Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 19. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 19. Andacht.

Psalm 45.

Dieser Psalm enthält eine Weissagung auf den Messias, und im prophetischen Geist singt der Psalmist schon von dem König, der kommen wird, zu erlösen sein gefangenes Volk. V. 2. „Meine Zunge ist ein Griffel eines guten Schreibers,“ sagt er. Können wir das auch von unserer Zunge sagen, meine Lieben? Unser sündiger, befleckter Mund kann die Herrlichkeit des reinen, unsträflichen, heiligen Jesu nicht besingen. Wir müssen ihn vorher heiligen lassen, wir müssen zum Gnadentisch gehen und dort kaufen: reine Lippen, keusche Augen und ein lauteres Herz. Wie kann aus dem Herzen, in dem noch so viel Unlauteres, Unreines, Verdammliches steckt, etwas Gutes, ein heiliges Lob Gottes kommen? Wie können die Lippen, die noch fluchen, lügen, afterreden und dergleichen, des Herrn Lob verkündigen? „Kann auch aus einem Brunnen zugleich süßes und saures Wasser quillen?“ Können die Augen, die sich noch am Land der Welt weiden, die sich noch unreine Bilder vormalen, den Herrn in Seiner Schöne schauen wie der Psalmist, der ausbricht in die Worte: V. 3. „Du bist der Schönste unter den Menschenkindern.“ Meine Lieben! der Herr will das ganze, nicht ein geteiltes Herz; man kann nicht Gott dienen und dem Mammon; der Herr ist ein eifersüchtiger Gott, das steht in Seinem Wort, wir dürfen neben Ihm keine andern Götter haben, nichts mehr lieben als Ihn, auch nicht die liebenswürdigste Kreatur. Er will unser Ein und Alles sein. Ach, wie schwer können und wollen wir begreifen, dass der liebe Heiland oft Seine schweren Zuchtruten über uns schwingen, ja uns manchmal alle irdischen Stützen nehmen muss, damit wir doch allein an Ihn uns fest anklammern. Woher kommt so viel Betrübnis und Herzeleid, so viel Jammer und Elend in der Welt? Weil wir nicht bei Jesu bleiben, immer eigene Wege gehen, Alles besser wissen wollen als Er. Prüft euch nur, waren eure eigenen Wege nicht stets krumme Wege, waren eure Unternehmungen segenbringend, wenn ihr sie eigenwillig unternommen oder vorher bei andern Leuten um Rat gefragt habet, ehe ihr euch mit eurem Heiland beraten? Wie uns endlich viel Jammer und Herzeleid bereiten wir uns doch durch diese Untreue gegen den lieben Heiland, der uns Alles in Allem sein will. Welch ein glückseliges Leben können wir aber führen, wenn wir dem Herrn ganz ungeteilt angehören! Da sind wir in einer festen Burg, wo uns kein Leid anrühren, wo es uns in allen Wechselfällen des Lebens nie an Trost, Kraft und Aufrichtung fehlen kann, aber dazu gehört vor Allem, dass wir unser Herz reinigen lassen von allem Bösen, von aller Unlauterkeit, von allen unreinen Begierden, es ganz demütigen und zermalmen lassen, weil nur in ein solches Herz der Heiland einziehen und Wohnung darin machen kann. 3. 4. „Gürte dein Schwert an deine Seite, du Held, und schmücke dich schön.“ . Bittet den Herrn um Gnade, dass Er euch auch diese Freudigkeit geben möchte, mit dem Schwert des Geistes umgürtet und von allem Bösen los zu werden, damit wir unsere Zeit nicht vergeuden, sondern anwenden für die Ewigkeit, dass Seine Hand auch an euch große Wunder vollführen kann, wie es im 5. Vers heißt: „So wird deine rechte Hand Wunder beweisen.“ Du wirst einst drüben nicht gefragt werden: „was hast du in deiner Haushaltung, in deinem Geschäft zuwege gebracht, was hast du deinen Kindern erworben,“ sondern der Herr wird dich fragen: „Hast du deine Seele in deinen Händen getragen wie David, hast du dir Meine Tugenden erbeten, hast du erkannt, dass in dir lauter Untugend ist, hast du Mir alle deine Sünden gebracht, damit ich sie in's Gnadenmeer werfe?“ Das fragt Er dich, und was kannst du ihm darauf antworten? Prüfe dich, liebe Seele, besitzt du die Gerechtigkeit Jesu, stehst du im lebendigen Glauben an den Herrn, oder steckst du noch in dir selbst, in deiner eigenen Gerechtigkeit, welche Jesaias ein unflätiges Kleid nennt? Vom Gnadentisch kannst du dir Alles holen, den Glauben Jesu, Seine Liebe und alle Seine Tugenden. O blicke in dein Herz! Wie viele Kreaturliebe, wie viel Neid ist noch in demselben! Kommst du mit diesem Herzen hinüber, so hilft dir dort das Klagen nichts mehr; warum hast du dir nicht hier in dieser Gnadenzeit die Kraft Jesu, Seine Demut, Sanftmut und Liebe erbeten? Der Herr hat dir alle diese Gnadenmittel erworben, damit du wieder ganz hergestellt werden kannst, aber wie wenig hast du sie bisher angewandt! Das Blut Jesu ist auch für dich vorhanden, warum lässt du dich und deine Kinder nicht jeden Tag damit besprengen? Welchen Segen würde dies dir und deinen Kindern bringen! Du fragst, zu was soll diese Besprengung nütze sein, wie soll ich sie für mich anwenden? Ich will euch ein Beispiel, eine Begebenheit aus dem Leben Dr. Luther's erzählen, alsdann wird es euch allen klar werden, was man unter der Besprengung mit dem Blut Jesu versteht. Der liebe Luther besuchte einst einen totkranken Studenten, und da er sah, dass es mit dem Jüngling zu Ende gehe, redete er denselben folgendermaßen an: „Mein lieber Sohn, du wirst bald sterben, was bringst du denn dem lieben Heiland?“ „Lauter Gutes, erwiderte der liebe Jüngling, lauter Gutes!“ Verwundert sagte Luther: „was kannst du denn dem lieben Heiland Gutes bringen, sintemal wir alle durch und durch böse sind?“ hierauf antwortete der sterbende Jüngling: „Ich bringe dem lieben Heiland ein Herz, das mit Seinem heiligen Blut besprengt ist.“ Hocherfreut über diese Rede sagte der liebe Luther zu ihm: Fahre hin, mein Sohn, du wirst dem Herrn Jesu ein willkommener Gast sein. Seht, ihr Lieben, so reinigt uns das teure Blut Jesu von allen unseren Sünden, wie geschrieben steht 1 Joh. 1,7. Wenn dieses heilige Blut dein Element wird, so hast du Leben aus Gott in dir, du kannst dir Seine Gerechtigkeiten und Tugenden, mit denen du allein vor Gott bestehen kannst, aneignen und wirst Gott gefallen in Zeit und Ewigkeit. Ein solches Herz darf sich dann auch ganz in die Gerechtigkeit Christi kleiden und sich des Schmuckes bedienen, mit dem der Herr selber geschmückt ist. Da sieht der Herr nicht mehr unsere Ungerechtigkeit und unser Sündenelend an; wir sind in Seinem Blut gereinigt, in Seiner Gerechtigkeit dürfen wir vor Gott erscheinen und einst das Bistum einnehmen, das Er uns bereitet hat von Anbeginn der Welt.

Aber merkt wohl und beherzigt recht, dass uns die Herzens-Höllenfahrt nicht erspart werden kann. „Scharf sind Deine Pfeile,“ sagt der Psalmist V. 6. Ja, die Pfeile des Herrn (Sein Wort) treffen scharf, verwunden das Herz, bewirken die göttliche Traurigkeit, welche wirkt zur Seligkeit eine Reue, die Niemand gereuet. Der ganze Psalm rühmt die Herrlichkeit und Pracht eines solchen begnadigten Herzens, deshalb wollen wir nicht länger zaudern, uns dem Herrn gänzlich zu übergeben, dem überaus liebevollen und gnädigen Herrn und Heiland, der uns mit allem Guten überschüttet, hier in der Zeit und einst dort in der Ewigkeit. Die Elenden, d. 5. die Gedemütigten, die zerschlagenen Herzens sind, wird Er bei Recht behalten, wenn gleich der Feind um sie her dräuete und wütete, Seine rechte Hand wird Wunder beweisen. O, lasset uns Ihm ganz hingeben, dann wird Er uns nicht nur geistlich, sondern auch leiblich erquicken und wir können immer fröhlich sein und jauchzen; denn wer den Herrn hat, ist vollkommen satt. Er wird uns dann auch jede Bitte gewähren, die wir in Seinem Namen tun, merkt wohl, in Seinem Namen. In der Haushaltung Gottes ist die größte Ordnung, deshalb müssen wir auch ordnungsmäßig und planmäßig beten. Woher kommen die vielen Klagen, dass der liebe Gott so wenig Gebete erhört, sie nur hört, aber nicht erhört? Weil wir nicht im Namen und in der Kraft Jesu beten, weil wir in Selbstgerechtigkeit und Hochmut uns vermessen, Gottes heilige Ordnung zu zerstören. Kann denn das der Herr ungestraft geschehen lassen? Ich wollte sehen, was eine Hausfrau sagen würde, wenn ihr fremde Leute in ihre Haushaltung redeten, Konfusionen in ihr Haushaltungsbuch machten. Und wir meinen, der liebe Gott müsse sich das von uns gefallen lassen! Deshalb wiederhole ich's noch einmal: wir müssen nach Seinem heiligen Willen beten, dann werden unsere Bitten erhört; dies steht in Gottes Wort - und das lügt nicht. Viele fromme Seelen haben das schon erfahren dürfen. Warum hat mein seliger Urgroßvater, der Minister von Pfeil, so dreist sagen können:

„Er tut's, der liebe, gute Herr,
Der immer tut, was ich begehr.“

Er hat zu beten verstanden, hat nicht auf eigene Kraft und eigene Gerechtigkeit gebaut, sondern Alles im Namen des Herrn Jesu Christi getan und unternommen, deshalb sind ihm auch alle seine Unternehmungen geglückt und hat ihm sein König Friedrich der Große von Preußen (bekanntlich ein Anhänger Voltaires,) dessen Minister er war, und der ihn stets als seine rechte Hand benützte, immer zum Schluss an seinen Briefen, deren ich noch eine Menge in unserem Schloss Deufstetten vorfand, ermahnt: „Beten Sie zu Ihrem Gott, der Ihnen alles gelingen lässt.“ Ja, meine Lieben! das ist dann ein seliges Leben, und das können Alle haben, Arme und Reiche, Hohe und Niedere, wenn sie sich nur ganz demütigen und zermalmen lassen, ganz aus sich herausgehen, keinerlei Kreatürliche Liebe mehr haben, sondern den Herrn über Alles lieben. Wem das schwer werden will, den bitte ich, nur jetzt in der Fastenzeit, die uns so lebhaft an Alles erinnert, was der treue Heiland für uns getan, die Leidensgeschichte mit tiefem Ernst durchzulesen und sich so recht hineinzuversenken in das unergründliche Erbarmen und die Liebe unseres treuen Heilandes, was Er uns zu lieb verleugnet und gelitten hat. Bedenkt wohl, es sind schon Viele gekreuzigt worden; aber Keiner hat so unsäglich leiden müssen wie Er, weil Er alle Sünden der ganzen Welt in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft büßen musste; dies verursachte Ihm diese namenlosen Martern und Qualen. O, da kann doch gewiss kein Herz kalt bleiben, sondern es muss brennen in aufrichtiger, wahrer Liebe, und wenn wir von solch reiner Liebe für den Heiland entbrennen, so muss ja notwendig auch das herzliche Verlangen entstehen, bei Ihm bleiben zu wollen, alle Sünden fortan zu lassen und uns ihm mit Leib und Seele zu übergeben. Wie heiter und fröhlich kann eine solche Seele sein schon auf dieser Welt, und wie herrlich wird sie einst drüben in der Ewigkeit vor Gottes Thron prangen in eitel köstlichem Golde, in ihrem göttlichen Brautschmuck! Herr Ps. St. erzählte mir vor ungefähr achtzehn Jahren, als ich ihn einmal besuchte, er kam soeben aus dem Armenhaus, wo er eine Kranke, die eben heimgegangen war, besucht habe, und sagte, dass diese arme Person jetzt als Fürstin drüben vor Gottes Thron glänze. seht, meine Lieben, so können aus Armenhäusern, aus den niedrigsten Hütten Himmelsfürstinnen hervorgehen. Dem lieben Heiland ist nichts zu arm und nichts zu gering. Er kann's erhöhen; man sieht's den Gläubigen von Außen gar nicht an, was sie sind, „ihr Schmuck ist nicht auswendig, sondern innwendig, nämlich der verborgene Mensch des Herzens, unverrückt, mit sanftem und stillem Geist, das ist köstlich vor Gott.“ 1 Petr. 3,4. Ihr Leben ist verborgen mit Christo in Gott. „Es glänzt der Christen inwendiges Leben, obgleich sie die Hitze des Tages verbrannt.“. Warum? Sie folgen dem Beispiel Jesu nach, von dem schon Jesaias zeugte Kap. 53,2.: „Er hatte keine Gestalt noch Schöne,“ d. h. äußerlich, und doch ist Er, wie der Psalmist sagt, V. 3. „Der Schönste unter den Menschenkindern.“ Wie werden aber jene Seelen erst drüben prangen! von welchen es in Off. Joh. 7,14 und 15. geschrieben steht, dass sie gekommen seien aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes und dienen Ihm Tag und Nacht in Seinem Tempel. Aber täuscht euch da nicht, liebe Seelen, nicht von der Trübsal, Krankheit, Schmerzen und denjenigen Leiden ist hier die Rede, die wir uns selbst durch die Sünde, durch die Eigenliebe und den Hochmut bereitet haben, sondern nur von solchen Leiden, die uns das eigene Sündenelend und der Schmerz um Seelen bereitet, welche wir in fürbittender Liebe auf dem Herzen tragen, und um deren Seelenheil wir Tag und Nacht bekümmert sind. Der Herr schenke uns diese seelenrettende Liebe.

Wir wollen auch den Herrn um den rechten Glauben und um die wahre Demut bitten, denn je mehr Demütigungen, desto mehr Segnungen. Sobald wir das erkennen, werden wir uns vor Ersteren nicht mehr so sträuben, und wir können dann in allen Lagen des Lebens einstimmen in Loben und Danken mit dem Psalmisten. Dazu verhelfe uns der Herr in Gnaden. Amen.

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