Spurgeon, Charles Haddon - Daniels unerschrockener Mut.

Spurgeon, Charles Haddon - Daniels unerschrockener Mut.

Als nun Daniel erfuhr, dass solch Gebot unterschrieben wäre, ging er hinauf in sein Haus (er hatte aber an seinem Sommerhause offene Fenster gegen Jerusalem). Und er fiel des Tages dreimal auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, wie er denn vorhin zu tun pflegte.„
Dan. 6, 10.

Daniel war zu einer hohen weltlichen Stellung erhoben, aber seine Seele war auch eine erhobene. Oft bedeutet äußerer Fortschritt innere Abnähme. Zehntausende sind durch Erfolg berauscht worden. Obwohl sie sich gut anließen, als sie den Lauf begannen, um den Preis zu gewinnen, kamen sie in Versuchung, sich abzuwenden, die goldenen Äpfel zu pflücken, und gingen so der Krone verlustig. Es war nicht so mit Daniel — er war ebenso lauter vor Gott in seinem hohen Stande als in seinen niederen Tagen; und dies erklärt sich daraus, dass er die Energie seines äußerlichen Bekenntnisses durch beständige, verborgene Gemeinschaft mit Gott aufrecht hielt. Es war, wie uns gesagt wird, ein hoher Geist in ihm, und er war ein Mann des Gebetes; daher ward ihm der Kopf nicht durch seine Erhöhung verdreht, sondern der Herr hatte an ihm seine Verheißung erfüllt: „die Füße seiner Knechte gleich den Füßen der Hinden zu machen, dass sie können stehen auf den hohen Orten.“ (2 Sam. 22, 34.) Doch obwohl Daniel seine Lauterkeit bewahrte, so fand er seine Stellung keine ruhige. Wie die Vögel an den reifsten Früchten picken, so griffen seine neidischen Gegner ihn an; und wie die hervorragendsten Krieger die Pfeile des Feindes am meisten anziehen, so zogen die Ehren Daniels ihm viel Feindschaft zu. Sucht also nicht, Geliebte, sucht also nicht mit übermäßigem Verlangen oder unruhigem Ehrgeiz groß unter den Großen der Erde zu sein. Es gibt köstlichere Dinge als Ehre und Reichtum. Ein persischer König, der zweien seiner Hofleute ein Zeichen seiner Huld geben wollte, gab dem einen einen goldenen Becher und dem anderen einen Kuss: der, welcher den Becher empfangen, fühlte sich zurückgesetzt und beneidete den Hofmann, der den Kuss von des Herrschers eigenem Munde erhalten hatte. Und lasst mich sagen, möge, wer da will, die Reichtümer und Ehren der Welt bekommen, welche ihren goldenen Becher ausmachen, wenn ihr den Kuss der Huld von Gottes Lippen empfanget und dessen Süßigkeit in eurer innersten Seele fühlt, so habt ihr mehr als sie erhalten; ihr habt keinen Grund, zu klagen, ob dieser Kuss auch in Armut und Krankheit zu euch käme, sondern solltet euch freuen, dass Gott euch würdig geachtet in seiner unendlichen Gnade, mehr geistliche Güter zu empfangen, öd ihr auch weniger weltliche habt. Luther erklärte, alle Größe der Welt sei nur ein Knochen, den Gott einem Hunde zuwürfe, „denn,“ sagte er, „Er gibt dem Papst und dem Türken mehr als allen seinen Heiligen zusammen,“ und so ist es wahrlich. Groß, vornehm und reich zu sein, mag das Los eines Hamans sein, der an einen Galgen gehängt wird, während Gottes wahrer Knecht im Tore sitzen mag und Verachtung tragen wie Mardachai. Besser mit Lazarus leiden, als mit dem reichen Mann schwelgen, denn die Liebe Gottes entschädigt reichlich für zeitliche Nachteile. Besser eine Unze göttlicher Gnade, als eine Tonne weltlicher Güter. Obwohl das Gute nicht kommt in Gestalt der Segnungen linker Hand, des äußeren Glücks, so sei mehr als zufrieden, wenn du den Segen rechter Hand, der geistlichen Freude gewinnst.

Das Beispiel des Daniel stelle ich heute eurer Betrachtung vor, in dem Glauben, dass dies Zeiten sind, wo es uns not tut, ebenso fest und entschlössen zu sein, wie er, und dass jedenfalls für einen jeglichen unter uns, ehe wir unsere Krone gewinnen, Gelegenheit kommen werde, wo wir unsren Fuß fest niedersetzen und standhaft und nachgiebig für den Herrn und seine Wahrheit sein müssen.

I.

Zuerst lasst mich eure Aufmerksamkeit lenken auf Daniels gewohnte Andacht: sie ist unserer eingehenden Betrachtung würdig. Wir hätten vielleicht nie etwas davon gewusst, wenn er nicht so schwer geprüft worden wäre, aber Feuer bringt das verborgene Gold zu Tage.

Daniels gewohnte Andacht. Uns wird gesagt, dass er früher vor der Prüfung die beständige Gewohnheit des Gebets hatte. Er betete viel. Es gibt einige Formen des geistlichen Lebens, die nicht durchaus wesentlich sind, aber das Gebet gehört zum eigentlichen Wesen desselben. Wer kein Gebet hat, dem fehlt der eigentliche Odem des göttlichen Lebens in der Seele. Ich will nicht sagen, dass jeder, der betet, ein Christ ist, aber ich will sagen, dass jeder, der aufrichtig betet, es ist; gedenkt daran, Menschen mögen auf eine Art beten und sogar in ihrem Kämmerlein beten, und doch sich selbst täuschen; denn wie die Frösche hinauf in die Schlafzimmer kamen, so drängt die Heuchelei sich ein in die verborgenen Orte, wo die Menschen vorgeben, Gott zu verehren; indes sage ich, dass eine fröhliche Beständigkeit in aufrichtiger, einsamer Andacht ein solches Merkmal der Gnade ist, dass der, welcher sie hat, daraus schließen mag, dass er ein Kind Gottes ist.

Daniel hatte stets Gegenstände für das Gebet und Ursachen zum Gebet. Er betete für sich selber, dass er in seiner hohen Stellung nicht stolz sich überheben, dass er nicht gefangen werden möge in den Schlingen seiner Neider, und nicht in die gewöhnlichen Bedrückungen und Unrechtlichkeiten orientalischer Herrscher geraten. Er betete für sein Volk. Er sah viele aus dem Hause Juda, die nicht in so glücklichen Umständen waren wie er selbst. Er gedachte derer, die in Banden waren, als wenn er mit ihnen gebunden wäre. Die, welche Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch waren, brachte er in den Glaubensarmen vor seinen Gott. Er bat für Jerusalem. Es betrübte ihn, dass die Stadt wüste lag, dass immer noch das Brandmal der chaldäischen Zerstörer auf dem Berge Zion war, dem schönen, einst die Freude der ganzen Erde. Er bat um die Rückkehr aus der Gefangenschaft, die, wie er wusste, von Gott verordnet war. Er bat für die Ehre seines Gottes, dass der Tag kommen möge, da die Götzen ganz abgetan würden, und die ganze Erde wissen sollte, dass Jehova im Himmel herrscht und unter den Menschenlindern. Es wäre- köstlich gewesen, am Schlüsselloch von Daniels Kämmerlein zu horchen, und die mächtigen Fürbitten zu hören, die hinauf zum Herrn der Heerscharen gingen.

Wir lesen ferner, dass er mit all seinen Gebeten Danksagung verband. Beachtet dies, denn so viele vergessen es. „Er betete, lobte und dankte seinem Gott.“ Gewiss, es ist eine armselige Andacht, die immer bittet und niemals Dank darbringt! Soll ich von der Güte Gottes leben und Ihm niemals danken für das, was ich empfange? Gewiss, Gebete, in denen kein Dank ist, sind selbstsüchtig: sie berauben Gott; und will ein Mensch Gott berauben — Gott berauben sogar in seinen Gebeten — und doch erwarten, dass seine Gebete Erfolg haben? Habe ich nicht oft hier gesagt, dass Beten und Loben dem Atmen gleicht, durch das wir leben? Wir atmen die Luft ein und atmen sie dann wiederum aus: das Gebet nimmt tiefe Züge der Liebe und Gnade Gottes ein, und dann atmet das Lob sie wiederum aus. Daniel hatte gelernt, ebensowohl zu loben als zu beten, und Gott jenen süßen Weihrauch darzubringen, der voll verschiedenen Spezereien gemacht war, von ernsten Wünschen und Verlangen, mit Dank und Anbetung gemischt.

Es ist der Beachtung wert, dass der Text sagt: „Daniel betete, lobte und dankte seinem Gott.“ Dies bezeichnet die wahre Seele des Gebets — dieses vor Gott kommen. O Brüder, ertappt ihr euch nicht oft darauf, dass ihr zu dem Wind betet und in der Einsamkeit Worte äußert, als wenn ihr nur von den vier Wänden gehört würdet, die euer kleines Zimmer einschließen? Aber Gebet, wenn es rechter Art ist, kommt vor Gott, fühlt die Majestät des Gnadenstuhls und sieht das Blut des ewigen Bundes daran gesprengt; es nimmt wahr, dass Gott uns durch und durch sieht, jeden Gedanken liest und jeden Wunsch belltet; ihr fühlt, dass ihr in das Ohr Gottes sprecht und seid jetzt gewissermaßen:

„Gesunken in der Gottheit tiefstes Meer
Und Unermesslichkeit rings um euch her.“

Dies ist beten, wenn wir uns Gott nahen. Mir ist es gleich, wenn ihr auch nicht ein einziges Wort äußert, falls ihr die Majestät Gottes so überwältigend fühlt, dass Worte nicht am Platze sind; Stillschweigen wird viel ausdrucksvoller, wenn ihr mit Schluchzen, Tränen und unaussprechlichen Seufzern euch beugt. Dies ist das Gebet, das von Gott erringt, was es will, und das der Majestät des Himmels lieb ist. So betete Daniel, lobte und dankte, nicht vor Menschen, um von ihnen gesehen zu werden, nicht in der Einsamkeit vor sich selber, um sein Gewissen zufrieden zu stellen, sondern „vor seinem Gott,“ vor dem er dreimal täglich Gehör hatte.

Dies kleine Wort „seinem“ muss ich indes nicht übergehen. Er betete und dankte „seinem Gott.“ Er sprach nicht zu Gott bloß als Gott, der allem und jedem gehören könnte, sondern seinem Gott, dem er sich verbunden hatte durch einen feierlichen Beschluss, nicht von seinem Dienste zu weichen, und dieser Beschluss war die Folge davon, dass Gott beschlossen hatte, ihn zu erwählen, ihn zu seinem Eigentum zu machen und ihn auszusondern zu seinem Lobe. Seinem Gott. Es scheint mir das Wort „Bund“ zurückzurufen, seinem „Bundesgott,“ als wenn er einen Bund mit Gott geschlossen hätte nach dem Worte des Allerhöchsten: „Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ Ein wahrer Sohn Abrahams, Isaaks und Jakobs war dieser Daniel, als er Gott ansah wie seinen Gott, sein Eigentum, Ihn beanspruchte, und singen konnte, wie wir es zuweilen in jenem lieblichen Liede tun: „Er ist mein Gott, mein eigener Gott!“ O, zu fühlen, dass der Herr ganz mir gehört! Mein Gott, mein Gott, wenn kein anderer Mensch Ihn beanspruchen kann; mein Vater, mein Hirte, mein Freund, mein Herr und mein Gott! Ja, hier liegt die Macht im Gebet, wenn ein Mann mit Gott als mit seinem Bundesgott sprechen kann. Diesem Mann kann es nicht misslingen; jeder Pfeil bleibt im Zentrum der Zielscheibe stecken, wenn er „vor seinem Gott“ fleht. Der Mann muss den Engel am Bache Jabok überwinden, der ihn mit beiden Händen festhält durch einen Glauben, welcher seine Gott- gewirkten Rechte kennt. Er erbittet nicht Güter voll dem Gott eines anderen, noch verlangt er außerhalb des Bundes etwas, sondern der Gläubige fühlt, dass er seinen eigenen Gott um Güter bittet, die schon verheißen und durch Eid und Bund und Blut ihm gewiss gemacht sind.

Ein paar andere Einzelheiten im Text sind nicht so ganz wichtig, doch beachtet, dass er dreimal des Tages betete. Das sagt euch nicht, wie oft er betete, sondern wie oft er in einer betenden Stellung war. Ohne Zweifel betete er dreihundertmal am Tage, wenn nötig — sein Herz hatte immer Verkehr mit dem Himmel; aber dreimal am Tage betete er in aller Form. Man hat mit Recht gesagt, dass wir gewöhnlich drei Mahlzeiten am Tage nehmen und dass es gilt sein würde, der Seele ebensoviele Mahlzeiten zu geben. Wir brauchen Führung am Morgen, wir haben abends Vergebung nötig, bedürfen wir nicht auch der Erfrischung am Mittag? Können wir nicht um die Mittagszeit sagen: „Sage nur an. Du, den meine Seele liebt, wo Du weidest, wo Du ruhest im Mittage?“ Wenn ihr den Zwischenraum vom Morgen bis Abend zu lang findet, so legt ein anderes goldenes Glied der Kette ein um Mittag. Es ist keine Regel in der Schrift, wie oft man beten soll, und keine Regel, wann man beten soll; es ist des Menschen eigenem begnadigten Geist überlassen, die Zeiten zu bestimmen. Wir haben es nicht nötig, zu der Knechtschaft des mosaischen Bundes zurückzukommen, unter Regeln und Vorschriften zu sein; wir sind dem freien Geist überlassen, der seine Heiligen richtig führt. Dennoch, dreimal des Tages ist eine lobenswerte Zahl.

Beachtet ebenfalls die Stellung. Diese ist auch von wenig Wichtigkeit, da wir in der Schrift von Männern lesen, die auf ihrem Bett beteten, mit dem Gesicht zur Wand gekehrt. Wir lesen von David, der vor dem Herrn saß. Eine wie gewöhnliche Stellung war das Stehen vor Gott im Gebet! doch ist etwas besonders Passendes, vor allem beim einsamen Gebet, in der Stellung des Kniens. Es scheint zu sagen: „Ich kann nicht aufrecht vor Deiner Majestät stehen; ich bin ein Bettler, und ich nehme die Stellung eines Bettlers an; ich bringe meine Bitten vor Dich, großer Gott, mit gebogenem Knie, in der Stellung eines, der anerkennt, dass er nichts verdient, sondern sich vor Deiner gnädigen Majestät demütigt.“ Die Ursache, warum, er bei der besonderen, im Text erwähnten Gelegenheit kniete, war unzweifelhaft die, dass er immer gekniet hatte, und deshalb immer knieen wollte, und sich nicht aus dieser Stellung, geringfügig wie dies sein mochte, durch das Wort eines Tyrannen vertreiben lassen wollte. Nein, ob die ganze Erde und Hölle auch gegen ihn wäre, wenn er es mehr zu Gottes Ehre gefunden hatte, zu knieen, so wollte er knieen, auch wenn er in die Löwengrube dafür geworfen würde.

Noch eine Bemerkung. Uns wird gesagt, dass Daniel auf seine Knie fiel und offene Fenster gegen Jerusalem hatte. Dies tat er nicht mit der Absicht, öffentlich zu beten. Es mag sein, dass niemand ihn sehen konnte, auch wenn seine Fenster offen waren, ausgenommen die Diener im Hofe. Ich vermute, das Haus war, wie die meisten orientalischen Häuser, so gebaut, dass in der Mitte ein größerer viereckiger Platz war; und obgleich er nach der Richtung von Jerusalem sah, gingen die Fenster doch in den Hof, wo er nur von denen bemerkt wurde, die im Hause wohnten, oder Geschäfte halber dorthin kamen. Wahrscheinlich kannten die anderen Räte die Stunde, die er gewöhnlich für seine Andacht bestimmte, und kamen deshalb herein, um ihn damit beschäftigt zu finden. Außerdem müsst ihr bedeuten, dass, obwohl es hier sonderbar sein würde, wenn ein Mann bei offenen Fenstern beten wollte, so dass er gehört werden könnte, dies doch bei den Orientalen durchaus nicht seltsam war, da man die Pharisäer und andere nicht zögern sieht, ihre Andacht an jedem Ort zu verrichten, wenn die Stunde des Gebetes da ist, und es deshalb gar nicht für pharisäisch gehalten ward, wenn er bei offenem Fenster betete.

Das Fenster nach Jerusalem offen zu haben, mag durch das Gebet Salomos veranlasst sein, da er den Herrn bat, wenn das Volk in der Feinde Land gefangen wäre und dann den Herrn suchte, mit dem Gesicht nach dem heiligen Orte, so möge Er das Gebet hören. Es mag ihm auch geholfen haben, sich jener teuren Stadt zu erinnern, zu der das Herz jedes Juden sich mit Liebe wendet, wie die Nadel nach ihrem Pole zittert. Der Gedanke an ihre Zerstörung erhöhte seinen Ernst, die Erinnerung an ihre Sünde demütigte ihn, und die Verheißungen in Bezug auf sie trösteten ihn. Er wandte sich gegen Jerusalem. Und was sagt uns dies? Männer und Brüder, es sagt uns, dass wir Sorge tragen müssen, bei unsrem Gebet die Fenster offen nach Golgatha zu haben. Kehrt euch weder nach Osten noch nach Westen, aber lasst eure Seele sich nach dem Kreuz Christi kehren. Das ist der große Punkt, auf den das Antlitz aller Gläubigen beständig sich wenden muss, wo Jesus starb, wo Jesus auferstand, wo Jesus am Thron der Gnade uns vertritt. Dahin müssen die Augen des Glaubens schauen. Betet immer an offenen Fenstern nach Golgatha; seht auf das köstliche Blut; schaut fest auf den auferstandenen Herrn; seht auf die Macht seiner Vertretung, wenn Er von dem Vater seine Bitte für sein Volk gewährt erhält, und ihr werdet stark werden, zu ringen, bis ihr obsiegt.

So habe ich euch Daniels gewohnte Andacht dargestellt. Ahmt sie in allen wesentlichen Punkten nach; und wo ihr dem Buchstaben nicht folgen könnt, nehmt ihren Geist in euch auf.

II.

Wir müssen uns nun zu einer zweiten Betrachtung wenden, Daniels Handlungsweise in der Prüfung.

Es ist nichts, was Könige und Königinnen lieber mögen, als sich in die Religion hineinmengen. Obgleich jener deutsche Herrscher versuchte, eine Anzahl Uhren alle zugleich schlagen zu lassen und dies nicht zustandebringen konnte, so gibt es doch ungeachtet des Experimentes und seines Misslingens immer böse Räte, die der Menschen Gewissen zwingen wollen. Schlag zu halten. Torheit ist in dem Throne, wenn Monarchen Religion begünstigen oder unterdrücken. Die Cäsaren bringen immer Verwirrung, wenn sie sich in die Dinge Gottes mischen. In Daniels Tagen ward ein Gleichförmigkeitgesetz erlassen, in mancher Hinsicht dem bekannten Gesetz ähnlich, das England aufgedrängt ward.

Darius verordnete, dass kein Mensch in dreißig Tagen beten solle: unser Gleichförmigkeitsgesetz befahl, dass kein Mensch zu irgend einer Zeit öffentlich beten solle ohne sein Buch. Das eine ist nicht viel besser als das andere. Als jenes Gleichförmigkeitsgesetz erlassen war, standen dem Daniel mehrere Wege offen. Er hätte z. B. sagen können: „Dies geht für mich nicht an. Ich habe eine hohe Stellung in der Gesellschaft. Ich bin der Gouverneur aller dieser Gebiete, und obgleich ich willig bin, etwas für meine Religion zu leiden, so kann doch Gold zu teuer erkauft werden, und deshalb will ich aufhören, zu beten.“ Er würde viele Vorgänger und viele Gefährten gefunden haben. Wie sehr viele haben, wenn es zu der Frage zwischen Leben und Wahrheit, zwischen Ehre und Christus kam, eine schlechte Wahl getroffen und sind elendiglich umgekommen! Daniel scheint die Frage gar nicht aufgeworfen zu haben. Auch hätte er sagen können: „Nun, nun, man muss klug sein; Gott muss sicherlich angebetet werden, aber es ist kein besonderer Grund da, weshalb ich in dem gewöhnlichen Zimmer oder auch nur in der Stadt, wo ich wohne, anbeten sollte; ich kann mich abends zurückziehen oder eine verborgenere Stelle in meinem eigenen Hause finden, und besonders ist keine Ursache da zum Öffnen der Fenster. Ich kann bei geschlossenen Fenstern beten, und das wird vor Gott ebenso annehmbar sein. Ich denke deshalb, ich will mein Gewissen rein halten, aber nicht meine Religion aufdrängen in diesen bösen Tagen.“ Daniel machte solche Gründe nicht geltend. Er war ein löwenartiger Mann und verschmähte es, sein Banner m Gegenwart des Feindes zu senken; denn seht, wenn er in seiner Stellung nicht gebetet hätte wie zuvor, so wäre es ein Anstoß für die Schwachen und ein Hohn für die Gottlosen gewesen; die Schwachen hätten gesagt: „Seht, Daniel ist eingeschüchtert durch den Befehl.“ Jeder arme Jude im ganzen Reiche hätte dann eine Entschuldigung dafür gefunden, dass er seine Grundsätze aufgäbe, und die Gottlosen würden gesagt haben: „Bemerkt, er dient seinem Gott, wenn alles gut, geht, aber seht, wie er sich treiben lässt, wenn die Not kommt!“ Er wollte nicht die Verborgenheit suchen, wenn die Klugheit anriet. Doch der Gedanke hätte ihm kommen können, dass er innerlich beten könne. Gebete ohne Worte sind ebenso angenehm vor Gott: konnte er dies nicht tun? Er fühlte, dass er es nicht dürfe, weil das Gesetz nicht innerlich und des Königs Widerstand gegen die Religion nicht innerlich war. Er glaubte nicht, äußerlicher Lüge durch innerliche Wahrheit widerstehen zu können. Er stellte in den Worten unseres eben gesungenen Liedes „Kraft der Kraft entgegen.“ Er wollte ein deutliches äußerliches Bekenntnis seiner eigenen Überzeugungen ablegen im Gegensatz zu dem äußerlich verfolgenden Gesetz. Mich wundert indes, dass nicht jemand ihm in den Sinn gab, zum König zu gehen und die Sache mit ihm zu besprechen, denn wie in England noch nie ein Beschluss des Parlaments gefasst ist, durch den man nicht mit einer Kutsche und Pferden fahren kann, so sollte ich denken, dass sie unter sich über dies Dekret hätten hinwegkommen können mit ein klein wenig Deuteln, besonders wenn sie mit Kronchristen und Anwälten gesegnet gewesen wären. Ich kenne ein Buch, in dem behauptet wird, dass Kinder durch die Taufe wiedergeboren und zu Gliedern Christi und Kindern Gottes gemacht werden. Hunderte von guten Männern glauben dies keinen Augenblick, und sind doch im Besitz ihrer Stellen, weil sie ungeheuchelte Beistimmung und Zustimmung dazu gegeben haben. Ich darf nicht sagen, dass sie unredlich sind, sonst würde ich gegen die christliche Liebe fehlen, die so sehr en vogue ist, aber ich will sagen, dass sie ein zusammengerolltes Gewissen besitzen, das einer sehr komplizierten Tätigkeit fähig ist.

Wirklich, die Gewissen sind in unsren Tagen so schwer zu verstehen und werden nach so verworrenen Grundsätzen fabriziert, dass man sich kaum ein Urteil über sie zu bilden vermag, aber da Daniel zufällig keins dieser rotierenden, doppelt wirkenden Gewissen hatte, so versuchte er nicht, einen neuen Sinn in die Ausdrücke des Gesetzes hineinzulegen oder einen Vergleich zwischen demselben und seinen Überzeugungen zu erfinden, sondern ging gerade- aus auf seinem schlichten Pfade. Er wusste, was das Edikt bedeutete, und deshalb fiel er auf die Knie vor seinem Gott nieder in direktem Trotz gegen dasselbe. Ob das Gesetz in einem milderen Sinn gedeutet werden konnte oder nicht, das kümmerte ihn nicht; er wusste, was Darius damit meinte und was die Hauptleute und Räte damit meinten, und er wusste auch, was er selbst zu tun beabsichtigte, und deshalb tat er das Rechte und vor seinem Gott bot er den Löwen Trotz, lieber als dass er sein Gewissen mit etwas Bösem befleckte.

Beachtet sorgfältig, was Daniel tat. Er war entschlossen, so zu handeln, wie er es vorhin zu tun pflegte. Bemerkt, wie ruhig er handelte. Er sagte nicht zu seinen Feinden: „Ich werde nach meiner Überzeugung handeln.“ Durchaus nicht; er wusste, dass Worte an ihnen verloren waren, deshalb griff er zu Taten anstatt zu Worten. Er ging ruhig fort, als er fand, dass das Gebot unterschrieben sei — obgleich betrübt, dass so etwas getan war — ohne ein einziges Wort des Murrens oder Mäkelns suchte er sein Zimmer. Ich finde nicht, dass er irgendwie verwirrt oder unruhig war. Die Worte: „wie er denn vorhin zu tun pflegte,“ scheinen anzudeuten, dass er ebenso gelassen die Treppe hinaufging, wie er es sollst gewohnt war. Seine Diener werden aus seinem Benehmen nicht geschlossen haben, dass irgend ein Gesetz gemacht sei. Er war stets um diese Zeit zum Beten gegangen, und sie konnten ihn beten hören, gerade so ernstlich, wie er es immer getan. Er verließ sich auf Gott und blieb deshalb in vollkommenem Frieden.

Bemerkt wiederum, wie er ohne Zaudern handelte — sogleich! Er pausierte nicht; er bat nicht um Zeit, zu bedenken, was er tun sollte. In Sachen einer mit Gefahr verbundenen Pflicht sind unsere ersten Gedanken die besten. Wenn etwas durch Religion zu verlieren ist, folgt dem ersten Gedanken des Gewissens, nämlich: „Tut, was recht ist.“ Wer braucht zu fragen, wo die Pflicht den Weg zeigt? Wo Gott befiehlt, da ist kein Raum für die Vernunft, Spitzfindigkeiten vorzubringen. Doch habe ich keinen Zweifel, wenn der Teufel in des Propheten Ohr hätte flüstern können, so hätte er gesagt: „Nun, Daniel, du tätest besser, es eine kleine Weile zu überlegen. Du bist in einer Stellung, wo du deinen Freunden wesentlich helfen kannst. Du hast große Autorität an diesem Hofe; du kannst der wahren Religion Dienste leisten. Du weißt nicht, wie viele durch dein Beispiel bekehrt werden können. Du solltest nicht leichtsinnig eine Stellung aufgeben, wo du so viel Gutes tun kannst.“ Diesen Beweisgrund habe ich hundertmal gehört, wenn Leute angetrieben wurden, aus falschen Stellungen herauszukommen und das Rechte zu tun. Aber was haben ihr und ich damit zu tun, unsren Einfluss und unsere Stellung auf Kosten der Wahrheit aufrecht zu halten? Es ist niemals recht, ein kleines Unrecht zu tun, um das größte, nur mögliche Gute zu erlangen. Wenn ich durch eine Lüge die Flammen der Hölle auslöschen könnte, so würde ich es nicht tun. Wenn das Aussprechen einer Lästerung ein dürres Land von Fruchtbarkeit überfließen machen könnte, so solltet ihrs verschmähen, sie auszusprechen. Eure Pflicht ist, das Rechte zu tun: die Folgen stehen bei Gott; und auf die Länge kann es niemals, weder für euch, noch für andere, gut sein, Unrecht zu tun. Es muss am letzten Ende immer die schlimmste Politik und die schädlichste Handlungsweise sein, etwas zu sagen oder zu tun, was nicht streng redlich, streng rechtmäßig, streng gehorsam gegen das Gesetz Gottes ist. Gedenkt daran und geht wie Daniel eures Weges und tut eure Pflicht, komme, was da wolle.

Ihr werdet auch bemerken, dass Daniel nicht in der Aufregung handelte, sondern mit einer völligen Kenntnis der Folgen. Der Bericht sagt ausdrücklich: „Als nun Daniel erfuhr, dass solch Gebot unterschrieben wäre.“

Viele Leute tun in der Hast das Rechte und gehen in einer großen Aufregung weiter, als sie bei kaltem Blut tun würden; aber Daniel, wahrscheinlich durch einen listigen Anschlag der Räte von der Beratung ausgeschlossen, hatte nicht sobald gehört, dass der Befehl fest stand, als er ohne Zaudern seinen Entschluss fasste und im klaren darüber war. Seine Sache war es nicht, zu schwanken und aufzuschieben; er hatte alle Informationen vor sich, und der Gehorsam gab die Entscheidung. Überschlage die Kosten, junger Mann, ehe du dich als einen Christen bekennst; lasse dich nicht plötzlich in ein Unternehmen ein, dem du nicht gewachsen bist. Gib dich dem Herrn, deinem Gott, durch seine Gnade hin, aber lass es dem Gebot Christi gemäß sein, nachdem du erst einen Überschlag gemacht hast von dem, was von dir erfordert werden wird, und suche Gnade von oben, um zu vollbringen, was dir sonst unmöglich sein würde.

Ich liebe dies Wort und muss wieder darauf zurückkommen: „wie er denn vorhin zu tun pflegte.“ Er macht keine Änderung; er nimmt nicht die allergeringste Notiz von des Königs Befehl. An demselben Orte, zu derselben Stunde, in derselben Stellung und in demselben Geist findet man den Propheten. Dies zeigt uns des Christen Pflicht unter Verfolgung an: er sollte in der Verfolgung handeln, wie er es würde, wenn keine da wäre. Wenn du Gott verehrt hast unter dem Beifall christlicher Freunde, verehre Ihn unter dem Missfallen der Ungöttlichen. Wenn du als Kaufmann in glücklicheren Zeiten eine ehrliche Handlungsweise eingehalten hast, weiche um Gottes willen, um Christi willen nicht von dieser Ehrlichkeit ab, weil die Zeiten sich geändert haben. Was recht gewesen ist, ist recht, und deshalb bleibe dabei. Was du aufrichtig getan hast, tue immer noch, und Gott wird dir dabei einen Segen geben. Daniel hätte nicht diese Handlung des Gebetes vollziehen können, als die Löwengrube die darauf gesetzte Strafe war, wenn er nicht vorher die Gewohnheit beständigen Gebetes gehabt hätte. Es war seine verborgene Gemeinschaft mit Gott, die ihm Kraft und Stärke gab, weiter zu gehen. Weil er das Rechte tat, fand er es leichter, beim Rechten zu bleiben, was auch die Strafe sei. Ich vermute, dass ich zu einem jungen Mann rede, der vom Lande gekommen ist aus einer gottesfürchtigen Familie, wo er täglich wahre Religion vor Augen hatte, und nun ist er in einer Werkstatt, wo er zu seinem Schrecken Jesum verlacht sieht und wo Religion ein Spottname ist. Nun, Freund, tue, wie du zu Hause zu tun pflegtest; mache keinen Unter- schied, um eitlen Menschen zu gefallen; sieh' zu, dass du beginnst, so wie du fortfahren willst. Ich wollte nicht bloß sagen: „Gib nicht den Geist der Religion auf,“ sondern: „Gib nicht einmal die Form auf.“ Der Teufel gibt niemals etwas für uns auf; gebt nichts für ihn auf. Er sorgt dafür, mit all seiner Kraft gegen uns zu kämpfen; lasst uns dasselbe gegen ihn tun. Ich glaube. Hunderte christlicher Männer bereiten sich ein hartes Los dadurch, dass sie zuerst ein wenig nachgeben, denn gewöhnlich ist es in dieser Welt so, dass, wenn ein Mann entschlossen und entschieden ist, die Welt ihn nach einer kleinen Weile in Ruhe lässt. In den Baracken, wo ein Soldat niederkniet, um zu beten, wie oft ist er da ein Gegenstand tausend roher Scherze gewesen, und hat deshalb alle Gedanken an Kniebeugen aufgegeben! Doch haben wir von einem wirklich Bekehrten gehört, der, als er ins Regiment kam, zum Gebet niederkniete; als er dabei beharrte, dies zu tun, sagten seine Kameraden: „Ah, das ist einer, der Kourage hat, das ist ein echter Kerl;“ und ließen ihn nachher in Ruhe; während er, wenn er einmal in sein Bett geschlichen wäre ohne Gebet, nie später gewagt haben würde, zu knieen. Nichts ist so gut, als Daniels Beispiel folgen, indem ihr nie nachgebt, denn so werdet ihr die Achtung derer gewinnen, die sonst über euch gespottet hätten. Wie bald findet die Welt unsere wahre Meinung heraus! Wir mögen denken, dass wir unser Spiel so gut spielen, dass man uns nicht ausfindig machen kann, und dass wir der Welt gefallen und Gott auch gefallen werden, aber das führt stets zu völligem Misslingen, und dann haben wir, während die Welt uns verachtet, nicht den Trost unseres Gewissens, uns zu stärken. O, wenn unsere Väter, die Puritaner, nur ein wenig nachgegeben hätten; wenn sie nur einen Knick in ihrem Gewissen hätten machen können, wie manche es jetzt tun, dann hätte ihr Nachgeben und Einwilligen sie in Bequemlichkeit und Ehren erhalten, anstatt dass sie aus Haus und Heimat vertrieben und gehindert wurden, ihren Mund zu öffnen, um Christum zu predigen; aber wo wäre denn das Licht des Evangeliums gewesen, das die Völker fröhlich macht? Wo jene reinen und geheiligten Anordnungen, die sie uns überliefert haben? Nun bleiben sie bis zu dieser Stunde durch ihre unerschrockene Entschlossenheit unter den Gesegneten, und die Menschen ehren sie. Lasst uns, die Söhne tapferer Väter, lasst uns nicht feige sein. Gedenkt an die Tage Cromwells und die Zeiten, wo die gottlosen Kavaliere die Schneide des Schwertes der Rundköpfe fühlten; und obgleich wir nicht fleischliche Waffen nehmen, sondern sie gänzlich meiden, lasst uns doch unsren Feinden zeigen, dass die englische Männlichkeit noch in uns ist und wir von demselben Metall sind wie unsere Vorfahren. In dem Kampf, der nun vor uns liegt, wollen wir nicht weichen. Gott weiß, wir sind so gute Protestanten, wie es nur je welche gab, und besser als die Staatskirchlichen, welche rufen: „Kein Papsttum.“ Wo würde der Protestantismus sein, wenn er ihnen überlassen wäre? Ist nicht ihre Kirche die fliegende Brücke zwischen Oxford und Rom, die große Verführerin der Gläubigen, die große Bundesgenossin Roms? Was ist unsere Volkskirche leider, als ein Schrittstein zum Papsttum? Und wir, die mit reinen Händen stehen, die in Lehre und Praxis jeden Tag gegen Rom protestieren, wir werden des Bündnisses mit Rom angeklagt! Kein grausamer Spott könnte schlimmer sein als dieser, aber wir weichen nicht. Wir können es ertragen, Beelzebub genannt zu werden, wenns sein muss, aber wir können nicht anders werden: es ist uns Gewissenssache, und wir wollen dabei verharren, ob Dechanten schmähen und Priester uns verleumden.

III.

Wir wollen uns zum dritten Punkt nun wenden, womit wir schließen, die Verborgene Stutze Daniels. Es war etwas in dem Mann, was ihm das Mark gab; es war ein geheimes Etwas, das ihn so großartig machte. Was war dies? Es rührte von mehreren Ursachen her. Es entsprang daraus, dass Daniels Religion nicht das Ergebnis der Leidenschaft, sondern tiefgewurzelter Grundsätze war.

Ihr werdet bemerken, dass nach der langen Dürre, die wir gehabt haben, die Blumen in unsrem Garten sehr welk werden, dass hingegen die Bäume im Walde so grün sind, als wenn täglich Regenschauer gefallen wären. Ist dies nicht, weil sie tiefere Wurzeln in den Boden schlagen und Nahrung aus Vorräten saugen) die an der Sonnenhitze nicht erschöpft werden? So gibt es manche Menschen, deren Religion der Blume gleicht, die auf der Oberfläche lebt — sie vertrocknet schnell, wenn die Sonne der Verfolgung brennt; aber es gibt andere, die gleich den Waldesbäumen ihre Wurzeln in den tiefen Boden der Grundsätze Hineinsenken, die wissen, was sie wissen, gründlich gelernt haben, was sie gelernt haben, und fest halten, was sie empfangen haben, und diese werden in Zeiten der Prüfung aus Quellen verborgener Gnade gestärkt, und ihre Blätter welken nicht. Weil der Heilige Geist in Daniels Herzen die Grundsätze des Glaubens gewirkt hatte, ward er in Zeiten der Prüfung aufrecht gehalten; aber ich zweifle nicht, dass Daniel auch durch das gekräftigt wurde, was er von den Werken Gottes in alter Zeit gelesen hatte. Er war ein großer Forscher in den Büchern und hatte gefunden, dass in alten Zeiten Jehova immer siegreich gewesen war. Des Propheten Auge glänzte, als er an Pharao und das Rote Meer dachte, an Og, den König zu Basan und die Bäche zu Arnon, und als seine Erinnerung weiter flog zu Sanherib und dem Haken, der in des Leviatans Maul gelegt ward, um ihn den Weg zurück- zuführen, den er gekommen war. In dem Gedanken an die Werke des Herrn, nach denen sein Geist fleißig forschte, fühlte er sich gewiss, dass der lebendige Gott sich den Seinen treu erweisen werde.

Außerdem ward das Gemüt des Propheten gestärkt durch das, was er selber gesehen hatte. Er war in nahe Berührung gekommen mit den drei heiligen Männern, die vor Nebukadnezar gebracht wurden. Wo Daniel zu dieser Zeit war, wissen wir nicht genau, aber ihm muss diese heldenmütige Tat gut genug bekannt gewesen sein. Er hatte den König Nebukadnezar trotzen sehen, hatte den Sohn Gottes mit den drei Helden wandeln und sie herauskommen sehen, ohne dass man auch nur den Brand des Feuers an ihnen riechen konnte: hier war große Ermutigung. Außerdem hatte Daniel persönliche Erfahrung von seinem Gott. Er stand vor Nebukadnezar, ihm seinen Traum zu deuten; ja, bei einer noch schrecklicheren Gelegenheit stand er ohne Furcht und Zittern vor dem König Belsazar, als die Tausende seiner Gäste ihre Götter lobten und der König und seine Weiber und Kebsweiber in prunkendem Schmuck Wein aus den Jehova geweihten Gefäßen tranken. Dieser eine Mann stand aufrecht vor dem wüsten Haufen, wies auf die geheimnisvollen Buchstaben und las die schrecklichen Worte: „Mené, mené, tekel, upharsin,“ eines Monarchen Verurteilung in seiner Gegenwart, verkündet von einem unbewaffneten Manne! Sah es einem solchen ähnlich, dass er jetzt bange sein würde? Er, der nicht vor Tausenden wilder Krieger zitterte, soll er jetzt fürchten, wo nichts als Löwen in seinem Wege sind? Er nicht. Er hatte in das Antlitz seines Gottes geblickt und fürchtete nicht das Antlitz eines Löwen; Jehova hatte ihn überschattet, und die Grube, in die er geworfelt werden sollte, halte nichts Schreckliches für ihn. Seine eigene Erfahrung half dazu, ihn zu stärken. Er hatte die Überzeugung, dass Gott ihn befreien würde; und wenn Gott ihn nicht befreien wollte, so war doch seine Liebe zu dem Gott Israels eine solche, dass er sich gern dem Tode hingab. Es ist gesegnet, ein solches Vertrauen zu haben. Ihr Frommen, die ihr geprüft werdet und erwarten könnt, noch mehr geprüft zu werden, ihr werdet nie feststehen, wenn ihr nicht hierzu gelangt: „Gott kann mich befreien; aber wenn Er es nicht tut, so will ich gern um Christi willen ein Opfer sein.“ Ach, manche von euch möchten wohl Christen sein, aber in der Zeit der Prüfung gebt ihr es auf; wie der unerfahrene Seemann, der, wenn er ein Schiff mit all seinen Flaggen geschmückt und die weißen Segel vor dem Winde aufgespannt sieht, denkt, es müsse eine schöne Sache sein, zur See zu fahren, aber er ist nicht weit auf dem Meere, ehe die Seekrankheit ihn anwandelt, er fürchtet den Sturm und gelobt: „Wenn ich nur erst sicher am Ufer bin, so habe ich für immer vom Seefahren genug.“ Viele haben gesagt: „Wir wollen mit Daniel dem Herrn folgen.“ Ja, und wohl zufrieden sind sie es, mit Daniel in Susan, in des Königs Palast zu sein, aber wenn es zu der Löwengrube kommt, dann „Adieu, Daniel.“ Hütet euch, dass ihr euch nicht täuscht mit einem guten Bekenntnis, das euch nachher im Stich lässt. Daniel ward nicht im Stich gelassen, weil seine Liebe zu seinem Gott tief in seinem innersten Herzen richte: sie war ein Teil seiner selbst geworden, und von den zwei Händen der Liebe und des Glaubens gestützt, wurde er gnädig über die rauen und dornichten Stellen hinweggetragen.

Ich will nicht weiter darauf eingehen, damit ich euch nicht ermüde, aber ich möchte noch sagen, dass wir nicht annehmen dürfen, Daniels Fall sei eine Ausnahme von der Regel bei Christen gewesen. Denkt daran, dass Daniel ein Vorbild unseres Herrn Jesu Christi ist. Jesus hatte Feinde, welche Ihn zu verderben suchten; sie konnten nichts an Ihm finden „ohne über seinen Gott.“ Sie beschuldigten Ihn der Gotteslästerung und brachten nachher eine Anklage der Empörung vor. Er ward in die Grube, in das Grab geworfen: seine Seele war unter den Löwen. Sie versiegelten sein Grab mit ihrem Siegel, damit keiner Ihn bei Nacht stehlen sollte, aber Er stand wie Daniel lebendig und unverletzt, und seine Feinde wurden zu Grunde gerichtet. Nun, wenn Daniel ein Vorbild Christi ist und der Herr Jesus der große Repräsentant aller, die in Ihm sind, so musst du, Gläubiger, erwarten, dass Menschen da sein werden, die dich angreifen, die dich besonders in deiner Religion bekämpfen werden. Du musst auch erwarten, dass sie eine Zeitlang die Oberhand behalten, so dass du in die Grube geworfen wirst, dass sie suchen werden, dich zu verschließen, als wenn du auf immer vernichtet wärest; aber es wird eine Auferstehung nicht nur des Leibes, sondern auch des Rufes sein, und du wirst auferstehen. Wenn die Posaune ertönt, werden nicht nur die körperlichen Bestandteile, welche den Menschen ausmachen, sondern auch das Andenken des Menschen auferstehen; sein guter Name, der unter den Schollen der Verleumdung begraben war, soll zum Leben erstehen, während auf seine Feinde und ihren Ruf Verderben vom Angesicht des Herrn fallen wird. O, lasst uns Nachfolger Jesu, des großen Daniel, sein! In seine Fußstapfen treten, wohin Er geht! Viel bei Ihm sein, ob-in der Einsamkeit oder Öffentlichkeit. Dies ist ein Wünschenswertes, und obwohl ich euch dazu ermahne, erwarte ich nicht, dass ihr es in eigener Kraft erreichen werdet, sondern ich weise euch auf den Heiligen Geist, der dies in euch wirken und euch „hochgeliebt“ (Dan. 11, 19) machen kann, wie dieser alte Prophet es war. Der Herr segne uns mit einem feierlichen Entschluss, niemals vom Rechten abzuweichen, sondern Christo in allen Dingen zu folgen, und Ihm soll das Lob dafür gegeben werden. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/spurgeon/d/spurgeon-daniels_unerschrockener_mut.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain