Schmitz, Richard - "Es war noch nicht Heiliger Geist" (Johannes 7,39)

Schmitz, Richard - "Es war noch nicht Heiliger Geist" (Johannes 7,39)

Es war am letzten Tage des Laubhüttenfestes, als Jesus in die feiernde Menge hineinrief: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Vers 38). Johannes bemerkt erläuternd hierzu: „Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollten, so an ihn glauben; denn der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt“ (Vers 39). - Ueber diese Zwischenbemerkung wird oft allzuschnell hinweggelesen. Sie hat aber etwas zu sagen. Veranlaßt ist sie durch die zweite Verheißung Jesu, die über die erste weit hinausgeht. Es wird in ihr etwas gesagt, was im natürlichen Leben seinesgleichen nicht hat: der Dürstende werde durch die Wunderkraft des Wassers, das er getrunken, wieder selbst zu einem Quellbrunnen! Wohl hatte Jesus auch der Samariterin Kapitel 4,14 diesen selben Gedanken ausgesprochen, jedoch dahin, daß das lebendige Wasser, das er ihr spende, zur sprudelnden Quelle für sie selbst werde. Nun aber nimmt die Verheißung eine Richtung, die die Jünger überraschen mußte, da Jesus in dieser Allgemeinheit und Reichweite bisher nicht gesprochen hatte - redete er doch jetzt von „Strömen“ lebendigen Wassers, die dazu von „den Glaubenden ausgehen werden“ auf andere. Es ist verständlich, daß sich Johannes zu der obigen Erläuterung veranlaßt gesehen hat.

Ob die Jünger jetzt schon den Herrn verstanden haben, ist nicht gesagt. Er hatte oft von geheimnisvollen Dingen geredet, die sie erst später erkannten. So wird es auch diesmal der Fall gewesen sein. Als nun Johannes später sein Evangelium niederschrieb, hat er es für nötig gehalten, in einer Einschaltung den Lesern den Sinn jener Worte zu deuten. Er bemerkt: „Das sagte er aber von dem Geist…; denn es war noch nicht Heiliger Geist“ (wörtlich).

Dieser erläuternde Nachsatz findet unsere Aufmerksamkeit. Was hier Johannes sagen will, ist klar. Nicht will er verneinen das innergöttliche Dasein des Heiligen Geistes von Ewigkeit, noch dessen bisherige Wirksamkeit in der Menschenwelt; hatte er doch auch Kapitel 1,32 gesagt, daß der Täufer gesehen habe, wie „der Heilige Geist herabfuhr auf Jesus“, um auf ihm zu bleiben. Der Sinn der Worte ist einfach der, daß allda, wo Jesus am Laubhüttenfest die eingangs wiedergegebenen Worte redete, der Heilige Geist „noch nicht“ ausgegossen war, und er „noch nicht“ die Nachfolgschaft Jesu in der Weiterführung des Heilswerkes Gottes auf dieser Erde angetreten hatte.

Die Menschwerdung des Sohnes Gottes war der erste große geschichtliche Einschnitt auf ein Neues hin, wo ein Umbruch erfolgte, der Himmel und Erde in Bewegung setzte, eine Umwälzung, die Gott und Menschen wieder zusammenbrachte und den Herrschaftsansprüchen Satans ein Ende bereitete. Zug um Zug erfolgte (dies war der zweite große geschichtliche Einschnitt) die Sendung des Heiligen Geistes und damit die Besitzergreifung der Herrschaftsmacht, und zwar von innen heraus, die nach Recht und Gebühr dem Gottes- und Menschensohn zufallen. Diese beiden Einschnitte treten auch in den heiligen Berichten deutlich hervor. Einmal heißt es: „Da aber die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn“ (Galater 3,4), und zum andern: „Als der Tag der Pfingsten erfüllt war, … wurden alle voll Heiligen Geistes“ (Apostelgeschichte 2,1.4). - Gott hat für alles seine bestimmten Zeiten, die er in seinem Rat gesetzt (Habakuk 2,3; Apostelgeschichte 1,7), und alle Geschichte entfaltet sich nach diesem seinem ewigen Plan. Soweit er zur Ausführung kommt, gehört er der Geschichte an; er ist damit aus der Ewigkeit in die Zeit hinübergetreten; was bislang verborgen gewesen, ist offenkundig in die Erscheinung gekommen. Der ewige Gott kann unbeschadet seiner Machtfülle sich beschränken, und er tut es, damit sein Rat um so herrlicher an den Tag komme. Das „Noch nicht“ wird zu einem „Nun aber“; dies „Nun“ ist aber eine feste Grundlage, die bis in unendliche Zeiten bestehen bleibt und auf der neue, ewige Dinge sich wieder aufbauen. Wie stürzt etwas wieder zusammen, was sein Rat erdacht und zuwege gebracht. Wunderbarer Gott!

Mit jenen großen Heilstaten Gottes in der Sendung seines Sohnes und des Heiligen Geistes ist der letzte Abschnitt der göttlichen Heilsgeschichte mit dem Menschen eingeleitet. Was bisher nur geweissagt, ist Wirklichkeit geworden. Was als Beschluß von Ewigkeit her vor Gott stand, gehört der Geschichte an. Der Umschwung göttlicher Beziehungen zum Menschen ist vollzogen und von Gott selber anerkannt. Nie wieder kann das, was geschehen, verwischt werden; es ist in Geltung und Wirksamkeit getreten, das alle künftigen Aeone umspannt.

Der Schlüssel zum Verständnis ist uns von Johannes in obiger Einschaltung gegeben. Er fügt hinzu: „Denn Jesus war noch nicht verklärt“. Die Sendung des Geistes ist eine Frucht des Opfertodes und eine Tat des Erhöhten, ein Ausfluß der Rechte, in die er eingetreten: er ist als Gottmensch der Inhaber aller Gottesfülle geworden (Kolosser 2,9). Diese hineinzuleiten in die Menschheit, deren Glied er geworden, ist der Zweck der Erlösung. Indem er ein Fluch ward, kann der „Segen Abrahams“ herniedergehen und der „verheißene Geist“ gespendet werden. Der Segen Abrahams gipfelt im Heiligen Geist; dieser ist nicht nur „eine“ Gabe, sondern „die“ Gabe, die alle anderen einschließt und diese erst vermittelt. Nichts Neues fügt der Heilige Geist hinzu, er schöpft aus der Christusfülle, die vollkommen ist.

Die Sendung des Heiligen Geistes ist die höchste und damit letzte Offenbarung Gottes. Das Werk des Sohnes findet in ihr seinen krönenden Abschluß. Ueber den Heiligen Geist hinaus hat Gott zur Rettung und Vollendung nichts mehr einzusetzen. Alle Mittel zur Welterlösung sind damit erschöpft. Auf die Haushaltung des Geistes kann eine weitere nicht mehr kommen. Die Auseinandersetzung mit Satan und Sünde ist eine vollständige. Satan ist vernichtend getroffen; seine Werke sind aufgelöst (1. Johannes 3,8). Der Heilige Geist bringt dies im Menschen selbst zum Vollzug und vollendeten Abschluß.

Mit dieser höchsten Gottesoffenbarung in der Sendung des Geistes geht Hand in Hand die Verheißung der höchsten Würde an die Erlösten, die nicht mehr übersteigert werden kann, nämlich „Söhne Gottes“ zu sein. Damit ist erwiesen, daß das Heil vollkommen ist und Gott auf’s ganze geht: „Weil wir Söhne sind, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater“ (Galater 4,6). Nicht ist die Sohnesstellung eine Würde, die erst künftig eintritt, sondern in die vom ersten Augenblick der Glaubensannahme ab jemand eingesetzt wird. Durch den Heiligen Geist sind wir hier schon hoffähig gemacht, nicht minder, als es in der Vollendung sein wird. Er nimmt aus dem Vollen; denn er besitzt uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Schätze des Sohnes. Das ist es auch, was Jesus auf dem Laubhüttenfest sagen wollte: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Vers 38). Der Eindruck der Rede wurde bei den Jüngern dadurch erhöht, daß Jesus - der nie den Mund zu voll genommen - von „Strömen“ redet - ein Wort, womit in der Grundsprache „starke Ströme“ bezeichnet sind, auch Bergströme, die zur Regenzeit mit Gewalt von der Höhe herabstürzten und über die Ufer traten. Und diese Ströme sollten aus dem Inneren der Glaubenden - wohl anspielend auf den geweiteten Bauch der Wassergefäße - auf andere übergehen. Bei Jesus selbst, der vor ihnen stand, war es wohl der Fall, und die Gewalt seiner Rede hatte sich oft stundenlang auf die Zuhörer ergossen und sie an seinem Mund gebannt; aber unerhört mußte es ihnen erscheinen, daß auch ihnen, den ungelehrten und schwachen Jüngern, diese Gabe und Vollmacht zuteil werden sollte! Johannes fügt hinzu, daß Jesus von dem Geist redete, den empfangen sollte, die an ihn glauben.

Wohl kam „auf“ die Propheten des Alten Bundes der Geist Gottes; sie sprachen dann Worte aus, die sie als Botschaft von Gott empfangen und weiterzugeben hatten. Als eine „Last“ legte sich die Botschaft auf sie, die darauf drängte, sich ihrer zu entledigen; dann aber schwieg wieder die Prophetie. Anders im Neuen Bunde; denn er steht ungleich höher da, als der Alte Bund. Das „Noch nicht“ ist zu einem „Nun aber“ geworden. Der Heilige Geist kommt nicht nur zu vereinzelten Gelegenheiten „auf“ die Glaubenden, sondern er ist seßhaft, dauernd wohnhaft „in“ ihnen geworden. Nicht spärliche Rinnsale lebendigen Wassers sollen von ihnen ausgehen, sondern „wovon das Herz voll ist, soll der Mund überfließen“ (Matthäus 12,34). Indem der Heilige Geist in das menschliche Personleben eingegangen, kann dies zu einem Mittelpunkt göttlichen Lebens werden, das auf andere übergeht.

Wie oft haben wir es erlebt, daß einfache Leute, die aber geisterfüllte Gottesmenschen waren, mit einer Weisheit und Kraft redeten, die in Erstaunen setzte; augenscheinlich trat es zutage, daß der Geist Gottes sie so beredt machte, wie Petrus am Pfingsttage. Eine innere Erleuchtung ließ sie Dinge aussprechen, die dem natürlichen Denken des Menschen fremd sind, und dazu mit einer Ueberzeugungskraft, die andere mitriß und sie unter die Macht desselben Geistes stellte. Wirkungen traten zutage, die ebenso überweltlich waren, wie der Geist es ist, der sie hervorbrachte. Mit den Künsten menschlicher Beredsamkeit hat dies nichts zu tun; sie sind hinderlich da, wo es sich um göttliche Dinge handelt. Der Heilige Geist wartet auf Menschen, in denen er sich auswirken und die er gebrauchen kann, wie der Geigenkünstler sein Instrument. Das „Noch nicht“ weist hinaus auf den Anbruch einer Zeit, in deren Schoß Verheißungen gelegt sind, die uns in der Bereitschaft finden sollen, von ihnen vollen Gebrauch zu machen. Gott verhelfe uns dazu!

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