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Schlatter, Adolf - Jakobusbrief

Schlatter, Adolf - Jakobusbrief

Kap. 1

Achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet.
Jakobus 1,2

Sie waren eine sieghafte Schar, die, die mit Jesus nach Golgatha gingen und von ihm von Golgatha in die Osterzeit hinübergeführt wurden. Gab es je eine bedrücktere Christenheit als die, die in Jerusalem ausharrte? Gebannt, mit schweigender Verachtung in einen Winkel gedrängt, von den Heiligtümern getrennt, an denen von Jugend an ihre Seele hing, hielten sie aus, obwohl über der nächsten Zukunft eine schwarze Wetterwolke stand, die dem Vorblick auf den Greuel der Verwüstung im Tempel und auf die von den Feinden umringte Stadt, die in der Umklammerung ihrer Feinde ein bitteres Sterben erleiden wird. Dennoch erklomm sie ihren ersten steilen Weg mit dem jubelnden Ruf der Sieger: Haltet es für lauter Freude, wenn euch Versuchung auf Versuchung bestürmt. Ich lebe in geordneten, friedlichen Verhältnissen. Es ballt sich keine Faust gegen mich, und was böse Zungen sagen, versteckt sich heimlich. Doch gibt auch mir und allen unsere Lage an der Versuchung teil. Der Druck der Welt liegt auf uns und die Gefährdung unseres Volkes schmerzt und der Zustand unserer Christenheit lähmt. Man spricht nicht ohne Grund von einer „Krisis unserer Kultur“ und von einer „Krisis in unserer Kirche“.Mitten im lauten Lärm über die Torheit des Glaubens und im starken Wellenschlag einer Strömung, die sich den Geboten Jesu widersetzt, kann sich keiner ohne Anstrengung und ohne Schmerzen gläubig verhalten. So müssen auch wir es wie die Gefährten Jesu lernen, dass Versuchung Freude verschafft, ganze, klare Freude ohne die Beimischung einer Klage. Dass im Kampf Wunden empfangen werden und die Wunden schmerzen, das bleibt unbestritten. Das zeigt die Erfahrung mir wie allen. Allein eine Trübung der Freude entsteht aus diesen Schmerzen nicht. Sie schwebt als der reine Klang der vollen Danksagung über dem Lärm des inwendigen Kampfes. Warum? Die Versuchung, sagt Jakobus, gilt deinem Glauben. Dieser wird erprobt und durch die bestandene Versuchung bewährt. Und glauben können, das ist Freude; denn das ist mein Heil.
Was Du gibst, heiliger Gott, und von uns verlangst, hat das Merkmal der Wahrheit. Vor Dir besteht kein Schein und ein geteiltes Herz hat nicht Dein Wohlgefallen. Darum machst Du aus den Deinen die kämpfende Schar. Deine Gnade hat auch mich zu ihr gesellt. Ich sehe die Gefahr des Kampfes und habe nicht in mir die siegende Kraft. Dein Wort ist mein Halt und Dein Wort beruft mich zur Freude und zum Dank auch für den Kampf. Amen.

So jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich jedermann und rücket es niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.
Jak. 1,5.

Wie ernsthaft es Jakobus daran liegt, daß wir zum Werk, und zwar zum vollendeten, fertig werdenden Werk gelangen, wird an dem besonders sichtbar, was er denen sagt, denen die Weisheit fehlt. Wie können sie handeln, wenn sie keine Weisheit haben? Denn die Weisheit würde ihnen zeigen, was sie zu tun haben, und ließe sie auch die Mittel finden, durch die sie das ihnen gezeigte Ziel erreiche. So scheint es zunächst, mit dem Fehlen der Weisheit sein ihnen das Handeln unmöglich gemacht; sie seien vom Werk entbunden. Jakobus beruhigt sich aber nicht mit dem Gedanken, sie könnten nun einmal nicht mehr und müßten sich in ihr Unvermögen schicken, sondern er zeigt dem, dem die Weisheit fehlt, wie er sie erlangt, wie er sich also von seinem Unvermögen befreien und die Ausrüstung zum richtigen Handeln empfangen kann. Er bitte Gott. So nahe ist uns Gott, daß wir, wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen, von ihm uns erbitten dürfen, daß er uns sichtbar mache, was zu geschehen hat, und unsere Entschlüsse so leite, daß wir das Richtige vollbringen. Diese Verheißung überschreitet das mit dem Glauben uns gegebene Verhältnis zu Gott nicht; denn sie redet nicht von Zeichen, die uns von außen leiten, auch nicht von plötzlich in uns aufleuchtenden Eingebungen. Nichts anderes als das glaubendes Verhalten ist uns hier beschrieben, das wir dann üben, wenn wir nach Gottes erleuchtendem Wirken begehren. Wie es sich in der Bewegung unserer Seele vollzieht, davon weiß der Glaube nichts und er richtet auch keine Forderungen an Gott, sondern wartet auf Gottes Hilfe, die das Unvermögen unserer Seele heilt, und er wartet nicht umsonst.
Wenn deine weise Hand, gnädiger Gott, mich leitet, dann zerfällt das, was ich unternehme, nicht. Ich muß mein Werk von deiner Güte empfangen, damit es mir und anderen heilsam sei, und ich suche es bei dir, der du im Licht wohnst und durch dein Licht unseren Weg hell machst. Amen.

Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand; sondern ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird.
Jakobus 1,13+14

Die Warnung, die uns verbietet, die Schuld an unserem Fall auf Gott zu legen, ist uns dringend nötig; sie ist aber reich an heilender Kraft. Die Neigung, Gott anzuklagen, ficht uns dann an, wenn wir uns zu unserer versuchlichen Lage richtig stellen. Dann erleben wir alle, was Jakobus im ersten Wort seines Briefes sagt, dass Versuchung Freude schafft, sogar wenn sie sich immer wieder erneuert. Dann aber, wenn wir in der Versuchung gefallen sind, vielleicht auch dann, wenn wir zwar noch nicht fielen, aber in einen harten Kampf verwickelt sind, weil sich eine zähe und starke Begehrung dem Gehorsam widersetzt, sind wir rasch bei dem Gedanken, dass die Schuld unseres falschen Schritts nicht auf uns falle, sondern auf Gott. Wir haben uns ja nicht selber in jene Lage versetzt, aus der die Versuchung entstand. Wir wurden in sie hineingeführt und nun war die Versuchung da, unentrinnbar, als Macht, die uns ergriff. Daran können wir nicht zweifeln, dass Gott auch in jenen Stunden, da wir die falschen Schritte taten, mit dabei gewesen ist. Auch im Rückblick auf jene Stunden steht die Gewissheit fest, dass unser Schicksal uns von Gott bereitet ist. Wie nun? Ist nicht Gott damals unser Feind gewesen, unser Verderber, der uns ins Böse stieß? Würde sich dieser Gedanke in uns festsetzen, so hätte uns unser Fall tödlich verwundet. Dann folgte auf ihn kein Aufstehen mehr und die Türe, die zur Umkehr führt, wäre für uns verschlossen. Besinne dich, sagt mir Jakobus, ehe du Gott beschuldigst; wer schuf deine Tat? Nicht die Dinge, nicht die Menschen, auch nicht Gott, meine Begehrung schuf meine Tat. Als ich den falschen Schritt vollzog, war ich der Schreitende. Irgend einen Gewinn wollte ich erhaschen, irgend eine Verletzung meines Wohlseins und meiner Ehre abwehren. Freilich handelte ich gestoßen und gezwungen als Gefangener. Doch das, was mich stieß und zwang, war mein eigenes Begehren. Dieses zerrte an mir und köderte mich und ich glich dem Fischlein, das gierig nach dem Köder schnappt. Aus meiner Lage kam mein Begehren; das war es ja, was sie versuchlich machte. Ich konnte damals nicht hindern, dass der lockende Wunsch in mir entstand. Kam er aber deshalb zu mir, damit ich ihn erfülle? War er mir nicht deshalb gegeben, damit ich ihn entkräfte, entwurzle und zerstöre? Es bewegt sich in mir kein Verlangen, das ohne mich zur Erfüllung kommt. Zur Tat wird meine Begierde erst, wenn sie durch meinen Entschluss bestätigt und durch meine Zustimmung in Kraft verwandelt ist. Nun liegt die Schuld an ihrem richtigen Platz; nun liegt sie auf mir, und weil ich sie als die meine erkenne, ist sie mir vergeben. Lege ich sie dagegen auf Gott, dann hängt sie unvergeben an mir.

Herr, ich preise Deine Gerechtigkeit allein, auch wenn ich an jene Stunden denke, in denen ich mich falsch entschied. Alles würde dunkel, wenn in der Erinnerung an jene dunklen Stunden auch Dein Angesicht mir dunkel würde. Du aber warst auch damals gerecht und mein Unrecht war mein eigenes Werk. Denn ich hörte auf meine Lust und nicht auf Deinen Willen. Dein Werk ist es, dass ich an meinem Sündigen nicht starb, sondern lebe, und in meiner Nacht Dich nicht verlor, sondern zu Dir kommen kann und bei Dir bleiben darf. Das ist Dein göttlich großes Vergeben, Dein väterliches Werk. Amen.

Er hat uns gezeugt nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf dass wir wären Erstlinge seiner Kreaturen.
Jakobus 1,18

Auch dann bestände unser Gottesdienst aus dankender Anbetung, wenn der Name „Kreatur Gottes“ das Letzte und Höchste beschriebe, was uns zugeteilt ist. Es gibt aber noch etwas Größeres als Kreatur zu sein. Dieses Größere hat Jakobus wie die anderen Apostel die Kindschaft Gottes genannt. Heißt er uns Kreatur, so sagt er: unser Dasein besteht mit allem, was es umfasst, durch Gottes Macht. Nennt er uns von Gott geborene Kinder, so sagt er: Gott legt in euer inwendiges, persönliches Leben die Verbundenheit mit Ihm. Das Geschöpf steht in der Abhängigkeit vom Schöpfer, auch wenn es ihn nicht kennt; dagegen kennt das Kind den Vater. Das Geschöpf muss den Willen Gottes tun, auch wenn es ihn nicht kennt und nicht will. Dagegen dient das Kind Gott mit seinem eigenen Willen in eigenem Gehorsam. Deshalb werden wir zu Gottes Kindern durch das Wort der Wahrheit gemacht. Auch das Geschöpf entsteht durch das Wort Gottes; es ist aber nicht zu ihm gesprochen und wird nicht ihm gegeben; denn es wird durch das göttliche Wort erst ins Dasein gestellt. Nun gibt es aber ein Wort Gottes, das sich an uns wendet, uns anspricht, uns vernehmlich wird und sich zu unserem Eigentum macht, und dieses Wort schafft Leben, und zwar von Gott gewirktes Leben, weil das Wort Wahrheit ist. Darum schafft es, was es verheißt, gibt, was es verkündet, und bleibt uns nicht fremd, sondern wurzelt in uns und füllt unser Herz. An das, was sich uns als Wahrheit enthüllt, sind wir mit einem unlöslichen band gebunden. So entsteht durch das Wort auf den weiten Ackerfeld der Schöpfung Gottes Kinderschar als eine Erstlingsfrucht, als ein Vorzeichen für das, was die Vollendung des göttlichen Reichs der Schöpfung bereiten wird. Auf diesen erhabenen Ort hebt uns aber nicht der eigene Wille und die eigene Leistung empor. Das ist nicht der Erfolg unserer Bemühung, wie wir auch nicht durch unsere Anstrengung geschaffen sind. Gottes Wille macht, dass es Kinder Gottes gibt; denn Gottes Wille bewirkt, dass das Wort der Wahrheit zu uns kommt und uns mit seiner Kraft beschenkt, die uns das Leben gibt.
Was ich, Vater, als Dein Geschöpf habe, zeigt Deine Herrlichkeit, und was Du mir durch Dein Wort schenkst, verklärt Deinen Namen mit neuem Glanz. Es ist das Geschenk Deines Wortes und Deines Geistes, dass wir dich Vater nennen, und weil Du mir Kindesrecht und Kindespflicht gegeben hast, bitte ich Dich: erhalte mich Tag und Nacht auf Deinen Wegen und in Deinem Gebot. Amen.

So sich jemand unter euch lässt dünken, er diene Gott; und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführt sein Herz, dessen Gottesdienst ist eitel.
Jakobus 1,26

Du bist zum Bild Gottes gemacht, sagt Jakobus; das macht aus dir den Herrn, der herrscht und herrschen soll. Was soll ich beherrschen? Das erste und wichtigste Gebiet, an dem du deine Herrschaft ausüben sollst, sagt Jakobus, ist dein Wort. Rennt dein Wort davon ohne Zügel, wo bleibt deine Herrschermacht? Wo bleibt dein Gottesdienst? Er spricht nicht von der Leerheit unserer Rede, dass wir sie zum Geschwätz entstellen, noch weniger von Lügen, Verleumdungen, Bosheit und Hass. Er macht mir meine Pflicht größer. Die Zunge ohne Zügel, das Wort ohne Leitung, die Rede, die nicht beherrscht ist, heißt er unverträglich mit Frömmigkeit, das sichere Wahrzeichen, dass der Mensch nicht Gott gehorsam geworden ist. Hat er Gottes Gesetz im Herzen, so verfährt er nicht mehr leichtsinnig mit seinem Wort und lässt es nicht sprudeln, wie es sich eben trifft. Dann weiß er sich für sein Wort verantwortlich, hält über ihm Wacht und handhabt es als das kostbare und wirksame Werkzeug, mit dem er Gottes Willen tut. Springt das Wort ohne Zügel von den Lippen, ziellos, tändelnd, der Wahrheit nicht unterworfen und nicht an die Liebe gebunden, bringt es nicht nur in den anderen unheilvolle Wirkungen hervor, sondern bereitet auch mir selbst eine schwere Gefahr. Gegen eine zuchtlose Frömmigkeit, bei der es nicht darauf ankommt, was wir sagen, erhebt das Herz seine Einrede. Es bangt vor den Folgen unserer Worte und begehrt nach Wahrheit, die der zuchtlosen Rede fehlt. Nun kommt es dazu, dass wir unser Herz betrügen. Wir ersticken sein Warnen und füllen es mit Einbildung. Es ist ein seltsamer Vorgang, wenn ein Mensch sich selbst hintergeht und sich selbst beschwindelt. Allein das Wort des Jakobus stammt aus wacher Beobachtung und reicher Erfahrung. Wie oft üben wir diese Kunst, unser Herz zu betrügen! Der echte Gottesdienst, der Gott vor Augen hat, macht nicht nur unseren Verkehr mit den anderen, sondern auch unser Gespräch mit unserem Herzen wahr.
Schreibe mir Dein Gesetz, Herr, Gott, in mein Herz; dann regiert es auch meine Lippen und füllt sie mit Deiner Güte und mit Deiner Wahrheit, dass sie Dir dienen. Amen.

Kap. 2

Haltet nicht dafür, dass der Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, Ansehen der Person leide.
Jakobus 2,1

Woher rührt der Streit zwischen der Christenheit und Jakobus? Denn hier besteht Streit, da die Christenheit beharrlich sagt, die Weise, wie sie Gunst und Ungunst, Bevorzugung und Zurücksetzung austeile, habe mit dem Glauben an Jesus nichts zu tun; sie halte das Evangelium im Glauben fest, auch wenn sie das macht, was Jakobus verwirft und den Reichen wegen seines Kleids ehrt, den Armen dagegen wegen seines Kleides missachtet. Dieser Streit entsteht daraus, dass Jakobus und die Christenheit nicht an denselben Vorgang denken, wenn sie vom Glauben sprechen. Die Christenheit heißt sich gläubig, weil sie das Evangelium gehört hat und kennt. Wenn ich damit zufrieden bin, dass ich den christlichen Unterricht erhielt und durch ihn erfahren habe, wie die Geschichte Jesu sich zutrug und was seine Botschaft uns sagt, dann wird freilich mein Verkehr mit den Menschen von meinem Glauben nicht berührt und ich kann ihnen meine Gunst und Ungunst zuwenden, wie es mir beliebt; dann werde ich den Maßstab, nach dem ich sie schätze, aus meiner natürlichen, somit eigensüchtigen Begehrung schöpfen. Dagegen hat Jakobus nicht nur sein Wissen, sondern sich selber durch den Glauben in den Willen Jesu ergeben und im Glauben nicht nur Erinnerungen an Jesus in sich aufgenommen, sondern sich mit allem, was er ist und tut, unter den Herrn der Herrlichkeit gestellt. Ihm macht es daher der Glaube unmöglich, dass er den Menschen nach seinem Besitz beurteile, um die Gunst des Reichen werbe und jemand wegen seines mangelhaften Rocks verachte; denn Jesus, dem er glaubt, hat auf der Erde nicht das Geld, sondern den Menschen gesucht. Damit ist jene Härte für ihn vergangen und wird als Sünde von ihm gerichtet, mit der wir den Armen ehrlos machen und den Reichen durch unsere Verehrung in seiner Gottlosigkeit bestärken. Denn Jesus, an den er glaubt, ist barmherzig und offenbart Gottes gnädige Gerechtigkeit, die aller Gottlosigkeit widersteht und gütig in jeden Mangel ihre Gabe legt. Wenn mich der Glaube mit allem, was ich bin, mit meinem Denken, Wollen und Tun, unter die Herrschaft Jesu stellt, dann ist sonnenklar, dass das, was ich den Menschen gebe oder versage, meinen Glauben unmittelbar berührt und ihm entweder widerstreitet oder ihm gehorcht.
Du gibst mir, gnädiger Gott, den Glauben nicht, damit ich ihn einsperre und unfruchtbar mache, sondern damit ich im Glauben so handle, wie es Dein Wille mir zeigt und Deine Gnade mir gibt. Ich danke Dir, dass ich keinen Menschen verachten darf und Größeres an ihm ehren soll als seinen Besitz. Stelle mich ganz und in allen Dingen in den Dienst Deiner seligen Gerechtigkeit. Amen (Adolf Schlatter).

Was hilft es, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen?
Jakobus 2,14

Dass ich sage, ich habe Glauben, das ist unmöglich die Hilfe, die mich von der Sünde, Schuld und Strafe befreit. Wie könnte das, was ich sage, meine Rettung sein? Nicht dass ich sage, ich habe Glauben, sondern dass ich glaube, das rettet mich, stellt mich in Gottes Frieden, bringt mir Gottes Gnade und ist meine Gerechtigkeit vor Gott. Habe ich Glauben, so sage ich auch, dass ich ihn habe. Der Glaube erzeugt das Bekenntnis und wäre nicht vorhanden, wenn er es nicht schüfe. Wenn ich nicht einmal reden mag, wie soll ich denn im Glauben handeln? Darum hat das Bekenntnis dieselbe Verheißung wie unser Glaube. Denn das Bekenntnis ist des Glaubens erste Frucht. Er schenkt mir das antwortende Wort, das zur Botschaft Gottes die Danksagung fügt und aus seiner Verheißung meine Bitte macht. Ich kann vor Gott nicht stumm bleiben, wenn ich glaube. Durch Glauben beten wir, sagt Jakobus. Und der Glaube gibt mir auch im Verkehr mit den Menschen das Wort. Ich glaube, darum rede ich, sagt Paulus. Habe ich aber damit Gottes Gnade schon ganz beschrieben? Gäbe mir der Glaube bloß Worte, dann freilich wäre mir schon damit geholfen, dass ich sage, ich habe Glauben. Aber das ist ein finsterer Gedanke. Bin ich denn nur ein Denker und Redner? Gott hat mir Leben gegeben und das bedeutet, er hat in mich einen Willen gepflanzt, der handeln kann, aber auch handeln muss nach unzerbrechlicher Notwendigkeit. Das gilt für meinen Verkehr mit Gott und ebenso für mein Verhältnis zu den Menschen. Der Dienst Gottes ist Tat und unsere Gemeinschaft miteinander entsteht durch das, was wir einander tun. Wenn ich nun keine Werke habe, nichts tue, also auch das nicht tue, was Gott von mir will, so ist das nicht Rettung, sondern Sünde und Tod. Es ist unmöglich, dass ich nichts tue; wenn ich nicht den Willen Gottes tue, so entsteht mein Werk aus meiner Eigensucht, ist also gottlos und Unheil für die anderen. Nun brauche ich aber die Warnung des Jakobus dringend; denn es ist süß, auf nichts anderes zu schauen als auf Gottes Werk und alles in die stille Ruhe zu versenken, die ich habe, weil ich in Gott geborgen bin. Das Werk stellt sich neben dem Glauben immer als schwer dar; es ist Kampf, entsteht durch Selbstüberwindung und bringt mich in die gefährliche Nähe der Welt. Aber die träge und selbstsüchtige Art unseres Herzens darf mich nicht täuschen. Daran darf ich keinen Zweifel hängen, dass ich handeln muss, und soll Gott danken, dass ich als der Glaubende handeln kann, so dass mein Werk nicht Schuld und Unheil ist, sondern den Willen Gottes tut.

Was Du, gnädiger Gott, für uns und an uns tust, das braucht keine Hilfe und Ergänzung. Mein Werk ist nicht der Grund Deiner Gnade. Sie hat in Dir ihren Grund und ist vollkommen wie Du. Deshalb glauben wir Dir, und glauben nicht an uns und unser Werk. Du gibst aber Deine Gnade mir in meiner Lage und meinem Beruf und hast mich mit Arbeit beschenkt. Ich würfe Deine Gnade weg, wenn ich sie nicht täte. O gib mir, Vater, die warme, starke, freudige Liebe, die Dir gehorcht. Amen.

Kap. 4

Wohlan, die ihr nun sagt: Heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt und wollen ein Jahr da liegen und hantieren und gewinnen; die ihr nicht wisst, was morgen sein wird. Denn was ist euer Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit währt, darnach aber verschwindet er. Dafür sollt ihr sagen: So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das tun. Nun aber rühmt ihr euch in eurem Hochmut. Aller solcher Ruhm ist böse. Denn wer da weiß, Gutes zu tun und tut es nicht, dem ist es Sünde.
Jakobus 4,13–17

Das Wort des Jakobus, das den jüdischen Händler beschreibt, zeigt uns unsere „Kultur“ in ihren Anfängen. Fern von seiner Heimat war der Jude beweglich geworden und nirgends mehr an die Scholle gebunden. Der jüdische Kaufmann war nirgends fest angesessen. Den Entschluss, mit dem er über seinen Wohnort verfügt, zieht er aus den Möglichkeiten des Gewinns und braucht für seine Unternehmungen nicht nur kurze Fristen, sondern rechnet mit Jahren. Dieser Methode, das Leben einzurichten, hält Jakobus zuerst das Missverhältnis vor, in dem sie zur Flüchtigkeit unseres Lebens steht. Aus der Leidenschaftlichkeit des Erwerbens entsteht die Überspannung der Pläne, die die menschliche Gebrechlichkeit vergisst. Das ergibt den aufgedunsenen Menschen, der die natürlichen Bedingungen seines Lebens abzustreifen versucht, und diesen Versuch kann er nur deshalb machen, weil er gottlos geworden ist und sich die Allgewalt des göttlichen Willens verbirgt. Es entsteht aber aus dieser Betriebsamkeit noch ein tieferer Schaden. Wäre es nur das, dass diese kühnen Pläne an der menschlichen Vergänglichkeit scheitern! Es steht aber neben jener Rüstigkeit, die zum Erwerben auch die lange Wanderung nicht scheut, die träge Lässigkeit, das Gute zu tun, obwohl es von uns getan werden kann, und dieses Versagen ist Sünde, und ist es umso mehr, wenn neben ihr die kraftvolle Anstrengung steht, zu der der Gewinn uns munter macht. Dem, der nicht weiß, was das Gute ist und wie er es tun kann, weil es ihm an Weisheit fehlt, sagt Jakobus: er bitte Gott, der ihm zeigen wird, was das Gute ist. Ist es uns aber sichtbar und in unser Vermögen hineingerückt, so sind wir verpflichtet, und wenn es dennoch ungetan bleibt, so ist es Schuld. Nun wurde ein großes Geschenk Gottes, eben dies, dass er uns das Gute zeigte, von uns abgelehnt.
Wenn Du willst, Herr, lebe ich, und wenn Du willst, trägt meine Arbeit Frucht. In den natürlichen Dingen muss ich oft warten, bis sich Dein Wille zeigt. Wenn Du mir aber Gutes darreichst, das ich tun kann, dann weiß ich, was Du willst, und habe ein großes Geschenk Deiner Gnade empfangen. Ich will es gern empfangen. Amen.

Kap. 5

Wer den Sünder bekehrt hat von dem Irrtum seines Weges, der wird seiner Seele vom Tode helfen und wird bedecken die Menge der Sünden.
Jak. 5,20.

Heilsgewißheit, Gewißheit der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens, ist eine große Gabe. Du kannst sie haben, sagt Jakobus, ich zeige dir, wie der Tod für dich vergeht und die Menge der Sünden bedeckt wird. Dort ist der Bruder; er irrt. Ratlos stürmt er durch das Leben. Ihm leuchtet keine Wahrheit und nichts schützt ihn vor tiefem Fall. Hole ihn zurück auf Gottes Weg. Mache ihn frei von dem, was ihn blendet, und löse seine Fesseln. Er ist in Gefahr, rette ihn und dann sei gewiß: du hast deine Seele vom Tod errettet und die Menge deiner Sünde ist bedeckt. Gott läßt den nicht sterben, der den anderen vom Tod rettet, und rechnet dem die Sünden nicht an, der den anderen vom Sündigen befreit. Ist dieser Weg nicht schwer und ungewiß? Wird es mir möglich sein, einem anderen zu helfen, und weiß ich, ob ihm wirklich geholfen ist? Ich hätte lieber, daß Jakobus mich tröstete, statt daß er mich zum Dienst beruft. Finde ich nicht das, was Jakobus mir verspricht, auch schon im Sakrament, in der Beichte, die mir die Vergebung verkündigt, in der Taufe, die mich unter die Versöhnung bringt, die Jesus uns erworben hat, im Abendmahl, bei dem uns Jesus Gottes Vergeben schenkt? Gewiß bedarf ich die Sakramente, die mir Gottes gnädigen Willen zeigen. Hätte Jakobus sie nicht gekannt, woher nähme er dann die Verheißung: er wird die Menge der Sünden bedecken? Sicherlich brauche ich Trost; denn Schuld schmerzt und Sünde macht leiden und dem, der leidet, ist der Trost süß. Allein solch banges Fragen und Zweifeln ist doch nur das Zucken meines kranken Herzens. Jesus hat mir sein Sakrament nicht dazu gegeben, damit es ohne Frucht und Wirkung sei, und es bleibt ohne seine heilsame Wirkung, wenn ich aus ihm nur Trost für mich gewinne, der mich labt. Wie kann ich am irrenden und sündigenden Bruder achtlos vorübergehen, wenn ich weiß, was Jesus für uns hingegeben hat, und erfasse, wozu er sein Kreuz trug? Wenn mich sein Sakrament unbarmherzig macht, habe ich es mißbraucht. Sieh doch die Menschen um dich her an; sind sie nicht Irrende und Sterbende? Damit ich ihnen die Gnade Jesu zeige, dazu hat er sie mir gezeigt. Wenn ich aber das kann und die Kraft habe, ihnen Gottes Gnade so sichtbar zu machen, daß sie ihnen faßlich wird, dann ist sie auch mein Besitz.
Ich könnte, Herr Gott, nicht so groß von dem denken, was du mir anvertraut hast, wenn es nicht dein Wort mir sagte. Ohne den starken Ruf deines Worts bliebe ich an mir selber hängen und dächte einzig an meine Not und an mein Heil. Nun aber legt mir dein Wort die Bitte in die Seele: brauche mich nach dem Willen deiner Gnade für die, die im Dunkeln sind. Amen.

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