Spener, Philipp Jakob - Von der Wiedergeburt und Kennzeichen an ihren Früchten

Spener, Philipp Jakob - Von der Wiedergeburt und Kennzeichen an ihren Früchten

(1. Joh. 2, 29)

Hauptlehre:

Daß die Wiedergeburt an ihren Früchten kenntlich sei. Dieses Satzes Gründe sind folgende:

  1. Weil wir für uns selbst zu allem Guten untüchtig und zu dem Bösen allein geneigt sind … 1. Mose 6, 5; 8, 11; 2. Kor. 3, 5. Daher, wo sich Gutes findet und zeigt, so ist's eine Anzeige, daß der Mensch aus einer andern Geburt haben muß, was er aus der ersten nicht hat oder haben kann, ja das Gegenteil desselben natürlicherweise bei ihm ist. Wir sind tot. Wo sich also Lebenshandlungen zeigen, so muß Auferweckung geschehen sein, welches eine unfehlbare Wahrheit ist.
  2. Weil alle Geburt nicht ohne ihre Kraft und Wirkung einer gleichen Natur ist. Unsere natürliche Geburt ist kräftig gewesen, daß wir daraus Menschen sind und alles zu tun vermögen, was Menschen zukommt. Unsere sündliche Geburt, sofern sie sündlich ist, hat auch diese Kraft, daß wir aus derselben zur Sünde geneigt sind und solche tun können, ja einen Trieb dazu fühlen. Warum sollte die einige Geburt aus Gott schwächer und unkräftiger sein? Weil also derjenige gerecht ist, aus dem wird geboren werden, so können die von ihm Gebornen nicht andern Sinnes sein, sondern müssen aus solcher Geburt eine gleiche Art haben mit demjenigen, aus dem die geboren sind: Ja es muß alsdann solche Gleichheit so viel mehr zunehmen, je länger sie in solcher Geburt stehen und solches neue Wesen in ihnen wächst.
  3. Zum dritten wird diese Wahrheit auch damit bestätigt, weil wir in der Schrift dahin gewiesen werden, uns selbst wohl zu prüfen, 2. Kor. 13, 5: Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüfet euch selbst! Oder erkennet ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, daß ihr untüchtig seid. Hier werden wir erinnert, uns selbst zu prüfen, ob wir in dem Glauben sind. Das ist ebensoviel, ob wir wiedergeboren sind? Denn solches geschieht ja durch den Glauben, Gal. 3, 26. Denn ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christus Jesus. Also auch, ob Christus in uns ist?

Nun ist Christus Jesus in niemand noch gewinnt eine Gestalt in ihm (Gal. 4, 19), er sei denn erst aus demselben geboren. Denn es muß beiderseits wahr sein: Er in uns und wir in ihm.

Also redet Paulus von einem Gut der Wiedergeburt. Er sagt aber: Wir sollen uns prüfen und versuchen, ob wir also bewandt seien? So muß denn die Wiedergeburt auch ihre erkennbaren Werkzeichen haben, an denen man sich prüfen könne, daß der apostolische Befehl nicht vergebens sei: An dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten. Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind (1. Joh. 2, 3-5). Daß doch Johannes eben so viel sagen will: Daran merken wir, daß wir wiedergeboren sind, ist demnach eine mögliche Sache, daß man solches merken und erkennen könne - und zwar nicht aus einer sonderbaren unmittelbaren Offenbarung, sondern aus dem Zeugnis der Frucht, daß und weil wir seine Gebote halten …

So stehet demnach dieser Satz fest. Aber lasset uns solches nicht nur wissen, sondern uns danach richten. Denn hieran liegt uns nun alles. Sind wir nicht von Gott geboren und seine Kinder, so sind wir auch nicht Erben und haben die Seligkeit nicht zu erwarten. Denn was wir nicht als Kinder empfangen, haben wir nicht zu erwarten, Röm. 8, 17: Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi; so wir anders mitleiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Matth. 25, 34: Da wird denn der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Also haben wir uns ja fleißig zu prüfen, so lieb uns unsere Seligkeit ist, daß wir nicht aufs Geratewohl dahinleben. Wir sind ja im Zeitlichen und Leiblichen nicht so sorglos, sondern wo uns etwas Großes vor Augen stehet, daran uns unser Glück gelegen ist, da wir aber wissen, es möchte auch versäumt werden, so vertreibt solches uns bald die Sicherheit und trachten wir danach, uns dessen gewiß zu machen, damit nicht, wo es zu dem Treffen kommt, wir uns des erhofften Erbes oder dergleichen Erwarteten uns ausgeschlossen sollten sehen müssen. Ja, wo wir nicht recht sorgfältig hiernach sind, sondern es immer auf ein Geratewohl hin setzen, ob wir diese teuren Güter, zu denen uns die Wiedergeburt das Recht gibt, erlangen werden oder nicht, so verrät sich unser Herz, daß es dieselben noch nicht recht glaube oder noch nie so zu Herzen gefaßt haben müssen, wie es billig ist. Sonst würde solche Erkenntnis und Glaube uns nicht lassen faul oder nachlässig und sorglos sein. Wir müssen uns aber nach den rechten Kennzeichen prüfen, damit wir uns nicht in unsrer Prüfung selbst betrügen. Solche Kennzeichen sind nun nicht:

  1. Die bloße empfangene Taufe. Denn solche bringt nicht mehr mit sich, als daß wir damals wiedergeboren worden sind - nicht aber, daß wir gewiß noch in solcher Wiedergeburt stehen. Es nützt uns aber nichts, daß wir einmal wiedergeboren gewesen, wo wir solches wieder verloren haben. Nun mag aber die Wiedergeburt wieder verloren und derjenige, der Gottes Kind gewesen, wiederum ein Kind des Teufels werden, wie Adam begegnet ist … Also müssen wir sehen, ob wir noch in unsrer Taufe, in der Pflicht und Kraft, stehen oder nicht? Einmal, wo wir nicht in täglicher Reue und Buße den alten Adam töten und den neuen Menschen lassen herauskommen, so ist die Taufe verleugnet. Denn der Bund des guten Gewissens, so darin gemacht worden, ist verstoßen, 1. Petr. 3, 21. Also wo wir nicht an Gott glauben, von demselben in Christo Jesu allein alle unsre Seligkeit suchen, sondern in unsern oder anderer Menschen Werken dieselbe haben wollen, item, wo wir uns des Teufelsdienstes nicht enthalten, so ist's ein trauriges Zeugnis der verstoßenen Taufgnade.
  2. Der äußerliche Gebrauch der Gnadenmittel Wort und hl. Abendmahl …
  3. Ein äußerlich ehrbares Leben, welches die Heiden auch haben … Und ist ein großer Unterschied zwischen einem äußerlichen ehrbaren Leben und einem wiedergeborenen Leben … Ein äußerlich ehrbares Leben sucht eigene Ehre, wenn auch nicht gegen die allgemeine Gerechtigkeit und nicht zum Schaden anderer. Die Wiedergeburt verleugnet sich selbst, sie sucht nicht eigene Ehre und Nutzen, sondern allein die Ehre Gottes. Sie sucht des Nächsten Heil wie das eigene … Das äußerlich ehrbare Leben richtet sich nach der Welt Gewohnheit … Die Wiedergeburt richtet sich nach Gottes Ordnung, sie stellt sich der Welt nicht gleich und nimmt dafür Schaden und Verachtung in Kauf …

Es gehört aber zu einem solchen gottseligen Wandel, wo er solle ein Kennzeichen der wahren Wiedergeburt sein, daß ein solcher Mensch das Gute tue, gleichsam von innen und also von Herzen, daß obwohl er fühlt, daß das Fleisch selbst keine Lust dazu habe, gleichwohl auch etwas anderes in seinem Herzen sei, das ihn dazu antreibt, nämlich der Trieb des guten Geistes und dessen Wirkung in ihm, - daß es also nicht geschehe entweder aus Heuchelei und allein zum Schein vor andern, denn dieses ist der neuen Geburt schnurstracks zuwider, oder aber nur aus bloßem Zwang. Denn das hieße gleichsam einige Früchte nur von außen an den Baum gebunden, die selbst bald verwelken werden und von der Güte des Baumes nicht zeugen können. Sondern es muß es von Herzen tun und also gesinnt sein, wie die Werke sind, daß er selbst eine Freude habe, dergleichen zu tun, und also die Früchte recht eigentlich aus seinem Innern hervorgewachsen sind. Ja, weil er an sich fühlt, daß gleichwohl auch noch etwas in ihm ist, so dergleichen nicht gern tut, sondern ihn träge macht und sich, soviel an ihm ist, widersetzt, daß ihm solches demnach leid sei und er nichts mehr verlangte, als daß nichts mehr in ihm sein möchte als allein eine solche Zuneigung zu dem Guten, daraus die Früchte so viel völliger wachsen könnten. Welches sehnliche Verlangen ebensoviel ist zum Zeugnis der Aufrichtigkeit wie eine völlige Reinigkeit der Zuneigung selbst. Wo es nun also bei dem Menschen ist, da ist das rechtschaffene Wesen in Christo Jesu (Eph. 4, 21) oder, wie es eigentlich lautet, die Wahrheit, daß wir also inwendig gesinnt seien, wie wir äußerlich tun, dazu der liebe Apostel solches Orts das Ablegen des alten und Anziehen des neuen Menschen erfordert, zu zeigen, daß es nicht um die Änderung des äußerlichen Tuns, sondern auch des innerlichen Wesens zu tun sei. Wir sollen nicht nur anders tun, sondern andere Leute geworden sein. Wo wir denn solches bei uns finden, da ist es eine Probe und Kennzeichen der neuen oder Wiedergeburt.

Nun, nach dieser Regel lasset uns fleißig uns erforschen, weil uns ja alles hieran gelegen ist, wo wir nicht aufs Geratewohl leben und sterben wollen. Aber, ach! Wie viele werden gar übel bestehen! Wie ja das gemeine Leben fast allerorten nichts als Früchte der alten Geburt, kaum aber jemals einigen Schein der neuen Geburt zeigt, auch unter denen, die in der Taufe einmal wiedergeboren worden und also solches noch billig sein sollten.

Lasset uns aber in solcher Probe uns selbst nicht schmeicheln. Denn wir betrügen sonst niemand anders als uns selbst. Und was nützte es uns denn, wenn wir uns selbst und andere überredet hätten, wir wären Gottes wiedergeborene Kinder, da wir's gleichwohl vor Gott nicht sind und also auch an jenem Tag dafür nicht werden erkannt, sondern mit unsrer eitlen Einbildung und Ruhm daselbst zuschanden werden?

Geschieht's denn in solcher Prüfung, daß wir finden, nicht in der Wiedergeburt zu stehen, so haben wir je danach zu trachten und uns der Mittel, sonderlich des göttlichen Worts, zu gebrauchen, daß es durch das Gesetz uns niederschlage und zu der seligen Geburt bereite, welche Angst als die Geburtsschmerzen solcher Wiedergeburt zu achten ist - durch das Evangelium aber den Glauben wirke und den Heiligen Geist gebe, daraus wir wiedergeboren werden. Denn es hat einmal das göttliche Wort noch allezeit seine Kraft zum Wiedergebären, wo wir's recht gebrauchen und Gott in seinem Werk nicht hindern, dahin sonderlich auch gehört, daß wir fliehen müssen die vergängliche Lust der Welt …, 2. Petr. 1, 4.

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