Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 15

Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 15

(Der König bekämpft das Formelwesen. V. 1-20.)

1.2. Da kamen zu Ihm die Schriftgelehrten und Pharisäer von Jerusalem, und sprachen: Warum übertreten Deine Jünger der Ältesten Aufsätze? Sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen.

Wenn unser Herr am geschäftigsten war, so griffen seine Feinde Ihn an. Diese Geistlichen „von Jerusalem“ waren wahrscheinlich die Vornehmsten der ganzen Klasse und hofften wegen ihres Rufes auf einen leichten Sieg über den ländlichen Prediger. Vielleicht waren sie eine vom Hauptquartier gesandte Deputation, um den neuen Lehrer in Verwirrung zu bringen. Sie hatten eine Frage vorzulegen, die ihnen wichtig geschienen haben mag. Vielleicht stellten sie sich auch nur so, als wenn das der Fall wäre, um ihren Zweck zu erreichen. Überlieferungen der Ältesten waren große Dinge für sie; diese zu übertreten musste in der Tat ein Verbrechen sein. Waschen der Hände ist etwas sehr Geziemendes. Man könnte wünschen, dass es öfter getan würde, aber es zu einer religiösen Zeremonie zu erheben, ist eine Torheit und eine Sünde. Diese „Schriftgelehrten und Pharisäer“ wuschen ihre Hände, ob diese des Waschens bedurften oder nicht, aus vorgeblichem Eifer, frei von jedem Atom zu werden, das sie nach dem Zeremonialgesetz unrein machte. Unseres Herrn Jünger waren so weit in die christliche Freiheit hineingekommen, dass sie die rabbinische Überlieferung nicht beobachteten: „sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen.“ Warum sollten sie ihre Hände waschen, wenn sie rein waren? Die Überlieferung hatte keine Macht über ihr Gewissen. Kein Mensch hat das Recht, eine neue Pflicht aufzulegen, ebensowenig wie eine alte zu vernachlässigen. Die Erlassung der Gebote steht nur dem König zu. Dennoch fragen diese Frömmler, warum des Herrn Jünger ein Gesetz brechen, das kein Gesetz war. Es wird gut sein, wenn unsere Gegner wider uns keine schlimmere Klage vorbringen können als diese.

3. Er antwortete und sprach zu ihnen: Warum übertretet denn ihr Gottes Gebot um eurer Aufsätze willen.

„Er antwortete“ auf ihre Frage, indem Er eine andere tat. Dies war eine sehr gewöhnliche Weise unseres Herrn, und wir mögen Ihm darin nachahmen bei Streitigkeiten mit mäkelnden Personen. Unser Herr lässt ein grelles Licht auf sie fallen durch die Frage: „Warum übertretet denn ihr Gottes Gebot um eurer Überlieferungen willen?“ Was ist eine „Überlieferung“ verglichen mit einem „Gebot?“ Was ist eine Überlieferung, wenn sie in Widerspruch mit einem Gebot ist? Was sind Älteste im Vergleich mit Gott? Unser Herr wusste, wie diese boten der bösen Mächte am besten zu behandeln waren. Seine Frage spielte den Krieg in ihr eigenes Gebiet hinüber und verwandelte ihren prahlerischen Angriff in eine gänzliche Niederlage.

4-6. Gott hat geboten: Du sollst Vater und Mutter ehren; wer aber Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Aber ihr lehrt: Wer zum Vater oder zur Mutter spricht: Es ist Gott gegeben, das dir sollte von mir zu Nutz kommen, der tut wohl. Damit geschieht es, dass niemand hinfort seinen Vater und seine Mutter ehrt, und habt also Gottes Gebot aufgehoben um eurer Aufsätze willen.

Unser Herr erklärt seine Frage und beweist seine Beschuldigung. Gott hatte Sohn und Tochter verpflichtet, die Eltern zu ehren, und dies schloss unzweifelhaft die Gewährung der Hilfe ein, deren sie bedurften. Dieser Pflicht konnten sie sich nicht entziehen, ohne das klare Gebot Gottes zu brechen. Es war immer recht nach dem Gesetz der Natur, den Eltern dankbar zu sein, und nach dem Gesetz Mosis war es immer eine Todsünde, sie zu schmähen. 2 Mose 21,17 lesen wir: „Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben“ Vor Vater und Mutter sollen wir Ehrfurcht haben und Liebe zu ihnen hegen, und die Vorschrift, die dies verordnet, wird „das erste Gebot“ genannt, „das Verheißung hat.“ Es konnte kein Irrtum über die Bedeutung des göttlichen Gesetzes sein, dennoch hatten die schlechten Lehrer jener Zeit eine Methode erfunden, durch die sie die Menschen der Erfüllung einer so klaren Pflicht überhoben.

Diese elenden Liebhaber der Überlieferung lehrten, wenn ein Mann riefe „Korban - Eine Gabe!“ und so dem Namen nach das für Gott bestimmte, was seine Eltern von ihm wünschten, so brauche er es ihnen nachher nicht zu geben. Wenn er im Zorn oder auch nur dem Vorwand nach das, was Vater oder Mutter forderten, unter einen Bann tat, so wurde er frei von der Verpflichtung, seinen Eltern zu helfen. Es ist wahr, die Rabbiner forderten nicht, dass er sein Gelübde vollziehe und wirklich das Geld oder die Güter Gottes gebe, aber da er den heiligen Namen hineingezogen, so durfte er unter keiner Bedingung die Gabe den Eltern einhändigen. So konnte ein hastiges Wort einen Sohn von der Pflicht freimachen, Vater oder Mutter beizustehen, und nachher konnte er vorgeben, dass es ihm sehr leid täte, es gesagt zu haben, dass aber sein Gewissen ihm nicht erlaube, den Bann zu brechen. Schändliche Heuchler! Anwälte des Teufels! War je eine Erfindung seichter und einfältiger? Doch so „hoben sie Gottes Gebot auf.“

7. 8. Ihr Heuchler, es hat wohl Jesaias von euch geweissagt und gesprochen: Dies Volk naht sich zu mir mit seinem Mund, und ehrt mich mit seinen Lippen; aber ihr Herz ist ferne von mir.

Mit vollem Recht verdienten sie den Namen, den der unwillige Heiland ihnen gab: „Ihr Heuchler.“ Sie regten sich auf wegen ungewaschener Hände, und legten doch ihre schmutzigen Hände an das heilige Gesetz Gottes. In den prophetischen Worten des Jesaias wurden sie in der Tat beschrieben, und zwar genau nach dem Leben. Sie hatten eine Mundreligion, eine Lippenhuldigung, und das allein. Ihr Herz nahte sich niemals dem Herrn.

So gab unser Herr seinen Gegnern die Schrift statt der Überlieferung. Er zerbrach ihre hölzernen Waffen mit dem Schwert des Geistes. Die Heilige Schrift muss unsere Waffe sein gegen die Überlieferungen. Nichts wird die Kirche der Überlieferungen stürzen, als nur das Wort des Herrn.

Als Er die Weissagung des Jesaias anführte, gab unser Herr den Sinn frei wieder und rügte so die bloße Wortklauberei der Rabbiner. Sie konnten die Buchstaben eines heiligen Buches zählen und doch die Bedeutung desselben ganz missverstehen; Er gab Seele und Geist des inspirierten Spruches. Jesus bestand auf Herzens-Anbetung und sagte nichts von dem Waschen oder Nichtwaschen der Hände vor dem Brotessen. Das war Ihm ein zu kleinlicher Punkt, um dabei zu verweilen.

9. Aber vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind.

Religion, die auf menschliche Autorität gegründet ist, ist wertlos. Wir müssen den wahren Gott anbeten in der Weise, die Er selbst bestimmt hat, sonst beten wir Ihn gar nicht an. Lehren und Gebräuche sind nur anzunehmen, wenn das göttliche Wort ihnen einen Anhaltspunkt gibt. Die allergenaueste Form der Andacht ist vergeblicher Gottesdienst, wenn sie durch menschliche Anordnungen geregelt ist, ohne einen Befehl des Herrn für sich zu haben.

10. Und Er rief das Volk zu sich, und sprach zu ihm: Hört zu und vernehmt’s!

Er wendet sich an das gemeine Volk, unter dem Er seine Wunder der Liebe getan hat. Er rief das Volk und hieß sie hören und verstehen. Es sieht aus, als wollte Er durch seine Taten sagen, dass Er lieber diese unwissenden Landleute lehren wolle, als die falschherzigen Schriftgelehrten und Pharisäer. Er hatte mehr Hoffnung, von der unwissenden Menge verstanden zu werden, als von den Gebildeten, die ihr Urteil dadurch, dass sie wertlose Überlieferungen folgten, in so elende Knechtschaft gebracht hatten. Das Evangelium wendet sich von den Gelehrten zu dem Volk. Diese letzten haben mehr gesunden Verstand und Ehrlichkeit als die ersteren; doch auch sie bedürfen der Ermahnung: Hört und versteht.

11. Was zum Mund eingeht, das verunreinigt den Menschen nicht; sondern was zum Mund ausgeht, das verunreinigt den Menschen.

Hier ist etwas zum Nachdenken für die Menge und zum Wiederkäuen für die Pharisäer. Es war ein Rätsel für viele und eine Überraschung für alle. Besonders war es etwas, was die stutzig machte, die an Formen hielten. Die Frömmler jener Tage versetzten den Hauptpunkt der Moral in das Essen und Trinken, aber der Herr Jesus erklärte, dass er in Gedanken und Handlungen liege. Die Pharisäer hatten nun ein Wort, worauf sie anspielen konnten und das ihnen einen Text zu boshafter Auslegung für manchen Tag gab. Sie hatten gesucht, einen Ausspruch zu erhaschen, den sie als Anklage gebrauchen konnten, und Er gab ihnen hier einen, den sie zu diesem Zweck anführen konnten, wenn sie es wagten. Er war ihrer Lehre gerade entgegengesetzt, und doch war es nicht leicht, der scharfen Schneide desselben entgegen zu treten oder seiner eigentümlichen Kraft zu widerstehen.

12. Da traten seine Jünger zu Ihm, und sprachen: Weißt Du auch, dass sich die Pharisäer ärgerten, da sie das Wort hörten?

Die Jünger hielten das Ärgern der Pharisäer augenscheinlich für wichtiger, als ihr Herr es tat. Er wusste, dass sie sich ärgern würden, und hielt es für kein Unglück, dass sie es täten. Er stellte ihnen seinen merkwürdigen Lehrspruch in den Weg, dass sie sich dadurch gehemmt und gehindert finden möchten. Sie waren in kriechender Weise zu Ihm gekommen mit dem Wunsch, Ihn in seiner Rede zu fangen. Ihn widerte ihre Heuchelei an, und durch seinen sie verblüffenden Ausspruch entlarvte Er sie, so dass sie ihr wahre Farbe zeigen mussten. Sie konnten ihren Hass nicht länger verbergen; fortan konnten sie die Jünger durch den Schein der Freundlichkeit nicht mehr fangen.

13. Aber Er antwortete und sprach: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht pflanzte, die werden ausgereutet1).

Wenn Menschen ein Ärgernis sind, so verdienen sie, geärgert zu werden. Wenn diese vorgeblichen Lehrer der Gebote Gottes an dem Sohn Gottes mäkeln, so verdienen sie keine Schonung; sondern es ist recht und weise, ihnen Wahrheit zu geben, die ihnen unangenehm ist. Ein guter Gärtner trägt ebensowohl Sorge, Unkraut auszujäten, als die Pflanzen zu begießen. Unseres Herrn gedankenreicher Ausspruch wirkte wie eine Hacke, um diese Menschen aus ihrem religiösen Bekenntnis herauszureißen, und Jesus beabsichtigte dieses. Aber welch feierlich ernstes Wort ist es! Wenn unsere Religion nicht ganz von Gott ist, so wird sie ein Ende nehmen, und dies Ende wird Verderben sein. Einerlei, wie schön die Blume aussieht, wenn der Vater sie nicht gepflanzt hat, so ist ihr Urteil besiegelt, sie soll nicht beschnitten, sondern „ausgereutet“ werden. Die, welche die Wahrheit ausreutet, sind in der Tat ausgereutet.

14. Lasst sie fahren, sie sind blinde Blindenleiter. Wenn aber ein Blinder den anderen leitet, so fallen sie beide in die Grube.

Er wandte sich von ihnen, als der ferneren Beachtung unwürdig, und sprach: „Lasst sie fahren.“ Die Jünger hatten nicht nötig, die Pharisäer zu bekämpfen, sie würden im natürlichen Verlauf der Dinge ausgereutet werden als unvermeidliche Folge des von ihnen eingeschlagenen Weges. Beide, sie und die von ihnen Betrogenen, würden „in die Grube“ des Irrtums und der Abgeschmacktheit fallen, und schließlich ins völlige Verderben sinken. In allen Fällen ist es so, wenn der scheinheilige Lehrer den unwissenden Jünger leitet, so müssen beide verkehrt gehen. Dasselbe ist der Fall mit jeder Form geistlicher Blindheit bei denen, welche das Denken ihrer Zeit leiten, und bei denen, die ihrer irrigen Leitung folgen. Der philosophische Unglaube unserer Zeit ist blind vor Dünkel, und furchtbar ist die Grube, auf welche er zueilt! Ach! die Lehrer desselben führen unsterbliche Seelen mit sich in die Grube des Atheismus und der Anarchie.

O Herr, lass uns nicht verzweifeln wegen der jetzigen Überhandnahme falscher Lehre. Mögen wir unsere Seelen in Geduld fassen! Wir können nicht bewirken, dass die blinden Leiter oder ihre blinden Nachfolger die Grube sehen, die vor ihnen ist, aber sie ist darum doch da, und ihr Fall ist gewiss. Du allein kannst die Augen der Blinden auftun, und wir hoffen, dass dies Gnadenwunder von Dir gewirkt werde.

15. Da antwortete Petrus und sprach zu Ihm: Deute uns dies Gleichnis.

Der Ausspruch, den Petrus ein Gleichnis nennt, war vor dem Volk getan, den Hörern war befohlen, ihn zu verstehen, aber sicher begriffen sie ihn nicht, denn selbst das Kollegium der Apostel konnte ihn nicht fassen. Petrus, als der Sprecher, tat wohl, sogleich zu der Quelle zu gehen und demütig zu sagen: „Deute uns dies Gleichnis.“ Der, welcher den dunklen Ausspruch tat, konnte ihn am besten auslegen.

16. Und Jesus sprach zu ihnen: Seid ihr denn auch noch unverständig?

Natürlich, die Pharisäer hassten das Licht und weigerten sich, die geistliche Wahrheit zu sehen, die unser Herr in so kräftiger Weise ihnen vorgehalten. Es war auch nicht zu verwundern, dass die Menge unwissend war, um den göttlichen Sinn des kurzen und bündigen Ausspruchs zu sehen. Aber hätten nicht die erwählten Zwölf eine klarere Einsicht haben sollen? Nach all den Lehren ihres Herrn, waren sie „denn auch noch unverständig?“ Hätten sie nicht den wirklichen Sinn der Worte ihres Herrn erfassen sollen? Ach, wie oft sind wir in demselben Zustand gewesen? Wie treffend kann uns die Frage vorgelegt werden: „Seid ihr denn auch noch unverständig?“

17. Merkt ihr noch nicht, dass alles, was zum Mund eingeht, das geht in den Bauch, und wird durch den natürlichen Gang ausgeworfen?

Nachdem wir jahrelang von dem Meister gelehrt sind, können wir da noch nicht eine Grundwahrheit fassen? Können wir nicht zwischen leiblicher und geistlicher Verunreinigung unterscheiden? Speise berührt nicht die Seele; sie geht durch den Körper, aber sie geht nicht in die Neigungen oder den Verstand ein, und verunreinigt deshalb einen Menschen nicht. Was gegessen wird, ist eine körperliche Substanz und kommt nicht in Berührung mit dem sittlichen Gefühl. Dies ist jedem vorurteilsfreien Geist klar genug. Speise geht durch jeden Gang des leiblichen Organismus, von dem Eingang durch den Mund, den Gang durch die Eingeweide bis zur schließlichen Ausstoßung; aber sie hat keine Beziehung zu dem geistigen und geistlichen Teil unseres Wesens, und da allein kann wirkliche Verunreinigung verursacht werden.

18. Was aber zum Mund herausgeht, das kommt aus dem Herzen, und das verunreinigt den Menschen.

Das, was aus dem Mund kommt, ist der Seele des Menschen entsprungen und trägt einen sittlichen Charakter: „Was aber zum Mund herausgeht, das kommt aus dem Herzen.“ Worte und die Gedanken, deren Kleid die Worte sind, und die Handlungen, welche die Verkörperung der Worte sind, diese sind von dem Menschen selber, und diese verunreinigen ihn. Wenn der Verstand oder das Herz nichts mit einer Handlung zu tun hätte, so würde sie einen Menschen nicht mehr verunreinigen als die Speise, die er hinunter schluckt und auswirft. Weil Taten und Worte nicht nur aus dem Mund kommen, sondern aus der Seele, sind sie von weit größerer Wichtigkeit als Essen und Trinken. Natürlich wird ein Mensch verunreinigt, wenn er sich der Schwelgerei und des Trunkes schuldig macht; doch ist das nicht wegen der bloßen Speisen und Getränke, sondern weil das Übermaß, in dem er sie nimmt, von ungezügelter Begierde herrührt und diese durch das, was sie befriedigt, noch stärker wird.

19. Denn aus dem Herzen kommen arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung.

Welche Liste! Wie muss das Herz sein, aus dem so viele Übel herausströmen! Dies sind die Bienen, wie muss der Bienenstock sein! „Arge Gedanken“ oder Schlussfolgerungen, wie die, deren diese Pharisäer sich schuldig gemacht. „Das neuere Denken“ ist eine Probe von diesen Übeln; es kommt mehr aus dem Herzen als aus dem Kopf. „Mord“ beginnt nicht mit dem Dolch, sondern mit der Bosheit der Seele. Auch Ehebruch und Hurerei hat zuerst das Herz mit Wohlgefallen betrachtet, ehe der Körper sie vollzieht. Das Herz ist der Käfig, aus dem diese unreinen Vögel hervorfliegen. „Dieberei“ wird auch im Herzen geboren. Ein Mensch würde nicht unrechterweise mit der Hand nehmen, wenn er nicht unrechterweise mit dem Herzen begehrt hätte. „Falsche Zeugnisse“ oder Lügen und Verleumdungen. Auch dies gärt erst im Herzen, und dann wird das Gift in der Unterhaltung ausgespien. Wer „Lästerungen“ ausspricht gegen seinen Schöpfer, zeigt ein sehr schwarzes Herz. Wie hätte er in ein so verderbliches Laster fallen können, wenn nicht seine innerste Seele voll Empörung gegen seinen Herrn gewesen wäre? Diese schrecklichen Übel fließen alle aus einer Quelle, aus der Natur und dem Leben der gefallenen Menschen.

20. Das sind die Stücke, die den Menschen verunreinigen. Aber mit ungewaschenen Händen essen, verunreinigt den Menschen nicht.

Sie kommen nicht nur aus einer verunreinigten Natur, sondern verunreinigen den Menschen auch noch immer mehr. So hat der Heiland seinen Lehrsatz bewiesen. Die Dinge, die von innen kommen, sind augenscheinlich sehr verunreinigender Art und machen einen Menschen unfähig zur Gemeinschaft mit Gott und zur Vollbringung heiliger Pflichten; aber dass er versäumt, Wasser auf die Hände zu gießen, kann nicht im geringsten damit verglichen werden. Doch waren diejenigen, welche für verunreinigende Sünden keine Buße taten, voll Entsetzen, wenn jemand ein Stück Brot mit ungewaschenen Händen aß.

Teurer Meister, wasche mich innerlich und errette mich von den Verunreinigungen einer verderbten Natur! Lass mich nicht mein Vertrauen auf äußere Formen setzen, sondern reinige mich in den verborgenen Teilen!

(Unser König und das kananäische Weib. V. 21-28.)

21. Und Jesus ging aus von dannen, und entwich in die Gegend Tyrus’ und Sidons.

Er verließ die widerliche Gesellschaft der Pharisäer und ging von dannen, und ging, so weit Er konnte, ohne sein eigenes Land zu verlassen. Der große Bischof ging ganz bis an die Grenze seiner Diözese. Eine innere Anziehungskraft zog Ihn dahin, wo Er wusste, dass ein gläubiges Herz nach Ihm schmachtete. Er war zum Haus Israel als Prediger gesandt, aber Er legte seinen Auftrag im weitesten Sinne aus und ging „in die Gegen Tyrus’ und Sidons“. Wenn die im Mittelpunkt sich als unverbesserlich zeigen, so geht der Herr zu denen, die nur vom Umkreis aus erreicht werden können. Lasst uns stets ganz bis ans Ende des Feldes pflügen und unserer Zeit und unserem Geschlecht bis an die äußersten Grenzen unseres Wirkungskreises dienen.

22. Und siehe, ein kananäisches Weib ging aus derselbigen Grenze, und schrie nach Ihm und sprach: Ach Herr, Du Sohn Davids, erbarme Dich mein! Meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt.

„Siehe“: hier ist etwas des Sehens Wertes, gut für Augen und Herz. Gerade als Jesus an die Grenze von Tyrus und Sidon ging, kam ein Weib aus derselbigen Grenze Ihm entgegen. Dieses „kananäische Weib“ hatte kein Anrecht durch ihre Nationalität. Sie war eine Heidin der schlimmsten Art, von einem Volk, das schon vor langer Zeit zum Sterben verurteilt war. Sie kam von dem schmalen Strich Landes, wo die Tyrer wohnten, und wie Hiram von Tyrus kannte sie den Stamm Davids. Aber sie ging noch weiter, denn sie hatte Glauben an Davids Sohn. Liebe zu ihrer Tochter führte sie dahin, zu wandern, zu schreien, zu bitten, zu flehen um Barmherzigkeit. Was wird die Liebe einer Mutter nicht tun? Ihre Not hatte die Schranke zwischen Heiden und Juden niedergebrochen; sie rief Jesum an, als wäre sie aus demselben Land wie seine Jünger. Sie bat um die Heilung ihres Kindes als um eine Barmherzigkeit für sich selber: „Erbarme Dich meiner!“ Sie erbat es von Jesu als dem Herrn. Sie erbat es von einem Größeren als Salomo, dem Sohn Davids, dem weisesten und mächtigsten der Wundertäter. Sie legte den Fall kurz und rührend dar und bat für ihre Tochter mit all der liebevollen Angst einer Mutter. Ihre Not lehrte sie, wie sie beten müsse. Bis wir ebenfalls wissen, was wir verlangen und voll hoffnungsreicher Sehnsucht sind, werden wir nie erhörlich beten. Beten wir für unsere Kinder, wie dies Weib für ihre Tochter? Haben wir nicht gute Ursache, sie uns zum Beispiel zu nehmen?

23. Und Er antwortete ihr kein Wort. Da traten zu Ihm seine Jünger, baten Ihn und sprachen: Lass sie doch von Dir, denn sie schreit uns nach.

Schweigen war eine harte Antwort, denn die Furcht kann es in etwas übersetzen, das schlimmer ist als die härteste Rede. „Kein Wort,“ kein Wort von Ihm, von dem jedwedes Wort eine Macht ist! Dies war eine schwere Entmutigung. Doch wurde sie nicht zum Schweigen gebracht durch des Herrn Schweigen. Sie vermehrte ihre Bitten. Die Jünger irrten sich, als sie sprachen: „Sie schreit uns nach.“ Nein, nein, sie schrie Ihm nach. Hätte dies sie belästigen sollen? O, dass alle Menschen Ihm nachschrien! Nach einer so gesegneten Belästigung sollten die mitleidigen Herzen unter den Dienern des Herrn sich sehnen. Die Jünger wurden indes getrieben, sich an ihren Meister zu wenden, und obgleich dies etwas war, so war es doch nicht viel. Möglicherweise meinten sie durch ihre Klage dem Weib zu helfen, indem sie eine Antwort für sie erhielten, aber ihre Worte sehen kalt aus. „Lass sie doch von Dir.“ Mögen wir nie so selbstsüchtig sein, uns durch suchende Seelen belästigt zu fühlen! Mögen wir sie nie hinweg senden durch kalte Blicke und harte Worte!

Doch waren die Jünger nicht im Stande, sie zu vernachlässigen, sie waren gezwungen, Jesum ihrethalben zu bitten. Sie traten zu Ihm und baten Ihn. Wenn christliche Leute scheinbar teilnahmslos sind, so lasst uns sie durch beharrlichen Eifer erwärmen.

24. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Haus Israel.

Als Jesus sprach, war es nicht zu ihr, sondern zu den Jüngern. Sie hörte das Wort und fühlte es als einen Seitenschlag, der ihre Hoffnungen schwer traf. Sie war nicht vom „Haus Israel“. Sie räumte ein, dass sie sich nicht unter die Schafe rechnen konnte, zu denen Er gesandt war, und wie konnte Er über seine Sendung hinausgehen? Es wäre wenig zu verwundern gewesen, wenn sie sich in Verzweiflung zurückgezogen hätte. Im Gegenteil jedoch verdoppelte sie ihr Flehen.

25. Sie kam aber und fiel vor Ihm nieder, und sprach: Herr, hilf mir!

Statt sich zurückzuziehen, kam sie näher und fiel vor Ihm nieder. Das war gut getan. Sie konnte die Rätsel des Geschicks ihres Volkes und der Sendung des Herrn nicht lösen; aber sie konnte beten. Sie wusste wenig von den Grenzen des messianischen Amts, aber sie wusste, dass der Herr grenzenlose Macht hatte. Wenn Er als Hirte sie nicht sammeln durfte, konnte Er doch als Herr ihr helfen. Die göttliche Natur Christi ist ein Born des Trostes für geängstete Herzen.

Ihre Bitte war kurz, aber umfassend; sie kam heiß von dem Herzen und ging gerade auf die Sache zu. Ihrer Tochter Not war ihre eigene, daher rief sie: „Herr, hilf mir!“ Herr, hilf uns beten, wie sie es tat!

26. Aber Er antwortete und sprach: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme, und werfe es vor die Hunde.

Endlich wendet Er sich um und gibt eine Antwort auf ihre Bitte, aber ist keine ermunternde. Wie hart die Sprache! Wie ungleich unseres Herrn gewöhnliche Art! Und doch, wie wahr! Wie unwiderleglich! Wahr, „es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme, und werfe es vor die Hunde.“ Natürlich müssen Vorrechte nicht denjenigen gegeben werde, die kein Recht daran haben, und vorbehaltene Güter müssen nicht an die Unwürdigen verschwendet werden. Der Segen, den sie suchte, war wie Brot für Kinder, und die Kanaaniter waren ebenso wenig Glieder der erwählten Familie wie die Hunde. Ihr heidnischer Charakter machte sie in betreff der Unreinheit gleich Hunden. Seit Generationen hatten sie von dem wahren Gott nicht mehr gewusst, als Hunde, die auf den Straßen herumstreifen. Oft hatten sie und die anderen Stämme der Philister wie Hunde nach den Fersen des Volkes Gottes geschnappt. Das Weib hatte wahrscheinlich dergleichen Worte von stolzen, scheinheiligen Juden gehört, aber sie hatte sie nicht von dem Herrn erwartet.

27. Sie sprach: Ja, Herr; aber doch essen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herren Tisch fallen.

Es war demütig zu sprechen: „Ja, Herr.“ Es war mutig gesprochen, denn sie fand Nahrung für den Glauben in der harten Rinde der Worte unseres Herrn. Unser Herr hatte das Wort Hund gebraucht. Sie aber nimmt dies Wort Hündlein. Diese sind die Spielkameraden der Kinder; sie liegen unter dem Tisch und essen die Brocken, die von dem Tisch ihrer kleinen Herren auf den Boden fallen. Der Hausvater nimmt das Hündlein soweit unter seine Obhut, dass er ihm erlaubt, unter dem Tisch zu sein. Wenn sie als heidnischer Hund, der sie ist, nicht geweidet werden darf wie eins von der Herde, so will sie zufrieden sein, in der Eigenschaft eines Hündleins im Haus geduldet zu werden, denn dann werden ihr die Brocken verstattet werden, die von dem Brot der Kinder fallen, von dem Tisch der kleinen Herren des Hündleins. Groß wie der Segen war, den sie suchte, war er nur wie ein Brocken im Vergleich zu des Herrn Freigebigkeit und dem Anteil Israels, und deshalb bat sie darum, obwohl sie sich als Hund anerkannte.

Lasst uns die schlimmste Bezeichnung annehmen, welche die Schrift uns gibt, und immer noch einen Grund zur Hoffnung darin finden.

28. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß! dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter ward gesund zu derselbigen Stunde.

Unser Heiland liebt großen Glauben und gewährt ihm, was er wünscht. Ihr Glaube war groß, da sie ein heidnisches Weib war, die so wenig von dem Heiland wusste. Aber ihr Glaube war, auch von diesem abgesehen, groß, denn sie glaubte an einen schweigenden Christum, an einen, der ihr einen Verweis erteilt, der sie einen Hund nennt. Wenige von uns haben den zehnten Teil des Glaubens an unseren Herrn, wie dieses Weib. Zu glauben, dass Er ihre Tochter sogleich heilen kann, und sich an Ihn zu hängen mit der Bitte um diese Wohltat, ist ein Glaube, der sogar den Herrn in Verwunderung setzt, so dass Er ausruft: „O Weib, dein Glaube ist groß!“ wie glänzend die Belohnung: „Dir geschehe, wie du willst!“ Nach ihrem Willen war die Heilung ihrer Tochter augenblicklich, vollkommen und dauernd. O, dass wir den gleichen, köstlichen Glauben hätten, besonders in Bezug auf unsere Söhne und Töchter! Warum sollten wir ihn nicht haben? Jesus ist noch derselbe, und wir haben noch mehr Gründe, Ihm zu vertrauen, als die Kanaaniterin haben konnte. Herr, wir glauben, hilf Du unserem Unglauben und mache unsere Kinder gesund!

(Der König gibt ein anderes Festmahl. V. 29-39.)

29. Und Jesus ging von dannen weiter, und kam an das Galiläische Meer und ging auf einen Berg und setzte sich allda.

Er war immer in Bewegung; Er „zog umher und tat wohl.“ Er war an die Grenze des Landes gegangen, aber Er ging bald zurück ins Hauptquartier. Er vergeudete keinen Augenblick. Er verweilt nicht, um sich wegen seines Erfolges beglückwünschen zu lassen, sondern eilt zu anderem Werk, und darum lesen wir oft: „Und Jesus ging von dannen.“

Wie liebte Er die Berge und das Meer! Beim Galiläischen Meer wählt Er wiederum eine Erhöhung, einen Ort zum Stehen mit Raum rund herum für eine Versammlung, und eröffnet eine andere Sitzung seines Amts der Barmherzigkeit. „Er setzte sich allda,“ denn Er wollte dem Volk Segen bringen an diesem geeigneten Ort. Im Geist sehen wir Ihn seinen Sitz nehmen und dann belehrend sprechen von der Höhe am „Galiläischen Meer.“ Der Bergesabhang war zugänglich für alle, und niemand konnte sich über Betretung eines verbotenen Stück Landes beschweren, und er war weit genug von geschäftigen Städten entfernt, um frei von dem Geräusch der notwendigen Arbeit zu sein. Seht, wie die Leute sich drängen! Unseres Herrn Gegenwart wird nicht lange unbeachtet bleiben, obwohl keine Kirchenglocken zum Gottesdienst läuten. Als Prediger fehlte es Ihm nie an Zuhörerschaft. Wenn Er sich niedersetzte, kamen die Leute; wenn Er „auf einen Berg ging,“ so kletterten sie Ihm nach. Wenn wir Jesum in dem abgelegensten Dorf predigen, in einer fast unzugänglichen Gegend, so werden wir nicht ohne Hörer bleiben.

30. 31. Und es kam zu Ihm viel Volks, die hatten mit sich Lahme, Blinde, Stumme, Krüppel und viele andere, und waren sie Jesu vor die Füße, und Er heilte sie, dass sich das Volk verwunderte, da sie sahen, dass die Stummen redeten, die Krüppel gesund waren, die Lahmen gingen, die Blinden sahen; und priesen den Gott Israels.

Immer dieselbe Geschichte. Der Magnet zieht immer an. Die Menge wächst an Zahl. „Es kam zu Ihm viel Volks.“ Sie scheinen aus der Erde aufzusprießen und vom Meer heranzuziehen. Sie sind so schnell um unseren Herrn her, dass keine Pause da ist, in der Er ruhen kann. Die Krankheiten, die sie vor Ihn bringen, sind noch verschiedenartiger als bei früheren Gelegenheiten. Welche Liste von Patienten! Welche Ansammlung von Elend auf einem Fleck! die Erwartung der Leute ist immer noch hoch; sie bringen die Kranken mit und werfen sie Jesu vor die Füße, mit voller Zuversicht sie Ihm überlassend. Die heilende Kraft fährt fort in voller Stärke zu fließen. Der eine Ausspruch ist eine großartige Zusammenfassung seiner wunderbaren Heilungen: „Er heilte sie.“ Dieses Mal ist das Resultat ein größerer Grad von Verwunderung bei dem Volk, begleitet vom frommen Lob des Gottes Israels: „Sie priesen den Gott Israels.“ Es war ihnen klar, dass Jehovah seines Volkes gedacht und es heimgesucht hatte und ihre Krankheiten heilte, und darum gaben sie Ihm für den Augenblick die Ehre. Wie erhebend muss es gewesen sein, Augenzeuge solcher Heilungen und solcher Gottesverehrung zu sein! Welche Heranbildung für die Apostel! Welche Stütze für ihren Glauben in den Tagen der Prüfung, nachdem ihr Meister von ihnen genommen war!

Herr, wenn wir eine Wiederbelebung der wahren Religion sehen, so schauen wir die Größe Deiner heilenden Macht in der geistlichen Welt und preisen deshalb den Gott Israels – den Gott des Bundes, den Gott des ringenden Gebets, den Gott aller Gnade.

32. Und Jesus rief seine Jünger zu sich, und sprach: Es jammert mich des Volks; denn sie nun wohl drei Tage bei mir beharren, und haben nichts zu essen; und ich will sie nicht ungegessen von mir lassen, auf dass sie nicht verschmachten auf dem Wege.

Die Weltgeschichte wiederholt sich und wir werden weise handeln, die Verschiedenheit dabei zu beachten. Was Jesus einmal getan hat, kann Er wieder und wieder tun, wenn Not eintritt. In der Tat, eine Barmherzigkeit ist die Verheißung einer anderen. Unser Herr ist hier der Erste, der davon spricht, was mit der fast verhungernden Menge zu tun ist. Die Jünger kommen nicht mit der Sache zu Ihm, sondern Er beginnt das Gespräch. Bei jedem Fall ist sein Herz das erste, und bei diesem auch seine Rede. „Und Jesus rief seine Jünger zu sich.“ Sie sollen seine Mitarbeiter sein, darum berät Er mit ihnen und macht sie zu Mitgliedern seines Kabinettrats. Sein Herz ist voll Milde und Er kann mit Wahrheit sagen: „Mich jammert des Volks.“ Ob Er etwas tut in einer Notsache oder nicht, sein Herz ist stets mitleidig und Er denkt an das jetzige Fasten der Leute und ihr mögliches Verschmachten. Sein Mitleid ist die Feder, welche seine Macht in Bewegung setzt. Das Volk war Ihm nachgefolgt, und Er konnte nicht anders als die Not bemitleiden, die aus ihrer Beharrlichkeit im Zuhören entstanden war. Diese Leute hatten drei Tage gefastet oder wenigstens nur kärgliche Nahrung gehabt, um Ihn predigen zu hören. Welch ein Predigen muss es gewesen sein! Aber der große Lehrer sorgt für ihren Körper sowohl wie für ihre Seele, und ist nicht zufrieden, nur ihren Geist zu speisen. Von gewöhnlichen Gesichtspunkt aus war ihr Mangel an Vorräten ihre eigene Sache; sie hatten sich aus freien Stücken versammelt und konnten vernünftigerweise nicht erwarten, dass Er ihnen beides, Unterhalt und Unterricht, umsonst gebe, aber sein großes Herz konnte sie nicht verschmachten lassen. Er wollte nicht einmal unschuldigerweise die Ursache davon sein, dass einer von ihnen Schaden litte. Er erklärt bestimmt: „Ich will sie nicht ungegessen von mir lassen.“ Er will nicht, dass seine Diener gleichgültig gegen die Leiden der Armen sind, nicht einmal in betreff der vergänglichen Speise. Wir mögen doppelt gewiss sein, dass Er keinen ernsten Hörer vor geistlichem Hunger verschmachten lassen wird. Er lässt uns warten, um den Hunger zu erwecken, aber Er wird uns nicht zuletzt ungespeist entlassen. Er liebt es nicht, die Hungrigen hungern zu lassen, denn Er fürchtet, dass sie „verschmachten auf dem Weg.“ Wenn einige von uns diesem Zustande nahe kommen, so bemerkt Er es und wird dazwischen treten. Lasst uns den Hunger nach himmlischer Nahrung stärken, so wird Jesus ihn stillen.

33. Da sprachen zu Ihm seine Jünger: Woher mögen wir so viel Brot nehmen in der Wüste, dass wir so viel Volk sättigen?

Bei dieser zweiten Gelegenheit hätten wir Besseres von den Jüngern erwarten können, aber sie sind im alten Gleis, so zweifelhaft wie immer und vergessen wiederum der Macht ihres Herrn. Er sagt: „Ich will sie nicht ungegessen von mir lassen,“ und sie beantworten seine gnadenvolle Erklärung mit einer harten kühlen Frage. Beachtet, wie sie vergessen, was Er tun wollte, und faseln von dem, was sie nicht tun können. „Woher mögen wir so viel Brot nehmen?“ Wer sagte etwas von „Wir“? Der einzige gute Punkt in ihrer Rede ist, dass sie sich überhaupt mit ihrem Herrn verbinden; aber selbst da legen sie sich einen zu hervorragenden Platz bei. Sie denken an ihre eigene Armut, an die Wüste, an des „so viel Brot“ und an das „so viel Volk“, aber sie vergessen ihren „so großen“ Herrn. Gleichen wir ihnen nicht zu sehr? Sind wir gewiss, dass wir auch nur so weise sind, wie sie es waren? Wir fürchten, nein.

34. Und Jesus sprach zu ihnen: Wie viel Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben und ein wenig Fischlein.

Der Herr nimmt ihre Gemeinschaft an und fragt: „Wie viele Brote habt ihr?“ Klein wie ihr Vorrat war und ganz unbedeutend für das vorgeschlagene Werk, gestattet Er ihnen, denselben zu seinem großen Zweck beizutragen. Sie machen einen raschen Überschlag und sprechen in traurigem Ton: „Sieben und ein wenig Fischlein.“ Sehr gleich unserem eigenen armen Vorrat für heiligen Dienst. Die Brote waren keineswegs solche Masse von Nahrung, wie wir mit dem deutschen Wort bezeichnen, denn es waren bloß dünne Kuchen. Die Fische waren wenig und klein; mehr Gräten als Fleisch. So sind unsere Fähigkeiten gering und verunstaltet durch viele Unfähigkeiten, aber geben wir alles, was wir haben, zu dem gemeinsamen Vorrat, so wird es genug sein in der Hand Dessen, der alle Dinge tut.

35. Und Er hieß das Volk sich lagern auf die Erde.

Das Volk ist bereit für das Fest durch seinen willigen Gehorsam. Was sie von unseres Herrn Wundermahl gesehen hatten, erweckte Erwartung und erzeugte Bereitwilligkeit, seiner Führung zu folgen. Es ist gewöhnlich eine Bereitschaft der Seelen da, wenn Jesus im Begriff ist, seine Gnadenwunder zu wirken. Herr, lass unsere Hörer bereit sein, „sich auf die Erde zu lagern“ bei Deinem Fest der Gnade!

36. Und nahm die sieben Brote und die Fische, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern; und die Jünger gaben sie dem Volk.

Er tat, wie vormals. Seine Weise ist vollkommen, und es war darum nicht nötig, sie zu ändern. „Er nahm die sieben Bote und die Fische.“ Sie machten nur eine Handvoll für Ihn aus. Dies zeigt uns, dass unsere geringen Fähigkeiten zu seiner Verfügung gestellt und in seine wunderwirkenden Hände gelegt werden müssen. Er verschmäht nicht, das Brot und die Fische zu tragen, obwohl Er den Himmel und die Erde trägt. Dass er „dankt“ bei einem Mahl unter freiem Himmel, sollte uns lehren, nie ohne Danksagung zu essen. Das Brechen lehrt uns, dass Talent gebraucht und die Wahrheit in Stücke zerlegt werden muss, um für den menschlichen Mund zu passen. Dass Er die Vorräte in viele Hände gibt, zeigt uns, dass nichts zurückbehalten, sondern alles unter die vielen verteilt werden soll. Unser Herr Jesus ehrte wiederum seine Jünger, indem Er sie zu den Dienern machte, durch welche Er die Menge erreichte. Herr, gebrauche uns, denn wenn wir weder Brot noch Fische haben, so haben wir doch willige Hände.

37. Und sie aßen alle und wurden satt, und hoben auf, was überblieb von Brocken, sieben Körbe voll.

Das Mahl war mit solcher Ordnung und mit so reichlichen Vorräten gehalten, dass alle satt wurden; selbst kleine Kinder erhielten ihr Brot und ihre Fische. Die Überbleibsel, die gebrochene Speise, war zu gut, um vergeudet zu werden, und ward daher in Körben zum künftigen Gebrauch aufgehoben. Der Gott des Überflusses ist auch der Gott der Sparsamkeit. Wir leiden keinen Mangel, aber wir verschwenden auch nicht. Körbe sind immer zu haben, die Schwierigkeit ist nur, sie zu füllen. Hier entsprach die Zahl der Körbe der der Brote; bei dem früheren Mahl entsprach sie der Zahl der Apostel. Der Segen, der den Dienst belohnt, mag eine Beziehung haben auf die Arbeiter oder auf den Vorrat, den sie zuerst beisteuerten, je nach der Art der Vergleichung. Bei beiden Speisungen der Menge war das, was nach dem Gebrauch noch da war, größer als das anfängliche Besitztum. Je mehr wir geben, desto mehr haben wir. Mögen nicht einige von uns arm sein, weil sie so wenig weggegeben haben? Würden nicht die Begabtesten jetzt vielleicht mehr Gaben besitzen, wenn sie selbstlos die, welche sie hatten, zum Wohl anderer gebraucht hätten?

38. Und die da gegessen hatten, derer waren vier tausend Mann, ausgenommen Weiber und Kinder.

Hier ist kein Wunsch, die Zahl zu erhöhen und das Wunder größer zu machen. In einigen kirchlichen Statistiken würde die Rechnung schnell gemacht werden, wenn Weiber und Kinder ausgelassen würden, denn sie bilden die große Masse der Zuhörer. In der Bibel finden wir die Zahlen nur nach den Männern gerechnet, und Matthäus war, wenn er die Steuern einnahm, gewohnt, sie so zu erheben, und diese Regel wird auch hier befolgt. Es ist kein Grund vorhanden, weshalb Weiber und Kinder in unseren heutigen Aufzählungen ausgelassen werden sollten, da die ganze Art der Volkszählung verändert ist und beide Geschlechter nun eingeschlossen werden. Da die Männer die größten Esser waren und die am meisten hervortretenden Personen, wurden sie gerechnet. Obgleich alle übrigen Gäste nicht gezählt wurden, so wurden sie doch gespeist, was die Hauptsache ist.

39. Und da Er das Volk hatte von sich gelassen, trat Er in ein Schiff und kam in die Grenze Magdalas.

Unser Herr versäumte nie, das Volk heim zu senden. Er wünschte nicht, sie von ihrer täglichen Arbeit abzuhalten. Er will nicht, dass sie Ihn als Ehrenwache begleiten oder begeisterte Prozessionen halten, darum eilt Er hinweg von ihrem Lob. Er trat in ein Schiff. Wie das Schiffchen in dem Webstuhl, so geht Er hinüber und herüber auf dem See. Er kommt „in die Grenze Magdalas.“ Suchte Er Maria von Magdala heraus? Er hatte irgend ein Werk der Barmherzigkeit dort, das bald ausgerichtet werden konnte, denn Er war wiederum auf dem Meer. Unser Herr war in großem Maß ein seefahrender Mann. Mögen die Seeleute Christi Fahnen aufziehen und unter seinem Kommando segeln. O Herr Jesus, ich möchte über das Meer des Lebens mit Dir als meinem Steuermann, Schiffseigentümer und Kapitän fahren!

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