Spener, Philipp Jakob - An eine fürstliche Wittwe.

Spener, Philipp Jakob - An eine fürstliche Wittwe.

Frankfurt a/M. 2. Febr. 1682.

Daß E. Hochf. Durchlaucht sich so willig in den seligen Abschied ihres geliebtesten Herrn schicken, und dem göttlichen Willen sich gehorsamlich unterworfen, ist mir aus E. D. neulichstem zu sonderlichem Vergnügen kund worden. Der himmlische Vater erhalte noch allezeit ein solch kindliches gelassenes Herz, in welchem ein großes Stück des würdigsten Gottesdienstes besteht, ja in welchem wir eine Ruhe des Gemüths um die Zeit finden werden, wo sonsten die Unruhe und Widrigkeit desselben uns unglückseliger machen würde, als dasjenige selbsten, was uns äußerlich betrübt. Es ist freilich also, der theure Liebhaber Ihrer Seele will E. D., wie sie selbst schreiben, ganz von der Welt abziehen. Ach so lasset uns solchem seinem Zug gehorsamlich folgen, und ihm auch für diese dem Fleisch so unangenehme Arznei danken! Wollen Sie nun solches mit rechtem Nutzen thun, so wird das Erste sein eine genaue und scharfe Untersuchung, worin Ihr Herz bis daher auf eine kenntliche oder verborgene Art an der Welt gehaftet habe: auf welche Prüfung Sie Ihre Trauerzeit viel nützlicher, als auf die stete Erinnerung des von dem Herrn aus den Augen gerückten werthen Gutes wenden mögen, denn diese, wo sie ohne christliche Maß geschieht, verunruhigt nur und schmerzet ohne Nutzen, jene aber ist eine heilsame Uebung, und ob sie die Seele in eine göttliche Traurigkeit führen möchte, wird sie doch der Traurigkeit der Welt soviel kräftiger steuren. Es ist aber nöthig, in solcher Untersuchung sich selbst nicht zu schmeicheln, sondern nach allen Theilen unsers Lebens und nach allen Dingen, die wir um uns haben, uns zu prüfen, wiefern unser Herz an etwas hänge oder nicht, es sei nun Ehre in der Welt, Macht über Andere, zeitliche Güter, weltliche Ergötzlichkeit, Kleider, Umgang mit Andern, oder wie es Namen haben mag: denn keines unter allen ist, welches uns nicht gefangen nehmen und uns sehr an dem einigen Nothwendigen hindern kann; folglich, wo der Herr uns von der Welt abziehen will, eine Verleugnung aller solchen Dinge und demnach vorher Erkenntniß, wie unser Herz vorhin dagegen standen, nothwendig erfordert wird.

So viel Sie nun bei sich von solchen Dingen entdecken, will es nöthig sein, mit getrostem Herzen die Sache anzugreifen: wiewohl ich dafür achte, daß der himmlische Vater selbst in solchem Werk zu Hilfe kommen und durch eine und andere Widerwärtigkeit dero Fleiß, sich von der Welt loszuwirken, stattlich befördern werde. Allen Wittwen ist dieses ein vornehmes Stück ihrer Pflicht und eine Krone ihrer übrigen Tugenden, die Enthaltung der meisten, sonst etwa in der Welt erlaubten, ja bei hohem Stand der Meinung nach fast unvermeidlichen Wollüste. Wo aber ein Wittwenstand nicht nur vor der Welt rühmlich, sondern vor Gott christlich geführt werden soll, so will noch ein Mehreres erfordert werden, nehmlich nach Pauli Worten: die Hoffnung auf Gott stellen, und sich also alles mißtrauigen Klagens, Ungeduld, unmäßiger Sorge zu enthalten, hingegen am Gebet und Gottesdienst Tag und Nacht zu bleiben, das ist, so viel ungehinderter man ist, soviel emsiger allein mit Gott umzugehen und in ihm die Freude zu suchen. Welches alles E. D. - als dasjenige anzusehen haben, wohin Sie der Finger Gottes weiset, welchen Sic erkennet, daß er Sie von der Welt, nicht nur wie alle insgesammt von der Welt abgesondert sein sollen, sondern als eine Wittwe abziehen wolle. Wie ich auch des guten Vertrauens lebe, daß Sie selbst angelegentlich dahin arbeiten werden, würdiglich solchem Berufs zu leben, und alsdann alles Vertrauen auf den Herrn zu setzen, sonderlich nachdem etwa mehrere vorhin nöthig geachtete Ausgaben in diesem Stande nunmehr wohl ausbleiben mögen, ja sollen, dahin zu trachten, daß Sie desto reicher werden an guten Werken und Uebung der Liebe, sowohl an den Ihrigen als andern dero Hilfe Bedürftigen, an welcherlei Dingen nun nicht mehrers abgebrochen, sondern vielmehr zugesetzet und solches für eine vornehme Wittwenpflicht angesehen werden solle. Dieses alles wird's auch sein, darum ich den Allerhöchsten stets eifrig anrufen werde, dessen kräftige Gnade E. D. durch den h. Geist in und zu solchem allem leiten, und Ihr Exempel dazu heiligen wolle, zu gesegneter Nachfolge vieler, welche er ihnen in dem äußerlichen Stande gleich gemacht hat, so vielmehr aber bei andern, welche, wo sie nicht wenigstens ein Gleiches thun, durch den hohen Vorgang sich recht beschämet erkennen. Jetzo aber gebe seine milde Güte auch Rath und Hilfe, alles in dem Aeußerlichen glücklich zu künftiger Ruhe einzurichten, und hindere alle widrigen Anschläge.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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