jesum Christum zu glauben, dann wären mit einem Male alle ihre Sünden abgewaschen! Das werden sie prächtig benützen, und werden nun viel ärger sein, denn zuvor. Sie sagen den Leuten, ihre guten Werke und Tugenden hätten gar keinen Wert, sie sollten sich ganz allein auf Christum verlassen?“ „Ja,“ sagt der Zweifler, „mein lieber Freund, das wird alle Sittlichkeit untergraben; statt zu einem Heilmittel wird das zu einem tötlichen Gift; warum denn so was noch predigen?“ Ach, denen, die verloren werden, ist das Wort vom Kreuz eine Torheit; uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft (1 Kor. 1,18.). Ich selber muss gestehen, dass auf den ersten Blick die eherne Schlange an und für sich die allerungereimteste Erfindung zur Heilung von Verwundeten zu sein scheint, die je eines Menschen Gehirn ausgebrütet hat; und dennoch sehe ich in der ehernen Schlange, wenn ich sie recht betrachte, die höchste Weisheit Gottes entfaltet. Ich versichere euch, dass auch das Kreuz Christi dem äußern Anschein nach das Einfältigste unter allem Einfältigen zu sein scheint; etwas, was einem Jeden hätte zu Sinne kommen können, was ihm aber viel zu gering gewesen wäre. Wenn ihr aber das wunderbare Walten der Gerechtigkeit Gottes näher erwägt und besser verstehet, und der Mensch in dem Versöhnungsblut vom Kreuz Vergebung erlangt hat, so sage ich, dass auch die unendliche Weisheit Gottes keinen weiseren Plan hätte entwerfen können, als sie in dem gekreuzigten Christus offenbart hat.

Aber gebet wohl Acht. Wie Viele auch, die von der ehernen Schlange hörten, sie verachten mochten, so gab es doch kein anderes Mittel zur Genesung. Und nun hört mir einen Augenblick zu, wenn ich euch die Geschichte von der Erlösung erzähle. Ihr Männer, Brüder und Väter, wir sind geboren aus einem sündigen Geschlecht, und wir selbst haben unsre Sündenschuld gehäuft; es gibt keine Hoffnung mehr für uns; es hilft uns Alles nicht, wir selber können uns nicht mehr erretten.

„Flössen unsre Tränen immer,
Kühlte sich der Eifer nimmer, -
Nichts versöhnet unsre Schuld.“

Aber, teure Brüder, Jesus Christus, Gottes ewiger Sohn, kam in diese Welt, und ward geboren von Maria, der Jungfrau. Er lebte ein Leben der Schmerzen und Entbehrungen, und starb zuletzt einen Tod, den unaussprechliche Leiden verbitterten - das war das Gericht und die Strafe über die Sünden der Welt. So ihr heute Reue fühlt, und sehet euer Vertrauen auf den Herrn Jesum Christum, so habt ihr in eurem Vertrauen und Bereuen einen gewissen Beweis dafür, dass Christus für euch gestorben ist.

III.

Und was sollte man denn mit der ehernen Schlange anfangen? Unser Schriftwort sagt: „Moses erhöhte sie;“ und wir lesen (4. Mose 21,9.), dass sie auf die Panierstange gehängt wurde. O, teure Freunde, auch Jesus Christus musste erhöht werden. Er ist erhöht worden; böse Menschen haben ihn erhöht, als sie ihn mit Nägeln an das Fluchholz hefteten, ihn kreuzigten! Gott, der Vater, hat ihn erhöht; denn er hat ihn sehr hoch erhoben, weit über alle Herrschaften und Fürstentümer. Aber des Predigers Aufgabe ists, ihn zu erhöhen. Es gibt manche Diener des Evangeliums, welche es vergessen, dass ihre Aufgabe in dieser Welt darin besteht, Christum zu erhöhen. Denkt einmal, Moses hätte damals, als ihm Gott befahl, die eherne Schlange aufzuhängen, bei sich selber gesagt: „Es schickt sich für mich, dass ich, ehe ich sie erhöhe, einige erläuternde Bemerkungen fürs Volk vorausschicke; und statt sie vor der gemeinen Menge aufzurichten, will ich einige wenige erprobte Leute zuerst dazu nehmen, die die Sache auch verstehen können. Ich will um die Schlange her ein paar goldene Mäntel aufhängen und silbergestickte Vorhänge und Teppiche davor breiten, damit keine ungeweihten Blicke darauf fallen; und ich will es ihnen verständlich zu machen suchen.“ Das ists gerade, was manche Geistliche unserer und früherer Zeit tun wollten. Das Evangelium! ja, das darf man den Armen nicht predigen! „Die Bibel,“ sagt die Römische Kirche, „darf nicht vom gemeinen Volk gelesen werden! Wie könnte es sie verstehen? Das ist etwas zu Heiliges für die große Menge! Nein, umhüllt die eherne Schlange; umhüllt sie mit einem Teppich, lasst sie nicht offen seyen!“ „Nein,“ sagen wieder manche Protestanten, „die Bibel muss man dem Volk geben, aber man darf an der einmal durch Jahrhunderte langen Gebrauch geheiligten Übersetzung nicht mehr rütteln!“ Es sind aber manche Stellen unserer Bibelübersetzung so dunkel, dass ohne Erläuterung sie Niemand verstehen würde. „Aber nein,“ heißts bei Vielen, „wir wollen keine verbesserte Übersetzung, das Volk muss sich das Unrichtige darin gefallen lassen. Die eherne Schlange muss verhüllt werden, weil Alles aus den alten Fugen ginge, wollte man an der alten Übersetzung rütteln!“ „Nein,“ sagen wieder Andere, „eine neue Übersetzung muss man haben, wenn sie nötig ist, aber es ist nicht nötig, über alle biblischen Wahrheiten, z. B. über die Gnadenwahl, zu predigen. Verhüllt die eherne Schlange.“ Wieder Andere sagen: „O, wie ists doch etwas Erhabenes um einen gothischen Dom; wie erhebt es die Seele gen Himmel, wenn man unter einem Wald von gothischen Pfeilern sitzt! Wie tief ergreift das Meer melodisch wechselnder Harmonien einer Orgel die Seele!“ Aber das Alles nimmt nur die Seele gefangen, und das Wort vom Kreuz wird damit eher verhüllt, als gezeigt. Nein, das Einzige, was wir zu tun haben, ist: den gekreuzigten Jesus Christus zu erhöhen und zu predigen. Es ist gar Mancher, der nur den rohen Volksdialekt zu reden versteht, und der doch im Himmel eine glänzende Sternenkrone tragen wird, weil er Christum erhob, dass Sünder sehen und glauben konnten. Unsere tagtägliche Arbeit ist vor Allem und überall: Christum erheben, den Sündern zurufen: „Glaube, glaube, glaube an den, der da ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.“

Und lasst euch erinnern, dass wenn der Prediger nur einfach Christum predigt, das auch Alles ist, was er zu tun braucht; wenn er mit Gebet und Eifer Christum recht predigt, und wenn dadurch auch nie eine Seele selig würde - was aber gewiss unmöglich ist - so hätte er seinen Auftrag erfüllt, und der Herr Jesus würde zu ihm sagen: „Ei, du frommer und getreuer Knecht.“

IV.

Und nun, teure Freunde, kommen wir zu dem Teil unserer Betrachtung, der am meisten Nachdruck erfordert. Was sollte Israel tun? Was sollen zur Erkenntnis gekommene Sünder tun? Die Israeliten sollten ansehen, - der Sünder muss glauben. Könnt ihr euch denken; wie Moses mit ehrwürdigem Haupt dastand und aus aller Macht rief: „Seht, sehet, sehet!“ Seht ihn, wie er mit der Rechten die Panierstange ergreift und emporhebt und sie wie ein Panier durch das Lager trägt, wie er mit dem Finger deutet, wie Hand, Auge, Mund, Fuß und jeder Teil seines Leibes spricht, und das arme gebissene Israel mit aller Macht fleht und drängt: „Schaut!“ Ihr könnt vielleicht den Anblick euch malen, wie Menschen totwund und sterbend über einander hinfallen und die Schlange anschauen und wieder aufs Neue aufleben. Nun seht, es möchte vielleicht Einer und der Andere im Lager sein, der nicht aufschauen wollte; er verschloss hartnäckig seine Augen, und als die eherne Schlange an ihnen vorübergetragen wurde, wollten sie immer noch nicht sehen. Vielleicht geschahs aus Unglauben; sie jagten: „Was kann das helfen? es nützt uns ja doch nichts!“ Da liegt der Elende, die Panierstange steht vor ihm, und doch mag er nicht hinsehen. Was wird nun wohl aus ihm werden? Ach siehe, der Todesschweiß liegt schon auf ihm; siehe, wie ihn der Tod schüttelt! Wie seine Muskeln im Todeskampf zittern! Er hat seine Augen mit aller Kraft und Leidenschaft, die ihm zu Gebote steht, geschlossen, auf dass sie nicht geöffnet auf die Schlange treffen, und er lebe! Ach, lieber Zuhörer, einen solchen habe ich heute hier vor mir. Viele sind hier, sie wollen nicht zu Christo kommen, damit sie könnten selig werden - Menschen, die der Predigt des Evangeliums widerstreben, es verwerfen, es von sich stoßen. Obgleich die Anbietung und Wirkung des Evangeliums zur Bekehrung lauter Gnade ist, so kommt doch die Verwerfung ganz vom Menschen. Und Etliche sind hier, die im Gewissen oft angefasst waren; oft waren sie zum Glauben angefacht, aber sie haben sich verzweiflungsvoll dagegen gestemmt und wollten nicht zu Christo kommen. O Sünder, du weißt gar nicht, wie schwer deine Verdammnis einst werden wird. Heute kannst du mir sagen, du glaubest nicht an einen Heiland; du kannst dein Ohr von der Warnung abkehren und sagen: „Was brauchts doch hierüber so viel Redens? Lieber wollte ich sterben als glauben; denn ich glaube nun einmal nicht, dass Christus kann selig machen! Was ists Gutes darum?“ - O, mein Lieber, du kannst mich verachten; aber glaube, bald kommt ein mächtigerer Prediger, als ich: der mit dem knöchernen Arm und beinernen Finger und hauchloser Sprache; du wirst schaudern und dich überzeugen! Es ist Einer, der heißt Tod! Schaue mir heute ins Gesicht, und sage mir: ich lüge - das kannst du nicht wohl! Schaue morgen dem Tode ins Gesicht, und sage ihm das; das wirst du wohl noch schwerer finden. Ja, und wenn du die törichte Frechheit hättest, das zu tun, so wirst du dem ewigen Richter nicht frech entgegen treten und ins Angesicht sehen können, wenn er auf dem Throne sitzt; wirst ihm nicht sagen können, das Evangelium sei nicht Wahrheit; denn entsetzt und voller Angst wirst du dich hin- und herwinden, um dich vor dem Blick Dessen zu verbergen, der auf dem Throne sitzt. Vielleicht waren Etliche im Lager, welche sagten, sie wollten später sehen. „Ach,“ sagten sie, „es ist ja nicht nötig, dass ich gerade jetzt hinsehe; das Gift hat seine Wirkung noch nicht geübt; ich bin noch nicht tot; ein wenig später!“ Und ehe sie noch das letzte Wort hervorgebracht hatten, waren sie steif und kalt! Wie Viele machens gerade so! Sie wollen noch nicht fromm sein; später, morgen; sie meinen, sie können nach Gutdünken fromm werden; das ist ein Fallstrick. Sie verschieben die Sache so lange als möglich. Wie Viele haben den Tag des Heils hinausgeschoben, und der Tag der Verdammnis kam, und sie hatten keine Neue empfunden! O wie Viele haben gesagt: „Ja, schlafe noch ein wenig, schlummre noch ein wenig, schlage die Hände in einander ein wenig, dass du ruhest“ (Spr. 6,10.), und sie waren wie Leute auf einem sinkenden Schiff, die nicht fliehen wollten, so lange es noch Zeit war, sondern auf Deck blieben; zuletzt verschlang sie das Meer und sie fuhren lebendig hinunter in die Tiefe. Hütet euch vor dem Hinausschieben; Zögern ist gefährlich, und etliches Zögern führt zur Verdammnis! Schau hieher, schau hieher zu dem blutenden Christus am Kreuz. Schaue jetzt, denn der Geist spricht: „Heute, so ihr seine Stimme hört, so verstocket eure Herzen nicht!“

Gewiss waren auch Manche, welche bei Ärzten Hilfe suchten. „Auf die eherne Schlange schauen?“ sprachen sie, „das tun wir nie. Herr Doctor, kommen Sie hieher, bringen Sie Ihren Balsam; können Sie nicht mit Höllenstein dies Gift herausbrennen aus meinem Arm, und dann ein Lebenselixier einflößen, das mich rettet? Arzt, haben Sie kein Gegenmittel, das mein Blut zu fühlen vermöchte? Ach, ich muss über diese eherne Schlange lachen; ich mag sie nicht ansehen; ich vertraue auf Ihre Kunst und Gelehrsamkeit, Herr Doctor!“ Und wie Viele handeln nicht auch heute noch ebenso? Sie sagen: „Ich will nicht an Christum glauben; ich wills versuchen und tugendhafter leben; ich will mich bessern, ich will alle Vorschriften der Religion befolgen. Kann ich mir denn nicht selber helfen und mich so vervollkommnen, dass ich den gekreuzigten Jesus nicht mehr nötig habe?“ Ja, versuchs nur; diese flüchtige Salbe kannst du auf deine Seele legen und die eiternde Wunde verbinden, aber unterdes schlummert tötliche Verwesung im Innern, und wird zuletzt in glühenden Brand ausbrechen, wenns zu spät ist, eine Heilung zu versuchen - und du wirst hinweggerafft, nicht in die Heilsanstalt der Gnade, sondern wirst, wie der Aussätzige, vor die Stadt hinausgestoßen, und wirst verworfen und dir die Hoffnung der Seligkeit geraubt.

Vielleicht waren Etliche so bekümmert über ihren Wunden, und betrachteten sie so ängstlich und aufmerksam, dass sie keine Zeit hatten, auf die Schlange zu schauen. Arme Geschöpfe; sie lagen in ihrem Elend, und richteten ihren Blick zuerst auf die Wunde am Fuß, und dann auf jene an der Hand; und jammerten über ihre Wunden, und sahen nie auf die Schlange. Hunderte und Tausende gehen auf solche Art zu Grunde. „O,“ sagt der Sünder, „ich bin so gar sündhaft gewesen!“ Mensch, was hat denn das damit zu schaffen? Christus ist allversöhnend, schaue zu ihm auf. „Nein, nein,“ sagt ein Anderer, „ich kann nicht zu Christo aufsehen. O, Sie wissen nicht, was für Verbrechen ich mir habe zu Schulden kommen lassen; ich bin ein Säufer gewesen, ein Flucher, ein Wollüstling, und wer weiß, was alles; wie kann ich denn selig werden?“ Mein lieber Mensch, deine Wunden haben nichts damit zu schaffen - nur der Herr Jesus am Kreuz. Wenn ein armes, von einer Schlange zerfleischtes Geschöpf zu mir gesagt hätte: „Ach, das hilft zu nichts, dass ich dorthin sehe; siehe, wie oft ich gebissen wurde; hier hat sich eine ungeheure Schlange um meine Lenden gewunden, dort zerfleischt eine andere meine Hand, wie kann ich also leben?“ Dann würde ich ihm antworten: „Teurer Mitbruder, kümmere dich nicht darum, ob dich fünfzig Schlangen gepackt haben, oder nur eine, ob du fünfzig Wunden hast, oder nur eine; Alles, was du zu tun hast, ist: Schau' hin. Dich gehen diese Bisse nichts an, nur fühlst du sie und musst dran sterben, wenn du nicht dorthin siehst. Aber schaue stracks auf Christum. Und nun, du Vornehmster unter den Sündern, glaube an den Herrn Jesum; und wären deiner Sünden noch so viel, er kann selig machen aufs Völligste, die durch ihn zu Gott kommen“ (Hebr. 7,25.). Und wie Viele gehen dennoch zu Grunde um dieser mancherlei Einbildungen willen, obschon das Evangelium vor ihren Augen auf dem Panier so offen aufgepflanzt ist, dass wir verwundert dastehen, weil sies doch nicht sehen.

Und nun muss ich etwas recht Liebliches mitteilen, was arme Sünder sehr aufheitern kann. O ihr, die ihr heute eure Sündenschuld empfindet, lasset euch doch sagen: „Schaut Christum an.“ Denn bedenkt doch, dass die eherne Schlange mitten im Lager aufgerichtet ward, damit jeder Gebissene sehen und leben könnte. - Und nun ist Christus für euch erhöht, „auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,16.). Sünder, der Teufel flüstert dir zu, du seiest ausgeschlossen; antworte ihm: das Wörtlein „Alle“ schließt Keinen aus. Ach, das köstliche Wörtlein „Alle“! Arme Seele, ich sehe, wie du darüber weinst und sagst: „Ach, wenn ich glaube, so verwirft er mich gewiss nicht.“ Ich sehe die Buhlerin in aller ihrer Sündenschuld, gebeugt und zerknirscht über ihre Gottlosigkeit; sie sagt: Es ist nicht möglich, Christus kann mich nicht selig machen. Aber sie hört, dass da gesagt ist: „Alle“; und sie schaut und lebet! Erwäge, dass das Alter nichts ausmachte, und die Zahl der Wunden nichts, noch der Ort im Lager; sie schauten nur und lebten. Und nun ihr, die ihr in Sünden und Gottlosigkeit ergraut seid, bedenkt, dass es einen gleichen Heiland gibt für arge, wie für kleine Sünder; den gleichen Heiland für graue Häupter, wie für Säuglinge; den gleichen Heiland für Arme, wie für Reiche; den gleichen Heiland für Schornsteinfeger, wie für Fürsten; den gleichen Heiland für Ungeheuer in Menschengestalt, wie für Heilige, „Alle!“ Ich nehme den Mund recht voll, damit ich die ganze, ganze Sünderwelt in meine Worte fasse: Alle, die Christum ansehen, müssen leben. O bedenkts doch recht; es heißt nicht einmal: wer nur mit den Augen blinzle, könne nicht selig werden. Vielleicht war unter den Gebissenen auch Einer, dessen Augenlieder vom Biß geschwollen waren, so dass er kaum sehen konnte. Der alte Christoph Neß sagt: „Vielleicht war Einer darunter, der nur so wenig sah, dass er nur in einem Auge einen undeutlichen Schein hatte.“ In seiner sonderbaren Weise sagt er: „Und wenn er nur ein Blinzeln auf die eherne Schlange warf, so lebte er.“ Und ihr, die ihr behauptet, ihr könnet nicht glauben; wenn euch Gott nur ein halbes Glaubenskorn schenkt, so hebt es euch gen Himmel. Wenn ihr nur sagen könnt: „O Herr, ich möchte glauben, hilf meinem Unglauben;“ wenn ihr mit Simon Petrus nur eure Hand ausstrecken könnt, und sagen: „Herr, hilf mir, ich verderbe,“ so ists genug. Wenn ihr nur das Gebet des armen Zöllners beten könnt: „Gott, sei mir Sünder gnädig,“ so ists genug.

Und nun, arme Seele, bin ich zu Ende. Aber ich kann dich nicht gehen lassen. Ich sehe die Tränen in deinem Auge; ich höre dich seufzen über deine Schuld und deine Sünde beweinen; o, ich beschwöre dich, siehe auf deinen Herrn und lebe. Fürchte dich nicht, es bei meinem Herrn und Heiland zu probieren. Komm, liebe Seele, du bist heimlich mit mir allein; und ob Tausende dich umringen, so meinst du doch, ich habe einzig dich im Auge. Und so ists auch. Und zu deiner Ermunterung merke dir diese drei Dinge. Zuerst: Jesus Christus ward ans Kreuz erhöht, damit du auf ihn sehen mögest und selig werdest. Nur darum starb er, damit arme Sünder auf ihn schauen und leben. Nun, teure Brüder, wenn der Herr Jesus deswegen am Kreuze hing, so dürft ihr nicht mehr glauben, es ginge euch nichts an. Wenn Gott einen Bach schickt, euch daraus zu tränken, wollt ihr ihn verachten und verhöhnen und nicht trinken? Nein, eher werdet ihr sagen: „Hat er mich erquicken wollen? Dann will ich trinken.“ Nun denn, Jesus hing am Kreuze, auf dass man ihn anschaue. Schau' ihn an, schau' ihn an, und lebe. Beachte ferner zu deiner Aufmunterung, dass er dich ihn ansehen heißt; er muntert dich zum Glauben auf; heute hat er seinen Diener gesandt, der es euch sagen soll; er hat zu mir gesagt: „Gehe hin in alle Welt, und predige das Evangelium aller Creatur; wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Ich brauche nun nicht bloß zu sagen: mein Herr habe die Türe weit aufgetan; ich sage weit mehr: er hat mir befohlen, euch hereinzunötigen. Die Weisheit rufet laut und lässet ihre Stimme hören auf den Gassen: „Sieh, meine Mahlzeit habe ich bereitet; meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und Alles bereit; kommet zur Hochzeit“ (Matth. 22, 4.). Ja, mein Herr hat durch seinen Heiligen Geist Befehl getan, dass wenn die Menschen nicht wollen von selber kommen sie sollen herein genötiget werden, damit das Haus voll werde.

Du armer Sünder bist also willkommen; er hat Sünder genug, die seine Tische füllen werden; und wenn er dir deine Sünden hat zu fühlen gegeben, so komm, o Sünder, komm und sei willkommen. Mein letzter aufmunternder Zuruf ist aber der: Komm zu meinem Heiland und Herrn, und versuchs, weil er dir denn doch die Seligkeit verheißt. Die Verheißungen Jesu Christi sind allzumal fest wie Eide; sie bleiben nimmer aus. Er spricht: „Wer an mich glaubt, wird nimmermehr umkommen, sondern er hat das ewige Leben.“ O, so wags denn doch auf seinen Eid hin: „Er vermag selig zu machen aufs Völligste.“ Wirf dich in Christi Arme, und wenn du dann nicht selig wirst, so lügt das Wort Gottes, und Gott hat seine Wahrheit gebrochen. Aber das kann nicht sein, nie und nimmer. So komm und probiers. „Wer da glaubet an Christum, der wird nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,15.).

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