Schopf, Otto - Christus und nicht wir selbst.

Schopf, Otto - Christus und nicht wir selbst.

Antrittspredigt, gehalten in Witten am 1. November 1896.

Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesum Christ, daß er sei der Herr, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi.

2.Korinther 4,5.6.

Bei einem Prediger ist die Predigt die Hauptsache; denn jemand, der nicht predigt, ist kein Prediger und kann kein Prediger sein. Und wenn jemand einen Prediger gehört hat, so ist das erste, wonach man ihn fragt, die Predigt.

Freilich, die meisten Menschen fragen: Wie hat er gepredigt? Sie bleiben an der Form hängen und beurteilen die Predigt nach „schön“ und „unschön“. Andere gehen tiefer und fragen: Was hat er gepredigt? Auch dies ist eine berechtigte Frage; aber die Schrift, die uns auf Schritt und Tritt zurechtweist, führt uns noch tiefer. Bei der Predigt, die sie im Auge hat, handelt es sich um das Höchste und Tiefste, um das Größte und Wichtigste, um Leben und Seligkeit oder Tod und Verdammnis, um Gott und Mensch.

Und wenn es sich um die Verkündigung der ewigen Wahrheit handelt, dann heißt uns die Schrift nicht nur die Außenseite, die Form ins Auge fassen, sie läßt uns nicht bei den Mitteln und Sachen stehen, sondern sie läßt uns von allem Aeußerlichen und Sächlichen wegsehen und fragen: Wer wird gepredigt? Die gottendfremdete Menschheit hat allerdings immer mehr sich daran gewöhnt, bei der Außenseite der Dinge stehen zu bleiben, und daher kommt auch der Sprachgebrauch: „Es donnert, es scheint die Sonne, es gibt gute Witterung“ usw. Die Schrift sagt: Der Herr donnert, der Herr läßt die Sonne scheinen, der Herr gibt fruchtbare Zeiten und Witterung. Aber das ist noch nicht das schlimmste; an die Stelle des allmächtigen Gottes ist die Gottheit, das Schicksal, der Himmel, das All getreten, und wo kein persönlicher Gott ist, da hat auch kein persönlicher Teufel mehr Platz. Was Wunder, daß solche Oberflächlichkeit auch in unsere sonstige Redeweise eindrang, so daß wir fragen, „wo?“ und „was?“ wird gepredigt, statt “wer?“ Wir wollen uns diese Zurechtweisung der Schrift merken und nun weitergehend die Antwort des Apostels und auch die Antwort des evangelischen Predigers hören, der in des Apostels Fußstapfen zu wandeln beansprucht.

Wir predigen nicht uns selbst. Dadurch müssen sich die vom Herrn berufenen und gesandten Boten unterscheiden von den ungehorsamen und lügnerischen Propheten, die nach eigener Wahl und in eigener Kraft einhergehen. Gamaliel charakterisiert in seiner Rede im Hohen Rat den Teudas als einen, der vorgab, etwas zu sein; er hatte sich seinem Volk als Messias angekündigt und die an ihn Glaubenden mit in sein Verderben hineingezogen. Und jene Verstörer der heidenchristlichen Gemeinden zu Korinth und Galatien, die das Werk des Herrn durch die Wiederaufrichtung des Gesetzes zu vernichten drohten, hatten sich mit gleißenden Worten den Gläubigen empfohlen, denen es an Wachsamkeit und Erkenntnis mangelte. Nicht so der Apostel. Er beschloß, als er nach Korinth kam, nicht zu kommen mit hohen Worten menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft, auf daß der Gläubigen Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft bestände. Und weil auch wir wahre Boten des Evangeliums sein und wahre Frucht schaffen möchten, so wollen wir mit des Herrn Hülfe auf uns acht haben, niemals uns selber zu predigen.

Und wie sollten die evangelischen Prediger auch sich selber predigen! Sie wissen doch am allerbesten – wenn sie aus der Wahrheit sind – wie sie in der Tat in sich selber nicht tüchtig sind, auch nur etwas zu denken von ihnen selber. Sie haben unter dem Strahle des göttlichen Lichtes mit dem Propheten ausrufen lernen: Wehe mir, ich bin unreiner Lippen! Sie haben mit Petrus sagen müssen: Herr, gehe hinaus von mir; ich bin ein sündiger Mensch! Nein, wenn das unbestechliche Licht der Wahrheit uns solange unser Inneres gezeigt hat, bis wir rufen: Wehe mir, ich vergehe! dann fürchtet man sich vor dem wahnwitzigen Beginnen, sich selber zu predigen, und fleht zum Herrn, daß er einen vor der allerdings sich immer wieder erneuernden Gefahr, sich selber zu predigen, bewahre. Ja, in der Tat, man ist froh, nicht sich selber predigen zu müssen und nicht aus sich selber predigen zu müssen. Man ist so froh, daß man vielmehr dankbar ausruft: Gott sei Dank, daß ich nicht mich selber predigen muß! Und, je mehr man so verlernt, Menschen gefallen zu wollen und eigener Ehre geizig zu sein, desto mehr wird in unserer Schwachheit die Kraft des Herrn offenbar. Und darum ist es uns zu tun, denn wir möchten viele Seelen errettet, Errettete gestärkt und geheiligt sehen, und dies geschieht durch Gottes Kraft. Und so kommt es dahin, daß derselbe, der bezeugt, daß er unfähig sei, selbst etwas zu denken, nicht wagen würde, etwas zu sagen und sich dessen zu rühmen, was Christus nicht gewirkt hat, daß derselbe triumphierend ausrufen kann: „Ich vermag alles in dem, der mich mächtig macht, Christus!“ Nein, wir dürfen, wir können, wir wollen nicht uns selber verkündigen; wir haben etwas viel herrlicheres, einen Namen, der über alle Namen ist: wir predigen Jesum Christum, daß er sei der Herr!

Und indem wir ihn predigen als Herrn, ehren wir vor allem unseren Gott und Vater. Denn er ist es, der uns in Jesu den Erretter gegeben; er hat ihn gesalbt mit dem Geist ohne Maß; er hat also die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab und desselben nicht verschonte; er hat dem Sohne alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden; er, der Vater, gibt dem Sohne die Heiden zum Erbe und legt seine Feinde zum Schemel seiner Füße; er hat ihn erhöhet und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, und wir stimmen ein in das Bekenntnis, das alle Zungen bekennen sollen: daß Jesus Christus der Herr sei, und solches Bekenntnis geschieht zur Ehre Gottes, des Vaters.

Und indem wir Jesum Christum als den Herrn predigen, zollen wir ihm die Ehre, die ihm gebührt. Sie gebührt ihm, weil er, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an und ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden; er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat Gott ihm den Namen eines Herrn gegeben, der über alle Namen ist. Darum, weil er erwürget ist und hat uns Gott erkauft mit seinem Blut aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk und Heiden und hat uns unserem Gott zu Priestern und Königen gemacht, darum die Stimmen vieler Engel um den Thron und um die Aeltesten her, deren Zahl viel tausendmal tausend ist, darum sprechen sie: Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.

Und diesen Lobgesang üben wir ein mit allen, die ihn lernen wollen, indem wir dem Sohn die Ehre erweisen und den ins Fleisch gekommenen, gekreuzigten, auferstandenen Heiland verkündigen als den zur Rechten Gottes erhöhten Herrn.

Und indem wir dies tun, dürfen wir rechnen auf die Mitwirkung des Heiligen Geistes. Denn sein Werk ist es, Christum zu verklären. Wenn wir in Wahrheit nicht uns selbst predigen, sondern Christum, so sind wir die Organe des Heiligen Geistes, der nicht von ihm selber redet, sondern wie Christus sagt: „Von dem Meinen wird er es nehmen und euch verkündigen; derselbige wird euch verklären.“ Darum ist auch an Pfingsten, als Petrus des heiligen Geistes voll zu seinem Volke redete, die Predigt erschollen: „So wisse nun das ganze Haus Israel, daß Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christ gemacht hat.“

Indem der Prediger des Evangeliums einstimmt in das Zeugnis des Pfingsttages, zerstört er damit jede falsche Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und richtet auf den Gehorsam des Glaubens. Welch frohe Botschaft, daß Christus der Herr ist für alle die, die durch Furcht des Todes Knechte waren. Denn unser königlicher Hoherpriester ist, da er vollendet worden, allen, die ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit.

Christus ist der Herr, nicht mehr der Tod, der geherrschet hat von Adam bis auf Mose ohne Gesetz und der ebenso geherrscht hat unter dem Gesetz; aber als er an den ewigen Fels der Zeiten gelangte, da brachen sich zischend seine stolzen Wellen: „Bis hierher und nicht weiter!“ Christus der Herr hat dem Tode die Macht genommen. Er, der Fürst des Lebens, der kam, auf daß wir das Leben und volles Genüge haben, hat in der Tat Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht.

Christus ist der Herr und nicht die Sünde. Als die Sünde durch einen Menschen in die Welt gekommen war, ist sie zu allen hindurchgedrungen. Die Sünde hat geherrscht zum Tod; aber der Tod herrscht nicht mehr über ihn; denn was er gestorben ist, das ist er ein für allemal der Sünde gestorben; was er aber lebet, das lebet er Gott. So herrsche denn nicht mehr die Sünde in eurem sterblichen Leibe, ihr zu gehorchen in ihren Lüsten. Christus ist der Herr! Höret es, die ihr unter ihrer Knechtschaft seufzt: ihr braucht ihr nicht mehr zu dienen; sie hat kein Recht und keine dauernde Macht mehr über euch, wenn ihr an den Herrn Jesum glaubt. Wisset ihr nicht, daß, welchem ihr euch begebet zum Gehorsam, des Knechte seid ihr? Von einem jeden, der an den Herrn Jesum glaubt, gilt der Lobgesang: Gott aber sei Dank, daß ihr Knechte der Sünde gewesen seid, aber nun von Herzen gehorsam geworden seid dem Vorbild der Lehre. Nun ihr seid frei geworden von der Sünde, seid ihr Knechte der Gerechtigkeit geworden. Ihr habt den Herrn getauscht, und damit ist auch der Lohn ein anderer. Für die Herrschaft der Sünde und ihres Todeslohnes habt ihr Christum, den Herrn, eingetauscht, und die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.

Christus ist der Herr und nicht die Fürsten und Gewaltigen, die in der Luft herrschen, die über das Leibes- und Seelenleben der Menschen ihre unheimliche Gewalt ausüben. Nicht einmal ihm brauchen wir untertan zu sein, dem Fürsten dieser Welt, der in der Finsternis dieser Welt herrschet und der umhergehet wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Als er den Fürsten des Lebens ans Kreuz gebracht hatte, da war das nichts anderes als ein Fersenstich; aber ihm wurde der Kopf zertreten. Christus, unser Herr, hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen und sie schaugetragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst. Freue dich, Seele, die Hölle erbebt; Jesus, der Heiland, ist Sieger und lebt!

Wir stimmen ein in den Triumphruf des Apostels: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Wir sind gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgend eine Kreatur uns scheiden mag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Indem wir Christum predigen, verkündigen wir allen heilsbegierigen Sündensklaven zum Trost, aber allen, die nicht glauben wollen, zum Schrecken, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Wir ermahnen aber auch die, die an Christum gläubig geworden sind, zur Arbeit und zum Gehorsam der Liebe, indem wir ihnen Christum als Herrn vorhalten, indem wir sie daran erinnern, daß unser Herr über uns herrschen will, daß er gesagt hat: „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote.“ Und sollte ihre Liebe sich nicht entzünden daran, daß sie sehen, wie er, der von Gott gekommen war und zu Gott ging, als er wußte, daß alle Dinge ihm übergeben seien vom Vater, sich aufschürzte, seinen Jüngern die Füße zu waschen. Wo ist solch ein Herr zu finden, der will, daß wo er sei, seine Diener auch seien, der zu ihnen spricht: „Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid, sondern ich habe gesagt, daß ihr Freunde seid.“ Ja, der Herzog unserer Seligkeit hat sich nicht geschämt, uns Brüder zu heißen.

Der Herr aller Königreiche auf Erden ist es, der, obwohl er reich war, doch arm wurde um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armut reich würden. Der, in dessen Dienst alle Engel Gottes wetteifern, der in der Gemeinschaft des Vaters wohl hätte mögen Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht, die von den giftigen Lippen derer, die er erlösen wollte, über ihn ausgespieen wurde.

Der Herr, der Herr ist es, der sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel verbarg, der der allerverachtetste ward, so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg.

Ach, sieh ihn dulden, bluten, sterben!
O meine Seele sag ihm Preis und Dank!
Sieh Gottes ein’gen Sohn und Erben,
Wie er für dich in Todesnot versank!
Wo ist ein Freund, der je, was er getan,
Der so, wie er, für Sünder sterben kann?

Und wie der Gedanke, daß es der Herr ist, der für sie so unaussprechliches getan, die Liebe zum Dank mit den Lippen und mit dem Leben weckt, so klingen alle Saiten der Hoffnung in den Herzen der Kinder Gottes, denen Christus als Herr verkündigt wird.

Allem Elend ringsum in der Welt, aller Feindschaft und Verfolgung, allem Hohn und Widerspruch zum Trotz verkündigen wir Christum als Herrn. – Die Gemeinde ist schwach und klein, aber Christus ist der Herr dieser Gemeinde und diese Gemeinde ist seine Braut, und sie hat ein Wort gehört, daß bald der Tag kommen werde, da die Hochzeit gefeiert wird. Jetzt ist unser Leben verborgen mit Christo in Gott; wenn aber Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, werden wir mit ihm offenbar werden in der Herrlichkeit.

Und in der Verlassenheit und angesichts des Löwenrachens noch weiß das Kind Gottes: Der Herr wird mich erlösen von allem Uebel und mir aushelfen zu seinem himmlischen Reich.

Dulden wir mit, so werden wir mit herrschen und ein neues Lied zu Ehren unseres Herrn singen: „Du hast uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und wir werden Könige sein auf Erden!“ Ihr, die ihr an ihn glaubt, an diesen Herrn, wenn ihr dies hört: Freuet euch, ja freuet euch in dem Herrn allewege, daß solches euch bevorsteht von dem Herrn!

Und bis dahin und von da an noch viel mehr wird Jesus Christus der Herr der Gegenstand der Verkündigung aller seiner Boten sein. Wir haben versucht, wenigstens einen schwachen Begriff von dem zu bekommen, was in dem Namen „Jesus Christus, der Herr“, beschlossen ist. Ja, er ist und bleibt der Gegenstand unserer Predigt, denn selbst wenn wir mit Engelzungen reden könnten, vermöchten wir diesen Gegenstand unserer Predigt nicht zu erschöpfen.

Nun noch ein kurzes Wort über die Art unserer Predigttätigkeit. Wir predigen euch Christum als Herrn, uns als eure Knechte. Der Apostel gebraucht hier ein Wort zur Bezeichnung der Stellung des Predigers zur Gemeinde, das er sonst nur von seinem Verhältnis zum Herrn gebraucht: Wir predigen, daß wir eure Sklaven seien. Ist schon dadurch, daß er Christum als Herrn verkündigt, es ganz ausgeschlossen, daß der Apostel ein Herr sein will über ihren glauben, so zeigt dieser nur hier vorkommende Ausdruck, wie weit er den Gedanken einer Priesterherrschaft von sich weist.

Aber dieses Wort steckt uns auch ein Ziel der Hingabe, wie es tiefer und höher nicht gesteckt werden kann. Ein Sklave ist nicht sein eigener Herr, andere verfügen über ihn, für anderer Wohl arbeitet er, ohne von ihnen Liebe, Anerkennung oder einen seiner Arbeit entsprechenden Lohn fordern zu dürfen. In solcher Hingabe stand der Apostel. Das Zeugnis der Lippen unterstützte und illustrierte und bestätigte die ganze Hingabe seiner Person. Vergegenwärtigen wir uns nur wieder einen Augenblick das bild, das er uns in 2. Kor. 11 entwickelt und das die Apostelgeschichte bestätigt, und alle idyllischen, poetischen Pfarrhausideale zerstieben in Rauch vor diesem Bild eines Lebens der völligsten Aufopferung und Selbstverleugnung. – Darf ich wagen, auch dieses Wort mir anzueignen? Ja, ich wage es, wenn auch mit Zittern; das Vorbild des Apostels gefällt mir, und ich verlange sein Nachfolger zu werden, gleichwie er Christi, und da Christi Geist, Christi Sinn uns zu Gebote steht, so darf auch der Anfänger auf diesem Weg hoffnungsvoll die Bahn betreten, gewiß, das ihm gesteckte Ziel zu erreichen.

Eine Frucht solchen Predigens als Knecht wird sein, daß man einem jeden Menschen, der guten Willens ist, den Tatbeweis liefert, daß es uns ernst ist mit dem, was wir predigen, daß wir im tiefsten Grund der Seele davon überzeugt sind, denn für eine schlechte, unwahre oder halbwahre Sache gibt man nicht all das in den Tod, was das Leben angenehm und verlockend macht. Aber wer wirklich selbst etwas davon erfahren hat, welche Fülle des Segens in dem Namen des Herrn Jesu beschlossen ist, dem wird es möglich, wenn auch nicht allezeit leicht, sich allen zum Knecht zu machen, den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche zu werden, mit der seligen Hoffnung im Herzen, ihrer etliche zu gewinnen. Der dankt dem Herrn, daß er in seiner großen Gnade sich menschlicher Werkzeuge bedient, daß er für unseren Dienst noch Raum gelassen hat und ihn annimmt und uns erlaubt, in die Gemeinschaft der Leiden und der Niedrigkeit unseres sanftmütigen und demütigen Heilands zu treten. Wenn wir dies tun, so legitimieren wir uns endlich dadurch als Christi Diener, als seines Geistes Kinder, während das Zeichen der Mietlinge ist, daß sie einerseits die Gefahr fliehen und andererseits der Schafe nicht schonen.

Solchen Knechtsdienst aber verrichten die Prediger um Jesu willen. Damit ist ausgesprochen, daß sie weder aus eigenem Verdienst, noch aus eigener Kraft, noch aus eigenem Antrieb sind, was sie sind, und verkündigen, was sie verkündigen, daß sie aber auch nicht um des Lohnes oder um der Ehre willen solchen Dienst verrichten. Um Jesu willen! Das Wort ist der Sporn, wo der Mut sinken will angesichts so mancher Undankbarkeit, so manchen Unverstandes, so mancher Herzenshärtigkeit.

Um Jesu willen! Das bewahrt, bei aller Willigkeit sich aufzuopfern, vor jener Menschenknechtschaft im schlimmen Sinn, die den Prediger zum Spielball der Mode, zum Sklaven seiner Eitelkeit und seiner Menschenfurcht macht.

Um Jesu willen! Das erinnert aber auch die Gemeinde daran, wie sie den Dienst des Predigers ansehen soll. Jesus ist der Gegenstand, Jesus ist das Vorbild, Jesus ist der Beweggrund der evangelischen Verkündigung; aber die letzte Ursache und die unerläßliche Voraussetzung für eine solche Verkündigung ist eine Tat Gottes. Jesus ist die Versöhnung für unsere Sünde; durch Jesum sind wir versöhnt worden, aber Gott ist es, der uns mit sich selbst versöhnt hat. Jesus ist der Heiland und der Gesalbte Gottes, aber Gott hat ihn uns gegeben. In Christo Jesu sind wir geschaffen zu guten Werken, aber diese Neuschöpfung ist Gottes Werk. Wir preisen den eingeborenen Sohn Gottes, der war, ehedenn Abraham war, durch den alles geschaffen ist, das geschaffen ist, und durch den es besteht; wir preisen ihn in alle Ewigkeit als den Mittler unseres Heils; aber wir möchten ob dem Mittler den nicht vergessen, zu dem er uns den Zugang vermittelt hat, den Vater, der die Liebe ist, den unermeßlich, unaussprechlich herrlichen und mächtigen und großen Gott, der in seiner geradezu rätselhaften Liebe vor Grundlegung der Welt den Plan gefaßt, uns zu schaffen als Wesen, die teilhaftig werden sollen seines Wesens und seiner Liebe. Wir preisen unsern Gott, der vor Grundlegung der Welt den großen Plan des Heils und Lebens entworfen und ihn durchgeführt hat unbeirrt von all unserer Sünde, Undankbarkeit und Feindschaft. Ja, wir sind sein Werk, und daß wir seine herrliche Liebe in Christo Jesu, unserm Herrn, verkündigen können und dürfen, das setzt voraus einen göttlichen Schöpferakt an uns, das setzt voraus einen Schöpferakt so groß, ja, mir däucht noch größer, als da er das Licht aus der Finsternis hervorleuchten ließ, indem er sprach: „Es werde Licht.“ Und ich darf und muß es dankbar bezeugen: Der Herr hat auch in das Dunkel meines Herzens und Lebens einen hellen Schein gegeben, so daß ich mich als völlig verloren ohne Jesum, aber auch als völlig gerettet durch den Herrn Jesum Christum erkennen durfte. Nun ich denn bin gerecht worden durch den Glauben, habe ich Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christ, und habe freien Zugang durch ihn zum Vater und rühme mich der Hoffnung der Herrlichkeit, die Gott geben wird. Und so kann ich ihn aus Erfahrung bezeugen und anpreisen als den Heiland der Sünder, und ich glaube von ganzem Herzen nicht nur an eine vergebende, sondern auch an eine erneuernde Gnade, die mächtiger ist als alle Sündenmacht.

Und ich habe seitdem manchen neuen Blick tun dürfen in das Wort und Werk des Herrn, in das geoffenbarte Geheimnis seines ewigen Liebesratschlusses. Der Herr hat mir eine Gabe gegeben, die in vielen Stücken noch der Erweckung bedarf, und ich bin vor dem Herrn verlangend, willig und entschlossen, mit dem mir anvertrauten Pfund zu wuchern, so daß auch durch meinen Dienst entstehe eine Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes. Ich bin freudig bereit, euch mit der Gabe zu dienen, die ich empfangen habe und die mir groß und köstlich ist, weil ich mich ihrer nicht wert achte. Ich mache mich nicht anheischig, über meine Gabe hinaus zu tun, und ich bitte, nicht darüber hinaus zu erwarten und zu verlangen. Ich bitte den Herrn, mir stets den Mut und die Treue zu stärken, damit ich bin, was ich eben einmal durch seine Gnade bin, und nicht mehr scheinen solle noch scheine. Das Ziel aber der Erleuchtung, die durch alle Arten von Verkündigung des Wortes hervorgebracht werden soll, ist, wie unser Text sagt, die Erkenntnis der Klarheit, das heißt der Herrlichkeit Gottes. Die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes führt zu seiner Verherrlichung. Und die Verherrlichung des Herrn ist die höchste Seligkeit.

Die Herrlichkeit des Herrn aber wird geschaut im Angesichte Jesu Christi. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit, das Ebenbild des Wesens Gottes; wer ihn sieht, siehet den Vater. So oft wir die evangelische Geschichte lesen oder die Briefe und Geschichte der Apostel und dabei auf ein Bild von Jesu stoßen, dürfen wir uns sagen: So, wie hier Jesus denkt, spricht, handelt, so denkt, spricht und handelt Gott; wie Jesus gesinnt ist, so ist der Vater gesinnt. Wie Jesus ist, so ist Gott; nur ist uns in Jesu Gottes Wesen in für uns faßbaren und verständlichen Formen und Maßen nahegebracht, weil wir die Herrlichkeit des Vaters nicht zu fassen und zu ertragen vermöchten. Gott möchte eben um jeden Preis uns alles von sich mitteilen, was er uns nur mitteilen kann. Seine Herrlichkeit ist ihm nicht zu herrlich, seine Allmacht muß ihm dazu helfen; sein Sohn ist ihm nicht zu teuer, - alles, alles, alles ist euer. Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen!

Und darum predigen wir nicht uns selbst, sondern Christum, daß er der Herr sei, und derhalben beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, daß er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum durch den Glauben zu wohnen in euren Herzen, auf daß ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welche sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe und erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft, auf daß ihr erfüllt werdet mit aller Gottesfülle. Dem aber, der überschwenglich tun kann über alles, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirket, dem sei Ehre in der Gemeinde, die in Christo Jesu ist, zu aller Zeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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