Spurgeon, Charles Haddon - Eben-Ezer.

Spurgeon, Charles Haddon - Eben-Ezer.

„Da nahm Samuel einen Stein und setzte ihn zwischen Mizpa und Sen, und hieß ihn Eben-Ezer, und sprach: Bis hierher hat uns der Herr geholfen.„
1 Sam. 7, 12.

Es ist sicherlich etwas Köstliches, die Hand Gottes in dem Leben der alten Heiligen zu beobachten. Eine wie nützliche Beschäftigung ist es, Gottes Güte zu betrachten, wie Er David aus dem Rachen des Löwen und den Klauen des Bären errettet; seine Barmherzigkeit, wie Er die Übertretung, Missetat und Sünde des Manasse vergibt; seine Treue, wie Er den mit Abraham gemachten Bund hält; oder sein Dazwischentreten beim sterbenden Hiskia. Aber, Geliebte, würde es nicht noch interessanter und nützlicher sein, die Hand Gottes in unsrem eignen Leben zu beobachten? Sollten wir nicht unsre eigne Geschichte ansehen als wenigstens ebenso voll von Gott, ebenso voll von seiner Güte und Wahrheit, ebensosehr ein Beweis seiner Treue und Wahrhaftigkeit, als das Leben irgend eines Heiligen vergangener Zeiten? Ich denke, wir tun unsrem Herrn eine Ungerechtigkeit an, wenn wir meinen, dass Er all seine mächtigen Taten in den alten Tagen getan und sich stark gezeigt hat für die Frommen früherer Zeiten, aber keine Wunder tut und seinen Arm nicht ausstreckt für die Heiligen, die jetzt auf Erden sind. Lasst uns, sage ich, unser eigenes Tagebuch überblicken. Gewiss, in diesen euren Blättern mögen wir manches glückliche Ereignis finden, das uns erquickt und unsren Gott verherrlicht. Habt ihr keine Errettungen erfahren? Seid ihr durch keine Ströme gegangen und aufrecht gehalten worden durch Gottes Gegenwart? Seid ihr nicht unverletzt durchs Feuer gegangen? Seid ihr nicht aus sechs Trübsalen errettet? Ja, hat Jehovah euch nicht in sieben getragen? Habt ihr keine Offenbarungen gehabt? Der Gott, der mit Abraham in Mamre sprach, hat Er nie mit euch gesprochen? Der Engel, der mit Jakob zu Pniel rang, hat Er nie mit euch gerungen? Er, der bei den drei heiligen Männern im feurigen Ofen war, ist Er nie auf den Kohlen an eurer Seite gegangen?

O Geliebte, Er hat sich uns geoffenbart, wie Er sich nicht der Welt offenbart. Vergesst nicht diese Offenbarungen; versäumt nicht, euch ihrer zu freuen. Habt ihr keine köstlichen Gnadenbezeigungen gehabt? Der Gott, der Salomo den Wunsch seines Herzens gab, hat Er nie eure Bitte gehört und gewährt? Der Gott voll reicher Güte, von dem David sang: „Der deinen Mund fröhlich macht, so dass du wieder jung wirst wie ein Adler,“ hat Er dich nie mit Gutem gesättigt? Hat Er dich nie auf grüne Auen geführt? Hat Er dich nie zu frischen Wassern geleitet? Gewiss, Geliebte, die Güte Gottes in alten Zeiten hat sich an uns wiederholt. Die Offenbarungen seiner Gnade bei denen, welche in die Herrlichkeit eingegangen sind, werden bei uns erneuert, und Errettungen, wie jene sie kannten, sind auch uns, auf die das Ende der Welt gekommen ist, nicht unbekannt.

Ich bitte euch deshalb, lieben Freunde, auf kurze Zeit heute morgen eure Gedanken auf euren Gott zu richten mit Beziehung auf euch selbst; und während wir an Samuel denken, wie er die Steine aufrichtet und sagt: „Bis hierher hat der Herr uns geholfen,„ so lasst uns den Nachdruck auf das vorletzte Wort legen und sprechen: „Bis hierher hat der Herr uns geholfen,“ und wenn ihrs in den Singular setzen und sagen könnt: „Bis hierher hat der Herr mir geholfen,“ umso besser.

Ferner ist es ein Köstliches, an die mannigfachen Arten zu denken, in welchen die dankbaren Heiligen ihren Dank aussprachen. Wer kann ohne Freude an den Altar denken, den Noah nach seiner Erhaltung in der allgemeinen Sündflut errichtete? Haben nicht unsre Augen oft geglänzt, wenn wir an Abraham gedacht haben, wie er den Altar baute und ihn „Jehovah-Jireh, der Herr sieht,„ nannte? Haben wir nicht mit inniger Befriedigung gelesen, wie Jakob den Stein aufrichtete, der ihm als Kissen gedient, Öl darauf goss, den Namen des Herrn anrief und die Stätte Bethel nannte, obwohl sie sonst Lus hieß? Wer hat sich nicht gefreut an der kriegerischen Musik von Mirjams Zimbel und den herrlichen Tönen von Mose Lied am Roten Meer? Und sind wir nicht stillgestanden und haben die zwölf Steine betrachtet, die Josua in die Mitte des Jordans setzte, als der Jordan zurückgetrieben war, damit die Heere Israels trocknen Fußes hindurchgehen könnten? Gewiss, Brüder, wir haben uns über diesen Stein gefreut, den Samuel aufrichtete und Eben-Ezer nannte? Und beim Hinblick auf die verschiedenen Weisen, in denen die Heiligen Gottes vor alters seiner Freundlichkeit ein Gedächtnis gestiftet, haben wir Befriedigung gefühlt, indem wir die beständige Fortdauer der Herrlichkeit Gottes sahen, da ein Geschlecht dem andren all seine mächtigen Taten verkündet. O, würde es nicht ebenso angenehm und noch nützlicher für uns sein, der mächtigen Taten Gottes zu gedenken, die wir gesehen haben? Sollten wir nicht den Altar seinem Namen errichten oder seine Gnadengaben zu einem Lied verweben? Sollten wir nicht das reine Gold der Dankbarkeit und die Edelsteine des Preises nehmen und sie zu einer andren Krone für das Haupt Jesu machen? Sollten unsre Seelen nicht Musik ausströmen, so lieblich und fröhlich wie sie nur je von Davids Harfe ertönte? Sollten nicht die Füße unserer Dankbarkeit so leicht tanzen wie die Mirjams, als sie die Töchter Israels führte? Haben wir nicht einige Mittel, Gott zu preisen? Gibt es keine Weisen, wie wir die Dankbarkeit zeigen können, die in uns ist? Ich hoffe, wir können unsrem Herrn ein Opfer darbringen. Wir können unsren Freund bewirten mit dem würzigen Wein unserer Granaten und den köstlichen Tropfen unsres Honigseims. Ich hoffe, dass noch heute unserer Seele ein Gedanke kommen wird, wie sie den mächtigen Taten des Herrn ein Gedächtnis stiften und das Zeugnis von seiner Treue und Wahrheit den kommenden Geschlechtern überliefern kann.

Im Geiste dieser zwei Bemerkungen also, auf Gottes Hand in unsrem eignen Leben blickend und diese Hand mit Dankbarkeit anerkennend, errichte ich, euer Prediger, der heute morgen durch Gottes Gnade imstande ist, die fünfhundertste seiner gedruckten, jede Woche veröffentlichten, Predigten zu halten, meinen Stein Eben-Ezer. Ich danke Gott, danke Ihm demütig, aber doch freudig für alle Hilfe und allen Beistand, den Er mir verliehen beim Studieren und beim Predigen des Wortes vor diesen großen Versammlungen mündlich und nachher vor so vielen Völkern der Erde durch die Presse. Ich richte meine Säule auf in Form dieser Predigt. Mein Wahlspruch soll heute der Samuels sein: „Bis hierher hat der Herr mir geholfen.“ Und da der Stein meines Preises viel zu schwer ist, als dass ich allein ihn aufrecht hinstellen könnte, so bitte ich euch, meine Kameraden am Tage der Schlacht, meine Mitarbeiter im Weinberge Christi, euch mit mir zu vereinen im Ausdruck der Dankbarkeit, während wir zusammen den Gedächtnisstein aufrichten und sprechen: „Bis hierher hat der Herr uns geholfen.“ Heute morgen sind es drei Dinge, von denen ich reden will — drei, und doch nur eins. Dieser Stein der Hilfe ward bedeutsam um des Ortes willen, wo er aufgerichtet ward, der Gelegenheit, bei welcher er gesetzt wurde, und der Inschrift, die er trug.

I.

Viel wertvolle Unterweisung, viel Anregung zu frommer Dankbarkeit lässt sich finden in dem Ort, wo der Stein Eben-Ezer aufgerichtet ward.

Zwanzig Jahre früher war Israel auf eben diesem Felde in die Flucht geschlagen. Zwanzig Jahre früher waren Hophni und Pinehas, die Priester des Herrn, auf diesem Boden getötet und die Lade des Herrn genommen worden, und die Philister hatten triumphiert. Es war gut, dass die Israeliten der erlittenen Niederlage gedachten und dass sie inmitten des freudigen Sieges sich daran erinnerten, dass die Schlacht in einer Niederlage verwandelt sein würde, wäre der Herr nicht auf ihrer Seite gewesen. Brüder, lasst uns unserer Niederlagen gedenken. Haben wir es vergessen, wie wir in unserer eignen Kraft ausgingen, entschlossen, unsre Sünden zu besiegen und uns schwach wie Wasser fanden? Habt ihr es vergessen, wie ihr euch auf die Lade des Herrn verließet, da ihr auf Zeremonien und Sakramente vertraut und nicht auf den Fels des Heils? Habt ihrs vergessen, sage ich, wie ihr von euren Sünden geschlagen wurdet und keinen Zufluchtsort vor euren Gegnern fandet? Haben wir vergessen, wie elendlich uns Predigen und Beten fehlschlug, wenn wir nicht von Gott die Kraft dazu erbaten? O, jene Zeiten des Seufzens, als niemand unserer Predigt glaubte, weil der Arm des Herrn nicht geoffenbart war. Ich rufe mir all mein Fehlen zurück, nun ich auf diesem Hügel der Freude stehe. Ich zweifle nicht, dass auf diesem Felde von Eben-Ezer die Gräber von Tausenden sich fanden, die im Kampf erschlagen waren. Lasst die Gräber unserer vergangenen stolzen Gedanken, die Gräber unsres Selbstvertrauens, die Gräber unserer natürlichen Stärke und unsres Prahlens uns antreiben, den Herrn zu preisen, der uns bis hierher geholfen hat. Vielleicht stand auf diesem Platz ein Siegeszeichen, das höhnende Philister aufgerichtet. O, lasst das Andenken an das Prahlen des Gegners, da er sagte „Aha! Aha!„ lasst das in unser Ohr tönen, um das Jauchzen des Triumphs zu versüßen, während wir den Gott Israels verherrlichen. Habt ihr etwas für Gott getan? Seht auf eure früheren Niederlagen. Kommt ihr siegreich zurück? Ihr wäret gekommen mit Gewändern, die im Schmutz nachschleppten und mit entehrtem Schild, wenn Gott nicht auf eurer Seite gewesen wäre. O ihr, die ihr eure Schwäche erfahren habt, vielleicht durch einen schrecklichen Fall oder durch eine traurige Enttäuschung, lasst die Erinnerung an den Ort, wo ihr überwunden wurdet, euch umso mehr drängen, den Herrn zu preisen, der euch bis auf diesen Tag geholfen, über eure Gegner zu triumphieren.

Das Feld zwischen Mizpa und Sem frischte auch das Gedächtnis ihrer Sünden auf, denn es war Sünde, die sie überwand. Wären ihre Herzen nicht durch die Sünde bezwungen gewesen, so würde ihr Land nicht von den Philistern bezwungen worden sein. Hätten sie nicht ihrem Gott den Rücken gewandt, so würden sie ihren Rücken nicht am Tage der Schlacht gewandt haben. Brüder, lasst uns unserer Sünden uns erinnern. Sie werden als ein schwarzer Hintergrund dienen, auf dem die Gnade Gottes umso schneller glänzt. Ägyptens Fruchtbarkeit ist umso wunderbarer durch die Nähe des Lybischen Sandes, der es ganz und gar bedecken würde, wenn der Nil nicht wäre. Dass Gott so gut ist, ist wunderbar, aber dass Er gegen euch und mich, die so widerspenstig sind, so gut ist, ist ein Wunder der Wunder. Ich kenne kein Wort, welches das Staunen und die Verwunderung ausdrücken kann, die unsre Seele bei der Güte Gottes gegen uns fühlen sollte. Unser Herz buhlerisch; unser Leben weit entfernt von Vollkommenheit; unser Glaube fast ausgeblasen; unser Unglaube oft die Oberhand gewinnend; unser Stolz sein verfluchtes Haupt erhebend; unsre Geduld eine arme kränkliche Pflanze, fast durch einen Nachtfrost vernichtet; unser Mut wenig besser denn Feigheit; unsre Liebe Lauheit; unsre Wärme nur wie Eis; o meine lieben Brüder, wenn wir nur daran denken wollten, ein jeder von uns, welch eine Masse von Sünde wir sind, wenn wir nur erwägen wollten, dass wir im Grunde doch, wie einer der Väter schreibt, „wandelnde Dunghaufen“ sind, so würden wir staunen, dass die Sonne göttlicher Gnaden fortfährt auf uns zu scheinen, und dass der Reichtum der himmlischen Barmherzigkeit in uns offenbar wird. O Herr, wenn wir daran gedenken, was wir hätten sein können und was wir wirklich gewesen sind, so müssen wir sagen: „Ehre sei dem gnädigen und barmherzigen Gott, der uns bis hierher geholfen hat.„

Ferner erinnerte dieser Ort sie an ihre Leiden. Was für ein trauriges Kapitel in Israels Geschichte ist das, welches dieser Niederlage durch die Philister folgt. Der gute, alte Eli, wie ihr wisst, fiel rücklings und brach den Hals; und seine Schwiegertochter sprach in den Geburtswehen von ihrem Kinde: „Heißet ihn Ikabod, die Herrlichkeit ist dahin von Israel, denn die Lade Gottes ist genommen.“ Ihre Ernten wurden ihnen von Räubern entrissen, ihre Weinberge wurden von fremden Händen geplündert, sie hatten zwanzig Jahre tiefen und bitteren Schmerzes. Sie hätten mit David sagen können: „Du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren; wir sind in Feuer und Wasser gekommen.„ Wohl, Freunde, lasst die Erinnerung an unsre Leiden uns auch mit tieferer Dankbarkeit erfüllen, während wir den Stein Eben-Ezer errichten. Wir haben als Gemeinde unsre Leiden gehabt. Soll ich euch an unsren schwarzen und dunklen Tag erinnern? Wie kann aus unsrem Gedächtnis die Zeit unserer Trübsal und Prüfung ausgetilgt werden. Tod kam in unsre Mitte und Traurigkeit in unsre Herzen. Sprachen nicht alle Leute schlecht von uns? Wer wollte uns ein gutes Wort geben? Der Herr selber betrübte uns und zerbrach uns wie an dem Tage seines Zorns — so schien es uns damals. Ach Gott, Du weißt, wie groß die Resultate gewesen sind, die aus dem furchtbaren Unglück 1) entsprangen, aber aus unsren Seelen kann die Erinnerung nie ausgelöscht werden, nicht einmal im Himmel. In dem Andenken an jene Nacht der Verwirrung und jene langen Wochen der Verleumdung und des Tadels lasst uns einen großen Stein vor den Herrn rollen und darauf schreiben: „Bis hierher hat der Herr geholfen.“ Wenig, glaube ich, erhielt der Teufel durch diesen Meisterstreich; klein war der Triumph, den er durch dieses Stück Bosheit erntete. Größere Mengen als je strömten hin, das Wort zu hören, und einige hier, die sonst vielleicht nie der Predigt des Evangeliums beigewohnt hätten, bleiben als lebendige Denkmäler der errettenden Macht Gottes. Von allen bösen Dingen, aus denen Gutes entstanden ist, können wir stets auf jene Katastrophe hinweisen, als eins der größten Güter, die unserer Umgegend zu teil wurden, ungeachtet des Leidens, das sie brachte. Diese eine Tatsache ist nur ein Beispiel von andren; denn es ist des Herrn Regel, Gutes aus Bösem zu bringen, und so seine Weisheit zu zeigen und seine Gnade zu verherrlichen. O ihr, die ihr von Siechbetten gekommen seid, ihr, die ihr von Zweifel und Furcht daniedergebeugt seid, und ihr, die ihr von Armut leidet, verleumdet oder scheinbar von eurem Gott verlassen gewesen seid, wenn heute die Herrlichkeit der Gnade Gottes auf euch ruht, richtet den Stein auf, gießt Öl auf denselben, und schreibt darauf: „Bis hierher hat der Herr uns geholfen.“

Während wir bei der Eigentümlichkeit des Ortes verweilen, müssen wir bemerken, wie es der Platz ihrer Niederlage, ihrer Sünde, ihres Leidens gewesen, so war es jetzt, vor ihrem Siege, der Platz ihrer Buße. Ihr seht, Geliebte, sie kamen zusammen, um Buße zu tun, ihre Sünden zu bekennen, ihre falschen Götter abzutun, Astharot aus ihren Häusern und Herzen zu werfen. Da war es, als sie Gottes Hand sahen und dahin geführt wurden, zu sprechen: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen.„ Wenn ihr und ich am fleißigsten im Aufjagen der Sünde sind, dann wird Gott am meisten unsre Feinde in die Flucht schlagen. Seht ihr nach dem Werk im Innern und überwindet die Sünde, und Gott wird nach dem Werk im Äußern sehen und eure Leiden und Trübsale für euch überwinden. Ach, lieben Freunde, wenn wir diesen Stein aufrichten und daran denken, wie Gott uns geholfen hat, so lasst uns Tränen des Schmerzes über unsre Undankbarkeit vergießen.

Auf der Erde müssen Buße und Preis stets zusammen ertönen. Gerade wie in einigen unserer Melodien zwei oder drei Stimmen sind, so werden wir stets die Buße nötig haben, um den Bass zu singen, während der Glaube im Preise sich zu den höchsten Tönen in der göttlichen Tonleiter der Dankbarkeit aufschwingen kann. Ja, bei unserer Freude über die vergebene Schuld trauern wir doch, dass wir unsren Herrn durchstachen, und neben unserer Freude über gekräftigte Gnadengaben und reifere Erfahrung müssen wir über Unglauben und Undankbarkeit trauern. Bis hierher hat der Herr dir geholfen, und doch murrtest und klagtest du einst über Ihn. Bis hierher hat der Herr dir geholfen, und doch verleugnetest du Ihn einst wie Petrus. Bis hierher hat der Herr dir geholfen, und doch ist dein Auge der Eitelkeit nachgegangen, deine Hand hat Sünde berührt und dein Herz ist buhlerisch gewesen. Lasst uns Buße tun, Brüder, denn unsre Tränen sind es, durch die hindurch wir am besten die Schönheit der dankbaren Worte: „Bis hierher hat der Herr geholfen“ sehen werden.

Ihr müsst euch auch daran erinnern, dass Eben-Ezer der Ort des Jammerns nach dem Herrn war. Sie kamen zusammen, um Gott zu bitten, zu ihnen zurückzukehren. Wir werden sicher Gott sehen, wenn wir uns nach Ihm sehnen. Wie schön ist es, eine Gemeinde zu sehen, die ernstlich nach Erweckungen verlangt und ruft und bittet, dass Gott in ihrer Mitte kommen möge. Wenn ihr wisst, Brüder, dass ohne Gott eure Sakramente nichts sind, wenn ihr nicht zufrieden sein könnt mit dem toten, trocknen Buchstaben, sondern wirklich die Macht und die Gegenwart Gottes verlangt, so wird es nicht lange währen, bis ihr sie habt. Deshalb, während ihr und ich Dank für die Vergangenheit ausdrücken, lasst uns ein zweites Gebet zu Gott hinaufseufzen um erneute Gnade. Wenn du persönlich das Licht seines Angesichtes verloren hast, so bete heute morgen:

„Entdecke alles und verzehre,
Was nicht in Deinem Lichte rein;
Wenn mirs gleich noch so schmerzlich wäre,
Folgt doch die Wonne nach der Pein.„

Und wenn es die ganze Gemeinde ist, und unsre Liebe bis auf einen gewissen Grad kalt geworden ist, und der bekehrende und Heilige Geist gewichen ist, lasst uns auch dasselbe Gebet beten:

„Komm, Heiliger Geist, Herre Gott!
Erfüll' mit Deiner Gnaden Gut
Deiner Gläubigen Herz, Mut und Sinn,
Deine brünstige Lieb' entzünd' in ihn'n.“

Der Ort der Wiederbelebung sollte der Ort frommer Dankbarkeit sein.

An jenem Tage war Mizpa auch der Ort des erneuerten Bundes, und sein Name bedeutet Wachturm. Diese Leute, sage ich, kamen zusammen, ihren Bund mit Gott zu erneuern und auf Ihn zu warten, wie auf einer Warte. Wenn Gottes Kinder auf die Vergangenheit zurückblicken, so sollen sie jedesmal ihren Bund mit Gott erneuern. Lege deine Hand aufs neue in die Hand Christi, du Heiliger des Höchsten, und gib dich Ihm wiederum. Steige auf den Wachturm und siehe aus nach dem Kommen dieses Herrn. Sieh zu, ob Sünde in dir ist, Versuchung von außen, — vernachlässigte Pflicht oder dich beschleichende Lethargie. Komme zu Mizpa, dem Wachturm; komme zu Mizpa, dem Ort der Erneuerung des Bundes, und dann richte deinen Stein auf und sage: „Bis hierher hat der Herr geholfen.„

Es scheint mir, dass die Stelle, wo Samuel „Eben-Ezer“ sagte, in vieler Hinsicht dem Standpunkt sehr ähnlich war, den wir heute einnehmen. Ich denke nicht, dass die Kinder Israel mit herzlicherer Freude Eben-Ezer sprechen konnten, als wir es können. Wir haben viele Sünden gehabt, unser Teil Leiden und manche Niederlagen durch unsre eigne Torheit. Ich hoffe, wir haben uns vor Gott gedemütigt, nach Ihm gejammert und gewünscht, Ihn zu sehen, in seiner Nähe zu weilen, und dass unsre Seele seinen Namen lobt, während wir heute den Bund erneuern, zu dem Wachturm kommen und warten, um zu hören, was Gott der Herr uns sagen wird. Kommt denn, in diesem großen Hause, das des Herrn Huld für uns gebaut hat, lasst uns zusammen singen: „Bis hierher hat der Herr geholfen.„

II.

Wir wenden uns jetzt zu einem andren Gegenstände und betrachten die Gelegenheit, bei der dieser Gedenkstein errichtet ward.

Die zwölf Stämme hatten sich zum Gottesdienst versammelt. Die Philister, die von ihrer Zusammenkunft hörten, vermuteten eine Empörung. Eine Erhebung war zu der Zeit nicht beabsichtigt, obwohl ohne Zweifel im Herzen des Volkes eine Hoffnung schlummerte, dass sie auf die eine oder andre Weise befreit werden würden. Die Philister, die an Volkszahl den Kindern Israel weit nachstanden, hatten das natürliche Misstrauen schwacher Unterdrücker. Wenn wir Tyrannen haben müssen, so lasst es starke sein, denn sie sind nie so eifersüchtig oder grausam wie jene kleine Despoten, die immer vor Empörung bange sind. Als sie hörten, dass das Volk zusammen gekommen war, beschlossen die Philister, es anzugreifen; eine Versammlung anzugreifen, beachtet das, die zum Gottesdienst gekommen war. Die Leute erschraken; natürlich taten sie das. Samuel indessen, der Prophet Gottes, wusste, was zu tun. Er hieß sie ein Lamm bringen. Ich weiß nicht, dass das Lamm nach dem levitischen Ritus geopfert ward, doch hatten Propheten in allen Zeiten das Recht, von den gewöhnlichen Gesetzen eine Ausnahme zu machen. Dies war, um zu zeigen, dass die Zeit des Gesetzes nicht auf immer sei, dass es etwas Höheres als das Aaronische Priestertum gäbe, so dass Samuel und Elias, Männer, in denen Gott ganz besonders wohnte, mächtiger waren, als die gewöhnlichen Priester des Heiligtums. Er nimmt das Lamm, legt es auf den Altar, opfert es, und als es zum Himmel empor raucht, bringt er Gebet dar. Der Stimme des Menschen antwortete die Stimme Gottes: ein großer Donner erschreckt die Philister, und sie werden in die Flucht gejagt.

Wir, meine ich, sind in ähnlicher Lage gewesen. Hört die Vergleichung. Der Sieg wurde durch das Lamm erlangt. Sobald das Lamm geschlachtet war und der Rauch zum Himmel aufstieg, begann der Segen auf die Israeliten herabzukommen und der Fluch auf die Feinde. „Sie schlugen sie“ — beachtet die Worte — sie „schlugen sie bis unter Beth-Car,„ was verdolmetschet heißt: „das Haus des Lammes.“ Beim Opfern des Lammes begannen die Israeliten gegen die Philister zu kämpfen und schlugen sie bis zum Haus des Lammes. Brüder, wenn wir etwas für Christum getan haben, wenn wir Siege errungen, wenn in diesem Hause Seelen bekehrt, Herzen geheiligt, gebeugte Geister getröstet worden sind, legt Zeugnis dafür ab, dass es alles durch das Lamm geschehen ist. Wenn wir Christum als geschlachtet darstellten, die Schmerzen beschrieben, die Er am Kreuze erduldete, wenn wir versuchten, völlig, obwohl schwach, die große Lehre von seinem stellvertretenden Opfer zu predigen. Ihn als die Sühne für Sünden verkündeten, dann begannen die Siege. Und wenn wir Christum predigten, der in die Höhe gefahren ist und das Gefängnis gefangen geführt hat, wenn wir uns freuten, dass Er immerdar lebet und für uns bittet, und dass Er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, — wenn irgend etwas Gutes ausgerichtet worden ist, so war es durch das Lamm, das geschlachtete Lamm oder das erhöhte Lamm. Merkt euch, lieben Freunde, wenn wir heute morgen unser Eben-Ezer aufrichten, so tun wir es Ihm zur Ehre. „Dem Lamme, das erwürget ist, sei Preis und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.„ Ihr habt eure Feinde besiegt, ihr habt eure Sünden geschlachtet, ihr habt eure Leiden überwunden. Wie ist das gekommen? Von dem Altare jenes blutenden Lammes aufwärts zu dem Throne Dessen, der von Ewigkeit zu Ewigkeit regieren wird, ist der ganze Weg mit dem roten Blute eurer Feinde befleckt worden: ihr habt überwunden durch das Blut des Lammes. Der auf dem weißen Pferde reitet, zieht uns voran; sein Name ist das Lamm. Und alle Heiligen sollen Ihm auf weißen Pferden folgen, und ausziehen, siegend und um zu siegen. „Eben-Ezer, bis hierher hat der Herr uns geholfen.“ Aber die Hilfe ist immer durch das Lamm, das blutende, das lebendige, das herrschende Lamm gekommen.

Wie bei diesem Vorfall das Opfer geehrt wurde, so ward auch die Macht des Gebetes anerkannt. Die Philister wurden nur durch Gebet in die Flucht geschlagen. Samuel betete zu dem Herrn. Sie sprachen: „Lass nicht ab für uns zu schreien zu dem Herrn.„ Brüder, lasst uns heute morgen Zeugnis ablegen, dass, wenn irgend etwas Gutes hier geschehen, es das Resultat des Gebetes ist. Oft habe ich mein Herz erquickt durch die Erinnerung an die Gebete, die in unsrem früheren Gotteshause dargebracht wurden. Welches Flehen habe ich dort gehört, welche Seufzer ringender Seelen; Zeiten haben wir gekannt, wo der Prediger nicht das Herz hatte, ein Wort zu sagen, weil eure Gebete ihn so weich gemacht — seine Worte gehemmt und ihn halb gezwungen, den Segen zu sprechen und euch fortzusenden, weil der Geist Gottes so gegenwärtig war, dass es kaum die rechte Zeit schien, zu Menschen zu sprechen, sondern nur zu Gott. Ich glaube nicht, dass wir immer denselben Geist des Gebetes hier haben, und doch muss und will ich mich freuen, — ich weiß nicht, wo mehr Gebet gefunden wird, als an diesem Ort. Ich weiß, ihr haltet meine Hände aufrecht, ihr, die ihr Aaron und Hur auf dem Berge gleichet. Ich weiß, dass ihr Gott um Bekehrung unserer nächsten Umgebung und um Evangelisation dieser großen Stadt bittet. Jung und alt, strebt zusammen, dass das Reich komme und des Herrn Wille geschehe. Aber o, wir dürfen nicht vergessen, wenn wir auf diese große Gemeinde blicken, — mehr als zweitausend Mitglieder, die in der Furcht des Herrn wandeln — wir dürfen nicht vergessen, dass diese Zunahme die Folge unsres Gebetes war, und dass es das Gebet ist, worin immer noch unsre Stärke liegen muss. Ich beschwöre euch bei dem Höchsten, verlasst euch nie auf mein Predigtamt. Was bin ich? Was ist in mir? Ich spreche, und wenn Gott durch mich spricht, so spreche ich mit einer Macht, die Menschen, in denen der Geist nicht wohnt, unbekannt ist; aber wenn Er mich verlässt, so bin ich nicht nur schwach wie andre Menschen, sondern noch mehr als sie, denn ich habe keine Weisheit der Jahre, ich habe keine menschliche Gelehrsamkeit, ich habe keine Universität besucht, und führe keine Titel gelehrter Ehren. Wenn Gott durch mich spricht, so gebührt Ihm alle Ehre davon; wenn Er Seelen durch ein so schwaches Wesen errettet, so muss Er die Ehre davon haben. Gebet dem Herrn Ehre und Macht, legt jedes Körnlein davon zu seinen Füßen. Aber fahrt fort zu beten; bittet Gott für mich, dass seine Macht stets noch gesehen, sein Arm mächtig ans Werk gelegt werden möge. An erhörtes Gebet müssen wir gedenken, wenn wir Eben-Ezer aufrichten und sagen: „Bis hierher hat der Herr geholfen.“

Ferner, weil Gebet und Opfer da war, so gedenkt daran, kam Jehovah selbst, seine Feinde in die Flucht zu schlagen, als Antwort auf den süßen Geruch des Lammes und den süßen Duft der Fürbitte Samuels. Ich lese nicht, dass Israel ein Kriegsgeschrei erhob. Nein, das Geschrei wäre nicht gehört worden unter diesem großen Donner. Ich finde, dass sie in die Schlacht stürzten; aber es waren nicht ihre Bogen, ihre Speere, ihre Schwerter, die den Sieg gewannen. Horcht, meine Brüder, die Stimme Gottes wird gehört. Krach! Krach! Wo seid ihr jetzt, ihr Söhne Enaks! Die Himmel beben, die Erde erzittert, die ewigen Berge beugen sich, die Vögel der Luft fliegen zum Dach der Wälder, sich zu verbergen, die schüchternen Gemsen der Gebirge suchen die Felsenklüfte. Schlag auf Schlag rollen die Donner, bis der Berg dem Berge antwortet im lauten Aufruhr des Entsetzens. Von Klippe zu Klippe zuckt der Blitzstrahl, und die Philister sind fast geblendet, sie stehen bestürzt, und dann wenden sie sich und fliehen. Benehmt euch wie Männer, o Philister, dass ihr nicht die Knechte der Hebräer werdet. Benehmt euch wie Männer, aber wenn ihr nicht Götter seid, müsst ihr jetzt zittern. Wo sind eure Schilder und ihr Schimmer? Wo sind eure Speere und ihr Glanz? Nun lasst eure Schwerter aus der Scheide blitzen; nun sendet eure Riesen und ihre Waffenträger aus! Nun lasst eure Goliathe dem Herrn der Heerscharen Trotz bieten! Aha! Aha! Ihr werdet gleich Weibern, ihr bebet! ihr werdet ohnmächtig! Seht! seht! sie wenden den Rücken und fliehen vor den Männern Israels, die sie nur für Sklaven hielten. Sie fliehen. Der Krieger flieht und das starke Herz erbebt, und der mächtige Mann flieht wie eine schüchterne Taube zu seinem Bergungsort. „Ehre sei dem Herrn, dem Gott Israels; Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.„

Geliebte, wenn etwas Gutes getan worden ist oder wenn ihr und ich die Sünde bezwungen haben, wie ist es geschehen? Nicht durch unsre Kraft, nicht durch unsre Macht, sondern durch die herrliche Stimme Gottes. Wenn das Evangelium wahrhaft gepredigt wird, so ist es Gott, der donnert. Es mag so schwach wie eines Kindes Stimme klingen, wenn wir von Jesu, dem Gekreuzigten, reden, aber es ist Gott, der donnert, und ich sage dir. Mann, die Donner Gottes schlugen nie das Herz der Philister so, wie das Evangelium das Herz überführter Sünder schlägt. Wenn wir predigen und Gott dies segnet, so sind es Gottes Blitze, es sind Gottes Strahlen himmlischen Feuers, das Glitzern seines Speers: denn niemals wurden die Philister so vom Leuchten des Blitzes in ihr Antlitz getroffen, wie Sünder es werden, wenn Gottes Gesetz und Evangelium in ihre dunklen Augen strahlt. Aber Gott sei die Ehre, Gott, Gott allein! Nicht ein Wort für den Menschen, nicht eine Silbe für ein Menschenkind. „Ihm, der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut, Ihm sei Ehre.“ Dies ist das Lied der vollkommenen Heiligen droben; soll es nicht das Lied der unvollkommenen hienieden sein? „Nicht uns, nicht uns,„ rufen die Seraphim, wenn sie ihre Angesichter mit ihren Flügeln verhüllen und ihre Kronen zu Jehovahs Füßen werfen. „Nicht uns, nicht uns,“ müssen wir sagen, während wir seine Macht erheben und den Gott unsres Heils preisen.

III.

Dies also war die Gelegenheit. Ich brauche nicht länger zu verweilen, sondern kann mich gleich zu der Inschrift auf dem Denksteine wenden. „Eben-Ezer, bis hierher hat der Herr uns geholfen.„ Die Inschrift kann auf dreierlei Art gelesen werden.

Ihr müsst zuerst ihr Zentralwort lesen, das Wort, wovon der ganze Sinn abhängt, wo die Fülle desselben sich sammelt. „Bis hierher hat der Herr uns geholfen.“ Beachtet, Geliebte, dass sie nicht still standen und sich weigerten, ihre Waffen zu gebrauchen, sondern während Gott donnerte, stritten sie, und während die Blitze in der Feinde Augen leuchteten, ließen sie dieselben die Kraft ihres Stahls fühlen. So sollen wir, während wir Gott die Ehre geben, menschliche Mittel nicht verwerfen oder beiseite schieben. Wir müssen streiten, weil Gott für uns streitet. Wir müssen schlagen, aber die Kraft zu schlagen und der Erfolg des Schlagens muss ganz von Ihm kommen. Ihr seht, sie sprachen nicht: „Bis hierher hat unser Schwert uns geholfen, bis hierher hat Samuel uns ermutigt.“ Nein, nein: „bis hierher hat der Herr uns geholfen.„ Nun, ihr müsst zugeben, dass alles wahrhaft Große von dem Herrn sein muss. Ihr könnt nicht annehmen, dass etwas so Großes, wie die Bekehrung der Sünder, die Wiederbelebung einer Kirche je das Werk von Menschen sein könne. Ihr seht die Themse, wenn Ebbe ist, was für eine lange Strecke faulen, widrigen Schlammes, aber die Flut kehrt zurück. Armer Ungläubiger, du dachtest, der Fluss würde ablaufen, bis alles trocken sei und die Schiffe auf dem Strande lägen, siehe, die Flut kehrt zurück und füllt fröhlich wiederum den Strom. Aber du bist ganz gewiss, dass ein so großer Fluss nur durch des Ozeans Flut gefüllt werden kann. So könnt ihr nicht große Erfolge sehen und sie Menschen zuschreiben. Wo wenig getan ist, da legen sich Menschen oft das Verdienst davon bei, aber wo Großes geschieht, da wagen sie dies nicht. Wenn Simon Petrus an der Seite des Schiffes geangelt und einen schönen Fisch gefangen, so hätte er sagen können: „Gut gemacht, Fischer!“ Aber als das Boot voll Fische war, so dass es zu sinken begann, da konnte er nicht an sich selbst denken. Nein, er fällt nieder mit: „Gehe hinaus von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch.„ Die Größe unsres Werks zwingt uns, zu bekennen, dass es von Gott sein muss, es muss vom Herrn allein sein. Und, lieben Freunde, es muss so sein, wenn wir das wenige bedenken, womit wir begannen. Jakob sagte, als er über den Jordan kam: „Ich hatte nicht mehr, denn diesen Stab, da ich über diesen Jordan ging, und nun bin ich zwei Heere geworden.“ Gewiss, dieses zwei „Heere„ werden musste vom Herrn sein, denn er hatte nichts als seinen Stab. Und erinnert ihr, einige von euch, euch nicht eines Morgens, da wir über diesen Jordan mit einem Stab gingen? Waren wir hundert, als ich zuerst zu euch redete? Was für ein Heer von leeren Stühlen, was für eine elende Handvoll Hörer. Mit dem Stab gingen wir über diesen Jordan. Aber Gott hat die Zahl der Gemeindeglieder vermehrt und die Freude vermehrt, bis wir nicht nur zwei Heere, sondern viele Heere geworden sind; und viele versammeln sich jetzt, das Evangelium zu hören, das die Söhne dieser Gemeinde predigen, die von uns gezeugt und ausgesandt sind, das Wort des Lebens in vielen Städten und Dörfern dieses Landes zu verkünden. Ehre sei Gott, dies kann nicht des Menschen Werk sein. Lasst den Namen des Herrn deshalb auf unserer Denksäule eingeschrieben werden. Ich bin in dieser Sache stets sehr eifersüchtig. Wenn wir als Kirche und Gemeinde, wenn wir als einzelne nicht stets Gott die Ehre geben, so ist es ganz unmöglich, dass Gott durch uns wirke. Viele Wunder habe ich gesehen, aber noch nie sah ich einen Mann, der sich selbst die Ehre seines Werkes beilegte, den Gott nicht früher oder später verließ. Nebukadnezar sprach: „Das ist die große Babel, die ich erbauet habe.“ Seht den armen Wahnsinnigen, dessen Haar gewachsen ist wie Adlersfedern und seine Nägel wie Vogelsklauen: das ist Nebukadnezar. Und das müsst ihr sein, und das muss ich sein, jeder in seiner Weise, wenn wir es nicht zufrieden sind, Gott alle Ehre zu geben. Gewiss, Brüder, wir werden ekelhaft vor dem Angesicht des Höchsten sein, widrig wie ein Aas vor dem Herrn Zebaoth, wenn wir uns selbst irgend welche Ehre anmaßen. Wozu sendet Gott seine Heiligen? Dass sie Halbgötter seien? Machte Gott die Menschen, stark, damit sie sich auf seinen Thron erheben möchten? Was, krönt der König der Könige euch mit Gnade, damit ihr vorgebet, über Ihn zu herrschen? Was, erhöht Er euch, damit ihr euch die Vorrechte seines Thrones anmaßen mögt? Nein, ihr müsst mit alten Gnaden und Ehren, die Gott euch verliehen, kommen, zum Fuße seines Thrones kriechen, und sagen: Was bin ich und was ist meines Vaters Haus, dass Du an mich gedenkst?

Ich sagte, unser Text könnte auf dreierlei Art gelesen werden. Wir haben ihn einmal gelesen, indem wir den Nachdruck auf das Zentralwort legten. Nun wollen wir ihn lesen, indem wir rückwärts blicken. Das Wort: „Bis hierher„ scheint wie eine Hand, die in dieser Richtung zeigt. Seht zurück, seht zurück. Zwanzig Jahre — dreißig — vierzig — fünfzig — sechzig — achtzig — „bis hierher!“ sage das ein jeder von euch. Durch Armut — durch Reichtum — durch Krankheit — durch Gesundheit — daheim — in der Fremde — auf dem Lande — auf der See — in Ehre — in Unehre — in Verlegenheiten — in Freuden — in Trübsal — in Triumph — in Gebet — in Versuchung — bis hierher. Fasst das Ganze zusammen. Ich sehe gern zuweilen eine lange Allee hinunter. Es ist so schön, von einem Ende zum andren der langen Bista zu blicken, eine Art von Laubtempel mit verzweigten Säulen und Bogen von Blättern. Könnt ihr nicht die langen Gänge eurer Jahre hinabblicken, die grünen Zweige der Barmherzigkeit darüber ansehen, Säulen der Freundlichkeit und Treue, die eure Freude tragen? Singen keine Vögel in jenen Zweigen? Gewiss, es müssen viele da sein. Und der helle Sonnenschein und der blaue Himmel sind dort drüben; und wenn ihr euch umwendet, könnt ihr in weiter Ferne den Glanz des Himmels und einen goldenen Thron sehen. „Bis hierher! bis hierher!“

Dann kann der Text in einer dritten Weise gelesen werden, — indem wir vorwärts sehen. Denn wenn ein Mann bis zu einem gewissen Punkte kommt, und „bis hierher„ schreibt, so sieht er auf vieles zurück, was vergangen ist, aber „bis hierher“ ist nicht das Ende, es ist noch eine Entfernung zu durchmessen. Mehr Trübsale, mehr Freuden; mehr Versuchungen, mehr Triumphe; mehr Gebete, mehr Erhörungen; mehr Arbeit, mehr Kraft; mehr Kriege, mehr Siege; mehr Verleumdungen, mehr Tröstungen; mehr Kämpfe mit Löwen und Bären, mehr Zerreißen des Löwen für Gottes Davide; mehr tiefe Wasser, mehr hohe Berge; mehr Truppen der Teufel, mehr Heere der Engel. Und dann kommen Krankheit, Alter, Siechtum, Tod. Ist es nun vorbei? Nein, nein, nein! Wir wollen noch einen Stein mehr aufrichten, wenn wir in den Fluss kommen, wir wollen dort Eben-Ezer jauchzen, denn es soll noch mehr folgen. Ein Erwachen in seinem Bilde, Hinanklimmen der Sternensphären, Harfen, Gesänge, Palmen, weiße Kleider, das Angesicht Jesu, die Gesellschaft der Heiligen, die Herrlichkeit Gottes, die Fülle der Ewigkeit, die endlose Seligkeit. Ja, so gewiss Gott uns bis heute geholfen hat, so gewiss will Er uns bis zum Schlüsse helfen. „Ich will dich nie versäumen, ich will dich nie verlassen; ich bin mit dir gewesen und ich will bis zum Ende mit dir sein.„ Mut also, Brüder; und während wir die Steine aufrichten und sprechen: „Bis hierher hat der Herr uns geholfen,“ lasst uns die Lenden unsres Gemütes umgürten, nüchtern sein, und bis ans Ende auf die Gnade hoffen, die in uns soll offenbar werden, denn wie es gewesen ist, so soll es sein in alle Ewigkeit.

Ich brauche Öl, es auf diese Säule zu gießen — ich brauche Öl. Jakob goss Öl auf den Stein und rief den Namen des Herrn an. Woher soll ich mein Öl nehmen? Dankbare Herzen, habt ihr Öl? Betende Seelen, habt ihr welches? Ihr, die ihr Tag und Nacht mit Ihm verkehrt, habt ihr? Gießt es aus. Zerbrecht eure Gläser mit köstlicher Narde, ihr Marien. Strömt eure Gebete heute morgen mit den meinigen aus. Bringt euren Dank mit bei Äußerungen meiner Dankbarkeit. Komme jeder und gieße Öl auf dies Eben-Ezer. Ich brauche Öl, ich möchte wissen, ob ich es von jenem Herzen da drüben erhalte. O, sagt der eine, mein Herz ist wie ein harter Fels. Ich lese in der Schrift, dass der Herr Öl aus einem harten Felsen hervorbrachte. O, wenn hier eine Seele heute morgen zum Glauben an Christum geführt würde, wenn ein Herz sich heute Christo ergeben wollte! Warum nicht das? warum nicht? Der Heilige Geist kann Felsen schmelzen und Berge bewegen. Junger Mann, wie lange sollen wir dir predigen, wie lange dich einladen, wie lange dich treiben, wie lange dich bitten, wie lange dich anflehen? Soll dies der Tag sein, an dem du nachgeben willst: Sagst du: „ich bin nichts?„ Dann ist Christus alles. Nimm Ihn, vertraue Ihm. Ich weiß keine bessere Weise, diesen Tag des Eben-Ezer und des Dankes zu feiern, als dadurch, dass einige Herzen heute morgen den Verlobungsring der Liebe Christi annehmen und dem Sohne Gottes vermählt werden für alle Ewigkeit. Gott gebe, dass es so sei. Es wird so sein, wenn ihr darum betet, ihr aufrichtigen Herzen.

Und Gott sei die Ehre in Ewigkeit. Amen.

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Spurgeon predigte, ehe sein Tabernakel erbaut war, in einem großen, zu diesem Zweck gemieteten Gebäude, als plötzlich, wahrscheinlich durch Böswillige veranlasst, der Ruf „Feuer! Feuer!“ gehört ward. Viele der Anwesenden stürzten in blindem Schrecken hinaus, so dass auf der Treppe ein entsetzliches Gedränge entstand, bei dem mehrere Menschen verwundet und getötet wurden. Spurgeon suchte die Hörer nach Kräften zu beruhigen und zum Bleiben zu bewegen und fuhr dann, da er von dem draußen Vorgefallenen nichts wusste, mit der Predigt fort. Als er die Unglücksfälle vernahm, machte dies einen so erschütternden Eindruck auf ihn, dass seine Gesundheit lange Zeit darunter litt. Vermehrt wurde seine trübe Gemütsstimmung noch durch Tadel und Verleumdungen, die von allen Seiten über ihn ausgeschüttet wurden, obwohl ihm gar keine Schuld beizumessen war. A. d. Üb.
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autoren/s/spurgeon/e/spurgeon-eben_ezer.txt · Zuletzt geändert: von aj
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