Zuletzt angesehen: Schmitz, Richard - Geistesleitung

Schmitz, Richard - Geistesleitung

Schmitz, Richard - Geistesleitung

(Römer 8,14)

Diese Bibelstelle lautet: „Denn welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder.“ Die Betonung liegt auf dem Wort „treiben“; denn der Apostel will sagen, woran Gottes Kinder zu erkennen sind. Dies Zeitwort „treiben“ heißt wörtlich: leiten, führen. Wenn Luther aber das Wort mit „treiben“ übersetzt, so will er wohl sagen, daß die Geistesleitung den Menschen mitbeteiligt und in Bewegung setzt und daß der Heilige Geist in ihm einen selbsteigenen Drang und Trieb schafft, vermöge dessen er mit williger Lust und freudiger Hingabe sich der Führung des Geistes unterstellt. Es tritt dies in der Grundsprache noch deutlicher hervor, indem das Zeitwort passivisch (leidend) gebraucht und damit eine innere Zuständlichkeit ausgedrückt wird, nämlich: „geleitet werden“. Damit wird aber auch der Satzgegenstand verlegt, indem nun nicht vom Heiligen Geist, sondern vom Menschen selber etwas ausgesagt wird: Die vom Geiste Gottes geleitet werden, die sind Gottes Kinder. Es ist an bestimmte Menschen gedacht, an solche, die der Heilige Geist in die Hand bekommen hat. Hieraus ist es ja bei der Einwohnung des Heiligen Geistes abgesehen. Kein Schritt soll getan werden, bei dem er nicht ein entscheidendes Wort mitgesprochen hat und er zu Gehör gekommen ist. Alle unsere Lebensgebiete will er seiner Leitung unterstellen.

Diese Leitung ist durchaus eine innere. Schon in irdischen Dingen besitzt derjenige keine Führereigenschaften, der da glaubt, seinen willen mit äußeren Machtmitteln durchsetzen zu müssen; jeder rechte Führer muß es verstehen, seine Absichten und Ziele von innen heraus zu dem selbsteigenen Wollen und Streben derer zu machen, die er führen will. So macht es der Heilige Geist. Er gibt Einsichten in göttliche Gedanken und zugleich den Drang dazu, sie ins Werk zu setzen. Es erfüllt sich das Prophetenwort: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben, und in ihren Sinn will ich es schreiben“ (Jeremia 31,33), und weiter: „Ich will meinen Geist in euch geben und solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun“ (Hesekiel 36,27). Der Heilige Geist ist der Führer von höchster Vortrefflichkeit; er weiß schon, mit der ihm überkommenen Aufgabe fertigzuwerden.

Die Geistesleitung ist damit auf eine Höhe gehoben, die dem Wesen des Neuen Bundes angemessen ist. Der Alte Bund hatte nur „den Dienst des Buchstabens“ (2. Korinther 3,6). Ihm haftete alle Dürftigkeit an. Das Gesetz selber hatte daran keine Schuld; sie lag auf seiten des Menschen. Was das Gesetz forderte, war recht und gut; aber der Mensch konnte es nicht leisten. Es gab ihm hierzu keine Kraft; es ließ den Menschen in seiner Ohnmacht liegen. Anders im Neuen Bund, „der den Geist gibt“ (Vers 8). Und dieser Geist ist es, „der lebendig macht“ (Vers 6). Es ist dies ein Vorteil, der mit einem Schlage alles ändert. Der Galaterbrief, der ebenfalls diesem Gedanken nachgeht, kommt zu dem erhebenden Schluß: „Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht mehr unter dem Gesetz“, das eben nimmer zum Leben verhelfen konnte (Kapitel 5,18). Das Wort „regieren“ ist hier in der Grundsprache dasselbe Wort, wie oben in Römer 8,14, so daß es eigentlich heißt: „Leitet euch aber der Geist, so seid ihr nicht mehr unter dem (ohnmächtigen) Gesetz“. Geistesleitung bedeutet nicht nur Einsicht, den Willen Gottes zu erkennen, sondern auch Ertüchtigung, ihn zu tun.

Zu der gleichen Auffassung kommen wir auch, wenn wir das Schriftwort Römer 8,14 in seinen Zusammenhang stellen. Durch das Bindewort „denn“ ist es mit den vorausgegangenen Ausführungen des Apostels verknüpft. Der Sinn der Geistesleitung wird durch jene ins Licht gesetzt. All jene Darlegungen werden aber beherrscht von der Aussage in Vers 2: „Das Gesetz des Geistes des Lebens, das in Christus Jesus ist, hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Ein Gesetz als gottgesetzte Ordnung ist, wie auch in der Natur, immer da, wo gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorrufen. Was will der Apostel aber nun hier sagen? Nicht von unabänderlicher Gesetzmäßigkeit in Naturdingen, die außen bleiben, redet er, sondern von etwas, was sich im Menschen selbst abspielt. Einmal redet er nämlich von einem „Gesetz der Sünde und des Todes“, dem er unterworfen ist. Es ist der Hang der Sünde, dem der Mensch seit dem Falle vom Fleische her in unerbittlichem Zwange preisgegeben ist und dem er ohnmächtig gegenübersteht. Wie kann diesem unerträglichen Zustande wirksam abgeholfen werden? Wir sehen schon im Naturleben, daß ein niederes Gesetz durch ein höheres aufgehoben wird. So schon beim kleinen Gräslein, das entgegen der Schwerkraft vermöge des Gesetzes des in ihm waltenden Lebens schon beim ersten Keimen munter emporsteigt - freilich nur, solange es vom organischen Leben durchflutet wird. Ebenso wird das niederwärts ziehende „Gesetz der Sünde und des Todes“ durch das höhere „Gesetz des Geistes des Lebens, der lebendig macht in Christus Jesus“ außer Wirkung gesetzt. Der Fleischeshang wird überwunden durch Gottes Geist. Wir dürfen dies Wunder der Allmacht seiner Gnade immer neu erfahren. Nur in anderer bildlicher Redeweise wird Vers 14 jene Freimacht des Geistes auf die Geistesleitung übertragen.

Es ist hieraus ersichtlich, daß alle Geistesleitung durchaus „ethisch“ bestimmt ist und abzweckt auf ein Tun des Willens Gottes, ihm zu gefallen. Der Heilige Geist will vor allem den Menschen neugestalten in Christi Bild. Mit der äußeren Lebenshaltung hat es die Geistesleitung wenig zu tun. Der Heilige Geist greift hier nur insoweit ein, als es sich darum handelt, die Linien herauszufinden, die gottgemäß sind. Es kümmert ihn wenig, ob wir reich sind oder arm, stark oder schwach, gesund oder krank; aber es ist ihm alles daran gelegen, daß in allen diesen leiblichen oder andersgearteten Zuständen irdischen Lebens der Wille Gottes geschehe. Diesen zu offenbaren und mit aller Deutlichkeit und Klarheit aufzuzeigen, dabei diesem Gotteswillen zur Durchführung zu verhelfen, dazu ist er da, und darin findet er seine ihm zugewiesene Aufgabe. Indem der Heilige Geist die Führung übernimmt, soll neben ihn keine andere Macht bestimmend eingreifen. Der Wille des Fleisches soll schweigen und Gottes Wille allein geschehen, ob auch der äußere Mensch dabei zugrunde geht. An äußerem Wohlergehen ist ihm wenig gelegen; aber daß der Mensch etwas werde zum Lobe Gottes, das ist seine Sorge und sein Bemühen. Geistesleitung ist Lebensbewegung in einem Tun göttlichen Willens.

Wir sind mit dem, was der Apostel im vorliegenden Verse Römer 8,14 sagen will, nicht zu Ende. Auf das, was aus dieser Geistesleitung herzuleiten ist, kommt es ihm vor allem an. Daher schließt er seine Erörterung mit einer Feststellung, die ihm besonders wichtig ist. Er kleidet sie in eine Schlußfolgerung, die eigentlich überrascht. ER sagt etwas, was er bisher im ganzen Briefe noch nicht gesagt hat. Großes hat er ausgesagt von Menschen, die dem von ihm in den ersten beiden Kapiteln geschilderten Sündenverderben entnommen worden. Er hatte erklärt, daß sie „gerecht geworden“ und damit „in der Gnade stehen“; er hatte weiter gesagt, daß sie Abkömmlinge des „andern Adams“ geworden und damit „zusammengepflanzt sind mit ihm in seinen Tod, um auch in der Auferstehung ihm gleich zu sein“; wir haben vernommen, wie er frohlockend ausgerufen: „So ist nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“, um dabei weiter festzustellen, daß Christi Geist in ihnen wohnet. Aber diese so begnadeten und geistbegabten Menschen hat er noch nicht mit dem Namen genannt, der ihnen nach alledem von Gott beigelegt ist.

Dazu schickt er sich jetzt an. Einleitend verwendet er ein Wort, das die Luther-Uebersetzung undeutlich zum Ausdruck bringt. Es heißt nämlich nicht einfach: „Denn welche der Geist Gottes leitet“, sondern mit stärkerer Hervorhebung dieser Zuständlichkeit genauer: „So viele derer sind, die vom Geiste Gottes geleitet werden.“ Das Merkmal der Geistesleitung bekommt damit eine scharfe Prägung, der Kreis derer, die der Apostel im Auge hat, wird näher bestimmt. Und was sagt er von ihnen aus? Welchen Namen legt er ihnen bei? Er nennt sie Gottes Kinder.

Aber auch hier müssen wir den Weg zum genaueren Verständnis freilegen. Der Apostel verwendet hier nicht ein Wort, das in der Grundsprache allgemein für „Kinder“ gebraucht wird und lediglich ein Naturverhältnis ausdrückt, das wir als „legitim“ bezeichnen, und auch in der Schrift durchweg gemeint ist und so viel bedeutet, als „aus Gott geboren“ (näher: gezeugt) zu sein. Gewiß, dies ist das Entscheidende für die Zugehörigkeit zu Gott und für die Aufnahme in die Gottesfamilie, deren Heimatrecht im Himmel ist. Der Apostel verwendet hier aber vielmehr eine „aparte“ Bezeichnung, ein Wort, das in den Briefen, auf die Gläubigen bezogen, selten vorkommt: „Söhne“. Es ist dies eine Würdebezeichnung, die sonst nur dem Sohne Gottes selber beigelegt wird.

Wie kommt aber der Apostel dazu, diese Würdebezeichnung auf Menschen zu übertragen, die gefallen sind und Hörige Satans waren? Ist es nicht genug, daß er sie begnadigte und erlöste aus des Teufels Gewalt? Wir stehen hier vor einem Geheimnis der ewigen Gottesliebe, das wir nie ergründen. Und dazu bekräftigt der Apostel dies Unerhörte mit einer starken Versicherung, weil er selber das Unfaßbare dessen fühlt, was er mit der Bezeichnung: „Söhne Gottes“ ausgesprochen hat. Er tut dies mit einem Fürwort, das wir frei übersetzen: „Diese sicherlich (wahrhaftig, wirklich)“, also: „Diese sind sicherlich Söhne Gottes.“ Aber zugleich sieht er sich genötigt, diese feierlich beteuerte Namensbezeichnung eigens zu begründen, wenn er auch das Geheimnis selber nicht lüften kann. Er tut dies sofort in dem folgenden Vers 15, indem er sagt, daß sie „den Geist der Sohnschaft“ - ein Wort, das fünfmal gebraucht wird: Römer 8,15.23; 9,4; Galater 4,5 und Epheser 1,4 - empfangen haben, durch den wir ebenbürtig mit dem Sohne Gottes rufen: „Abba, Vater.“ Damit ist nichts weniger gesagt, als daß die Würdebezeichnung „Söhne Gottes“ gründet in dem innergöttlichen Verhältnis des Sohnes zum Vater selber, und daß es der Geist des Sohnes ist, der den trauten Vaternamen auf unsere Lippen legt.

Nebenbei sei bemerkt, daß dieselbe Beweisführung, wie hier im Römer 8,15, sich auch Galater 4,6 findet, nur in umgekehrter Reihenfolge, nämlich: „Weil ihr denn Söhne seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der da schreiet: Abba, Vater!“ - Nur noch 2. Korinther 6,18 kommt dieselbe Bezeichnung „Söhne“ vor, indem es hier heißt: „Ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr (wörtlich: Allherrscher)“. Es ist damit gesagt, daß diese Würdeverleihung ein Ausfluß der Majestätsrechte Gottes ist.

Wir fragen nun aber: Was veranlaßt den Apostel, diese Würdebezeichnung mit der Geistesleitung in Verbindung zu bringen, dazu in dem Sinne, daß sie zum Kennzeichen derer wird, denen die Würde zukommt, Söhne Gottes zu sein? Der Apostel ist ja immer in seinen Ausdrücken sparsam und gewählt, und dazu zeichnet sich gerade der Römerbrief durch strenge Folgerichtigkeit aus. Die Gedankenverbindung liegt nun darin, daß in der Schrift mit dem Begriff „Söhne“ stets die Vorstellung der Mündigkeit verknüpft ist. Am ausführlichsten ist dies in dem ältesten Schreiben des Apostels, dem Galaterbrief, namentlich Kapitel 4,1-7, herausgestellt. Aber auch vorliegend Römer 8,15 hat er es nicht versäumt, jenen Gedanken anzudeuten, indem er den Sohnesgeist dem Knechtesgeist gegenüberstellt. Schon der Heiland sagte einmal: „Ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch mitgeteilt habe“ (Johannes 15,14.15). Er hatte seinen Jüngern wie ein Freund dem Freunde den großen Ratschluß der Gottesliebe kundgetan, wenn sie ihn auch noch nicht ganz verstanden haben. Durch die Sendung des Sohnesgeistes sind sie aber Eingeweihte geworden, die den Rat und die Gedanken Gottes verstehen - Einsichtige und Mündige, die die Eignung besitzen, in jedem Entscheidungsfalle den Willen Gottes herauszufinden, Gutes und Böses zu unterscheiden. (Hebräer 5,13.14.)

Die Geistesleitung findet nun in denen, die Söhne Gottes genannt werden, Menschen vor, die dem Sohne Gottes in seinen Erdentagen - nun, sagen wir einmal - gleichgestellt sind. Von ihm heißt es: „Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, daß ich höre wie ein Jünger“ (Jesaja 50,4). Das machte seinen Gang sicher, und er fand täglich ein fertiges Programm seines Vaters vor. Und noch mehr ist von ihm gesagt: „Er hat mir das Ohr geöffnet, und ich bin nicht ungehorsam, und ich weiche nicht zurück“ (Vers 5). Auch in seinen schwersten Proben war er bereit, den ihm vorgezeichneten Weg des Gehorsams zu gehen. - Die Geistesleitung stellt die mündigen Söhne Gottes nun in die gleiche Beziehung zu dem göttlichen Vaterwillen. Sie werden durch den Heiligen Geist unterwiesen in den Wegen Gottes, und sie finden sich in ihnen zurecht. Gegenüber seinen Weisungen gibt es kein Deuteln. Sein Anspruch ist immer verbindlich. Es ziemt uns Gehorsam, wie ihn der Sohn Gottes gelernt und an den Tag gelegt. (Hebräer 5,8.9.)

Söhne Gottes sind Menschen, die vermöge ihrer Mündigkeit auch die Gabe der Prüfung besitzen. Es ist dies zugleich die höchste Stufe der Geistesleitung. Zu dieser Prüfung können sie aufgefordert werden; weil es geschieht, müssen sie hierzu auch alle Eignung haben. Und wie eindringlich werden sie zu dieser Prüfung aufgerufen! Es heißt: „Prüfet, was das Beste ist“ (Philipper 1,10), ferner: „was wohlgefällig ist dem Herrn“ (Epheser 5,10), und weiter: „was da sei der gute, wohlgefällige und vollkommene Gotteswille“ (Römer 12,2); darum: „Seid nicht unverständig, sondern verständig, was da sei des Herrn Wille“ (Epheser 5,17).

Schon Israel sollte es lernen, keinen Schritt zu tun in eigener Wahl. Darum führte Gott sein Volk durch die Wolken- und Feuersäule, und sie wich nicht, bis es hinüberging in das verheißene Land. (2. Mose 40,36.37.) An die Stelle dieser sinnenfälligen Gottesführung ist nun die innere Geistesleitung getreten. Bei ihr gilt es, offenzubleiben für die zarten Winke des Geistes. Er naht sich uns im stillen, sanften Säuseln seiner Gegenwart. Es bleibt dabei, was Zinzendorf sagt:

Gottes Führung fordert Stille!
Wo der Fuß noch selber rauscht,
wird des ewgen Vaters Wille
mit der eignen Wahl vertauscht.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/schmitz/schmitz-5._geistesleitung.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain