Selneccer, Nikolaus - Eine christliche Predigt vom Gange Christi aus dieser Welt zum Vater, am vierten Sonntage nach Ostern, Anno 1578 zu Dresden in der Schlosskirche gethan.

Selneccer, Nikolaus - Eine christliche Predigt vom Gange Christi aus dieser Welt zum Vater, am vierten Sonntage nach Ostern, Anno 1578 zu Dresden in der Schlosskirche gethan.

Text: Evangelium Johannis 14 (V. 5-15).

Geliebte im Herrn Christo, es hat der Herr Christus dieses Gespräch mit seinen Jüngern gehalten vor seinem Leiden und Sterben, eben am Abende, da er das heilige Abendmahl eingesetzt, uns Allen zur Lehre und zum Trost, dieweil grosse Dinge und Geheimnisse, ja unser Leben und Sterben und unser Seelenheil und Seligkeit daran gelegen. Derwegen die christliche Kirche heut singet aus dem 98. Psalm: Cantate Domino canticum novum, quia mirabilis fecit Dominus. Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er thut Wunder, er segnet mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.

Es redet aber der Herr Christus in diesem Evangelio fürnehmlich von zweien Dingen:

Erstlich von seinem Gang zum Vater.

Zum Andern von dem Amt und Sendung des heiligen Geistes, welches Amt der heilige Geist in der Kirche Christi und bei uns in allen Gläubigen führet und führen soll bis zum Ende der Welt, ob es gleich der Welt unbekannt ist, wie auch die Jünger des Herrn Christi es nicht begreifen, sondern haben ihre Gedanken auf das Zeitliche und Irdische. Denn da sie hören, dass der Herr Christus will zum Vater gehen, verstehen sie, er werde und wolle sie gar verlassen und nicht mehr bei ihnen bleiben, da sie doch dafür gehalten, es werde der Herr Christus alle Zeit bei ihnen sein und bleiben in dieser Welt sichtiglich, räumlich und begreiflich und sie zu grossen Potentaten und Herren machen und alle Völker unter ihre Gewalt bringen, und können also den rechten Gang zum Vater nicht verstehen.

Der Herr Christus aber ist so geduldig und sanftmüthig, dass er sie ihres Unverstandes halber nicht von sich jaget, sondern redet mit ihnen freundlich und zeigt ihnen an, dass die Zeit seines Leidens da sie, dass er soll sterben und ein Opfer werden für die Sünde der ganzen Welt, und giebt ihnen das Valet und gesegnet sie sehnlich und herzlich aus rechter, wahrer Liebe.

Über solche inbrünstige Valetworte erschrecken gleichwohl die Jünger, er aber tröstet sie und spricht: Es ist euch gut, dass ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. Ich will ihn euch aber senden, den heiligen Geist, der den glauben in euch muthig und lebendig machen soll, und nicht allein in euch, sondern in allen meinen gläubigen Christen, bis ans Ende der Welt.

Darum ist dies Evangelium ein herrliches Evangelium, voller Lehre und Trostes, dabei wir eurer Liebe wollen fürhalten diese nachfolgenden Stücke:

Erstlich sagen vom Gang des Herrn vom Vater, was er dadurch verstehe und meine, dass er sagt. Es ist euch gut, dass ich hingehe.

Zum Andern, was er uns mit dem Gange hat ausgerichtet, nämlich die Sendung des heiligen Geistes, der nun, Gott Lob! Bei, in und unter uns ist und in unseren Herzen und Gewissen wohnet, dass wir uns rühmen können, die wir getauft sind und glauben an Christum, dass wir sind Tempel und Wohnung Gottes, des heiligen Geistes, und dürfen treten vor den Gnadenthron und vor das Angesicht der göttlichen Majestät, derwegen wir auch alle Zeit sollen desto fröhlicher sein, dass der heilige Geist also bei uns und in uns ist und wohnet.

Er ist ein Tröster und strafet doch auch. Er strafet aber die Welt, dieweil er will selig machen und schilt sie um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht, zeigt ihnen an ihren Schlamm und Unglauben, dass sie den Herrn Christum nicht erkennen, auch nicht die Arznei erkennen wollen, die darin steht, dass der Sohn Gottes vom Vater und nun wieder zum Vater geht, das ist, wird wahrer Mensch, ja, wie der 22. Psalm sagt, ein Wurm für unsere Sünde, nimmt unser Fleisch und Blut an sich, stirbt für uns, uns zu Gute, zum ewigen Leben und ewiger Seligkeit und geht zum Vater, das ist, wird ein Herr über Alles und zeucht uns zu sich in ewige Freude und Herrlichkeit.

Auch straft der heilige Geist die Welt um's Gericht, dass die Welt den Sohn Gottes und Mariä nicht annimmt, sondern dem leidigen Teufel hofiret und liebkoset, der doch verdammt ist.

Was nun anlangt den Gang des Herrn Christi, hält uns dies Evangelium für zween Gänge, die er gethan hat: einen ang vom Vater in die Welt, den andern Gang von der Welt zum Vater, wie er selbst solche zween Gänge meldet Johannis am Achten.

Der erste Gang ist, dass er hat angesehen unser Elend, dass wir Alle mit einander von wegen der Sünde des Todes sein müssten, in alle Ewigkeit, aus Gottes gerechtem Zorn, und ist Niemand unter Engeln, noch Menschen, der uns im Geringsten oder nur von einer einigen Sünde und von dem Zorn Gottes erlösen oder Etwas rathen oder helfen könnte, sondern wie wir von Natur sind Kinder des Zornes, also sind wir auch Alle und Jeder des Todes, nicht allein zeitlich, sondern in alle Ewigkeit.

Da thut der Sohn Gottes die Fürbitte als des Vaters Herz und eingeborener, lieber Sohn, dem der Vater Nichts versaget. Diesen Fürsprecher und Advokaten sollen wir nun ansehen und fassen und in ihm, durch ihn und mit ihm vor den Vater kommen und also dem Vater sein Herz fürhalten, so genesen wir.

Es lässt's aber der Sohn Gottes bei seiner Fürbitte nicht bleiben, die doch unaussprechlich gross ist, sondern thut noch einen demüthigen, kindlichen oder söhnlichen Fussfall vor Gott, seinem himmlischen Vater (wie wir in diesem Leben kindisch und doch wahrhaftig davon reden können und sollen), das ist, wie die Epistel zu den Hebräern redet, er wird supplex, flehet, bittet und stellet sich selber dar als der rechte Schuldner; der um Gnade und Verzeihung ansucht und schreiet, und thut Das von wegen unserer Sünde und grossen Elends.

Da wir nun sind durch List und Betrug des schändlichen Teufels in die Sünde und Zorn Gottes und also in ewige Strafe, Pein und Verdammniss gerathen, nimmt dieser Herr auf sich die Last, die allen Creaturen unträglich war, und leidet das Lamm Gottes für die Sünde der ganzen Welt, nimmt dein und mein Blut an sich und heisst nun nicht allein unser Gott und Schöpfer und unser Richter und Herr aller Creaturen, allmächtig und gerecht, der Alles weiss, siehet, höret und richtet, dafür wir sonst oftmals erschrecken, sondern ist auch unser leiblicher Bruder, der ohne alle Sünde vom heiligen Geiste empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist durch Kraft des Geistes Gottes.

Dieweil er nun unser wahrer, natürlicher, leiblicher und herzliebster Bruder ist, so haben wir uns auch alles Guten zu ihm zu versehen.

Er lässt's aber dabei auch nicht bleiben, dass er für uns einen demüthigen Fussfall thut und gethan hat und unser Bruder worden ist und unser Fleisch und Blut an sich genommen hat, sondern opfert sich noch auf am Stamme des Kreuzes für unsere Sünde, giebt dahin am Stamme des Kreuzes seinen Leib in den Tod für unsere Sünde, vergeusst am Stamm des Kreuzes sein rosinfarbenes Blut für unsere Sünde und ist unser Erlöser durch sein eigen Blut und Hoherpriester worden, ja, das Opfer selbst und Lamm Gottes, geschlachtet und erwürget, aufgehangen und emporgehoben, verbrannt und verzehret für unsere Sünden, die er alle auf sich genommen hat, der getreue Heiland und fromme Gott, dessen Kinder, Brüder und Schwestern wir nun sind und bleiben, hier und in alle Ewigkeit.

Das heisst der Gang vom Vater, nicht dass er den Vater verlassen habe, mit welchem er sammt dem heiligen Geist eines ewigen, unzertrennlichen, allmächtigen Wesens ist und bleibet von Ewigkeit zu Ewigkeit, ohne alle Änderung, sondern dass er, der Sohn Gottes, ist worden auch des Menschen Sohn und das ewige, wesentliche Ebenbild Gottes, hat menschliche Natur, welche zum Bilde Gottes erschaffen war, an sich genommen und ihm selbst persönlich vermählet und vereiniget, und wie die Epistel an die Philipper am Zweiten sagt, hat sich geäussert seiner Gottheit und Knechtsgestalt an sich genommen, leidet und stirbt gerne, nur dass er uns selig macht. Und das ist der erste Gang, des wir uns trösten sollen in allem Kreuz, es sei im Leben oder Tod, und uns aufhalten und schützen wider alle Verzweiflung. Denn der Sohn Gottes ist vom Vater ausgegangen und hat sich unser treulich und gewaltig angenommen, ist Mensch worden und ist ein Fluch und Opfer worden für unsere Sünde, wie er selbst sagt im 22. Psalm: Ich bin ein Wurm und kein Mensch.

Der andere Gang ist aus der Welt zum Vater, nachdem er den Gehorsam bis zum Tode geleistet und zu seinem Leiden und Sterben gegangen und Alles ausgestanden, Teufel, Welt, Sünde und Tod überwunden hat und mit dem consummatum est am Kreuz beschlossen. Denn da geht er als der einige, rechte Siegfürst und ewige Held aus der Welt, legt hinweg sein Kreuz und geht zum Vater, das ist, setzt sich mit seiner angenommenen menschlichen Natur erhaben über alle Himmel zur rechten Hand Gottes, des himmlischen Vaters.

Und das ist auch unser einiger lebendiger Trost, damit sich das Herz aufhält und sagt: Der Herr Christus, mein Bruder, ist gegangen aus der Welt zum Vater, in seinem Fleisch erhoben über alle Himmel, und ist mein Bruder Christo Jesu, Marien Sohn, gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und alle Creaturen müssen ihm unterworfen sein, ihm, sage ich, des Menschen Sohn, wie im 8. Psalm steht: Alles hast du unter seine Füsse gethan. Und der Prophet 'Daniel sagt am 7. Capitel: Es kam Einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn bis zu dem Alten und ward vor denselbigen gebracht, Der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten; seine Gewalt ist ewig, die nicht vergeht, und sein Königreich hat kein Ende.

Solcher göttlichen und ewigen Majestät ist unser Bruder, der Herr Christus, nicht nach seiner Gottheit (denn Er als ewiger Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit allmächtig), sondern seiner Menschheit nach wahrhaftig und doch ohne alle Confusions und Vermischung beider Naturen theilhaftig geworden. Und einen solchen Bruder haben wir an dem Herrn Christo Jesu, Gott Lob und Dank.

Allhie aber müssen wir nicht schwärmen nach der Vernunft und schwere, unnütze, ärgerliche Gedanken haben, wenn man sagt von dem Gang zum Vater, wie die Sacramentirer tichten und sagen von dem Sohne, er sei aus der Welt von uns mit seiner menschlichen Natur also gegangen, dass er nun nicht mehr auf Erden bei uns gegenwärtig sei, sondern sei aufgefahren gen Himmel an einen räumlichen, erschaffenen, umschriebenen, gewissen Ort, wo etwa derselbe sein möge, allda er sein müsse bis zum Ende der Welt und könne anderswo nicht sein, weder in der Kirche, noch bei uns in seinem heiligen Abendmahl, noch bei seinen Gläubigen; denn Solches, sprechen die Schwärmer, wäre wider die natürliche Eigenschaft eines menschlichen Leibes, der ja an einem gewissen Orte sein müsse und bleiben.

Vor solchem Schwarm und närrischen Gedanken behüte uns Gott. Wir sind's gewiss, lehren, reden's, predigen's, leben und sterben darauf, dass unser Herr Christus Jesus sei aus der Welt, das ist, aus dem sichtigen Wesen und Jammerthal und aus diesem menschlichen, natürlichen und vergänglichen Brauch des menschlichen Lebens gegangen und aus dem Stande seiner Niedrigung durchaus kommen und habe alles Kreuz, Angst, Noth, Tod und Schwachheit abgelegt und sei nun eingesetzt vollkömmlich in die ewige, göttliche Herrlichkeit. Denn wo sollte er hingehen, da nicht der Vater wäre? Nun sagt er ja selbst, er wolle aus der Welt gehen, da der Vater ist, der doch in der Welt überall auch ist, das ist, er wolle sich nun auch nach Vollendung seines Gehorsams mit seiner zarten und klaren Menschheit setzen in des Vaters Thron, Majestät, Herrlichkeit und Allmacht, wie Solches des Vaters Wille, Befehl und Meinung sei, da der Vater selbst sagt: Setze dich zu meiner Rechten. Denn der Vater giebt des Menschen Sohne Gewalt, Ehre und Reichthum, ewige Allmacht und Majestät.

Einen solchen und, wie gesagt, einen allmächtigen Bruder haben wir an dem Herrn Christo Jesu, an welchem Nichts ist, noch kann genannt werden im allergeringsten, das nicht entweder wesentlich allmächtig sei seiner Gottheit nach, oder ja der ewigen Allmacht theilhaftig worden sei seiner Menschheit nach, dass wir also einen allmächtigen Christum, Gott und Mensch, haben und behalten.

Verflucht sei alle Lästerung, die solche Ehre und Glorie dem Herrn Christo zu entziehen sich untersteht.

Wenn wir nun von solcher Herrlichkeit Christi reden, so freuet sich unser Herz, und wir verachten alles Vergängliche und können recht sagen Ps. 73: Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, alle Zeit meines Herzens Trost und mein Theil. Und wenn ich nur dich habe, Herr Jesu Christe, mein Gott, Herr und Bruder, so frage ich Nichts nach Himmel noch Erden. Denn einen solchen Bruder, dem Alles unterworfen ist, habe ich an dir. Wer will uns nun etwas Böses thun können? Es sei der Teufel, Sünde, Hölle oder Tod? Denn Alles, was der Vater hat, spricht der Herr Christus, ist mein, und ich will, dass Die, so an mich gläuben, oder (welches gleich Viel ist), die mir der Vater gegeben hat, auch da sein, da ich bin.

Es sagt der Herr Christus in diesem Evangelio, seine Jünger verstehen's nicht und fragen nicht: Wo gehst du hin? Oder was ist dieser Gang, davon du redest, für ein sonderlicher Gang? Sie sind schwach, ja, sind auch bekümmert und traurig; denn sie meinen, dass der Herr sie ganz und gar verlassen und nicht mehr bei ihnen bleiben wolle. Aber sie sollen sich wiederum freuen, spricht der Herr Christus.

Wie es nun den Jüngern geht, so geht’s uns auch. Ein Jeder gehe in sich selbst und examinire sein eigen Herz; so findet und fühlet er den Text sammt der Glossa; denn wir predigen's und lesen's wohl, und es lässt sich lernen und hören, aber ins Herz fassen und darauf können pochen wider den Teufel und die Hölle und seine Seele in die Hände Gottes befehlen, da sehen wir, wie schwach es mit uns zugeht. Doch müssen wir's gewohnen und wahrlich noch den Anfang in diesem Leben durch Gottes Gnade und Kraft des heiligen Geistes machen und sagen: Herr Jesu Christe, du hast selbst gesagt zu deinen Jüngern, die dich und deine Wunderwerke gesehen und gehört haben und doch noch schwach gewesen sind: Es ist euch gut, dass ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch, so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Du getreuer Herr, wir verlassen uns darauf und sind gewiss, dass eben dieser Tröster werde den Glauben in uns anzünden und erhalten und das glimmende Tocht nicht verlöschen lassen, noch das zerbrochene Rohr gar zerstossen, und ob unser Glaube gleich schwach und klein ist und scheinet oftmals, als wollte er vergehen und sich verlieren, dass wir uns umsehen und besinnen müssen, so erweckst du doch immerdar wiederum das kleine Fünklein und bläsest deinen heiligen Odem und Geist darein und bezeugst im Werk und mit der That, dass es also sei und wahr bleibe, wie du sagst: Es ist euch gut, dass ich hingehe und mich setze zu der rechten Hand Gottes; denn da will ich euch regiren, schützen und handhaben und euch alle Zeit mit meinen Augen und von Oben herab anschauen, der ich nun der Höchste bin und alle Dinge unter mir sehen und hören kann, ja, Alles in meinen Händen und unter meinen Füssen habe und Alles erfülle, ich will euch senden den rechten Tröster, meinen heiligen Geist, der vom Vater und mir ausghet, und der gesandt wird, alle meine Gläubigen zu trösten und zu erhalten, in ihnen sammt mir zu wohnen und sie zu regiren, Das wird er euch Alles erinnern, das ich euch gepredigt habe, und das gepredigt soll werden bis ans Ende der Welt. Das ist der andere Gang, dass der Sohn Gottes ist gegangen aus der Welt zum Vater.

Hier folget nun auch das andere Theil dieses Evangelii, davon wir allein eine kurze Summa erzählen wollen. Denn dazu hat uns der Gang des Herrn Christi zum Vater genützt und gedient, dass wir den heiligen Geist reichlich überkommen haben, der uns lehret, unterweiset, führet, regiret, schützet und erhält im wahren Glauben und Bekenntniss bis an unsern letzten Seufzer, und wir sein Haus, Wohnung, Tempel und Palast sein und bleiben sollen. Und sein Amt ist, dass er sein soll unser Tröster, Advocat und Beistand wider alle Anklage des Gesetzes, des Teufels, des Todes, des Gewissens, der Welt und aller andern Feinde, die uns an unserm Glauben an Christum hindern und an unserer Seligkeit schaden wollen.

Es sendet aber der Herr Christus den heiligen Geist, dass er nicht allein uns, seine Gläubigen, trösten und erhalten soll, sondern dass er auch die Welt strafen soll um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht. Um die Sünde, spricht Christus, dass sie nicht gläuben an mich, um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht sehet. Denn unser Glaube hat unsichtbare und der Welt und Vernunft unbegreifliche Dinge, und wir erkennen und ehren Christum, ob wir ihn schon mit leiblichen Augen in diesem Leben nicht sehen und ihn doch bei und in uns haben. Um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Solche Lehre lasst uns behalten, dass wir wissen, was in dieser Welt sei das Amt des heiligen Geistes.

Erstlich, er soll uns trösten, er soll aber auch die Welt strafen um die Sünde, nicht schlecht um die groben äusserlichen Sünden, die auch die Vernunft und alle Heiden für Sünde erkennen, sondern auch um die allergefährlichste Sünde, dass sie nicht gläuben an Christum.

Hier hören wir, dass der höchste Unglaube die höchste Sünde ist, ein Ursprung aller anderen Sünden, die Capital- und Hauptsünde, die uns den Hals, Leib und Seele bricht. Sonst, wenn man fragt, was Sünde sei, da antwortet man recht: Sünde ist Das, was wider Gottes Gebot und Gesetz ist. Hie aber sagt der Sohn Gottes, dass der heilige Geist die Welt strafe um die Sünde, dass sie nicht glauben an Christum, den der Vater dazu gesandt hat und lassen Mensch werden, dass er uns arme verdammte Menschen von allen Sünden und von aller Strafe und Verdammniss helfen sollte, wie er denn gethan hat. Darum uns alle unsere Sünden um Christi willen verziehen und vergeben sind, und soll und kann uns das Gesetz nicht mehr verdammen, noch einiger Sünden halben anklagen; denn wir sind vollkommen und gerecht in Christo Jesu.

Wer Dies also gläubet, Der bestehet vor Gott und seinem Gericht, wer es aber nicht gläubet, Der hat und behält nicht allein seine vorige Sünde und Krankheit, sondern verachet auch die Arznei, die uns Gott wider die Sünde gegeben hat, und er will nicht haben, dass ihm Gott helfen soll. Darum er aus gerechtem Zorn Gottes billig verstossen wird; denn wer nicht gläubet an den Sohn Gottes, Gott und Menschen, den rechten Emanuel und einigen Erlöser, Gerechtmacher, Mittler und Seligmacher, Der ist schon gerichtet; denn er gläubet nicht, dass Gott gnädig und barmherzig sei, und dass er uns durch seinen eingebornen Sohn wolle rathen und helfen lassen.

Wer nun diesen Helfer ausschlägt, Der muss in Ewigkeit verloren sein; denn er hat die allergrösste Sünde an sich, die Gott zum Lügner und Tyrannen machen will, und dadurch das Blut und Verdienst Christi und die herzliche Vaterliebe Gottes gegen uns und des heiligen Geistes Werk und Wirkung in uns verschmähet und mit Füssen getreten wird. Da behüte uns der treue Gott gnädiglich, dass wir in solch Lästerung und gräuliche Sünde nicht fallen, sondern leben und bleiben im rechten, wahren, beständigen Glauben, der sich stets, auch in unserer Schwachheit, halte an dich, Herr Jesu Christe, du getreuer Heiland und Fürsprecher, der du bist unser Bruder, unser Fleisch und Blut, und hast uns zugesagt den heiligen Geist. Lass uns dein sein und bleiben, du getreuer Gott und Herr!

Wenn wir solche Zuversicht zu Christo haben, so ist der heilige Geist unser Tröster und will unsern schwachen Glauben munter und frisch machen, mehren und erhalten, auch mitten im Tode, wenn wir ringen und kämpfen müssen mit dem Tode und Zorn Gottes. Denn wenn wir in Christum mit seinem Leiden und Sterben ergreifen und dem Zorne Gottes fürfallen, so sollen alle unsere Sünden in den Abgrund des Meeres geworfen werden, und Nichts denn lauter Gnade, Leben und Seligkeit, Friede und Freude vorhanden sein. Gott sei ja Lob und Dank dafür gesagt, hie und in alle Ewigkeit. O wehe den Ungläubigen, Spöttern und Verächtern!

Zum Andern straft der heilige Geist die Welt um die Gerechtigkeit, dass ich, sagt Christus, zum Vater gehe. Was dieser Gang sei, haben wir oben kürzlich erklärt, dass es nämlich ein Gang sei aus dieser zeitlichen Welt zum ewigen Vater, nachdem hie Christus Alles erfüllt hat und den grausamen Zorn Gottes gestillet und genuggethan für die Sünde der Welt und aus aller Gefahr, Angst, Marter, Kreuz, Noth und Tod kommen und seinem Vater gehorsam gewesen bis zum Tode, ja zum Tode des Kreuzes, dadurch wir denn gerecht und selig werden, wie St. Paulus sagt: Er ist um unserer Sünde willen dahin gegeben und um unsere Gerechtigkeit wiederum auferstanden.

Zum Dritten, wenn wir Das wissen, so findet sich's allererst recht, was Glaube oder Unglaube sei, wer gerecht oder noch in Sünden sei. Denn der Teufel ruhet oder feiert nicht, so verstehet menschliche Vernunft Nichts davon, wie St. Paulus sagt. Was gross ist vor der Welt, Das ärgert sich an der Lehre des Glaubens und des Kreuzes. Der Teufel ist dem Worte Gottes spinnefeind, die Welt kann's auch, wie jetzt gesagt, mit ihrer Vernunft nicht begreifen, darum die Welt, das ist, Alle, die den Herrn Christum nicht haben, seltsam urtheilen, was es sei, vom Vater in die Welt gehen und von der Welt zum Vater. Da sagt der Sohn Gottes: Eben des Urtheils halben wird der heilige Geist die Welt strafen, dass man also übel urtheilt von dem Worte Gottes und solches verkehrte Urtheil Anderes nicht ist, denn des bösen Feindes Anstiftung und Lästerung.

Der heilige Geist straft nicht vergebens und hört nicht auf zu strafen, sondern straft fort und fort, zu jeder Zeit. Und wohl dem Lande, da das Strafamt nur tapfer und muthig nach der Regel Gottesworts fortgeht. Die Welt aber kann's und will's nicht leiden. Wehe nun der Welt, die ihre Sünde nur will auf Polster und sanfte Kissen legen, wie Gott im Ezechiel selbst redet und davon wegen die Welt straft zeitlich und ewiglich.

Es ist je wahr, wo das Predigtamt recht geführet wird, da redet und predigt gewisslich aus des armen Predigers Munde der heilige Geist selbst; denn es ist Gottes Wort und Geist und nicht Menschenwort noch Menschengeist. Wer nun Gottes Wort höret und sich dadurch gewinnen lässt, Der steht wohl bei Gott und in Gott, in was Jammer bringt er sich selbst! Als zum Exempel zur Zeit Noä vor der Sündfluth saget Gott: Mein Volk will sich durch meinen Geist nicht mehr strafen lassen. Und in der Apostelgeschichte steht von Stephano: Niemand konnte dem heiligen Geiste Widerstand thun. Denn die Welt kann nicht leiden (wenn sie gleich höret Gottes Wort und kann es nicht leugnen), dass dadurch ihr Leben und Gewissen gerühret, getroffen und angesprenget werde. Noch dennoch will Gott Beide das Lehramt und Strafamt auch fortsetzen und erhalten, ob es gleich schwächlich zugeht, wie er's denn thut durch einen Eselskinnbacken, das ist, durch arme, unansehnliche Prediger, welche für Gott müssen sein wie der grosse Samson und doch für der Welt arme, elende Aschenbrödel sind. In Summa, wenn und wo Gottes Wort recht und mit Ernst gepredigt wird, da ist der heilige Geist selbst der Prediger, der dies Amt führet, und ohne welchen die armen Prediger Nichts sind, noch Etwas thun noch ausrichten können, ja, arme Krüppel, die wir immer beten müssen: Thue Du mir meine Lippen auf, so soll mein Mund dein Lob verkündigen.

Und so Viel sei auf's kürzeste und einfältigste gesagt von des heilgen Geistes Amt, wollen's nun im Namen Gottes dabei wenden lassen und Gott bitten, er wolle uns gnädiglich bei seinem Wort im wahren, rechten Glauben erhalten, uns um seines lieben Sohnes willen alle unsere Sünde vergeben und durch ihn gerecht und selig machen und dem leidigen Teufel, der Welt und allen Lästerern, Spöttern und Verächtern seines Wortes und unserm eigenen Fleisch und vorwitziger Vernunft wehren, dass sie uns nicht verführen noch hindern, sondern dass wir in Erkenntniss und Bekenntniss Jesu Christi Tempel und Wohnung des heiligen Geistes sein und bleiben, und rechten Glauben und gutes Gewissen bis an unsern letzten Seufzer behalten und hie in Ewigkeit Gott loben und preisen. Amen. Herr Jesu Christe, Amen. Dir sammt dem Vater und heiligen Geist sei Lob, Ehre, Preis und Dank in alle Ewigkeit. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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