Schmitz, Richard - Der Triumph der Gnade

Schmitz, Richard - Der Triumph der Gnade

Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus, durch welchen wir auch den Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darin wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale, dieweil wir wissen, daß Trübsal Geduld bringt; Geduld aber bringt Erfahrung; Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist. Denn auch Christus, da wir noch schwach waren nach der Zeit, ist für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben. Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. So werden wir ja viel mehr durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir durch sein Blut gerecht geworden sind. Denn so wir Gott versöhnt sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, so wir nun versöhnt sind. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch welchen wir nun die Versöhnung empfangen haben.

Römer 5,1-11

Paulus brachte nicht Lehre, sondern verkündigte eine Botschaft. Es ist die Botschaft Gottes von der Gnade, und sie durchglühte seine Seele. Von der Rechtfertigung durch den Glauben hat er in unserem Brief geredet, dem Größten, das einem sündigen Menschen zuteil werden kann; wie kann er da schließen, ohne den erhebenden Gefühlen seines Herzens vorerst Ausdruck zu geben? Er tut dies in der ersten Hälfte von Abschnitt 5; er redet hier nicht mehr von der Rechtfertigung selbst, sondern über den Stand eines Menschen, der nach dem Eintritt der Rechtfertigung vorhanden ist. Geradeso macht er es auch später in Abschnitt 8, nachdem er inzwischen die aus der Rechtfertigung erwachsende Heiligung durch den Glauben darlegte - ein Abschnitt, den man den Hochgesang des Glaubens genannt hat. Auch hier redet er eigentlich nicht mehr von dem, was die Heiligung ist, sondern von dem neuen Stand, in den jemand „in Christus“ eingetreten ist. Beide Male sind es die Heilsgewißheit, die Bewahrung und Heilsvollendung durch Gott, die in reinem Zusammenklang voll ertönen. Nirgendwo überstürzen sich die Gedanken so wie hier, und ein Reichtum von Gnade, was wir schon haben und was wir noch bekommen werden, breitet sich vor unseren Augen aus, der das Herz zum Jubeln bringt. Nichts von Wenn und Aber, sondern alles in seliger Gewißheit!

Mit gegenwärtigem Besitz beginnt Römer 5: „Wir haben Frieden mit Gott“ (l). Zum erstenmal hören wir in unserm Brief das Wort „Friede“. Er ist das wiederhergestellte gute Verhältnis zu Gott, die vornehmste Errungenschaft der Versöhnung in der Rechtfertigung, das: „Gott für uns!“ Friede bedeutet im alttestamentlichen Sprachgebrauch „Ruhe“ mit der Nebenbedeutung von unangefochtenem und ungestörtem Wohlbefinden, wie sie nach einer Bedrängnis und Vergewaltigung dem Gerechten zuteil werden soll. Immer muß sich ein gutes Verhältnis, in das Gott zu uns getreten, auch auswirken in uns selbst: das Gewissen ist zur Ruhe gekommen; die Anklage hat sich gewandelt in das Bewußtsein göttlicher Huld. Es soll eben nicht nur ein Verhältnis an sich ausgesagt werden, sondern auch wie es beschaffen ist. Wer das Höchste, den Frieden mit Gott, besitzt, verlangt nichts mehr; er ist „befriedigt“ und hat Genüge, so daß ihm nichts mangelt.

Was wir weiter schon gegenwärtig besitzen, ist das frohe Recht zu unverwehrter und ungehinderter Gottesgemeinschaft; der Apostel nennt es: „Zugang zur Gnade, in der wir stehen (2). Es ist ein Gottesverkehr in Gang gebracht, bei dem wir nie leer ausgehen, der nicht nur nicht wieder unterbrochen wird, sondern sich zunehmend inniger gestaltet. „Gnade“ ist hier insbesondere als ein Gut, ein Schatz gedacht, der darauf wartet, in Empfang genommen zu werden, ohne daß er sich je erschöpft; wir sollen uns sättigen „an den reichen Gütern seines Hauses“ (Psalm 36,9). Wenn es heißt: „darinnen wir stehen“, so ist damit nicht weniger gesagt, als daß die uns zugewendete Gunst Gottes unwandelbar ist und bestehen bleibt auf immer, was auch je wider uns sein sollte. Nicht auf Widerruf oder Kündigung ist denen, die Frieden mit Gott erlangt haben und ihm nahegebracht sind, das Hausrecht gewährt; denn Gott ist nicht ein Mensch, daß ihn etwas gereue. Wir bedürfen dieser Gewißheit, sonst würde Gott sie uns nicht gegeben haben; hundertmal muß Gott uns seine Verheißungen vorhalten, bis wir es lernen, von ihnen Gebrauch zu machen, und noch öfter rechnen wir lieber mit uns selbst und kramen in eigenen Taschen, als daß wir auf die Gnade trauen und sie für uns in Anspruch nehmen.

Der Apostel hat vom Gegenwärtigen geredet; nun redet er vom Zukünftigen: „Wir rühmen uns der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll“ (Vers 2b). Wenn den von Gott Gerechtfertigten auch der Selbstruhm vergangen ist, so sind sie doch Leute, die Ursache zum Rühmen haben. Es ist etwas, was ihr Herz mit bebender Freude erfüllt. Sie wissen sich als Menschen, die eine gesicherte Zukunft vor sich haben: sie gehen der „Herrlichkeit“ entgegen. Was ist Herrlichkeit? Sie ist im eigentlichen Sinne das Wesen Gottes selbst, die Fülle, in der die Eigenschaften Gottes zusammengefaßt sind. Diese Fülle ist in Christus „leibhaftig wohnhaft“ geworden, seitdem er erhöht ist zur Rechten Gottes (Kolosser 2, 9). Weil wir aber auch in der Vollendung nicht aufhören, Geschöpfe zu sein, so wird diese Fülle, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, nur nach dem Maße der geschöpflichen Enge uns zuteil werden. Dennoch wird jedes der Gefäße göttlicher Barmherzigkeit und Herrlichkeit voll sein, so daß von den Mängeln, mit denen wir hier behaftet sind, auch nicht eine Spur zu sehen sein wird: „Wir sind nun Gottes Kinder, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen wie er ist“ (l. Johannes 3, 2). Indem wir uns der Herrlichkeit rühmen, fällt der Ruhm auf den zurück, der da ist der „wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (l. Johannes 5, 20). Dieser lebendige Hoffnungsgedanke ist es, ohne den ein Christ nicht auskommen kann, an dem er aber auch zu erkennen ist. Er gibt seinem Leben sicheren Halt und eine feste Richtung. Er ist es auch, der in dem Festgesang des Glaubens in Römer 8 wieder seine frohgemute Weise findet.

Der Apostel weiß auch noch von einem anderen Ruhm. Wir sind derweilen erst auf dem Wege zu jenem Ziele hin, und dieser Weg führt durch ein Gefahrengebiet von Wirrnissen und hemmenden Kräften, die oft das körperliche und seelische Leben zermürben. Der Apostel selbst weiß davon, und er gibt diesen Beschwernissen zuweilen beredten Ausdruck: „Wir ängsten uns; aber wir verzagen nicht“ (2. Korinther 4, 8). Was sagt er hier? „Wir rühmen uns der Trübsale“ (3).

Heißt dies etwa, ihnen die beste Seite abgewinnen und sich wohl oder übel mit ihnen abfinden? Nein! Der Glaube ist nicht Welt- oder Lebensanschauung, sondern eine Kraft, die über der Natur steht und sie überwindet. Der Glaube weiß jede Trübsal in Dienst gestellt zu unserem Heil, daß Gutes herauskomme: „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Römer 8, 28). Er begnügt sich nicht mit dieser allgemeinen Feststellung, sondern sagt mehr: „Wir wissen, daß Trübsal Geduld wirket; Geduld aber bringt Erfahrung (genauer Bewährung); Erfahrung aber bringt Hoffnung“ (5, 3. 4). Beachten wir, daß diese Aussagen in der Wirklichkeitsform gefaßt sind. Es handelt sich hier nicht um mehr oder weniger entfernte Wahrscheinlichkeiten, sondern um einen von Gott beabsichtigten und daher gesicherten Ertrag, den die Trübsal einbringt. Es sind bleibende sittliche Werte, die ihr in den Schoß gelegt sind, und auf sie hat es der Vater der Geister bei seinen Prüflingen abgesehen, ob auch das leidensscheue Fleisch sich aufbäumen mag.

„Trübsal bringt Geduld.“ Das Wort „Geduld“ hat seine Sprachwurzel in: darunterbleiben: Die Trübsal schafft auf die Dauer immer die willige Beugung unter den guten Vaterwillen Gottes, der sie gesendet. Dieselbe Trübsal, die den Gottlosen in Hader weiter wegschleudert von Gott, kettet den Gottseligen fester und inniger an Gott. Darum darf Gott es sich getrost erlauben, ihn einmal dem Wirrwarr preiszugeben. Im Wettersturm schlagen die Wurzeln nur tiefer, und der Baum steht fester da als vordem.

„Geduld bringt Bewährung.“ Sie ist der Zustand dessen, der die Probe bestanden hat. Der Glaube ist als echt befunden. Die Schlacken der Eigenheit sind ausgeschieden; der Schmelzer schaut in dem geläuterten Edelmetall sein eigen Bild. Das Fleisch ist gebändigt, und der Geist ist befreit und aufgelegt zum Lobe Gottes. Man kann sie kennen, bei denen Gott dies fertiggebracht. Rückschauend auf ihr Leben mögen sie aus ihrer Vergangenheit die Leidenswiderfahrnisse nicht ausgetilgt wissen. An sich selber Zuschanden geworden, rühmen sie nur die Gnade, die sich in der Schwachheit vollendet.

„Bewährung aber bringt Hoffnung.“ Man hat Gott kennengelernt und ihn treu erfunden. Hierzu sollte es kommen. Vermehrte Gotteserkenntnis, das ist ein Leidensertrag, wie er nur in den Geschehnissen des Lebens erprobt werden kann. Durch Erfahrung wird Einsicht in die Wege Gottes genommen, die anders verschlossen bleiben. Ohne die Trübsal bleiben wir mehr oder weniger unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit; nun aber murrt man nicht mehr, wenn es „quer“ geht. In den Prüfungen hat es der Psalmsänger gelernt: „Mein Gott, auf den ich hoffe.“ Darum fügt auch der Apostel hinzu: „Sie (die Hoffnung) läßt nicht Zuschanden werden.“ Diese Worte hat er hergenommen aus dem messianischen Psalm 22; „Unsere Väter hofften auf dich und wurden nicht zuschanden“ (Vers 6). Auch Jesus selbst hat sich in schwerster Prüfung, die ihm nicht erlassen werden konnte (Hebräer 5, 7. 8), an dieses Psalmwort gehalten, und er hielt Gott in Ehren.

Man kann wohl sagen, daß vorliegend der Segen und Ertrag der Trübsale auf die kürzeste Formel gebracht ist. Paulus war, wie kaum jemand, in Leiden geübt, und deshalb konnte er so schreiben. Unsere Trübsale sind nur Noten für Jubellieder droben. Aber auch hier schon muß es dahin kommen, daß wir sagen: „Wir rühmen uns der Trübsale!“

Wie kommt es aber zu diesem Rühmen? Der Apostel sagt: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz“ (Vers 5). Es ist offenbar nicht unsere Liebe zu Gott, von der er redet, sondern die Liebe Gottes zu uns, von der er auch in Abschnitt 8, 37. 39 redet: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.“ Von ihr kann das Verhalten Gottes zu uns allein bestimmt sein. „Gott hat es uns geoffenbart durch seinen Geist“ (l. Korinther 2, 10). Kein Mensch ahnt, was in der Tiefe Gottes sich regt; der Heilige Geist ist es, der erst den Schleier hinweghebt. Damit ist die Liebe Gottes nicht unbekannt und außer uns geblieben; „sie ist ausgegossen in unser Herz“. Hier hat sie Aufnahme gefunden, wo sie als unversiegbarer Quell des Trostes empfunden wird und unvergessen bleibt, um auch in allen Prüfungen in einer Haltung des Glaubens zu bleiben, wo Gott gepriesen wird.

Von dieser Stelle sind nun die folgenden Verse 6-11 beherrscht; wir setzen sie nicht hierher; sie mögen nachgelesen werden. Sie gehören zu dem Trostreichsten, was Paulus geschrieben hat. Er schließt von dem Größeren auf das Kleinere. Hat Gott seine Liebe zu uns bewiesen, da wir noch „schwach“, d. h. unvermögend waren, uns selbst zu helfen, ja als wir noch „Sünder“ und „Feinde“ waren, so dürfen wir schließen, daß auch die Vollendung unseres Heilsstandes gewiß ist. Dies ist aber um so gewisser, weil dies weniger schwierig und kostspielig ist; denn jetzt braucht Gott nicht das Teuerste, den Sohn seiner Liebe, für uns preiszugeben, sondern nur das Leben seiner Herrlichkeit, zu dem er ihn auferweckt, fortbestehen zu lassen, um uns durchzubringen: „Wie viel mehr werden wir selig werden, da wir nun versöhnt sind“ (10). Es ist dies derselbe Gedanke, der Abschnitt 8, 34 wiederkehrt: „Welcher gestorben ist, ja vielmehr auch auferwecket ist und sitzet zur Rechten Gottes und vertritt uns.“

Gewiß, wir befinden uns noch im Gefahrenbereich. Es ist dies ein Grund zur Wachsamkeit, aber nicht zu ängstlicher Furcht, als ob die Durchführung unserer Rettung und Heilsvollendung in Frage gestellt sei. Sie liegt bei dem auferstandenen und erhöhten Herrn in guten Händen, und sie ist durch ihn verbürgt und sichergestellt. Stärker kann der Aufruf zu getroster Zuversicht nicht ausgesprochen werden, als es hier geschieht. Dem Apostel bangt nicht, damit in falsche Sicherheit einzuwiegen; er kennt das Menschenherz, und er weiß, daß erst die Gewißheit des Heils und der Heilsvollendung den Gang fest macht; nur der siegesfrohe Soldat wird im heißen Kampf seinen Mann stehen.

Wie schön sagt der Apostel Vers 8: „Darum preiset Gott seine Liebe gegen uns!“ Das Wort „preisen“ besagt eigentlich mehr: erhärten, empfehlen. Godet bemerkt hierzu: „Hier offenbart Gott dem menschlichen Bewußtsein die Wirklichkeit seiner Liebe auf unumstößliche Weise.“ Damit stimmen auch die Schlußworte, mit denen Paulus zum Anfang des Abschnittes zurückkehrt:

„Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir die Versöhnung empfangen haben“ (11). Es sind dies Worte höchster Siegesfreude. Der Glaube steht nicht auf verlorenem Posten; diese Schmach dürfen wir Jesus nicht antun. Wir werden selig werden „mit guter Manier“ und dürfen uns als Gerechtfertigte durch Jesu Blut wohl sehen lassen. Wenn die Stunde kommt, in der wir als Versöhnte und Gerechtfertigte vor Gott treten, so nicht als solche, die etwa einem Schiffbruch oder einer verdienten Strafe mit knapper Not entronnen sind, sondern in der jubelnden Haltung von Versöhnten, die der Sohn Gottes mit seiner eigenen Gerechtigkeit und Heiligkeit geziert und denen der Heilige Geist das Siegel der Sohnschaft aufgedrückt hat zum ewigen Rühmen Gottes und seines Christus. Diese Zuversicht der Heilsgewißheit ist es, zu der uns der Preisgesang des Apostels in der ersten Hälfte von Römer 5 anleiten will.

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