Sleidanus, Johannes - Der Tod Martin Luthers

Sleidanus, Johannes - Der Tod Martin Luthers

Luther reisete zu den Grafen von Mansfeld, welche ihn gerufen, auf daß er einen Streit schlichtete, der zwischen ihnen über die Gränzen und die Erbschaft entstanden war. Wiewohl er nun in solche Händel sich nicht einzulassen gepflegt, sondern immer nur seines Berufes, der Lernung, sich beflissen; so konnte er doch, weil er aus Eisleben war, einer Stadt in der Grafschaft Mansfeld, diese Mühe und Arbeit ihnen und dem Vaterlande nicht weigern. Schon vor seiner Ankunft in Eisleben, zu Ende des Januars, war er schwacher Gesundheit; er besorgte jedoch die Sache, wozu er gerufen war, that auch einige Predigten und ging zum heiligen Abendmahl. Am 17ten des Februars aber wurde er von heftigen Brustbeschwerden befallen. Es waren bei ihm seine Söhne, Johannes, MArtin und Paul, und einige Freunde, unter welchen auch Justus Jonas, Pfarrherr in Halle; aber wiewohl er schwächer geworden, so setzte er sich doch mit den übrigen Morgens und Abends zu Tische. Beim Abendessen redete er viel wichtige Worte, und gedachte auch der Frage, ob wir im ewigen Leben auch einander kennen würden. Als die Andern wünschten, die Antwort von ihm zu hören, da sprach er: Was geschah denn Adam? Er hatte Eva nie gesehen; denn als Gott sie schuf, lag er in tiefem Schlafe. Als er aber aufwachte und sie sah, fragte er nicht, wer sie sei, und woher sie komme, sondern sagte, sie sei Fleisch von seinem Fleische und Bein von seinem Beine. Woher wußte er das? Daher geschah es, daß er des heiligen Geistes voll und mit wahrhafter Erkenntniß Gottes begabt war. Auf gleiche Weise werden auch wir in jenem Leben durch Christum erweckt werden, und Aeltern, Weiber, Kinder und uns unter einander viel besser erkennen, als Adam Eva erkannte. Als er nach dem Essen sich entfernte, um, wie gewöhnlich, zu beten, wurde sein Brustschmerz stärker. Er nahm, nach dem Rathe einiger Freunde, geschabtes Einhorn in Wein, und schlief darauf anderthalb Stunden sehr sanft auf dem Ruhebettlein in seiner Stube. Als er aufgewacht war, ging er in die Kammer, und begab sich wiederum zur Ruhe, und seine anwesenden Freunde grüßend, sprach er: „Bittet zu Gott, daß er uns das Evangelium bewahre, denn der Papst und das Concilium zu Trient zürnen hart mit ihm.“ Nach diesen Worten schlummerte er einige Zeit, als aber die Krankheit zunahm, erwachte er nach Mitternacht, klagte über Beklemmung der Brust, und des Lebens Ende ahnened, betete er also zu Gott: „O mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen Sohn JEsum Christum offenbaret hast, an den ich geglaubet, den ich bekannt, den ich geliebt und gelobet habe, und den der römische Papst und der Gottlosen Haufe verfolgen und schänden, ich bitte idch, mein Herr Jesu Christe, laß dir mein Seelchen befohlen seyn. O mein himmlischer Vater, ob ich schon aus diesem Leben hinweg gerissen werde, und diesen Leib nun lassen muß, so weiß ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleiben werde, und aus deinen Händen mich niemand reißen kann.

Nicht lange nach diesem Gebete, als er mehrmal seinen Geist in Gottes Hände befohlen hatte, verschied er wie im Schlummer, ohne allen Todeskampf, so viel man merken konnte. So starb er in seiner Geburtsstadt, die er in vielen Jahren nicht gesehen, am 13. Februar, zu vieler Menschen größtem Leidwesen. Die Grafen von Mansfeld wünschten, ihn in ihrem Lande, wo er geboren war, zu begraben; aber auf Befehl des Kurfürsten wurde er mit allen Ehren nach Wittenberg gebracht, und fünf Tage nachher begraben. ER war ungefähr 63 Jahre alt; denn er war geboren im Jahre des Herrn 1483, am 10. November, von ehrbaren, belobten Aeltern, Johannes und Margaretha. Er wurde zu Hause in den ersten Kenntnissen unterrichtet, darauf gen MAgdeburg und Eisenach geschickt, wo er seines Gleichen nicht übertraf. Nachher kam er nach Erfurt, wo er sich ganz der Dialektik und der Philosophie widmete, und als er sich daselbst einige Zeit aufgehalten, ging er, ohne seiner Aeltern und Verwandten Vorwissen, in das Kloster der Augustiner, legte isch ganz auf die Erforschung der heiligen Schriften, und gab die Rechtsgelehrsamkeit auf, die er früher getrieben. Als darauf in Wittenberg eine hohe Schule neu gestiftet worden, zog Staupitz, dem die Sorge dafür oblag, Luther als Lehrer der Gottesgelehrtheit dahin. Nachher wurde Luther von seinem Orden nach Rom geschickt, eines Streites wegen, der daselbst anhängig war; dieß geschah im Jahre 1510. Nach seiner Rückkehr nahm er, auf der Freunde Antrieb, die Würde eines Doctors an, wozu Herzog Friedrich von Sachsen die Kosten gab. Seine Schriften geben Zeugniß, wie groß die Kraft und Fülle seiner Beredtsamkeit gewesen. Er hat gewißlich die deutsche Sprache sehr ausgebildet und bereichert und den höchsten Ruhm darin erlangt, da er aus der lateinischen Sprach verdeutscht hat, was, wie man gemeint, nicht verdeutscht werden könne, und die bedeutsamsten und eigensten Wörter gebraucht, und oft mit einem einzigen Worte die Sache vor Augen stellet. Er schriebt irgendwo von dem Papste, wie derselbe das Abendmahl entheiliget und die Messe auch für die Verstorbenen angeordnet habe, wobei er sagt, es sei derselbe mit seiner Messe nicht nur in alle Winkel der Christenheit gedrungen, sondern selbst ins Fegfeuer, aber das deutsche Wort, das er braucht1), deutet auf das Geräusch, das entstehen würde, wenn jemand aufgeschichtete Todtengebeine zusammen stürzte, oder eine Kugel hinein schleuderte. Er hatte einen unerschütterlichen Muth. Als er zuerst anfing, vom Ablaß zu lehren, wußte er nicht, wie weit die Sache gehen würde, wie er selbst gesteht, und er ging nur darauf aus, schrieb daher auch sehr demüthig an den Papst und andere; als er aber von Tage zu Tage in der Erkenntniß der heiligen Schrift weiter kam, und seine Lehre mit dem göttlichen Worte einig fand, da stellte er dem Ungestüm seiner Feinde und dem Hasse der ganzen Welt die tapferste Brust entgegen, und stand unbeweglich, wie eine eherne Mauer, aller Gefahr zum Trotze.

Quelle: Lindau, Wilhelm Adolf - Stimmen aus drei Jahrhunderten über Luther und sein Werk

1)
„Zuketzt rumpelt er auch ins Fegfeuer unter die Todten“ sagt er in den Schmalkaldischen Artikeln, Th. III, Art. 3
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