Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 11

Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 11

(Der König stärkt seine Boten durch sein eigenes Erscheinen. V. 1-19.)

1. Und es begab sich, da Jesus solches Gebot zu seinen zwölf Jüngern vollendet hatte, ging Er von dannen weiter, zu lehren und zu predigen in ihren Städten.

Er ordnete ihre Missionstour an, und folgte ihnen alsdann selber. Es war sein Plan, sie zu je Zweien durch die Städte Israels zu senden und ihnen dann in Person zu folgen und ihr Zeugnis durch seine eigene Unterweisung zu kräftigen, denn Er kam, „zu lehren und zu predigen.“ Wir sollen unser Bestes für die Menschen tun und dann hoffen, dass unser Herr sich herablassen werde, unsere Lehre zu bezeugen und zu bestätigen dadurch, dass Er zu den Herzen der Menschen kommt. Der Ausdruck „ihren Städten“ klingt etwas seltsam. Hatte unser Herr diese Städte den Zwölfen gegeben? Es will so scheinen. In geistlichem Sinne gehen zuerst hin und nehmen Besitz von den uns anvertrauten Seelen, und dann kommt der König selber und nimmt sein Eigentum von unseren Händen entgegen.

Herr, gib mir viele Seelen, die Dein sein werden am Tage Deiner Erscheinung. Zu diesem Ende wollte ich fröhlich gehen auf Dein Geheiß und Dein Wort predigen in dem Vertrauen, dass ich den Ton der Füße meines Herrn hinter mir hören werde.

(Der König verteidigt und ermutigt seinen Herold.)

2. 3. Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er seiner Jünger zwei, und ließ Ihm sagen: Bist Du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?

Hier beginnen wir eine ganz andere Erzählung. Der erste Vers hätte zu dem vorhergehenden Kapitel gehören sollen. Johannes war im Gefängnis, aber er war kein guter Vogel für den Käfig; er war der Mann der Wüste und des Stromes, und sein Glaube begann im Gefängnis zu erschlaffen. So meinen einige. War es so? Oder war seine Gesandtschaft zum Herrn geschickt um der Jünger Johannis willen? Schwankten diese so sehr, dass Johannes ihnen nicht wieder Mut einsprechen konnte ohne diese Hilfe Jesu? Oder wollte Johannes unserem Herrn zu verstehen geben, dass Zweifel entstanden seien, die durch eine fernere Verkündigung seiner Sendung beseitigt werden würden? War dies alles, zu dem Johannes sich noch für fähig hielt, nämlich den Herrn aufzufordern, seine Rechte in der entschiedensten Weise zu behaupten? War Johannes entschlossen, von unserem Herrn eine sehr klare Aussage zu erlangen, damit seine Jünger bereitwillig zu Jesu übergehen möchten? Die Frage nach der Sendung unseres Herrn war sicherlich nicht um des Johannes willen, denn er wusste gut genug, dass Jesus der Sohn Gottes war. Aber als er alles hörte, was Jesus tat, mag er sich gewundert haben, dass er im Gefängnis gelassen wurde, und auch gedacht haben, dass möglicherweise ein andrer noch kommen sollte, ehe alles zurecht gebracht werden würde. Dunkle Gedanken mögen zu den Tapfersten kommen, wenn sie in einer engen Zelle eingesperrt sind. Es war gut, dass die Frage des Johannes getan ward, so dass sei eine deutliche Antwort erhielt, beruhigend für ihn selber und lehrreich für uns.

4. 5. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr seht und hört; die Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.

Unser Herr stellt keine Behauptung auf, sondern legt ein klares Zeugnis vor den Augen der Gesandten des Johannes ab. Er gründete den Beweis für sein Amt als Messias auf seine Wunder. Wie kommt es, dass in unseren Tagen gesagt wird, dass die Wunder mehr eine Prüfung des Glaubens, als eine Stütze desselben seien? Ein ungläubiges Geschlecht verwandelt selbst Speise in Gift. Was Johannes im Gefängnis gehört, sollten seine Boten selber sehen, und es dann ihrem eingekerkerten Meister erzählen.

Gefängnismauern können die Botschaft von Jesu nicht ausschließen, aber gute Botschaft kommt am besten durch Freunde, welche persönliche Zeugen sind.

Die Boten erhielten Befehl: „Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr seht und hört.“ Vom Hören und Sehen hatten sie mehr, als sie vollständig berichten konnten, und mehr als genug, um sie sehen zu lassen, dass Jesus der Christ sei. Die bewirkten Heilungen waren alle wohltätig, übermenschlich und von der Art, wie sie den Weissagungen der Propheten gemäß das Kommen des Messias bezeichnen sollten. Sie häuften sich und nahmen immer an Kraft zu. Die letzten zwei bilden augenscheinlich den Höhepunkt: „Die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Diese zwei Wunder sind nebeneinander gestellt. Es ist ebensoviel Wunderbares in dem Evangelium der Armen, als in der Auferweckung der Toten.

Die Jünger des Johannes waren zu rechter Zeit gekommen, als unseres Herrn Werk in vollem Gange war, und all diese wundervollen Taten rasch aufeinander folgten. Jesus ist sein eigener Beweis. Wenn Menschen Beweisgründe für das Evangelium wollen, so lasst sie sehen und hören, was es ist und was es tut. Lasst uns den Seelen in dem Gefängnis des Zweifels erzählen, was wir Jesum haben tun sehen.

6. Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.

Derjenige ist selig, dessen Glaube nicht zum Straucheln gebracht werden kann. Ein Wink für Johannes. Johannes war nicht gefallen, aber wahrscheinlich hatte er gestrauchelt. Er war ein wenig irre geworden durch ein Gefühl der Nicht-Befreiung in der Zeit der Not, und darum hatte er die Frage getan. Selig ist der, welcher ins Gefängnis geworfen, dem in seinem Zeugnis Schweigen auferlegt wird, und der von seinem Herrn verlassen zu sein scheint, und der doch jeden Zweifel fern zu halten vermag. Johannes gewann diesen Segen und seine Ruhe bald wieder.

Herr, gewähre mir, fest in meinen Überzeugungen zu sein, so dass ich den Segen genießen möge, der aus einem unwandelbaren Glauben fließt!

7. Da die hingingen, fing Jesus an, zu reden zu dem Volk von Johannes: Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet?

Unser Herr wird früher oder später Zeugnis für denjenigen ablegen, der treu von Ihm gezeugt hat. Johannes ehrt Jesum, und zu seiner Zeit ehrt Jesus den Johannes. Unser Herr fragt seine Hörer, was sie von Johannes dächten. Ihr gingt, um ihn zu sehen; ihr seid sogar „hinaus gegangen in die Wüste“, um ihn zu sehen. Was saht ihr? Einen schwankenden Redner? Einen Mann, der den Einfluss seiner Zeit fühlte und sich vor ihrem Geiste beugte, wie ein Rohr im Winde? Nein, wahrlich; Johannes war kein Mantelträger, kein schmeichelnder Hofmann, keiner, der sich den Großen gefällig machte. Der Täufer hatte nicht zu Jesu gesandt, weil er schwach war, sondern weil er ehrlich und offen war, und so begierig nach völlig Gewissheit, dass er nicht den Schatten eines Zweifels ertragen konnte. Johannes sandte ins Hauptquartier, um die Gewissheit doppelt gewiss zu machen durch eine Erklärung aus Christi eignem Munde.

8. Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern.

Saht ihr einen Mann von höfischen Manieren, kostbarer Kleidung, gewählten Reden und zarten Ausdrücken? War Johannes ein Hofprediger, geeignet, königlichen Damen zu schmeicheln? Wenn das, wie kam er dazu, in der Wüste zu sein? „Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern.“ Johannes ward wegen seiner offenen Rügen gehasst, und Rache gegen ihn brannte in dem Herzen einer dem Throne Nahestehenden, weil er es nicht verstand, zu schweigen in der Gegenwart königlicher Sünde. Johannes, der Täufer, war nicht in dem Palast: er war ins Gefängnis befördert. Seine Redeweise hatte das Ohr einer schamlosen Fürstin verletzt, denn er verstand es nicht, sanfte Worte zu sprechen wie die, welche „weiche Kleider tragen.“ So zeugt unser Herr für Johannes, der gekommen war, sein Zeuge zu sein.

9. 10. Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, der auch mehr ist denn ein Prophet. Denn dieser ist’s, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Engel vor Dir her, der Deinen Weg vor Dir bereiten soll.

Johannes war alles, was die größten Propheten gewesen waren, und er war Jesu näher, als alle übrigen; seines Herrn Schritte folgten ihm auf dem Fuße. Er leuchtete, wie Miltons Stern:

„Schönster der Sterne, der letzte der Nacht,
Wenn du nicht mehr noch angehörst dem Tag.“

Er war beinahe ein Prediger des Evangeliums, und ob er auch nicht ganz diesen Punkt erreichte, war er doch der höchste der Propheten, ja, mehr denn ein Prophet. Im Buche Maleachi hatte Gott, der Herr, verheißen, einen Engel vor dem Messias herzusenden, und nun führt der Messias selbst die Weissagung an mit einer Veränderung der Personen, die nicht verständlich ist, außer wenn wir an die Dreieinigkeit in der Einheit glauben. Der, welcher „Mir“ ist, ist auch „Dir“, der Beziehung gemäß, in welcher er betrachtet wird, oder der Person gemäß, die spricht. Johannes war der Engel Gottes, der den Weg für den Herrn Jesum bereiten sollte, und unser Herr erkennt ihn in dieser ehrenvollen Eigenschaft an. Jesus schämt sich nicht seines Herolds, obgleich er im Gefängnis ist, sondern spricht vielmehr um so offener von ihm. Johannes hat seinen Herrn bekannt, und nun bekennt sein Herr ihn. Dies ist eine Regel bei unserem König.

11. Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von Weibern geboren sind, ist nicht aufgekommen, der größer sei denn der Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer denn er.

Jesus gibt dem Johannes eine sehr hohe Stellung, und wir wissen, dass sein Urteil wahr ist. Bis zu dem Kommen unseres Herrn war Johannes der Größte unter den von Weibern Geborenen; aber für die neue Weltzeit galt ein höherer Maßstab, denn das Himmelreich war da. Wie wir sagen können, dass in der Regel der dunkelste Tag heller ist, als die hellste Nacht, so steht Johannes, obwohl der Erste in seiner eigenen Ordnung, doch hinter dem Letzten der neuen oder evangelischen Ordnung zurück. Der Kleinste im Evangelium steht auf höherem Boden, als der Größte unter dem Gesetz. Wie bevorzugt sind wir durch den Glauben ins Himmelreich eingegangen, dass wir dasjenige sehen, hören und genießen dürfen, in das selbst der Prophet der Propheten nicht eintreten konnte!

Wir mögen sicher sein, dass nichts Besseres entdeckt und offenbart werden kann, als diese Himmelreich, in das unser Herr und König uns hineingebracht hat.

12. Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis hierher leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, die reißen es zu sich.

Johannes hatte einen ungewöhnlichen Ernst erweckt, der noch nicht ausgestorben war. Die Menschen waren begierig nach den Herrlichkeiten „des Himmelreichs.“ Obwohl sie es falsch auslegten, waren sie doch voll Feuer, es zu ergreifen. Johannes selber in seinem Übermaß des Eifers hatte zwei seiner Jünger mit einer ungeduldigen Frage an unseren Herrn gesandt. Unser Heiland tadelt nicht seine dringende Frage, sondern sagt, dass es so sein müsse. Eine heilige Gewalt war von dem Täufer angewandt, sie hatten diese eben in seiner Frage gesehen, und unser Herr wollte, dass alle, welche das Reich zu erlangen wünschten, es mit demselben leidenschaftlichen Eifer an sich rissen. Die Zeit war da, mit der Gleichgültigkeit ein Ende zu machen und einen heiligen Entschluss in göttlichen Dingen zu fassen.

So schildert der König den Geist, der von denen verlangt wurde, die Anteil an seiner großen Sache in seinem Reich haben wollten. Herr, wecke uns auf! Lass uns nicht tote Formalitäten brauchen, wo lebendige Gewalt allein helfen kann!

13. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes.

Gott blieb die ganze Zeit über nicht ohne Zeugen. Johannes endete die Kette der Vorherseher und Vorhersager, und nun erscheint der Herr selbst. Unser Herr zieht bei ihm eine Linie und sagt: „bis auf Johannes“. Von jetzt an ist das Reich aufgerichtet.

14. Und (so ihr es wollt annehmen) er ist Elias, der da soll zukünftig sein.

Johannes war der Elias, nach dem sie aussahen. Wollten die Leute es glauben? Wollten sie seinem Befehl zur Buße gehorchen? Dann würde er für sie der wahre Elias sein und den Weg des Herrn für sie ebnen. Selbst ein von Gott gesendeter Mann ist für seinen Hörer in großem Maße das, was sein Hörer aus ihm macht. Ohne Zweifel haben die Menschen manches große Gut verloren, weil sie es nicht angenommen haben. „So ihr es wollt annehmen“, ein Predigtamt mag das Mittel des Heils sein, oder ein Hilfsmittel zur geistlichen Erbauung, oder zu ungemeiner Freude, aber wenn es nicht angenommen wird, so mag es etwas Ermüdendes werden, oder so bedeutungslos, wie ein tönendes Herz oder eine klingende Schelle.

15. Wer Ohren hat, zu hören, der höre.

Diese Sache ist ernster Beachtung wert. Wenn ihr irgend etwas hören könnt, so hört diese Wahrheit. Dieser Ruf zur Aufmerksamkeit muss oft wiederholt werden. Durch das hörende Ohr kommt der göttliche Segen in die Seele, deshalb höret, so wird eure Seele leben. Unser Herr und König, der das Ohr gemacht, hat ein Recht, Aufmerken auf seine Stimme zu fordern. Manche haben keine Ohren für die Wahrheit, aber schnelle Ohren für die Lüge. Wir sollten dankbar sein, wenn der Herr uns geistliches Wahrnehmungsvermögen verliehen, denn „das hörende Ohr und das sehende Auge“ sind vom Herrn.

16 19. Wem soll ich aber dies Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindlein gleich, die an dem Markt sitzen, und rufen gegen ihre Gesellen, und sprechen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben euch geklagt, und ihr wolltet nicht weinen. Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht, so sagen sie: Er hat den Teufel. Des Menschen Sohn ist gekommen, isst und trinkt, so sagen sie: Siehe, wie ist der Mensch ein Fresser und Weinsäufer, der Zöllner und der Sünder Geselle! Und die Weisheit muss sich rechtfertigen lassen von ihren Kindern.

Unser Herr verurteilt die Torheit der Zeit, in welcher Er lebte. Die Leute wollten den Boten Gottes, wer es auch war, nicht hören, sondern erhoben kindische Einwände. Darum vergleicht der Heiland sie „den Kindlein, die am Markt sitzen“, die von ihren Gefährten zum Spielen aufgefordert wurden, sich aber nie über das Spiel einigen konnten. Wenn einige Kinder eine Hochzeit nachahmen wollten und zu pfeifen begannen, so wollten die anderen nicht tanzen; und wenn sie ein Begräbnis vorschlugen und zu klagen begannen, so wollten die anderen nicht weinen. Sie waren mürrisch, verdrießlich und streitsüchtig und verwarfen jeden Vorschlag.

Das war die törichte Weise der Menschen zu unseres Herrn Zeit. Johannes war ein Einsiedler; er muss von Sinnen sein und unter dem Einfluss eines Teufels stehen. Jesus ist ein Mensch unter Menschen und geht zu ihren Festen; Er wird beschuldigt, dass Er zu viel isst und trinkt und sich mit den Niederträchtigen und Gottlosen verbindet. Man konnte ihnen nichts recht machen. So ist es zu dieser Stunde; ein Prediger, der eine edle Sprache hat, ist zu blumenreich, und ein andrer, der einfache Worte gebraucht, ist gemein; der lehrhafte Prediger ist langweilig und der eifrige ist viel zu aufregend. Man kann einigen Leuten nie gefallen. Sogar der große Herr aller findet, dass man mit seinen weisen Anordnungen unzufrieden ist.

Dennoch verkündete die Weisheit ihre Lehre durch richtig gewählte Boten. „Sie lässt sich rechtfertigen von ihren Kindern.“ Ihre Kinder erkennen die Tauglichkeit ihrer Boten an, und ihre Boten, die auch ihre Kinder waren, machten ihrer Wahl Ehre und rechtfertigen es, dass sie auserlesen und vorbereitet worden waren. Der allweise Gott ist ein besserer Richter über das, was ein Prediger sein sollte, als jemand von uns es ist. Wohl mochte George Herbert schreiben: „Richte nicht den Prediger, er ist dein Richter.“

Die verschiedenen Arten der Prediger sind alle nötig, und sie sind, wenn wir es nur wissen wollten, alle unser. Ob Paulus oder Apollo oder Kephas; es ist unsere Sache nicht, an ihnen zu mäkeln, sondern ihren Worten ernste Beachtung zu schenken.

Herr, befreie uns von einem zanksüchtigen, tadelnden Geiste; denn wenn wir mit Einwürfen beginnen, so sind wir geneigt, damit fortzufahren. Wenn wir den einen Prediger nicht hören wollen, so mögen wir bald eines zweiten und dritten auch überdrüssig werden, und binnen kurzem mag es geschehen, dass wir keinen Prediger mit Nutzen hören können.

(Der König warnt, freut sich und ladet ein. V. 20-30.)

Die wundervolle Stelle der Schrift, welche den übrigen Teil des Kapitels ausmacht, handelt von drei Dingen, über die viel Streit gewesen ist, nämlich: die Verantwortlichkeit des Menschen, die unumschränkte Erwählung Gottes und die freien Einladungen des Evangeliums. Sie sind alle hier in schöner Vereinigung.

20. Da fing Er an, die Städte zu schelten, in welchen am meisten seiner Taten geschehen waren, und hatten sich doch nicht gebessert.

Einige Städte waren mehr durch die Anwesenheit des Herrn begünstigt, als andere, und darum erwartete Er mehr von ihnen. Die Städte hätten Buße tun sollen, sonst würde Christus sie nicht getadelt haben. Buße ist eine Pflicht. Je mehr die Menschen von des Herrn Werk sehen und hören, desto größer ist ihre Verpflichtung zur Buße. Wo am meisten gegeben ist, da wird am meisten gefordert. Die Menschen sind verantwortlich für die Art, in der sie den Herrn Jesum und seine „mächtigen Taten“ behandeln.

Es gibt eine Zeit fürs Schelten: „Da fing Er an.“ Der liebevollste Prediger wird Ursache zur Klage über seine unbußfertigen Hörer finden. Er schilt, derselbe, der auch weinte. Buße ist das, worauf wir Prediger abzielen sollen, und wo wir sie nicht sehen, sind wir sehr bekümmert. Unser Kummer ist nicht darüber, dass unsere Hörer nicht unserer Geschicklichkeit Beifall spendeten, sondern dass sie nicht Buße taten. Sie haben genug zu bereuen, und ohne Buße kommt Wehe über sie, und darum trauern wir, dass sie nicht Buße tun.

21. Wehe dir, Chorazin! wehe dir, Bethsaida! Wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, als bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der Asche Buße getan.

Jesus wusste, was das Geschick einiger jüdischen Städte sein würde, und Er wusste, was gewisse heidnische Städte getan haben würden, wenn sie in ihre günstigen Umstände versetzt worden wären. Er sprach mit Unfehlbarkeit. Große Vorrechte waren an Chorazin und Bethsaida verloren, wären aber wirksam gewesen, wenn sie Tyrus und Sidon gewährt worden wären. Nach unseres Herrn Erklärung gab Gott die Gelegenheit, wo sie verworfen ward, und sie wurde nicht gegeben, wo sie angenommen worden wäre. Dies ist wahr, aber wie geheimnisvoll! Der praktische Punkt war die Schuld dieser begünstigten Städte, in der sie verharrten, unbewegt durch Heimsuchungen, welche die heidnischen Sidonier bekehrt haben würden; ja, welche eine schnelle Buße bei ihnen bewirkt hätten; in der demütigendsten Weise, „im Sack und in der Asche.“ Es ist eine traurige Tatsache, dass unsere unbußfertigen Hörer einer Gnade Trotz bieten, die Kannibalen zu des Heilandes Füßen gebracht haben würde!

22. Doch ich sage euch: Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen am jüngsten Gerichte denn euch.

Wie schrecklich die Hölle dieser zwei sündigen Städte auch sein wird, so wird doch ihre Strafe erträglicher sein, als das Urteil, das über die Städte Galiläas ergehen wird, wo Jesus lehrte und Wunder der Liebe tat. Die Sünde steht im Verhältnis mit dem Licht. Die, welche verloren gehen mit der Verkündigung des Heils in ihren Ohren, gehen in furchtbarer Weise verloren. Sicherlich wird der Tag des Gerichts viele Überraschungen bieten. Wer hätte gedacht, Bethsaida tiefer sinken zu sehen als Sidon? Gläubige werden am Tage des Gerichts nicht überrascht werden, denn sie werden an unseres Herrn: „Ich sage euch“ gedenken.

23. Und du, Kapernaum, die du bist erhoben bis an den Himmel, du wirst bis in die Hölle hinunter gestoßen werden. Denn so zu Sodom die Taten geschehen wären, die bei dir geschehen sind, sie stände noch heutigestags.

Die Warnung für Kapernaum ist womöglich noch eindringlicher, denn Sodom wurde tatsächlich durch Feuer vom Himmel zerstört. Kapernaum, seine Stadt, das Hauptquartier der Armee des Heils, hatte den Sohn Gottes gesehen und gehört; Er hatte so viel darin getan, dass es selbst Sodomer gefühlt haben würden, und dennoch blieb es unbewegt. Jene faulen Sünder des verfluchten Sodom würden, wenn sie die Wunder Christi gesehen hätten, ihre Sünden aufgegeben haben, und ihre Stadt wäre verschont geblieben. Jesus wusste, dass dies der Fall gewesen sein würde, und darum trauerte Er, als Er Kapernaum so verhärtet wie je bleiben sah. Wegen dieser Verwerfung besonderer Vorrechte sollte die Stadt, die bis zum Himmel erhoben war, ebenso tief in die Strafe hinabgestoßen werden, wie sie hoch gestellt worden war in den Vorrechten. Möge keiner von unserem eigenen begünstigten Volke in solcher Verdammung untergehen! Ach, wie sehr fürchten wir, dass es Millionen so ergehen wird!

24. Doch ich sage euch: Es wird der Sodomer Lande erträglicher ergehen am jüngsten Gerichte denn dir.

Was Sodom erdulden wird, wenn der Richter aller das Geschick der Gottlosen bestimmen wird, mögen wir nicht versuchen uns vorzustellen; aber es wird etwas weniger sein als die Strafe, welche denen zuerkannt wird, die gegen das Licht gesündigt und das Zeugnis des Herrn vom Himmel verworfen haben. Das Evangelium des Sohnes Gottes verwerfen, heißt: sich eine siebenfache Hölle schaffen. Hier spricht der Herr wiederum mit seiner eigenen, vollen Autorität: „Ich sage euch.“ Er spricht, was Er weiß, denn Er selber wird einst der Richter sein.

Soweit sprach unser Herr mit schwerem Herzen, aber seine Stirn erheiterte sich, als Er im nächsten Verse zu der glorreichen Lehre von der Erwählung kam.

25. 26. Zu derselbigen Zeit antwortete Jesus und sprach: Ich preise Dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, dass Du solches den Weisen und Klugen verborgen hast, und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn es ist also wohlgefällig gewesen vor Dir.

Er wandte sich zur anderen Seite der Wahrheit. „Jesus antwortete.“ Eine Lehre beantwortet die andere. Unumschränkte Gnade ist die Antwort auf die große Schuld. Mit frohem Geiste sieht Jesus, wie die unumschränkte Gnade dem unvernünftigen Übermaß menschlicher Sünde begegnet und sich die ihrigen auswählt, so, wie es dem Vater wohlgefällig ist. Dies ist der Sinn, mit dem wir die erwählende Gnade Gottes betrachten sollen. „Ich danke Dir.“ Es ist Grund da für die tiefste Dankbarkeit. Hier ist der Urheber der Erwählung: „Vater.“ Es ist der Vater, der die Wahl trifft und die Segnungen offenbart. Hier ist sein Recht, zu handeln, wie Er es tut, denn Er ist „Herr des Himmels und der Erde.“ Wer wird das Wohlgefallen seines Willens in Frage stellen? Hier sehen wir beide, die Erwählten und die Übergangenen. Die Unmündigen sehen, weil heilige Wahrheiten ihnen geoffenbart sind, sonst nicht. Sie sind schwach und unerfahren, aber einfach und lauter. Sie können anhänglich sein und vertrauen, schreien und lieben, und solchen tut der Herr die Schätze seiner Weisheit auf. Die von Gott Erwählten sind solche wie diese. Herr, lass mich einen unter ihnen sein! Die Wahrheiten des himmlischen Reiches sind durch eine richterliche Tat Gottes denen verborgen, die nach ihrem eigenen Ermessen „die Weisen und Klugen“ sind. Sie können nicht sehen, weil sie ihrem eigenen trüben Licht vertrauen, und das Licht Gottes nicht annehmen wollen.

Hier sehen wir auch den Grund der Erwählung, den göttlichen Willen: „Es ist also wohlgefällig gewesen vor Dir.“ Wir können nicht weiter gehen. Die Wahl schien Ihm gut, der niemals irrt, und darum ist sie gut. Dies gilt den Kindern Gottes als der Grund, der über allen Grund hinaus ist. „Gott will es“ ist genug für uns. Wenn Gott es will, so muss es sein, und so sollte es sein.

27. Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater. Und niemand kennt den Sohn denn nur der Vater; und niemand kennt den Vater denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.

Hier haben wir Den, durch den die erwählende Liebe an den Menschen wirkt: „Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater.“ Alle Dinge in des Mittlers Hand gelegt. Geeignete Hände sowohl für Gott, wie für Menschen, denn Er allein kennt beide vollkommen. Jesus offenbart den Vater den Unmündigen, die Er erwählt hat. Nur der Vater kann den Sohn mit Segen füllen, und nur durch den Sohn kann dieser Segen zu einem aus dem menschlichen Geschlecht fließen. Kennt ihr Christum, so kennt ihr den Vater und wisst, dass der Vater euch lieb hat. Es gibt keinen anderen Weg, den Vater zu kennen, als durch den Sohn. Hierüber freute sich unser Herr, denn sein Mittleramt ist Ihm teuer, und Er liebt es, dass Verbindungsglied zu sein zwischen dem Vater, den Er liebt, und dem Volke, das Er um des Vaters willen liebt.

Beachtet die vertraute Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn, und wie sie einander kennen, wie kein andrer es je kann. O, dass wir sähen, wie durch des Vaters Bestimmung alle Dinge in Jesu sind, und so des Vaters Liebe und Gnade fänden, indem wir Christum finden.

Meine Seele, hier sind große Geheimnisse! Erfreue dich an dem, was du nicht erklären kannst.

28. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Engl. Übersetzung: ich will euch Ruhe geben.)

Hier ist die gnadenvolle Einladung des Evangeliums, in der des Heilands Tränen und Lächeln verbunden waren, wie ein Bundesregenbogen der Verheißung.

„Kommt“; er treibt keinen hinweg; Er ruft sie zu sich. Sein Lieblingswort ist „Kommt“. Nicht – geht zu Mose, sondern „Kommt her zu mir.“ Zu Jesu selber müssen wir kommen, durch persönliches Vertrauen. nicht zur Lehre, zum Sakrament oder zum Predigtamt sollen wir zuerst kommen, sondern zu dem persönlichen Heiland. Alle Mühseligen und Beladenen dürfen kommen: Er beschränkt Noth die Einladung auf die geistlich Mühseligen, sondern jeder Arbeitende und Müde wird gerufen. Es ist gut, allem, was die Barmherzigkeit spricht, den weitesten Sinn zu geben. Jesus ruft mich. Jesus verheißt Ruhe als seine Gabe: seine augenblickliche, persönliche, wirksame Ruhe gibt Er allen, die durch den Glauben zu Ihm kommen.

Zu Ihm kommen ist der erste Schritt, und Er bittet uns, ihn zu tun. In Ihm, als dem großen Opfer für die Sünde, erlangen Gewissen, Herz und Verstand völlige Ruhe. Wenn wir die Ruhe erlangt haben, die Er gibt, so werden wir bereit sein, von einer weiteren Ruhe zu hören, die wir finden.

29. 30. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

„Nehmt mein Joch und lernt“: Dies ist die zweite Unterweisung; es bringt eine weitere Ruhe mit sich, die wir „finden.“ Die erste Ruhe gibt Er durch seinen Tod, die zweite finden wir in der Nachahmung seines Lebens. Dies ist keine Berichtigung des früheren Ausspruches, sondern eine Hinzufügung. Zuerst ruhen wir durch den Glauben an Jesum und danach ruhen wir durch Gehorsam gegen Ihn. Auf die Ruhe von der Furcht folgt die Ruhe von dem Ungestüm der Leidenschaftlichkeit und der Abmühungen des eigenen Ich’s. Wir sollen nicht nur ein Joch, sondern sein Joch tragen, und wir sollen uns demselben nicht nur unterwerfen, wenn es uns auferlegt wird, sondern wir sollen es auf uns nehmen. Wir sollen Arbeiter sein und sein Joch nehmen, und zu gleicher Zeit sollen wir Schüler sein und von Ihm als unserem Lehrer lernen Wir sollen von Christo lernen und auch Christum lernen. Er ist beides, Lehrer und Lehre. Seine Sanftmut macht Ihn geeignet zum Lehren und das Beispiel seiner eigenen Lehre zu sein und seinen großen Zweck in uns auszuführen. Wenn wir so werden können, wie Er ist, so werden wir ruhen, wie Er es tut. Wir werden nicht nur ruhen von der Schuld der Sünde – dies gibt Er uns, sondern wir sollen ruhen in dem Frieden der Heiligkeit, welche wir durch Gehorsam gegen Ihn finden. Es ist das Herz, welches die Ruhe des Menschen bewirkt oder verdirbt. Herr, mache uns „von Herzen demütig“; so werden wir Ruhe im Herzen haben.

„Nehmt mein Joch.“ Das Joch, an dem wir mit Christo ziehen, muss notwendig ein glückliches sein, und die Last, die wir für Ihn tragen, ist eine gesegnete. Wir ruhen im vollsten Sinne, wenn wir dienen, falls Jesus der Herr ist. Wir werden entlastet, indem wir seine Last tragen; wir ruhen, indem wir für Ihn Botengänge tun. „Kommt her zu mir,“ ist darum eine göttliche Arznei, die unsere Übel heilt mit der Vergebung der Sünde durch unseres Herrn Opfer, und uns den größten Frieden verleiht, indem sie uns für seinen Dienst heiligt.

O, dass wir Gnade hätten, immer zu Jesu zu kommen und beständig andere aufzufordern, das Gleiche zu tun! Immer frei, doch immer sein Joch tragend; immer im Besitz der einmal gegebenen Ruhe, doch immer noch mehr Ruhe findend! Das ist die Erfahrung derer, die immer und in allen Dingen zu Jesu kommen. Ein gesegnetes Erbteil, und es ist das unsrige.

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