Spener, Philipp Jakob - Luthers sieben Gaben

Spener, Philipp Jakob - Luthers sieben Gaben

Es ist nicht eine geringe Gnade Gottes, wann derselbe, nachdem er durch die unmittelbar Erleuchtete, wie in dem alten Testament Propheten, also in dem N. Apostel und apostolische Männer, diejenigen Schriften aufzeichnen lassen, welche der Kirche immerfort zum unbeweglichen Grund der Lehre dienen sollen, auch noch ferner zu aller Zeit solche Lehrer bescheret hat, welche die in gedachten heiligen Büchern derselben anvertraute Wahrheiten den Gemeinden vorzutragen, zu erklären, und also die Kirche immer weiter zu erbauen, von ihm geordnet, und mit dazu nöthigen Gaben ausgerüstet worden sind. Jedoch hat sich der allerweiseste Gott nach seiner Freiheit und Weisheit vorbehalten, sowohl was die Zahl, als auch das Maaß des Lichts solcher Lehrer anlangt, einen Unterschied unter den Zeiten zu halten; wie wir denn finden werden, daß solches Maaß in den ersten Jahrhunderten, sonderlich was die Kraft anlangt, sehr groß und reich gewesen; ob nun wohl in den nächstgefolgten gegen die ersten zu rechnen, es geschienen, daß die Erkenntniß nicht wenig mit Anwendung vieler Erudition gewachsen sey, und zugenommen habe, hat sich doch bei Vielen ein nicht geringer Abgang der Kraft erzeiget. Als aber die Finsterniß des Papstthums einzureißen begunte, so hat nicht allein die Zahl der recht christlichen Lehrer sehr abgenommen, sondern auch ist bei den meisten abermahl die Kraft des Geistes noch näher zusammen gegangen, und kaum mehr als zur äußersten Nothdurft übrig geblieben, was aber auch noch vorhanden war, insgemein mit vielen Irrthümern vermenget worden.

Endlich, als der himmlische Vater sich seiner Kirche zu unserer Urältern Zeiten wieder erbarmen, und durch das selige Reformationswerk ein neues Zeugniß seiner Güte geben wollte, hat er wiederum evangelische Lehrer in ziemlicher Zahl und mit reichen Gaben des Geistes ausgerüstet, gesandt, unter welchen wohl einer der allervornehmsten ist, und als einer der hellesten Sterne leuchtet, der theure Mann Gottes D. Martin Lutherus, von dem wegen der vielen in ihn gelegten Gnadengaben, und durch ihn der Kirche erzeigten theuren Wohlthaten zu reden, mir gern oft Gelegenheit zu nehmen und auch damit unsre Dankbarkeit gegen Gott über ihn zu bezeigen haben.

Mit mehr Recht aber mögen wir sagen, daß sich in der That sieben wahrhaftige Gaben des heil. Geistes bei dem theuren Mann in großer Maaß befunden haben. Unter diesen mag nun die erste sein 1), seine vortreffliche Exudition und Gelahrtheit. Es hatte ihm der himmlische Vater ein vortrefflich Ingenium bescheret, alles leicht zu fassen; daher er zu der Zeit, da die studia vielmehr eigene Mühe, als heut zu Tage nach so vieler Vorarbeit, die uns zeither andre hinterlassen, kosteten, im 20. Jahr seines Alters Magister, im 26. Professor Theologiae worden. Er hatte sonderlich eine, zu solcher Zeit ungemeine Wissenschaft der heiligen Sprachen, der griechischen und hebräischen; durch welches Mittel er auch eine so stattliche Erkenntniß der Schrift zuwege brachte, daß es ihm alle seine Widersacher bei weitem darinnen nicht gleich thun konnten. Er war auch in der Antiquität und den patribus wohl belesen, sonderlich in Augustini Schriften stattlich bewandert. Er hatte sich auch die Theologiam mysticam wohl bekannt gemacht. Daher er nicht allein den Taulerum und die deutsche Theologie fleißig inne hatte, und allen andern zu einer recht kräftigen Theologie zu kommen herzlich recommendirte; sondern es ist auch aus seinen ersten Schriften zu ersehen, daß er aus denselben ein Großes desjenigen her gehabt, was er durch Gottes Gnade worden ist und gethan hat. Es mangelte ihm auch nicht an der Wissenschaft der damahligen Philosophie und scholastischen Theologie, also daß er auch darinnen seinen Widersachern gewachsen war, und vor einem grundgelehrten Mann passiren konnte. Es waren aber seine studia nicht bloß durch menschlichen Fleiß geführt, sondern wie er andern den methodium des studii theologici vorgeschrieben, also hatte er auch vor seine Person eben denselben obgelegen, folglich seine Geschicklichkeit und Erudition im und mit dem göttlichen Licht des h. Geistes, der sie auch geheiligt, zuwege gebracht; daher sie auch wohl unter die Gaben des Geistes gezählt werden kann, und von Gott kräftig gesegnet worden ist.

Es hat ihn 2) der himmlische Vater durch seinen Geist auch ausgerüstet mit einer schönen Eloquenz und Wohlredenheit, auch seine natürliche Gabe wiederum darinnen zu der Kirche Gebrauch geheiliget, daß er von geistlichen Dingen handelnd seinen Begriff im Reden und Schreiben sehr deutlich und vernehmlich vorstellen, auch mit großer Kraft und Bewegung, wo es die Sache mit sich brachte, die Herzen rühren konnte. Vornehmlich war er der deutschen Sprache nicht nur Meister, sondern man kann sagen, daß sie ihm viel zu danken habe, also daß sie vor ihm, sonderlich vermittels der deutschen Uebersetzung der Bibel und anderer seiner Schriften gleichsam erst recht ausgeübt, und unter die Leute gebracht, aufs wenigste ihrer Zierlichkeit um ein nicht Geringes vermehrt worden. So mangelte es ihm auch nicht an der Poesie, welches wir sonderlich aus seinen kräftigen und vor andern zu solcher Zeit wohlklingenden geistlichen Liedern abzunehmen haben.

Dazu kam 3) eine große Arbeitsamkeit, wie er denn darinnen fast unermüdet war; also daß man vermeinen sollte, es wäre unmöglich, daß ein einiger Mann so viel sollte haben verrichten können, wenn man bedenket seine so vielfältigen Predigten, Lectionen und Schriften, daher sich zu verwundern hat, wie er solche alle habe verfertigen können, und auch daraus allerdings göttlichen ungemeinen stärkenden Beistand erkennen muß.

Es hatte aber 4) solche Arbeitsamkeit zum Grund eine brünstige Liebe gegen Gott und den Nächsten; daher auch einen heftigen Eifer vor Gottes Ehr' und Wahrheit, sodann vor der Menschen Heil. Welcher Eifer ihn in seinem Leben und Amt immer getrieben, und was sonsten zu thun oder zu leiden unmöglich geschienen, ihm mit göttlicher Hülfe möglich gemacht hat.

Hieraus entstund auch 5) ein unsträfliches und exemplarisches Leben, mit dem er seine Lehre gezieret. Er war entfernt von allem Geiz und auch nur Schein desselbigen; er war nicht hochmüthig, sondern achtete in Demuth, so oft anderer seiner Mitgehülfen Gaben höher als die seinige, und rühmte sie über sich; wie das schöne Exempel weiset, da er spricht: wo er seine Bücher gegen Joh. Brentii und seines Gleichen Bücher halte, daß ihm die seinigen dafür ganz und gar stinken. So konnten auch die Widrigen bei seinem Leben, wie gern sie gewollt, nichts Scheinbares in seinem Wandel ihm aufrücken, ohne daß sie ihm auch noch jetzo immer seine allzu freien und harten Reden, die er zuweilen gebraucht, und die in seinen Schriften noch zu sehen sind, vorwerfen und aufs heftigste aufmutzen. Nun lässet sich gleichwohl auch mit gutem Grund nicht Weniges zu dero Entschuldigung anführen, sonderlich wenn wir insgemein die solcher Zeit, auch sogar unter Großen im Schwange gewesene, weniger polite Schreibart betrachten, auch bedenken, daß es göttlicher Weisheit gemäß gewesen sey, einen härtern Keil gegen so grobe Klötze zu gebrauchen. Was sich aber von denselbigen Reden nicht eben genug vertheidigen lassen möchte, kann den übrigen Preis seiner bekanntlichen Tugenden nicht aufheben, sondern mag allein aus göttlichem Rath zum Zeugniß dienen, daß er bei dem großen Maaß seiner Gaben und empfangener Gnade ein Mensch geblieben, und der Herr, um uns an ihm nicht gar zu vergaffen, uns dessen ein Exempel an ihm gezeiget habe.

Das vornehmste 6) war an ihm ein ungemeiner Glaube, der sich oft in einem allerdings heroischen Maaß bei ihm gezeiget, daß man sagen mag, wie ihn Gott dazu verordnet, daß er in seiner Lehre die Kraft des Glaubens, sonderlich der Kirche vorstellen sollte (worinnen er wohl die meisten Lehrer von der Apostel Zeiten an übertroffen hat), daß ihm dann Gott auch vor seine Person den Glauben in einem der reichsten Maaß ertheilet habe. Wie er es denn darinnen sowohl Philippo Melanchthoni, den er doch in andern Stücken ihm selbs vorzog, als andern seinen Gehülfen, weit vorgethan; diese aber oft bedurft haben, daß er ihnen, wenn sie schwach werden wollten, mit seiner Stärkung und Aufrichtung zu Hülfe kommen mußte. Also war dieser Glaube als der Regent seines ganzen Lebens und Amtsverrichtungen; brachte aber auch mit sich inbrünstiges Gebet, wie er denn den Geist der Gnaden und des Gebets nicht weniger in großer Maaß gehabt hat, auch viele Exempel, wie angenehm sein Gebet Gott oft gewesen, daß er das Gebetene und mit großer Freudigkeit gleichsam Geforderte erlangt, vorhanden sind; wie mich sonderlich allemahl herzlich gerühret, wenn er an Frid. Myconium, Pfarrherr zu Gotha, der an der Schwindsucht schwerlich darnieder lag, also schrieb: Gehabt euch wohl, lieber Er Fridrich, der Herr lasse mich ja nicht hören, so lange ich lebe, daß ihr gestorben seid, sondern schaffe es, daß ihr mich überlebet. Das bitte ich mit Ernst, wills auch gewähret sein und so haben, und mein Will soll hierinnen geschehen; Amen. Denn dieser mein Will sucht die Ehre göttlichen Nahmens, nicht meine Ehre, noch Lust, das ist gewißlich wahr. Womit der liebe Mann in seiner größesten Schwachheit noch 6 Jahre, wie er selbst bezeuget, erhalten worden. Sonderlich entstund aus solchem Glauben sein unverzagter Muth und Freudigkeit in allem, was er vor Gottes Sache zu thun hatte; wo er keine Gefahr nicht scheuete, sich auch um menschlichen Arm und Schutz nicht bewarb, oder sich darauf verließ,, vielmehr sich in manchem also bezeigete, daß er sich dardurch desselben hätte verlustig machen mögen. Demnach blieb er gleich getrost, es mochte in dem Aeußerlichen gutes oder böses Ansehen haben, mit seinem Glauben lauterlich an Gott hangend; also daß man wegen solchen kräftigen Glaubensworte nicht ohne Bewegung und Erbauung einige seiner Schriften, sonderlich Briefe, worinnen er sein Herz recht ausgeschüttet, lesen kann, meistens die in der größesten Gefahr, da Andere fast verzagen wollten, geschrieben worden sind; wie sonderlich denkwürdig sind, die T.h 5. Bl. 167 u.f. gelesen werden, an Phil. Melanchthonem, Herzog Joh. Friderich von Sachsen, Joh. Brentium, Georg Spalatinum, wo aus allen Worten ein heldenmäßiger Glaube heraus blicket.

Daraus floß 7) in seinem Leiden stets eine freudige Geduld. So bald der theure Mann das Werk der Reformation angehoben, erregte sich gleichsam die ganze Welt gegen ihn, sonderlich der römische Hof, mit allen Erz- und Bischöfen, Prälaten und Geistlichen in Deutschland, die an jenen hingen, sammt den Fürsten und Herren, die es auch mit jenen hielten, ohne zu gedenken des gemeinen Volks, welches ohnedem den Oberen gemeiniglich nachfolget. Da schwebte unser Lutherus als ein armer Mönch in täglicher Todesgefahr, und durfte sich, menschlichem Anschein nach, auf nichts anderes als auf einen Scheiterhaufen gefaßt machen; zu geschweigen der vielen Lästerungen, Nachreden und andern dergleichen, was ihn täglich betraf. Aber es zeigte sich bei ihm eine solche getroste Geduld, die auch alle Furcht oder Traurigkeit von ihm abhielt, und nichts anders als eine Wirkung des heiligen Geistes aus dem Glauben gewesen sein kann. Also bleibet es darbei, daß er nicht nur in seinen Verrichtungen ein stattliches Werkzeug, sondern auch in seiner Seele eine theure Werkstatt des H. Geistes gewesen sei.

Quelle: Lindau, Wilhelm Adolf - Stimmen aus drei Jahrhunderten über Luther und sein Werk

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