Schmitz, Richard - Adam und Christus

Schmitz, Richard - Adam und Christus

Derhalben, wie durch einen Menschen die Sünde ist gekommen in die Welt und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben; denn die Sünde war wohl in der Welt bis auf das Gesetz; aber wo kein Gesetz ist, da achtet man der Sünde nicht. Doch herrschte der Tod von Adam an bis auf Mose auch über die, die nicht gesündigt haben mit gleicher Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild des, der zukünftig war. Aber nicht verhält sich's mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn so an eines Sünde viele gestorben sind, so ist viel mehr Gottes Gnade und Gabe vielen reichlich widerfahren durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus. Und nicht ist die Gabe allein über eine Sünde, wie durch des einen Sünders eine Sünde alles Verderben. Denn das Urteil ist gekommen aus einer Sünde zur Verdammnis; die Gabe aber hilft auch aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit. Denn so um des einen Sünde willen der Tod geherrscht hat durch den einen, viel mehr werden die, so da empfangen die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit, herrschen im Leben durch einen, Jesum Christum. Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. Denn gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viele Gerechte.

Römer 5, 12-19

Adam als Gegenbild von Christus zu diesem in Vergleich zu stellen, ist ein Verfahren, das der Apostel auch in l. Korinther 15 anwendet, und es liegt ihm nahe, weil er gewohnt ist, Christus als Beginn einer neuen Schöpfung sich zu denken und darzustellen. Dies Verfahren hat für sich, daß hierbei die Überlegenheit der von Christus ausgehenden Wirkungen gegenüber denen von Adam her, wie andererseits auch deren weltweite Bedeutung für die gesamte Menschheit anschaulich vor Augen tritt. Ohne diese Überlegenheit würden die beiderseits ausgehenden Wirkungen und Kräfte sich wohl im Gleichgewicht halten, aber es würde nicht zur Überwindung und Aufhebung der Sünde und ihrer Folgen kommen. Und ohne ihre weltweite Bedeutung würden sie sich nicht bei jedem Menschen ohne Ausnahme, wie auch der Fall geartet wäre, auswirken können.

Bei jenem Vergleich tritt nun sowohl Gemeinsames, wie auch Unterschiedliches hervor, letzteres auch aus dem Umstand, daß Adam durch eine schöpferische Gottestat ins Dasein gerufen und an die Spitze aller Menschheitsgeschichte gestellt wurde, während dagegen Christus inmitten dieses Geschichtsverlaufs als der Sohn Gottes in das Fleischesleben eingetreten ist, um das Haupt einer neuen Menschheitslinie zu werden. Von Adam aus pflanzt sich die Sünde mit ihren Folgen durch natürliche Geburt fort, während die Abkömmlinge Christi nur durch eine Neugeburt von oben in die organische Lebensverbindung mit ihm treten können. Die göttliche Bestimmung des Menschen ward durch den Fall Adams durchbrochen; der Mensch wird durch Christus wieder zu ihr zurückgeführt; sie ist in ihm schon grundlegend zum Abschluß gebracht und insofern höher geführt, als nun ein Leben in Wirkungskraft gesetzt ist, das in ihm - seitdem er auferstanden und zur Rechten Gottes erhöht ist - in göttlicher Fülle leibhaftig wohnt.

Vorliegend will der Apostel durch die Vergleichung von Adam und Christus, aber nur die Aufhebung der Folgen adamitischer Übertretung und menschlicher Sünde in Tod und Verdammnis herausstellen, um die von ihm bezeugte Rechtfertigung durch den Glauben, zum Abschluß seiner Erörterungen gewissermaßen zusammenfassend, recht scharf hervortreten zu lassen, damit wir ihrer gewiß und froh werden. Wir treten diesen Ausführungen näher.

l. Der Apostel beginnt mit den Worten: „Durch einen Menschen kam die Sünde in die Welt und der Tod durch die Sünde“ (12). Er stellt diese Worte in einem Hauptsatz vorne an, um auch in den folgenden beiden Versen bei ihm stehen zu bleiben und es bei dieser bloßen Feststellung zu belassen. Diese ist ihm aber wichtig genug, um von ihr bei der folgenden Erörterung, dem Vergleich von Adam und Christus, auszugehen. Er deutet diesen - ohne vorerst darauf einzugehen - an mit den Worten: „Adam war ein Gegenbild dessen, der zukünftig war“ (V. 14).

Sünde und Tod stehen vor den Augen des Apostels als gewaltige Mächte da, denen eine ganze Menschheit widerstandslos unterworfen ist. Dies gibt ihm zu denken. Es sind feindliche Mächte, deren Eindringen der Schöpfer nicht gewollt hat und die in seine Schöpfung nicht hineingeboren. Beide Mächte sind unlöslich miteinander verbunden: die Sünde als Absage und Losreißung von Gott, und der Tod als Folge dieses Auflehnens, die notwendig und unerbittlich eintreten mußte. Ein schauerliches Geheimnis tat sich auf: Sünde ist naturhafte Störung und Verderbnis, die Adam nicht vereinzelt treffen, sondern seine ganze Nachkommenschaft in sie mit hineinreißen mußte: „Der Tod ist zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle sündigten“ (12). Der Fall des Menschen war geschehen. Sünde und Tod traten als unabwehrbare Mächte wider eine ganze Menschheit auf den Plan. Wirkung einer einzigen Sündentat in unübersehbarem Ausmaß! Der Apostel selbst steht still vor diesem erschütternden Verhängnis. Es weist ihm aber den Weg für das Verständnis einer Gottestat, die seine Seele mit Staunen erfüllt. Vorderhand kann er sich darüber noch nicht aussprechen; er muß erst noch weiter ausholen.

Wie kam es zu der gewaltigen Todesherrschaft? Der Apostel redet von der Sünde Adams als einer „Übertretung“. Wo übertreten wird, da besteht ein Gebot oder ein Verbot, wodurch eine Handlung erst zu einer Übertretung wird. Ein Verbot war Adam mit deutlichem Hinweis auf die Folgen, die im Übertretungsfalle eintreten würden, gegeben worden. Hieran war nichts zu ändern. Adam mußte mit dem Eintritt dieser Folgen rechnen. Aber nun wirkte sich der Tod auch aus über die, denen ein Gebot oder Verbot, kurz ein Gesetz, nicht gegeben war, in gleicher Weise wie über Adam, ohne also selber „Übertreter“ zu sein, oder, wie der Apostel sagt: „die nicht in der Gleichheit wie Adam gesündigt hatten“ (14). Am deutlichsten tritt dies hervor - und der Apostel fügt dies an - in der Zeit „von Adam bis auf Mose“, wo ein Gesetz überhaupt nicht bestand. Es war gesetzlose Zeit; aber auch hier bestand die Todesherrschaft ungebeugt weiter fort und legte die Menschen ins Grab. Warum sagt er dies? Er will ins Licht setzen, wie eine einzige Übertretung es vermochte, den ungehemmten und ungeminderten Weiterbestand der Todesherrschaft zu begründen. Der Tod als eine heilsame Maßnahme zugunsten der Menschen bleibt hier außer Betracht.

Einstweilen erschöpfen sich in auffallender Weise hiermit die Darlegungen des Apostels. Wir werden sehen, daß er später darauf zurückkommt. Er begnügt sich hier damit, die weittragenden Folgen der einzigen adamitischen Übertretung als Tatsache einfach festzustellen. Gleichzeitig bemerkt er, daß diese Tatsache hinausweise auf eine künftige Zeit, wo im Gegenbilde des Adam von Gott das gleiche Verfahren eingeschlagen werde, das für alle in Sünde und Tod Verhaftete den Weg frei mache. Diese Mächte werden ohne jede Mitwirkung aufgehoben - ohne Verdienst, frei und umsonst - also geradeso, wie die Abkömmlinge Adams ohne eigene Schuld unter jene Mächte gestellt worden waren.

2. Man hätte erwartet, daß der Apostel sogleich auf den Kernpunkt dieser Frage eingehen werde. Er tut es nicht. Wir sind es gewohnt, daß er bei der Überfülle der Gedanken, die ihm zuströmen, sich gern unterbricht, und vorerst zu anderem übergeht, um zu erklären, was er sagen will. So auch hier: Er sagt: „Aber nicht verhält es sich mit der Übertretung wie mit der Gnadengabe; denn wenn durch die Übertretung des einen die vielen starben, so strömte um so gewisser die Gnadengabe Gottes und die Gabe (das Geschenk) in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus auf die vielen über“ (Vers 15 wörtlich). Der Apostel will sagen: Durch Christus ist uns mehr geschenkt worden, als wir durch Adam eingebüßt haben. Der Gedanke, daß ein einziger Mensch, Adam, das Los vieler bestimmt, ist hier auf den „Menschen Jesus Christus“ - dessen ganzer Name hier mit einer gewissen Feierlichkeit genannt wird - übertragen. Paulus redet beide Male von „vielen“; jedoch nicht im Sinne einer beliebigen Vielheit, sondern hur im Gegensatz zu dem einen, von dem die eine oder andere Wirkung ausgeht: die Gesamtheit derer, auf welche sie übergeht. Es ist betont die umfassende, die uneingeschränkte Allgemeinheit des Heils, die er immer, besonders auch im Römerbrief, mit Vorliebe herausgestellt und die ihm für seinen Dienst am Evangelium erst die Spannkraft gab, die wir bei ihm sehen.

Das Überraschende aber, das er hier gleich zum Hauptgedanken macht, ist die Überfülle des Heils, die er der Einbuße in Adam gegenüberstellt; denn daraus kann er getrost den Schluß ziehen, daß die Folgen der Übertretung Adams, die auch ihn erreicht, durch Christus „um so gewisser“ ein Ende gefunden. Kann das, was Gott in die Hand genommen, hinter dem zurückstehen, was von einem Menschen stammt? Nimmermehr l Satan würde dann den Ruhm haben, Gott überlegen zu sein. Das darf nimmermehr sein. Satan weiß es auch selbst, daß sein Plan durch Christus zunichte gemacht ist und daß alle, die Christus vertrauen, in Gottes Gunst stehen. Von einem Überschwang redet der Apostel, der „auf die vielen sich reichlich ergießt“; das Wort bezeichnet in der Grundsprache das Überfließen einer Flüssigkeit rings über den Rand eines vollen Gefäßes. Paulus liebt diese Ausdrucksweise. Er übertreibt nicht; aber sobald er vom Christusheil redet, weiß er sich einer Fülle gegenüber, für die die menschliche Sprache zu arm ist.

Warum aber redet er von alledem als einer „Gnadengabe“ Gottes und dann zugleich als einer „Gabe der Gnade Christi“? Bezeichnet beides nicht dasselbe? Die Liebe Christi ist eine ebenso freie und persönliche wie die Liebe Gottes. Was will der Apostel sagen? Einmal: das Gnadengeschenk besteht in einem Geschenk der Gnade Christi; sodann: Es ist die vereinigte Gnade Gottes und Christi, die in dem dargebotenen Heil sich geschenkweise mitteilt. Die Gnadengabe Gottes und Christi ist in Gegensatz gestellt zur Übertretung Adams. So gewiß diese den Tod brachte, noch gewisser führt die Gnadengabe zur Seligkeit. Wie sollte diese, die von Gott und zugleich von Christus ausgeht, nicht gewisser und reichlicher sein, als die von der Übertretung des einen Adam ausgehenden Wirkungen von Sünde und Tod! Der vorliegende feine Anhang zu der Darstellung der Rechtfertigung durch den Glauben ist dazu gegeben, damit wir Zuversicht gewinnen, im Blick auf unsere Seligkeit uns zu verlassen auf die Gnade Gottes und Christi ganz allein und voll und ganz.

3. Die Übertretung des Adam ist nun aber nicht vereinzelt geblieben; sie hat sich in seinen Abkömmlingen vielmehr in einer Menge von Übertretungen vervielfältigt. Wenn jene Übertretung Adams schon von dem göttlichen Gerichtsurteil getroffen wurde, das als verdammender Urteilsspruch auf seiner Nachkommenschaft lastet, wie ist es dann erst mit der Menge der folgenden Übertretungen? Soll sich etwa das Gerichtsurteil Gottes in gleicher Weise wiederholen zu einer Kette fort und fort sich steigernder göttlicher Gerichtshandlungen? Besitzt wirklich das Christusheil die Macht, auch diese gehäufte Menge von Schuld und Sünde zunichte zu machen? Auf diese Prägen hatte der Apostel noch keine Antwort gegeben. Wohl hatte er vorher (15) die Überlegenheit der Gnade und Gabe Gottes gegenüber den Wirkungen der „Übertretung Adams“ ausgesprochen. Nun geht er auch auf obige Frage ein und sagt: „Es verhält sich aber mit der Gabe nicht so, wie da, wo einer gesündigt hat. Das Urteil, das von dem einen ausging, führte zur Verdammnis; aber die Gabe der Gnade schlägt bei den Übertretungen vieler aus zur Gerechtigkeit“ (16).

Der Vergleichspunkt ist hier ein anderer als in Vers 15. Der Apostel redet jetzt nicht von der Folge der Sünde, die im Todesverhängnis unmittelbar und naturhaft sich auswirkte, sondern von einem verdammenden Urteilsspruch Gottes, den die Sünde nach göttlicher Gerechtigkeit nach sich ziehen mußte. Es ist deswegen im Unterschied zu Vers 15 hier der Gesichtspunkt eines gerichtlichen Verfahrens Gottes eingenommen. Jenem Verdammungsurteil gegenüber erscheint aber die Gnade Gottes erst in ihrem vollen, strahlenden Glanz: „Sie verhilft aus einer Menge von Sünden zur Gerechtigkeit.“ Hier, wo die Gerechtigkeit im Gegensatz zur Verdammnis gestellt ist, kann sie nur die freisprechende Gerechtigkeit bedeuten, die zudem auf Rechtsboden gestellt ist. Beachten wir, was damit gesagt ist. Nichts weniger als dies: Wie in dem Verdammungsurteil Gottes die Majestät seiner Gerechtigkeit sich offenbarte, so triumphiert diese selbe Gerechtigkeit darin, daß sie - auf Grund der Rechtstat der Sühne auf Golgatha, die hier der Apostel voraussetzt den schuldigen Sünder freispricht und ihn für gerecht erklärt. So gründet die Heilsgewißheit auf derselben Gerechtigkeit Gottes, die unnachsichtig die Sünde Adams mit dem Verdammungsurteil belegte, nun aber gegenüber der Menge von Sünde und Schuld einer ganzen Menschheit, wie abgrundtief und höllenwürdig sie auch ist, zu jenem Freispruch kommt und kommen muß. Wahrlich, ein Verfahren, mit dem wir zufrieden sein können, das aber auch allein zu der frohen Zuversicht und Heilsgewißheit verhilft, deren ein sündiger Mensch für Leben und Tod bedarf!

4. Wie der Preisgesang von der Gewißheit des Heils und der Heilsvollendung in Vers 1-11 hier weiter nachklingt, werden wir schon empfunden haben. Auch die dort zweimal gebrauchte Wendung: „Wie viel mehr“ kehrt bei der vorliegenden Erörterung zum dritten Male in Vers 17 wieder: „Denn, wenn durch die Übertretung des einen der Tod geherrscht hat durch den einen, wie viel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den einen, Jesus Christus.“ - Die sprachliche Ausdrucksform in Vers 15 von der Fülle der Gnade und Gabe Gottes und Christi wird hier wieder aufgenommen, aber hier verwendet in Weiterführung des Gedankens von der Todesgewalt, mit dem der Apostel seine vorliegende Erörterung (12) begonnen hat und der bei ihm überhaupt im Vordergrund steht, um eben die Gewißheit der Heilsvollendung, also der ewigen Seligkeit vermöge der Rechtfertigung durch den Glauben, weiter zu begründen.

Die ungebändigte Herrschergewalt des Todes dient dem Apostel zum Bild für die ihr überlegene Herrschaft des Lebens. Der Ausdruck „Herrschaft“ bezeichnet eine Macht, gegen die kein Widerstand möglich ist. Der Tod beugt alle unter seinen unbezwinglichen Herrscherstab. Was der Apostel aber stark betont und was er herausstellen will, ist der Umstand, daß nicht das Sündigen der Adamskinder an sich die Ursache ihres Sterbens ist, sondern die einzige Übertretung des einen, Adam. Unfreiwillig und ohne eigene Schuld sind sie dem Todesverhängnis unterworfen; niemand kann sich ihm dazu noch entziehen, und unfehlbar erreicht der Tod bei allen das Ziel. Dieser Todesherrschaft stellt der Apostel die Herrschaft des Lebens gegenüber, die jener schon deshalb überlegen sein muß, weil „Tod“ immer ein gebundener, leidender Zustand ist, während mit dem Begriff „Leben“ sich die Vorstellung einer freien, selbstmächtigen Bewegung verknüpft; der Gläubige wird nicht beherrscht von dem Leben, sondern er selbst wird „herrschen im Leben durch den einen, Jesus Christus“ - einem Leben, das seiner Hemmungen entbunden ist.

Die Zukunftsform „wird herrschen“ hat namhafte Ausleger ausnahmslos bestimmt, diese Lebensherrschaft auf das künftige Leben in seiner Vollendung zu beziehen eine Auffassung, der man sich anschließen kann. „Leben“ ist hier dem leiblichen Tod gegenübergestellt, und die Aussicht, daß dieser Todesherrschaft ein Ende bereitet wird, ist „um so gewisser“, als die Aufrichtung der ungehemmten Lebensherrschaft in der Auferstehung Jesu aus den Toten verbürgt ist. Nur in anderer Wendung ist hier der Hoffnungsgedanke von V. 10 aufgenommen: „So wir mit Gott versöhnt sind … da wir noch Feinde waren, wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben“ (Vers 2). Der Tod hat für den Gläubigen seine Schrecken verloren; er ist nun das Tor, durch das man zu einem Leben eingeht, das hier nur anfangsweise bestand und in einem Kampfe zu behaupten war gegen Mächte, die es fortan nicht mehr bedrohen, da es zur Herrschaft gelangt ist, auf die es angelegt war. Alles aber ohne unser Zutun „durch den einen, Christus“.

Dieser Vergleich zwischen Adam und Christus durfte hier nicht fehlen. Darf jemand, der von Gott selbst aller Schuld ledig gesprochen noch bangen vor einem Tod, dem der Stachel genommen ist? Das kühne Wort: „Sterben ist mein Gewinn“ (Philipper l, 21) leuchtet hell hinein in das dunkle Tal der Todesschatten, denn es geht jetzt zu einem Leben, wo aller Widerstand vorbei, das Kampfesschwert abgelegt ist und das Leben ungehemmt und vollkräftig in seine Rechte tritt. Fürwahr, das ist seliger Gewinn!

5. Wir haben zu Anfang gesehen, daß der Apostel den dort begonnenen Hauptsatz nicht vollendete. Jetzt ist der Weg freigelegt, ihn zu Ende zu führen. Er sagt: „Wie nun eine einzige Übertretung für alle Menschen zum Verdammungsurteil führte, also auch eine einzige Rechtstat für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens“ (18). Dem Verdammungsurteil, das wegen der Übertretung Adams ausgesprochen und zugleich über alle seine Abkömmlinge in Kraft getreten war, steht gegenüber die Rechtstat Jesu auf Golgatha, die „zur Rechtfertigung des Lebens“ führt, d. h. zu einer Rechtfertigung, die im „Leben“ besteht. Indem Gott den sündigen Menschen freispricht und für gerecht erklärt, schuldet er ihm, daß er damit die Anwartschaft - man kann auch sagen: das Erbrecht - auf jenes Leben erlangt, von dem der Apostel vorher (17) geredet. Nicht ist hier, wo der Apostel die Rechtfertigung durch den Glauben darlegt, schon das „durch den Heiligen Geist dargelegte innere Leben“ verstanden, sondern die aufgerichtete Herrschaft des Lebens droben; das Wort „herrschen“ heißt in der Grundsprache: „Könige sein“. Es soll die Gewißheit ewiger Seligkeit hier noch einmal und zu allerletzt auf Grund der richterlichen Gerechterklärung von Gottes Seite herausgestellt und begründet werden. Deshalb ist hier das von Luther mit „Gerechtigkeit“ übersetzte Wort genauer mit „Rechtstat“ oder auch „gerechte Tat“, d.h. Erfüllung einer Rechtsforderung, wiederzugeben. Wir sollen eben dessen gewiß werden, daß wir, wenn wir die Schwelle der Ewigkeit überschreiten, nicht als Betrogene dastehen, sondern als berechtigte Anwärter auf die Königsherrschaft eines Lebens, in dem wir uns im Vollbesitz unserer Bestimmung befinden werden.

Deshalb fügt der Apostel hinzu: „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen als Sünder dastehen, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen als Gerechte dastehen“ (19). Der Sinn des Wortes für „dastehen“ geht nicht auf eine Eigenschaft oder einen Wesenszug, den jemand besitzt, sondern einfach auf eine Stellung, in die jemand eingesetzt wird mit der Nebenbedeutung, daß er nun danach behandelt wird. Wenn durch den Ungehorsam Adams die vielen in die Stellung „von Sündern“ gebracht und von Gott als solche behandelt wurden, so kann ihm ein ungleiches Verfahren gegenüber denen nicht zugemutet werden, die die Gehorsamstat Jesu für sich in Anspruch nehmen. Es muß ihr eine gleiche Wirkung zuerkannt werden, nämlich, daß jene in die Stellung „von Gerechten“ eintreten und danach behandelt werden. Daß es der Glaube ist, der hierzu verhilft, brauchte nicht wiederholt zu werden; es war oft genug gesagt. Der Glaube ist aber keine Eigenschaft oder Wesensart, die an sich verdienstlich wäre, um auf Grund dessen in diese Stellung einzurücken, sondern das Erkennen eigenen Mangels und der Ausdruck eigener Hilflosigkeit, die sich die Seligkeit schenken läßt und ihrer froh wird. Die Heilsabsicht Gottes hat damit ihr Ziel erreicht.

Der Apostel ist am Schluß angelangt. Wie im Vorübergehen läßt er noch einen Lichtstrahl fallen auf die Frage des Gesetzes.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/schmitz/schmitz-rechtfertigung-8._kapitel_adam_und_christus.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain