Schrenk, Elias - Wie soll ich zum heiligen Abendmahl gehen?

Schrenk, Elias - Wie soll ich zum heiligen Abendmahl gehen?

Unser Herr und Heiland ist unser einziges Vorbild; ihm sollen wir nachfolgen, in allen Stücken ihm ähnlich werden. Betrachten wir seinen ganzen Wandel während der Tage seines Fleisches, so sehen wir ihn überall als denselben. Er blieb sich immer gleich; er war auf der Hochzeit in Kana und beim Mahl im Hause Simons so fromm als in Bethanien und im Tempel. Er war bei der Speisung der fünftausend Mann in derselben Gemeinschaft mit seinem Vater, wie er es war bei der Einsetzung des heiligen Abendmahls. Seine Gemeinschaft mit dem Vater war die Macht, die sein ganzes Leben Tag für Tag durchdrang und heiligte. So muss es bei uns werden. Leider gibt es viele Christen, die dreierlei Gesichter haben: ein Werktagsgesicht, ein Sonntagsgesicht und ein Abendmahlsgesicht. Am Werktag sieht man bei ihnen nicht viel von Gemeinschaft mit Gott, sie leben ähnlich, wie die Welt und mit der Welt. Um Sonntag Vormittag haben sie dann einen Anstrich von Feierlichkeit, der aber nicht anhält bis am Abend. Am Abendmahlssonntag aber haben sie ein eigentümliches Gepräge; da schrauben sie sich in einen Ernst hinein, den man sonst bei ihnen nie sieht, der aber so rasch wieder vergeht, als er kam. Da könnte man freilich fragen: was hast du zu tadeln an diesen dreierlei Gesichtern, sind sie nicht selbstverständlich? Bis zu einem gewissen Grade gebe ich zu, dass sie selbstverständlich sind. Ich wundere mich nicht, wenn ein Mann an Sonntagmorgen im Gottesdienst andächtiger aussieht als die Woche über an seinem Dampfkessel; und ebenso wenig wundere ich mich, wenn er beim Genuss des heiligen Abendmahls besonders feierlich gestimmt ist. Es soll so sein, und ich finde es über die Maßen traurig, wenn gewisse Leute so wenig Sinn und Verständnis haben für die besondere Feierlichkeit und Heiligkeit einer sakramentalen Handlung, wie es mir zu meinem Schmerz mehr als einmal begegnet ist. Also nicht das Selbstverständliche und der Sache Entsprechende finde ich bedenklich, sondern das tadle ich, wenn der Mensch am Sonntagvormittag ein ganz anderer ist als am Werktag, und dann am Abendmahlssonntag vollends ein ganz anderer. Ich finde es bedenklich, wenn der Sonntag und der Genuss des heiligen Abendmahls bei uns nicht die Wirkung haben, dass ein christlicher Charakter sich bildet, der sich gleich bleibt, so dass unser tägliches Leben geheiligt wird. Wir machen dem lieben Gott gar keine Freude, wenn wir zu gewissen Zeiten in besonderem Anstrich vor ihm erscheinen, und zu anderer Zeit so leben, als lebten wir nicht in seiner Gegenwart.

Wie viele treue Seelsorger seufzen, wenn die Festtage kommen, an welchen ein Massenabendmahl stattfindet, wozu Manche kommen, die das ganze Jahr nur ein Mal zum Tische des Herrn nahen. Da sieht es dann aus, als wollte man jährlich einmal mit seinen Sünden aufräumen, um dann nach alter Gewohnheit weiter zu leben. Man steigert sich in einen vorübergehenden Ernst hinein, der uns natürlich ist, weil das ganze Leben im Widerspruch zu demselben steht. Solche Leute sollen ja nicht denken, dass sie durch den Abendmahlsgenuss Vergebung der Sünden bekommen; der Herr vergibt nur denen die Sünden, welche die Sünde lassen und ein neues Leben führen wollen. Solch eine Anschauung vom Zweck des heiligen Abendmahls und von der Vergebung der Sünden ist überhaupt ein Zerrbild und ein Gräuel vor Gott. Ein wahrer Christ, der seinem Gott gefallen will, kann nicht meinen, dass man jährlich etwa einmal aufräume mit den Sünden, und dann wieder weiter mache wie vorher; er kann mit der Gewissheit der Vergebung der Sünden kein Jahr, keinen Monat, keine Woche warten. Unser Herr lehrt uns täglich bitten: vergib uns unsere Schulden, und das sollen wir im Glauben bitten. Ein gläubiger Christ soll jeden Abend im Frieden Gottes einschlafen, damit er getrost sein kann, wenn er nicht mehr aufwacht für dieses Leben. So will Gott es haben. Wer so steht, ist ein rechter Abendmahlsgast. Die rechte Vorbereitung zum heiligen Abendmahl geschieht täglich. Wir sollen so vor Gott wandeln, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben. Sündigen wir, so sollen wir ungesäumt um Vergebung bitten, und nicht warten bis am andern Morgen. Wir sollen so in der Gemeinschaft unseres gekreuzigten und auferstandenen Heilandes stehen, dass die Gemeinschaft mit seinem Tode uns bewahrt, und wir wandeln als Solche, die in seinen Tod getauft sind, als mit ihm Gekreuzigte.

Stehen wir so, dann lernen wir das Abendmahl in seiner eigentlichen Bedeutung verstehen. Diese besteht zunächst nicht in der Vergebung der Sünden. Der Herr hat sein Mahl für seine Gemeinde eingesetzt; sie ist seine Gemeinde, weil sie Vergebung der Sünden hat, sie steht ja in der Gnade, Röm. 5,2, und ist der Leib Christi. Diese Gemeinde, die da ist der Leib Christi Ephes. 4,12, genießt im heiligen Abendmahl den Leib und das Blut Jesu Christi als geistliche Speise und geistlichen Trank, und wird so wirklich und wahrhaftig des Lebens Jesu Christi teilhaftig. Ihr ist also das heilige Abendmahl vor allem ein Mahl der Lebensgemeinschaft mit Christo, und weil sie Ein Leib ist, auch der Gemeinschaft unter einander 1. Korinth. 12,13. Ich nahe mich zum Tische des Herrn im Glauben; ich bin ein Glied an Jesu Leib, eine Rebe am Weinstock; darum ist für mich die einzig richtige innere Verfassung: ich komme demütig, als ein mit Jesu Blut Erkaufter, mit innigen Verlangen, im kindlichen Glauben an die Einsetzungsworte: das ist mein Leib, das ist mein Blut, und mit herzlicher Dankbarkeit.

Genieße ich in dieser inneren Verfassung das heilige Abendmahl, so ist das eine ganz andere Stimmung, als wir sie gar zu oft sehen. Wie viele kommen zum heiligen Abendmahl in ganz gesetzlicher Stimmung, als wäre es eine richterliche Handlung! Sie schrauben sich mit Mühe in einen unnatürlichen, gesetzlichen Ernst hinein, als wollten sie sich auf diese Weise des Genusses würdig machen, und so der Vergebung der Sünden teilhaftig werden. Dieses gesetzliche, selbstgemachte, geschraubte Wesen ist unnatürlich und dem Herrn missfällig. Das heilige Abendmahl ist keine gesetzliche Anstalt, sondern die größte Gnadenwohltat. Wir entleeren es, und drücken das christliche Leben der Gemeinde herunter, wenn wir ihm einen gesetzlichen Anstrich geben und meinen, durch das heilige Abendmahl empfange man zunächst Vergebung der Sünden.

Mit den gemachten Bemerkungen möchte ich ja nicht sagen, man soll nicht in ernster Stimmung zum Tische des Herrn nahen. Wir sollen uns ja selbst prüfen nach Pauli Wort in 1. Kor. 11,28, und mehr als einmal muss der Herr selber mit dem Einen und Anderen sehr ernst reden vor dem heiligen Abendmahl; aber es ist ein großer Unterschied zwischen einem Ernst, den der Herr wirkt, und gesetzlichem Wesen, das der Mensch macht. Ich möchte auch durchaus nicht behaupten, dass nicht schon Unzählige im heiligen Abendmahl der Vergebung der Sünden teilhaftig, also durch dasselbe ihres Heiles gewiss wurden, im Gegenteil. Ist doch das heilige Abendmahl auch eine Verkündigung des Todes Jesu, durch den allein wir Vergebung der Sünden haben, so dass die Abendmahlsgemeinde es öffentlich bezeugt: Jesus der Gekreuzigte ist unser einziger Trost im Leben und im Sterben; in seinem Blut allein haben wir Gnade und Vergebung. Aber gerade die Verkündigung des Todes Jesu im heiligen Abendmahl ist ein Bekenntnis der freien Gnade Gottes, das mit herzlichen Dank ausgesprochen werden muss, es ist nichts Gesetzliches.

Lassen wir es uns ein Anliegen sein, dass wir mit dem Apostel sprechen lernen: nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum. Bewahren wir diesen Frieden durch Wachen und Beten, damit wir täglich in der Gnade stehen, und uns derselben freuen und getrösten. Genießen wir dann das heilige Abendmahl, so tun wir es als begnadigte Leute, die mit herzlicher Demut, innigem Dank, und aufgeschlossenem Herzen den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi genießen, der sich uns als der Gekreuzigte, Auferstandene und Verherrlichte mitteilt, und uns so zubereitet auf den Tag seiner Zukunft und den Tag der Auferstehung. Christen, die in knechtischer Furcht, in gesetzlichem Geist das heilige Abendmahl genießen, zur vorübergehenden Beruhigung ihres Gewissens, stehen im Vorhof und nicht im Heiligtum. Helfen wir ihnen, aus dem Vorhof in das Heiligtum zu kommen, aus dem Gesetz in die freie Gnade.

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autoren/s/schrenk/schrenk-abendmahl.txt · Zuletzt geändert: von aj
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