Schlatter, Adolf - Andachten - Februar

Schlatter, Adolf - Andachten - Februar

1. Februar

Johannes sieht Jesus zu ihm kommen und spricht: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. “
Johannes 1,29

Dem, was der Täufer über Jesus sage, hat Jesus nicht widersprochen. Das war er und er war es mit ganzem Herzen, das für Gott geheiligte und zu Gottes Eigentum gemachte Lamm. Jesus kannte nichts Größeres, keinen herrlicheren Beruf. Das für Gott geweihte Lamm kam an jedem Morgen und an jedem Abend auf den Altar und dagegen, dass er zum Altar gebracht werde, hat sich Jesus nie gesträubt. Im Leben und im Tod mit Seele und Leib gehört er dem Vater ganz. Das täglich geopferte Lamm war der Trost Israels; denn es zeigte ihm Gottes Vergebung und nahm seine Schuld von ihm weg. Darum war am frühen Morgen, wenn das Lamm auf den Altar gebracht wurde, immer auch eine betende Gemeinde im Tempel, die dankend Gottes vergebende Güte pries. Bedurfte nur Israel ein Lamm, das seine Schuld wegtrug und es von der Last seiner Sünde befreite? Was im Tempel geschah, zeigte der Welt, was sie nötig hat. Die Welt, das ist die Menschheit, wie sie immer und überall ist, die Menschheit, die ein gemeinsames Schicksal hat und eine alte bedrückende Not. Bisher sprach das Lamm Gottes nur zu Israel von Gottes Gnade. Nun aber ist die Stunde des Heils gekommen, in der sich Gottes Gnade für jeden, der Mensch ist, offenbart. Nun wird die Schuld der Welt begraben. Hier ist er, sagte der Täufer, der das kann, und Jesus widerspricht ihm nicht, sondern antwortet in der Vollmacht Gottes: Ja, ich bin da und heilige mich für euch alle und nehme von euch allen weg, was eure Seele euch bereitet hat.

Was Welt ist, lieber Vater, das sehe ich, und was die Sünde der Welt ist, ist mir nicht völlig verborgen. Offenbar und gewiss ist mir, dass niemand die Sünde der Welt wegnehmen kann als Du allein. Nun zeigt mir Dein Wort den, der dein eigen ist, den Du dazu gabst, damit er die Schuld der Welt auslösche. Das ist ein Wunder über alles Begreifen hinaus. Es ist aber ein fröhlich Ding, diesem Deinem Wort zu glauben. Dazu hilf mir, lieber Herr. Amen.

2. Februar

Wir bitten an Christi Statt: lasst euch versöhnen mit Gott.
2. Korinther 5,20

Wie sollte ich die Aufforderung: sei mir Gott versöhnt, nicht hören? Hat es denn Verstand, mit Gott zu streiten? Will ich stärker sein als Er, will ich Ihn besiegen? Versöhnt mit Gott, das ist nicht nur das Ende unseres Elends, das ist der Aufstieg in die Kraft und Herrlichkeit. In Gottes Frieden leben als Gottes Freund, du kannst, Herz, nichts Größeres verlangen. Aber es klingt so unglaublich, so übermenschlich, dass wir versöhnt sein könnten mit Gott, und daran erkennen wir, wie nötig uns die Versöhnung mit Gott ist, dass wir wirklich gegen ihn sind, in der Tat ihn fliehen, fürchten und mit Ihm hadern. Wir verspüren alle in uns die Lust, uns für die große und laute Schar anwerben zu lassen, die ruft: Gott ist tot, der Gott der Patriarchen und Propheten, der Gott und Vater Jesu, der Gott der Christenheit; einst glaubten sie an ihn und meinten, sie hätten Sein Wort gehört und Seine Werke geschaut; doch nun ist dies alles in die Vergangenheit hinabgesunken. Vor diese Schar tritt Paulus und sagt ihr: ihr streitet gegen Gott und wünscht, er sei verschwunden: lasst euch versöhnen mit Ihm. Dazu zeigt er uns Jesus am Kreuz; dort, sagt er, hat Gott dich mit Sich versöhnt. In den Frieden mit Gott kann ich aber nur gelangen, wenn mein boshafter Wille stirbt. Sich mit Ihm versöhnen heißt, der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit entrinnen; denn mit dieser versöhnt sich Gott nicht. Kann ich lassen, was vor Gott verwerflich ist? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus,, wie Er sein Kreuz trögt. Er ist der Sünde wegen gestorben, damit deine Sünde tot sei, weil er lebt und dich im Glauben unter seine Macht und Wirkung stellt. Bekehren kann ich mich nicht, wenn mir nicht Vergebung gewährt ist. Steht meine Schuld vor Gott mit ihrer mich verklagender Macht, was hilft mir dann all mein frommes Bemühen? Sieh Jesus an, sagt Paulus, an seinem Kreuz; dort siehst du den, der vergibt. Denn dazu hat er das Kreuz getragen, damit er dir vergeben kann. Ich kann aber nur dann im Frieden mit Gott leben, wenn ich mich in seine Regierung ergebe und willig leide, was mich beengt und plagt. Wie soll ich leiden und sterben, ohne dass daraus ein Aufruhr gegen den entsteht, der mich ins Leiden stellt? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus, wie Er gelitten hat. Er litt und pries den Vater und machte aus der Gottverlassenheit die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit. Bist du nun versöhnt mit Gott?

Der Tatbeweis dafür, dass Gott uns verzeiht, bist Du, Herr Jesus Christ. Unsere Sünde und Schande, unser Leiden und Sterben nahmst Du auf in Dein Werk und hast es in Segen verwandelt. So hast Du an das Licht gebracht, was mit uns geschieht, weil Gott uns vergibt. So vergib mir alles, was sich in mir gegen Dich sträubt und den Unfrieden meiner Seele offenbart, damit ich es erfasse und bewahre, dass ich versöhnt bin mit Dir. Amen.

3. Februar

Ich hielt mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch ohne allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.
1. Korinther 2,2

Den Glanz des großen Denkers und des hinreißenden Redners tat Paulus mit bewusstem Entschluss auf die Seite, obwohl er ihn leicht erreicht hätte. In Korinth hat er seine Wirksamkeit unter die Regel gestellt: Ich weiß nur eines, dieses weiß ich aber mit gesicherter Gewissheit, und dieses eine ist, dass der Christus gekommen und dass er gekreuzigt worden ist. Wenn wir unser Denken anspornen, dass es in die Weite fährt, oder uns dem künstlerischen Trieb hingeben, überschreiten wir immer die Grenzen unseres Wissens. Jeder Philosoph hat unvermeidlich viel mehr gesagt als er wusste, und die Redner erliegen derselben Gefahr. Sowie wir aus unserer Erkenntnis etwas Ganzes machen wollen, füllen wir ihre Lücken mit unseren Vermutungen aus, erfinden zu dem, was uns gezeigt ist, Hintergründe und begleiten das, was geschieht, in seine verborgenen Anfänge. Das verschafft uns aber nicht mehr ein Wissen, sondern stellt uns zur Schar der Dichtenden. Paulus dagegen entschloss sich, streng bei dem zu bleiben, was er wusste. Denn sein Ziel war, in seinen Hörern Glauben zu erwecken. Zum Glauben gelangen wir nur durch eine Wahrnehmung, die uns Gewissheit gibt. Wer in der bunten Fülle seiner Gedanken glänzt und sie mit dichterischer Kraft verschönt, wird Bewunderung ernten, den Menschen aber nicht da fassen, wo die Entscheidung über sein ganzes Denken und Wollen erfolgt. Soll ich fürchten, Paulus mache sein Evangelium eng und klein, wenn es nur aus dem Einen bestehen soll, was Er weiß? Christus kennen, das ist nichts Enges, das ist die gewusste Gnade Gottes in ihrer alles neu machenden Größe, und nun erst noch wissen, dass Christus des Kreuz getragen hat, das ist ein Lichtquell, der alles beleuchtet. Nun weiß ich, was Gerechtigkeit und was Gnade ist, weiß, was Sünde und was Vergebung ist, weiß, was Gehorsam und was Liebe ist. Welch ein Reichtum von Erkenntnissen ist mir damit geschenkt! Sie sind so reich, dass mir durch sie die Kraft und die Pflicht zum Glauben gegeben sind.

Deine Weisheit, Herr Gott, reicht uns dar, was uns heilsam ist. Ich erkenne mit großem Dank, wie Deine Hand befestigt, was in uns schwankt. Den eitlen Drang, der ins Geheimnis führt, bändigst Du. Die Unruhe, die da nicht stille stehen will, wo Du Dich offenbarst, nimmst Du uns weg, und heilst das trübe Auge, das sich nicht zum Kreuze unseres Herrn erheben mag. Du gibst uns die Gewissheit, die uns trägt, das Ziel, das uns bewegt, die Kraft, die Dir uns unterwirft. Amen.

4. Februar

Nicht, dass du mich hättest gerufen, Jakob, oder dass du um mich gearbeitet hättest, Israel. Mir zwar hast du nicht gebracht Schafe deines Brandopfers, noch mich geehrt mit deinen Opfern. Mich hat deines Dienstes nicht gelüstet im Speisopfer, habe auch nicht Lust an deiner Arbeit im Weihrauch. Mir hast du nicht um Geld Kalmus gekauft. Mich hast du mit den Fetten deiner Opfer nicht gefüllt. Ja, mir hast du Arbeit gemacht in deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Ja, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.
Jesaja 43,22–25

Auch aus der tiefsten Not entsteht Segen und das harte Gericht, das den ganzen Bestand Israels zerbrach, macht die Größe der göttlichen Gnade erkennbar. Im Elend Babyloniens hörte für den Juden jede Möglichkeit auf, sich um Gott verdient zu machen. Es gab keinen Tempel mehr, der geschmückt werden konnte, keinen Altar mehr, der sich mit reichen Gaben anfüllen ließ. Zu irgendeiner Leistung, die als Gott geleisteter Dienst gewertet werden konnte, fehlte jede Möglichkeit. Aus der Lage des Volkes erwuchs ihm nur immer neue Demütigung, nur Grund, sich zu schämen, nur die Nötigung zur Reue. Wie soll dieses zertretene, machtlose, in das tiefste Elend hinabgestossene, als schuldig verworfene und gerichtete Volk noch der Zeuge Gottes sein? „Mein Name wird euretwegen geschmäht“, sagte der Prophet. Aber gerade diese Lage gibt dem göttlichen Wort einen besonders hellen Glanz und macht Gottes Willen offenbar. Nun kommt seine Barmherzigkeit ans Licht und es ist allen sichtbar: Hier handelt Gott um seiner Güte willen. Er verzeiht; warum tut er es? Weil er gnädig ist. Er erlöst; weshalb? Weil er Gott ist, euer Gott. Nun lernt Israel das, was wir Menschen schwer lernen, nicht sich rühmen, nicht seine Verdienste zählen, nicht seinen Gottesdienst preisen. Jetzt hört jene Versündigung auf, die dadurch entsteht, dass wir Gottes Güte durch unsere Gaben erwecken und seine Hilfe durch unser Werk begründen. Nun lernt Israel glauben. Nachdem ihm alles genommen ward, was es selber hatte, nimmt er wahr, dass es Gott hat, und lernt ahnen, was das bedeutet, Gott für sich zu haben.

Wenn ich vor Dir, Herr Gott, stehe, dann will ich mich ganz in den Anblick Deiner Gnade versenken. Mögen sich meine Tage mit redlicher Arbeit füllen, die nach Deinem Willen geschieht, und ich will meinen Fleiß in sie legen und gesammelte Kraft. Aber vor Dir, Vater, gilt nicht mein Opfern und Räuchern, nicht mein Wollen und Laufen, sondern Deine Gnade, die alles gibt, und Deine Ehre, die ewig leuchtet. Amen.

5. Februar

Saul fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“
Apostelgeschichte 9,4

Du siehst, sagte Jesus zu Paulus, in mir deinen Feind und willst mich vertreiben. Warum tust du das? Früher war Paulus beredt, wenn diese Frage an ihn gerichtet wurde. Zwingende Gründe in Menge hatte er in der Hand, um sein Urteil zu rechtfertigen, das die Vernichtung der Christenheit verlangte. War nicht das Kreuz Jesu Beweis genug, dass er von Gott verlassen und gerichtet starb? Sollte er einem Weib wie Maria Magdalena glaube, dass Jesus auferstanden sei? Warum blieb er denn jetzt unsichtbar? Scheiterte nicht die christliche Botschaft an der Schrift, die den König verhieß, der in Gottes Macht regiert und, wenn ihn Gott dem Volk gegeben hat, bei ihm bleibt? War nicht das Wort Jesu eine kindliche Rede neben der Gelehrsamkeit, die in den Lehrsälen Jerusalems zu finden war? War denn Jesus allein vom Geist Gottes erfüllt und ganz Israel von Gott verlassen und alle seine Gerechten verblendet und gestürzt? War denn Petrus imstande, der Fels zu sein, auf dem das Haus Gottes aufgebaut wurde? Früher wusste Paulus, was er zu sagen hatte, wenn er gefragt wurde, warum er Jesus verfolgte. Aber nun verstummte er und alle seine sicheren Gründe waren verschwunden. Denn er sah Jesus, und was er an Ihm sah, war Gottes Herrlichkeit. Jeder von uns kann sich die Gründe wiederholen, die einst für Paulus Bedeutung hatten, und sie können auch für ihn Gewicht besitzen. Aber es gibt auch für uns Stunden, in denen wir verstummen, wenn die Frage vor uns steht: warum verfolgst du mich? Siehst du nicht Gottes Herrlichkeit an mir, in meinem Kreuz den vollendeten Gehorsam, der Gott ehrt, in meinem Bergeben Gottes Gnade, die dir verzeiht, in meinem verklärten Leben Gottes Verheißung, die auch über deinem Leben leuchtet? Wenn wir aber Gottes Herrlichkeit an Ihm sehen, dann zerfallen alle Gründe und an die Stelle der verstummten Gründe tritt der Glaube, der nun sagt: was willst Du, Herr, dass ich tun soll?

Du, Herr, beschirmst Deine Schar. Sie steht auf dem Kampfplatz und wäre wehrlos, wenn Du Dich nicht zu ihr bekennst. Aber weil es Gott je und je wohlgefällt, Dich und uns zu offenbaren, darum kann Deine Gemeinde nicht verschwinden und Dein Wort nicht sterben. Gib mir, dass ich es mir und anderen nach Deinem Willen sage. Amen.

6. Februar

Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war, welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.
Philipper 2,5–8

Auch den ersten Gemeinden wurde es schwer, beisammen zu bleiben. Ihre Gemeinschaft stand nicht auf einem natürlichen, volkstümlichen Boden und war nicht durch ein Gesetz zusammengebunden. Ihr Grund war einzig Christus und seine gebende Gnade. Die Gemeinschaft verlangt aber von uns die Entsagung. Jeder muss dem anderen Platz gönnen und sich selbst beschränken, jeder zum anderen kommen und sich selbst vergessen. Wenn jeder spricht und keiner hört, jeder regiert und keiner gehorcht, jeder für seine Ehre kämpft und sie nicht auch den anderen gibt, dann ist die Gemeinde zerrissen. Dennoch, obwohl die Gemeinschaft, die uns Jesus bereitet, den natürlichen Willen des Menschen gegen sich hat, ist sie fest begründet. Denn das, was sie gefährdet, vergeht, wenn wir auf Jesus sehen. Er zeigt uns die Entsagung, ohne die es keine Gemeinschaft gibt, in einer Herrlichkeit, mit der das, was innerhalb der Gemeinde geschehen muss, nicht vergleichbar ist. Die Gestalt Gottes und die Gestalt des Knechtes und Menschen sind durch eine gewaltige Entfernung voneinander getrennt. Jesus einigt aber beides in sich. Als der Sohn ist er in Gottes Gestalt, also Herr, der spricht und es geschieht, der gebietet und es wird ihm gehorcht. Er nahm aber die Gestalt des Knechtes an, der keinen eigenen Willen und kein Eigentum hat, dem nichts gehört und der nichts für sich erwirbt, sondern gehorcht und dient. Die Knechtsgestalt trug er, weil er die des Menschen an sich nahm, denn für den Menschen ist es die richtige Lebensform, dass er der Knecht Gottes sei. Aber nicht nur das zeigt Jesus der Gemeinde, wie man sich entäußert und erniedrigt, sondern auch, dass die Erniedrigung zur Erhöhung führt. Weil Jesus die Knechtsgestalt trug und das menschliche Leben bis zum Tod erlitt, hat ihn Gott zum Herrn über alles erhöht. Auch in der Gemeinde wird jeder, der sich um der anderen willen beschränkt, erniedrigt und gehorsam wird, erfahren, dass seine Erniedrigung ihn zur Erhöhung führt. Ist auch das, was er zu leisten hat, nur klein, so hat es doch die Segensmacht des Gott dargebrachten Dienstes bei sich und der Gehorsam, mit dem er auf seinen eigenen Willen verzichtet, wird zum heiligen Opfer, mit dem er in der Nachfolge und Gemeinschaft Jesu bleibt.

Zu Dir trete ich, dem Sohn, der Knecht war, dem Herrn, der gehorchte, dem Fürsten des Lebens, der getötet ward, damit ich in Deinem Licht erkenne, wie eigensüchtig ich bin, und damit ich Dir nicht widerstrebe, sondern willig diene, wenn Du unter uns Deine Gemeinde baust. Amen.

7. Februar

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Matthäus 11,28

Wie ein schwerer Stein kann die Erinnerung an Gott auf unsere Seele fallen, so dass sie uns zur Last wird, die wir mühsam und keuchend schleppen. Auch für viele, die sich zur Kirche halten, ist ihr Anteil an ihr eine drückende Bürde, die man tragen muss, weil man sie nicht entbehren kann, aber nur mühsam trägt. Was würde aus dem Menschen, was würde aus unserem Volk, wenn es keine Religion mehr gäbe? Davor erschrickt man; aber schwer bleibt es doch, fromm zu sein, schwer, richtige Busse zu tun, schwer, mit Gott ins Reine zu kommen. Aus solchem Druck kann angestrengte Arbeit entstehen, die sich entschlossen und ernsthaft um die Erreichung des religiösen Ziels bemüht. In der Gemeinde, in der Jesus stand, waren solche „Arbeitende“ und „Lastträger“ zahlreich vorhanden. Weil sie im Aufblick zu Gott einzig an sein Gesetz dachten, bekam ihr Gottesdienst leicht Ähnlichkeit mit dem, was der Lastträger tut. Mich selber fromm zu machen ist freilich ein hartes Geschäft, das immer von neuem anfängt und nicht zum Ziele kommt. Kommt zu mir, sagt Jesus allen, die sich mit ihren religiösen Pflichten abmühen, allen, die nach Gerechtigkeit ringen und bei diesem Bemühen scheitern, allen, deren Frömmigkeit ein Suchen nach Gott blieb, das nicht zum Frieden kam. Bei ihm sehen wir eine andere Frömmigkeit als die der atemlos Arbeitenden, als die der Lastträger. Was Gott dem Volk verhieß, als er ihm den Sabbat gab, das war Jesu Eigentum. Er ruht und sein Ruhm gibt nicht nur der Hand, sondern der Seele die Ruhe. Was hilft es, wenn die Hände ruhen und die Gedanken toben und die Begehrung fiebert und das Herz mit wildem Stoß sich selbst bekämpft? Arbeitete denn Jesus nicht? Ich wirke, sagte er, denn der Vater wirkt. Trug er keine Last? Gottes Lamm trug die Sünde der Welt und trug sie an das Kreuz. Das zieht ihn aber nicht aus seiner Ruhe heraus; er hat sie in seinem Wirken und seinem Leiden. Was hat diesen völligen Unterschied hervorgebracht? In der mühseligen und belasteten Frömmigkeit beschaut der Mensch sich selbst, beschäftigt sich mit sich selbst und bleibt immer bei sich selbst. Bei Jesus wird Gott sichtbar und seine Gnade tut ihr Werk. Wenn Gott erscheint, entsteht Stille. Nun ruhen wir.

Weil ich mich oft mit mir selber beschäftige und plage und unter dem, was ich tun soll, müde und wund werde, höre ich, o Herr, mit tausend Freuden auf Deinen Ruf; Komm zu mir, die Ruhe findest du bei Mir. An der Herrlichkeit Deiner Sohnschaft Gottes sehe ich, was auch mir die Ruhe gibt. Amen.

8. Februar

Der Zöllner stand von ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: „Gott sei mir Sünder gnädig. “ Ich sage euch: dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus vor jenem.
Lukas 18,13+14

Wenn wir uns in unserer frommen Haltung wohlgefallen, kann uns der Gedanke anfechten, Jesus habe hier den Weg, der zur Gerechtigkeit vor Gott führt, breit gemacht, da er den schmerzhaften Rückblick auf das Finster, was geschehen ist, und das kurze Gebetlein, das Gott die Verschuldung gesteht, mit dem Freispruch beantwortet hat, der aus dem Bereuenden den Gerechtfertigten macht. Aber der Gedanke, das sei ein leichter Weg zu Gott, wäre falsch; hier hat vielmehr Gottes schwerer Schlag einen Menschen getroffen und ihn mit Wucht zerbrochen. Bis der Geschäftsmann aus seinem Büro herausgejagt war, weg von seiner Kasse und weg von seinen Rechnungen, bis er sich zum Gang in den Tempel entschloss zu dem, den er im Tumult des gierigen Erwerbens und im Taumel der wilden Lust lange vergessen hat, bis er, der vornehme, von jedermann geehrte Mann, als der Büßende vor Gott stand, mit den weit geöffneten Augen, die seine Untaten sehen mussten, über die er doch längst die dichten Hüllen bereitet hatte, bis alle seine Versuche, sich zu behaupten und selbst zu rechtfertigen, zerschlagen waren, ist vieles geschehen, ein harter Kampf des Menschen, bei dem er mit List und Trotz alle seine Kräfte verzehrte, bis er zusammenbrach und ein gewaltiges göttliches Werk, zu dem das Wort des Propheten passt: Du hast mir Mühe gemacht mit deinen Sünden. Darum handelt nun Jesus nach seinem Amt, das ihn beruft, das Werk des Vaters zu vollenden. Den Freispruch kann sich der Zöllner nicht selber geben. Er muss mit der Last der Schuld und mit der Pein der Buße zurückkehren in sein Haus. Jesus aber bringt zur Vollendung, was der Vater begonnen hat, und sagt dem, der schuldig ward und um Gnade bat: Du bist gerechtfertigt. Gab es denn etwas Gerechtes an dem, was er tat? Er verurteilte sich und damit gehorchte er der Wahrheit; doch das ist erst der Anfang seiner Aufrichtung. Er kam zu Gott; das ist für uns der rechte Weg. Er kam zu Gottes vergebenden Barmherzigkeit. Das ist das, was wir Menschen tun können, um Gott die Ehre zu geben. Mehr können wir nicht. Wir brauchen nun den, der uns die Antwort auf unser Bitten gibt. Er ist aber da. Gott schweigt nicht; er hat gesprochen. Er spricht zu uns allen durch Jesus und er spricht uns durch Ihn frei. Nun kommt die Buße zu ihrem Ziel; denn nun kommt zu ihr der Glaube hinzu.

Dafür will ich, Herr Gott, Dich loben und alle, soweit ich kann, herbeirufen, Dich zu loben, Dich, der Du uns krönst mit Gnade und Barmherzigkeit. Amen.

9. Februar

Petrus antwortet Jesus und sprach: „Herr, bist du es, so heiß mich zu dir kommen auf dem Wasser. “ Und er sprach: „Komm her. “ Und Petrus trat aus dem Schiff und ging auf dem Wasser, dass er zu Jesus käme. Er sah aber einen starken Wind. Da erschrak er und hob an zu sinken, schrie und sprach: „Herr, hilf mir. “ Jesus aber reckte bald die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: „O, du Kleingläubiger, warum zweifeltest du?“
Matthäus 14,28–31

Jesus hebt uns über alles Natürliche empor. Wir lösen uns an seiner Hand vom sichtbaren Grund, auf den die Natur unser Leben stellt, und empfangen nicht mehr von ihr die Ziele unseres Handelns, sondern hängen an Jesu Wort wie Petrus, als er aus dem Schiff heraustrat, weil ihm Jesus sagte: „Komm zu Mir. “ Müssen wir nun nicht zweifeln? Zwei Mächte greifen nach uns und ziehen uns und wir können uns weder von dieser noch von jener lösen. Können wir den Boden entbehren, auf den die Natur uns gestellt hat? Nein. Wir bedürfen die Lebensmittel, an die sie unser Leben bindet, und können uns der Lust und dem Schmerz nicht entziehen, den sie in unsere Seele legt. Ebensowenig können wir uns vom Wort Jesu lösen, durch das uns Gott wirklich und gegenwärtig geworden ist. So gleicht das Christusleben immer wieder dem Verhalten des Petrus, der auf den See hinaustrat und sank. Jesus heißt aber sein Schwanken Kleinglauben. Du hattest, sagte er ihm, Glauben, hast ihn aber jetzt nicht mehr. Ohne Glauben verlässt keiner das sichere Boot, um auf den stürmischen See hinauszutreten. Das tut Petrus deshalb, weil Jesus vor ihm steht und er seine der Welt überlegene Macht vor Augen hat und danach begehrt, bei Ihm zu sein, und sich an sein Wort hält, das ihm dies gewährt. Allein auch die Wellen und der Sturm, seine unaufhebbare Abhängigkeit von der Natur, füllen seinen Blick und vor ihnen entflieht sein Glaube. Warum, sagt ihm Jesus, zweifeltest du? Du hast dazu keinen Grund. Sind es nicht zwei widereinander streitende Mächte, die auf dich einwirken? Gott und Natur, sind sie denn entzweit und miteinander im Kampf? Der eine ist der Herr und die andere gehorcht. Der Herr gebietet nicht nur dir: „Komm!“, sondern er gebietet auch der Welle: trage ihn! Alles ist sein Werk und steht unter seinem Regiment, die Natur, die ihr ihr Leben gibt, und der Geist, der dir sein Leben gibt, das natürliche Gesetz, das dich der Natur gehorsam macht, und die Gnade, die dich frei macht von der Natur und Gott gehorsam macht, das natürliche Gut, das du nicht entbehren kannst, und der himmlische Beruf, vor dem alles andere weichen muss. Das sind nicht gegeneinander wirkende Gewalten, sondern der eine und selbe Gott und die eine vollkommene Gnade hat dich in die Natur und über sie gestellt, damit niemand gehorchst als Gott allein. Das fasse; so wirst du aus einem Kleingläubigen ein Gläubiger.

Strecke Deine Hand aus, wenn ich schwanke, und lass mich den Griff spüren, mit dem Deine Gnade mich hält. Was sichtbar ist, ist mir nah und spricht laut zu mir. Deine Hand dagegen reicht aus der unsichtbaren Höhe zu mir herab. Aber die Hand Deiner Gnade hat Gottes Kraft in sich und darum trägt sie mich auf dem stürmischen See. Amen.

10. Februar

Auch Christus hatte nicht an sich selbst Wohlgefallen, sondern wie geschrieben steht: „Die Schmach derer, die dich schmähen, ist über mich gefallen. “
Römer 15,3

Immer neue Strahlen lässt Paulus aus dem Kreuz Christi hervorleuchten. Er hat die Liebe Jesu gepriesen, die ihn bewogen hat, für die, die Gottes Feinde waren, zu sterben, und seinen Gehorsam als unsere Rechtfertigung beschrieben, weil durch seinen Gehorsam alles, was aus Adams Ungehorsam entstanden sei, beseitigt ist. Nun spricht er vom innersten Vorgang, an dem die Echtheit der Liebe und des Gehorsams die Erprobung bekommt, davon, dass er sich durch sein Verhalten inwendig nicht ein Wohlgefallen bereitete, das ihn befriedigte und bei sich selbst verweilen ließ. Haftet nicht am Gehorsam das süße Bewusstsein, das uns mit uns selbst zufrieden macht, und wächst nicht an der Liebe die liebliche Blüte, dass wir nicht nur die anderen, die wir lieben, sondern auch unser eigenes Bild mit Wohlgefallen betrachten? Das bringt aber unseren Gehorsam und unsere Liebe in Gefahr. Gefährdet ist dadurch ihre Selbstlosigkeit, der entschlossene Ernst, mit dem wir uns von uns selbst wegwenden und nicht den eigenen Willen tun, sondern den Willen dessen, dem wir gehorchen und nicht den eigenen Vorteil suchen, sondern nach dem begehren, was den anderen heilsam ist. Seht auf Jesus, sagt Paulus, wenn Eitelkeit, die sich selbst gefällt, euren Gottesdienst beflecken will. Er steht in seinem Gehorsam und in seiner Liebe als der Selbstlose vor euch. Denn er ließ sich die Schmähung wohl gefallen. Niemand begehrt geschmäht zu werden, und erst noch von denen, die Gott schmähen, weshalb die Beschimpfung, die auf Jesus fiel, zur Lästerung Gottes wurde und die Schande, in die Jesus hinabgestoßen wurde, zur Verdunkelung der Ehre Gottes führte. Dass Gott an ihm geschmäht werde, das hat Jesus nicht begehrt und an diesem Zustand kein Wohlgefallen gehabt. Das war letzte Entäußerung und schmerzlichste Entsagung und eben darum die Vollendung seines Gehorsams und die Verklärung seiner Liebe.

Wenn mein Auge trübe wird und Gutes und Böses vermengt, komme ich, Herr Jesus, zu Dir, weil Du mir zeigst, was Gehorsam ist, und mir deutlich machst, was Liebe ist. Du wehrst es mir, wenn ich mir selber gefalle. Lass mich Dir gefallen, lieber Gott, in allem und behüte mich, dass ich keine andere Ehre begehre als die, die Dich ehrt. Amen.

11. Februar

Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?
Matthäus 16,26

Die Welt gewinnen, das war das Ziel, das Jesus seinen Jüngern zeigte und unter das er ihr Wirken stellte. Weil er selber in die Welt gekommen ist, hat er auch die Seinen in die Welt gesandt, und wenn wir es einmal erfasst haben, was die Menschen sind, was ihnen fehlt, wenn sie in Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit verderben, und was sie empfangen, wenn wir ihnen die Gabe Gottes bringen, dann gewinnt das Ziel „die Welt gewinnen“ Riesenstärke. So gewiss die Barmherzigkeit Gottes und bewegt, können wir nicht müßig sein, und so gewiss wir glauben, gehen wir an das Werk. Nun stellt sich uns aber Jesus warnend in den Weg; was würde es dir helfen, wenn du den größten Erfolg erreichtest und nicht nur hier und da einige, sondern wirklich die Welt gewönnest, aber selber dem göttlichen Gericht verfielest, wenn du andere ins Leben führest und deine eigene Seele durch das verdammende Urteil Gottes stürbe? „Sorge für dich selbst“, das stellt Jesus neben die Worte, die uns für die anderen verpflichten, und er begründet seine Mahnung damit, dass kein anderer in Gottes Gericht für mich eintreten kann, weil es nichts gibt, wodurch Gottes Urteil entkräftet werden könnte. Ist dies auch heute für die Christenheit eine ernste Gefahr? Ihre Erfahrung zeigt beständig, wie unentbehrlich ihr die Warnung Jesu ist; denn sie hat sich selbst mit dem Bemühen, die Welt zu gewinnen, oft bitterbösem Schaden angetan. Es liegt so nahe, um des hohen Ziels willen auch falsche Mittel für heilig zu erklären und von der Wahrheit abzuweichen, um bei den anderen ein offenes Ohr zu finden. Bald ist es Furcht und bald stolze Eigenmächtigkeit, die aus der christlichen Arbeit Sünde macht. Der Sold der Sünde ist aber für alle der Tod; denn Gott hat keine Günstlinge. Der Dienst Gottes bleibt eine tiefernste Sache. Sieh dich vor, dass du dich nicht durch ihn verdirbst.

Du kennst, Herr Jesus Christus, nur die, die den Willen Deines Vaters tun. Wecke mein Ohr, dass es Dein Gebot höre und bewahre. Ich bitte Dich um Dein Wort, das zwischen Licht und Nacht in mir scheidet und meinen Willen reinigt. Amen.

12. Februar

Da reute es den Herrn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen.
1. Mose 6,6

Mit dem Gewimmel und Getümmel unseres Lebens füllt sich jeder Tag. Der Blick auf das, was es uns bringt, kostet Überwindung. Denn unser Tun und Treiben ist hässlich, so leer, so gottlos. Gott mutet mir nicht zu, dass ich daran ein Wohlgefallen habe. Er sagt von der Menschheit auch, sie sei nicht wert, dass sie lebe, eine Verunzierung seiner Schöpfergröße. Das Tier ist keine Schande für Gott; das ist nur der Mensch. Darum gibt es Fluten, die Tausende wegraffen, darum sterbende Völker, darum lädt der Tod den Menschen zum Tanz. Aber ich habe mit diesem Schriftwort noch nicht die ganze Schrift gehört. Sie verkündet nicht einzig den Abscheu Gottes von der Welt, sondern sagt mir zugleich: „Also hat Gott die Welt geliebt. “ Er hat sie wert gehalten, dafür gesorgt, dass sie nicht verderbe, und ihr die Rettung bereitet. Nimm beide Worte der Schrift zusammen, dann steht Gottes Wunderbarkeit vor dir. Nun kannst du anbeten und bist für das, was der neue Tag dir bringt, gerüstet. Um diese Menschen, deren leeres Treiben dir verächtlich ist, müht sich Gott und stellt sie unter die Herrschaft seines Sohnes. Ihnen gibt der er den Herrn der Herrlichkeit, damit er am Kreuz offenbare, was es heißt: Gott hat das menschliche Gesindel lieb.

Herr Gott, ich versuche es, barmherzig zu denken, und kann es nicht recht. Du lehrst es mich, weil Du mir deine Barmherzigkeit zeigst, die, die ich bedarf wie alle, die, die mir hilft wie allen. Damit ich mich unbefleckt von der Welt erhalte, dazu hast Du mich in sie hineingestellt. Sie befleckt mich, wenn sie mich mit sich reißt; sie befleckt mich aber auch, wenn ich sie unbarmherzig verachte. Darum suche ich Dein Angesicht und folge Dir, Herr Christus, nach. Amen.

13. Februar

Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.
Matthäus 22,21

Stolz zum Kampf und zum Sterben bereit sagte die junge Mannschaft Galiläas: wir nenne keinen Menschen unseren Herrn; denn wir haben nur einen Herrn, Gott allein. Fordert der Römer, der sich anmaßt, der Herr der Welt zu sein, dass auch wir ihn als den Herrn ehren und die von ihm verfügte Steuer ihm bezahlen, so verweigern wir sie ihm; denn es ist nicht recht, dass die, die Gottes Knechte sind, auch noch eines Menschen Knechte seien. Es schien, diese galiläischen Trotzköpfe ständen nahe bei Jesus, und doch waren sie weit von ihm entfernt. Auch Jesus hat einzig den Vater den Herrn des Himmels und der Erde genannt und niemand angebetet als Ihn allein. Nicht einen Augenblick hat er sich vor dem Satan geneigt, als er ihm seine Hilfe anbot; noch weniger hat er sich vor einem Herodes oder Pilatus gebeugt. Allein der Eifer, mit dem die Galiläer ihre Groschen gegen den Griff des Kaisers verteidigten, macht sichtbar, wie weit sie von Jesus getrennt waren. Gebt Gott, was Gottes ist, sagt ihnen Jesus. Ihr dürft und sollt ihm geben, was er von euch verlangt, dürft und sollt opfern. Opfern ist eure süße Pflicht und euer seliges Recht. Ihr könnt aber nicht ein Opfer erfinden nach eurem Gutdünken und euch einen Gottesdienst einrichten, der euch gefällt, z. B. den, der euch von Steuern befreit und eure Groschen vor dem Kaiser schützt. Es ist Wahn und Sünde, Gott mit dem beschenken zu wollen, was uns wohlgefällt. Er ordnet an, wie wir ihm dienen, und jedes Opfer muss Gehorsam sein. Das sollen wir Ihm geben, was Er uns gab. Was gab Er uns, dass wir es Ihm wiedergeben? Alles, was ich bin, Leib und Seel, Denken und Wollen, alle die Menschen mit denen er mich verbunden hat, kurzum mein Leben. Wozu gab er es mir? Damit ich nicht für mich selber lebe, sondern für ihn.

Von Dir und zu Dir, Vater, sind alle Dinge geschaffen. Von Dir und zu Dir kommt und geht auch mein Glaube und meine Liebe, und ich will nicht hindern, dass das, was von Dir kommt, wieder zu Dir emporsteige, Dein Lob verkünde und Deine Gnade preise. Dein soll bleiben, was Du mir gabst. Amen.

16. Februar

An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan.
Psalm 51,6

Es gibt keinen Fall, der nicht den, der stürzt, verletzt. Jede Sünde verwundet ihren Täter und er trägt ihre Narben zeitlebens an sich. Es gibt auch keinen Fall, der nicht auch die anderen schädigte, die mit uns zusammen leben; jeder Sturz überträgt auf sie einen Stoß und wir können nicht abmessen, wie weit sich diese Erschütterung erstreckt und was sie für Unheil anrichtet. Dennoch hat der Psalmist völlig recht: „An dir allein hab ich gesündigt“, nicht als ob meine Bosheit ihn schädigte und meine Missetat ihn kränkte oder ärgerte. Falle ich, so ist das für Gott kein Verlust. Dennoch „an dir habe ich gesündigt“. Dein Gebot ist zerrissen, dein Schöpferrecht in seiner königlichen Größe ist bestritten. Dein Wort warf ich nicht weg und habe mich von der Hand losgelöst. Das ist das Sündliche in meinem Tun, das unbedingt Verwerfliche, was nicht geschehen darf. Weil meine Sünde mein Verhältnis zu Gott berührt, darum liegt auf ihr der Fluch, der mich ganz entehrt und ganz vernichtet. Wenn ich mich selber durch mein Sündigen schädige, was liegt an mir? Wenn die anderen Menschen durch mein Unrecht leiden, so kann mir das Bittere Reue und Tränen bringen; doch was sind mir Menschen ohne Gott? Heilig und zerreißbar wird das Band, das uns miteinander durch Recht und Pflicht vereint, dadurch, dass Gott es um uns gewunden hat. Dass ich Gottes Feind geworden bin, indem ich den Menschen entehre und verderbe, das ist die Sünde, die jeden, der sie tut, verdirbt. Weil wir an Gott sündigen, sind wir auf Ihn geworfen, dass Er uns vergebe, und darum ist die Vergebung, die Er uns gewährt, unsere vollständige Aufrichtung.

Dass Du unser Gott bist, ewiger Gott, Schöpfer und Erlöser, das führt uns zur Buße und ist unser Heil. Das macht unsere Buße tief und den Dank für Dein Vergeben groß. Amen.

17. Februar

Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: „Bringt das beste Kleid hervor und tut ihn an und gebt ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt ein gemästet Kalb her und schlachte es; lasset uns essen und fröhlich sein.
Lukas 15,22+23

Dem, der zum Vater heimkehrt, wird ein Fest zuteil. Das Ehrenkleid wird ihm gegeben, das Kalb geschlachtet, das im Stall für ein Fest bereit gehalten wird, und der Reigen beginnt mit lauten Schall, so dass auch die, die draußen stehen, ihn hören. Hier hat Jesus stark leuchtende Farben verwandt, um uns recht sichtbar zu machen, was Vergebung ist. Wir glauben ja nicht, dass es Vergebung gebe. Das weiß Jesus wohl und darum lässt er den Heimkehrenden nicht bitten: Bereite mir mein Fest und kleide mich in ein Prachtgewand. „Mache mich zu deinem Tagelöhner“, das ist sein Begehren. Macht ihn der Vater zum Tagelöhner, dann trägt er bleibend das Merkmal seiner Schuld an sich. Dann weiß es jedermann und er selbst weiß es beständig: einst war ich Sohn, jetzt aber nur noch Tagelöhner; das hat mir mein Fall bereitet, der für immer darin sichtbar bleibt, dass die Trennung zwischen dem Vater und mir bestehen bleibt, wie sie den Tagelöhner von seinem Herrn entfernt. Dieses halbe Vergeben, das nicht vergessen kann. sondern die alte Schuld immer wieder hervorholt und weiter wirken lässt, ist unsere menschliche Art und wir meinen, wir täten schon Großes, wenn wir Verschuldete auch nur als Tagelöhner bei uns dulden. Nun aber, Herz, höre nicht nur, was dir Menschen sagen, und hänge dich nicht an das, was die Menschen tun, sondern höre auf Jesus und sieh; was durch ihn der Vater tut.

Der Heimgekehrte ist wieder Sohn und er ist es ganz, nicht halb, nicht mit Tränen und trübem Büßergesicht, sondern mit Jubel und schallendem Ruhm. Gott wird mit deiner Sünde ganz fertig und lässt sie im Meer seiner Gnade untergehen. Wie unverständlich blieb doch dieses Wort Jesu auch der Christenheit! Sie las dieses Gleichnis oft, hat aber selten begriffen, warum Jesus sagt: „Holt das gemästete Kalb, wir wollen fröhlich sein.

Das Vergeben, lieber Herr, muss ich bei Dir lernen. Ich bleibe an meiner Not hängen und sehe auch bei den anderen auf das, was ihnen fehlt und sie hemmt und schändet. Du kennst unseren Jammer besser als wir, kennst aber auch deines Vaters Herz und weißt darum, was Vergeben ist, und gibst es in seiner ganzen Herrlichkeit allen, die zu Dir kommen. Amen.

18. Februar

Das ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.
1. Johannes 5,3

Sowie ich beim Gebot bedenke, dass es Gottes Gebot ist, dann wird es mir nicht schwer, weil ich keinen Blick auf Gott richten kann, ohne dass er den Glauben und die Liebe in mir erweckt. Wo aber Glaube ist, da ist Danksagung auch für das bestimmte Gebot, das mich in dieser bestimmten Lage zu dieser bestimmten Leistung verpflichtet. Denn wir wissen im Glauben, dass alles gut ist, was von Gott zu uns kommt. Und wo Liebe ist, da ist Willigkeit, nicht Zwang, sondern von innen her uns gegebene Einigung mit Gottes Willen. Wo aber Glaube und Liebe sind, da ist auch Freude und das freudig getane Gebot wird leicht. Es gibt freilich Zustände, in denen sich das natürliche Empfinden heftig gegen das göttliche Gebot sträubt und der Gehorsam nur mit herber Anstrengung durch die Überwindung unseres natürlichen Begehrens zustandekommt. In einer solchen Lage kann ich das Gebot schwer heißen, weil ich dabei auf mich und mein Empfinden achte, das das Gebot durchkreuzt. Aber auch dann wird es mir leicht, sowie ich es fassen kann, dass Gott mich in diesen Kampf stellt und diese Entsagung von mir fordert. Peinlich schwer sind dagegen die Stunden, in denen uns die Ungewissheit quält und wir nicht deutlich erkennen können, was Gottes Gebot für uns sei. Johannes, der der Christenheit zuruft: Gottes Gebote sind nicht schwer, gehörte zu jenen Jüngern, die den Kampf Jesu in Gethsemane in der Nähe sahen. Das Gebot des Vaters, das den Sohn nicht schonte, sondern ihn an das Kreuz sandte, verlangte unfassbar Schweres und Jesus war von der Entsagung, die das Gebot von ihm forderte, bis zum Tod erschüttert und rang deshalb betend um die Gewissheit, dass ihm der Vater den Kelch reiche und ihn nicht vorbeigehen lasse. Als er aber durch sein Gebet in diese Gewissheit hinaufgehoben war, trat er nicht gebückt, nicht verwundet, nicht seufzend vor die, die ihn gefangen nahmen, und sagte seinen Jüngern: Sollte ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater reicht? Johannes hatte begriffen, was Jesus damals den Jüngern zeigte, und darum sagt er der Kirche: Gottes Gebote sind nicht schwer.

Herr, um eines bitte ich Dich: Zeige mir in allen Dingen Deinen Willen. Meine Gedanken blenden mich und die Stimme meines Herzens ist kein treuer Führer. Bin ich aber Deines Gebotes gewiss, Herr, dann will ich Dir glauben, dass Dein Gebot Gerechtigkeit und Leben gibt. So haben es deine Kinder immer erfahren. Und wenn es bis zum Sterben ging, so war für sie Dein Gebot nicht schwer. Amen.

19. Februar

Es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christus Jesus sind.
Römer 8,1

Paulus hat tief empfunden, was es bedeutet „im Leibe zu sein“. Für unser Sehfeld sind die Grenzen durch das festgelegt, was uns die Sinne geben, und unser Begehren entsteht durch das, was unser Leib bedarf. Freude und Leid, was uns wehtut und was uns erfreut, beides sprudelt in uns durch die Weise hinein, wie die natürlichen Vorgänge uns berühren. Unser ganzer Verkehr mit den Menschen, alles, was wir ihnen geben oder von ihnen empfangen, wird durch den Leib vermittelt, begrenzt, geschwächt und befleckt. Aber unser inwendiger Verkehr mit Gott ist ganz an unser leiblichen Verrichtungen gebunden; auch zum Glauben brauchen wir ein normal arbeitendes Gehirn. Paulus schilt unser Versenktsein in den Leib nicht. So sind wir durch den schaffenden Willen Gottes, der uns durch den leiblichen Vorgang begabt und regiert. Er fragt aber: gibt es nicht noch eine andere Macht, die uns ebenso kräftig umfasst, wie unser Fleisch es tut? Ist die Natur das einzige, was uns trägt und formt? Und er antwortet: Christus ist da und darum sind wir in Ihm. Durch die Natur wird uns Gott nicht so gegenwärtig und wirksam, dass ich ganz und immer in Berührung mit Ihm wäre. Denn sie trägt mir nicht jene Gnade Gottes zu, die mich inwendig in meinem Willen mit Gott einigte. Nun ist uns aber Christus gegeben und in Gottes Weise bei uns gegenwärtig, durch nichts von uns getrennt, in Gottes Macht wirksam, daher Herr über unser ganzes Wesen, auch über die inwendige Bewegung unseres Geistes, der uns verleiht, was uns Gottes Gnade gibt. Was bedeutet nun das, dass wir nicht nur im Leib, sondern in Christus sind? Das ist das Ende der Verurteilung. Als die, die im Leib sind, sind wir unter dem Gesetz, daher im Streit mit ihm, da unser natürliches Begehren dem Gesetz Gottes widerspricht, folglich in der Schuld, die durch die Übertretung des Gesetzes entsteht. Darum bedürfen wir noch einen anderen Ort und Herrn als unseren Leib und dieser ist uns dadurch gegeben, dass Gott uns Christus gab. Nur das ist das Ende der Not, die uns die Natur und das Gesetz bereiten. Nun stehen wir unter der Gnade, sind bedeckt durch das Versöhnen Jesu und von seinem Geist bewegt. Daher gibt es keine Verurteilung mehr für uns. Uns hilft nicht eine stückweise Vergebung, nicht ein Freispruch in diesem oder jenem Fall. Denn die Verurteilung trifft mein Wesen, verwirft das, was ich bin, somit beständig will und tue. Diese Verurteilung ist nun ganz von mir genommen, weil Christus mich in seine Macht und Gnade hineingesetzt hat.

Kehre ich mich weg von Dir, Herr Christus, so entsteht der Jammer. Wende ich mich Dir zu, so beginnt der Dank, der jede Klage verdrängt. Du machst Dich zu unserem Herrn. Was bedarf ich mehr? Das ist Gerechtigkeit und Heil. Amen.

20. Februar

Das Volk, das nichts vom Gesetz weiß, ist verflucht.
Johannes 7,49

Hoch streckt sich der Mensch empor, weil er einen erhabenen Besitz empfangen hat. Denn er kennt das Gesetz und das gibt ihm ein vornehmes Recht, das Recht zu fluchen. Dazu hat er nach seiner Meinung nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht. Er würde das Gesetz verleugnen, wenn er nicht den Fluch auf alle legte, die es nicht kennen und es darum übertreten. Woher kannten diese zum Fluch bereiten Frommen das Gesetz? Sie haben es gelernt. Wer es nicht lernt, der kennt es nicht. Darum ist die ganz große Schar verflucht, die den Acker und das Gewerbe nicht fahren ließ und nicht in den Lehrsaal kam, um Gottes Gesetz zu hören. Für sie gibt es keine Entschuldigung; denn das Gesetz steht über jedem anderen Wert, über Haus und Hof und Wirtschaft und Staat. Wie soll der der Sünde entrinnen, der das Gesetz nicht kennt? Ich will sie nicht vergessen, diese erhabenen Gestalten mit ihrem feierlichen Fluch, mit der eisernen Konsequenz ihrer Überzeugung und dem vorbehaltlosen Opfermut, mit dem sie das ganze Leben dem Dienst des Gesetzes widmeten. Allein diese erhabenen Gestalten machen zugleich das tiefste Erbarmen wach; denn sie haben nicht nur das unwissende Volk, sondern auch Christus verflucht. Mensch, sieh dich vor! Wenn du groß bist, fällst du. Wenn du sagst: ich weiß, so bringst du deine Narrheit ans Licht. Schmiedest du dir die Krone der Verdienste, so hängst du dir das Brandmal der Sünde an. Fluchst du den anderen, so verfluchst du dich. Ich will nicht eilig den Blick wegwenden, sondern will Gottes Ernst und Gottes Güte beschauen. Seine Güte sehe ich an mir, weil ich im Glauben stehe. Der Glaubende schaut aber auf Gottes ganzes Werk, auch auf seinen Ernst. Darum steht um das Kreuz Jesu herum die stolze Schar, die mit eifrigem Ernst verkündete: wir kennen das Gesetz, und daran viel.

Heiliger Gott, es tritt kein unreiner in deine Nähe und kein Ungerechter hat in Deinem Reiche Raum. Aber nicht uns hast Du das Gericht übergeben. Wie süß, o Jesus, ist Dein Wort, das uns das Richten untersagt! Ich würde dich nicht kennen, wenn ich noch fluchen könnte; denn der bleibt in Dir, der in der Liebe bleibt. Amen.

21. Februar

Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende. “
Matthäus 9,37+38

Dieses Wort gibt uns einen Einblick in die Leiden Jesu, und die Weise, wie er leidet, verherrlicht ihn nicht weniger als die Weise, wie er in Gott den Grund der Freude hat. Über Gottes Werk hat Jesus nicht geklagt; zur Klage bewegt ihn der Mensch und sein Verhalten. Sagte er: die Ernte ist klein, dann klagte er über das, was Gott macht. Denn die Ernte hängt von dem ab, was Gott tut. Sein ist der Same, aus dem die Ernte erwächst, und sein ist der Regen und Sonnenschein, der sie reift. Jesus heißt aber die Ernte nicht klein, sondern groß, obwohl ihn niemand erkennt und Kapernaum, das bis zum Himmel erhöhte, in die Tiefe stürzte und Gott ihn den Weisen und Klugen verborgen hat, so dass er dem Manne gleicht, der nur das kleine Senfkörnlein in seinen Garten legt. Dennoch könnte sie klein bleiben, da sich Gottes Reich uns aufgetan hat? Wenn die allmächtige Gnade vollbringt, was sie sich vorgenommen hat. dann entsteht die unzählbare Schar, die das weiße Gewand empfing. Ist aber die Erntezeit vorhanden, dann muss der Schnitter hinaus ins Feld. Hier beginnt die Klage Jesu. Wo sind die Schnitter, die Hand anlegen, dass die Ernte Gottes in seine Scheune kommt? Es ist aber schwere Not, wenn die große Ernte reif ist, ohne dass Arbeiter vorhanden sind, die sie heimbringen. Wo sind die Hörer des Wortes, die seine Täter werden, wo die, die der Botschaft Jesu glauben und sie deshalb auch den anderen sagen müssen? Wo sind die, die seine Liebe drängt, dass sie auch den anderen helfen? Das Leiden kehrt aber mit seiner Pein dazu bei uns ein, damit es in uns die Bitte erwecke. Arbeiter, die die Erntearbeit tun, sind die, denen der Vater den Sohn offenbart, die, die der Vater Jesus gibt und zu ihm zieht. Sie müssen also vom Vater erbeten sein. Darum legte Jesus in die Seele seiner Jünger die Bitte: Schaffe du zum Reichtum deiner Gnade auch die, die sie empfangen.

Wenn ich über das, was Gott tut, klagen möchte, dann trete ich zu Dir, Herr Jesus, und nun wird mein Klagen still. Ich erkenne unsere Schuld und empfange die Bitte: Rüste uns, zu tun, was Deine Gnade will. Zur großen Arbeit gib die große Liebe, zur Menge der Aufgaben die rüstige Hand. Bleibt die Schar der Arbeitenden bei uns klein, so erlöse sie von ihrem Zwist und mache sie eins in Dir. Amen.

22. Februar

Wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Johannes 13,1

Jeder Schritt dem Ende zu steigerte den Anspruch an die Liebe Jesu. Der Groll des Judas wuchs, der das Verhalten Jesu Wahnsinn hieß. Die Schwermut des Thomas wuchs, der sagte: wir wollen mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben. Das Selbstbewusstsein der Jünger wuchs und ihr Eifer nahm zu, mit dem sie erkunden wollten, wer von ihnen der Größere sei. Je näher das Kreuz kam, um so deutlicher wurde es, dass sich die Jünger an ihm ärgerten, und um so fraglicher wurde es, ob sie beieinander bleiben, wenn er nicht mehr bei ihnen war, und sie sein Wort behalten, dem ihre eigenen Gedanken heftig widersprachen. „Ich habe für dich gebetet“, sagte Jesus zu Petrus, „damit dein Glaube nicht aufhöre. “ Aber nicht nur der Anspruch an die Liebe Jesu, sondern auch seine Liebe wurde immer größer. Er liebte uns bis zuletzt, sagte Johannes. Er vollendete, was er begonnen hatte, ließ seine Liebe nicht ermatten, sondern gab sie ihnen auch jetzt in unverminderter Vollständigkeit. Er tat dies dadurch, dass er sie am letzten Abend zum festlichen Mahl um sich sammelte, durch seine letzten Worte seine Gemeinschaft mit ihnen über seinen Tod hinaus befestigte und aus seinem einzigen Eigentum, das er hatte, aus seinem Leib und seinem Blut, die Gabe machte, die er ihnen verlieh. Dass er seine Liebe zu den Seinen vollendete, das war sein Sieg über die Welt, sein Triumph über den Satan, die Durchdringung des Kreuzes mit Freude, die Grundsteinlegung zur Kirche, die Vollendung seines Heilandsamtes. Nun hatte er die Seinen für immer für sich gewonnen; sie waren nun für immer seiner Liebe gewiss und keine Länge der Zeit löschte in Johannes diese Erinnerung an sie aus und keine schmerzhafte Erfahrung, die ihm das apostolische Werk brachte, verdunkelte sie. Als das Große, was der letzte Verkehr Jesu mit den Jüngern ihnen gab, erkennt er das, dass Jesus seinen Liebe denen gab, die in der Welt waren. Dadurch erhält das, was die Jünger erlebten, die weltweite Größe. Sie, die Empfänger dieser unüberwindlichen Liebe, waren in der Welt und trugen alles an sich, was unser Anteil am menschlichen Leben aus uns macht. Das nahm ihnen aber seine Liebe nicht. Indem er sie ihnen gab, offenbart er, dass die Liebe des Vaters ihn der Welt gegeben hat.

Deine Liebe geht, Herr Jesus, bis zum letzten Ende mit uns und trägt uns bis ans Ziel. Ich bete Dich an als den Anfänger des Lebens, Du wirst auch sein Vollender, als den Anfänger des Glaubens, Du wirst ihn auch vollenden zum Schauen, als den Anfänger und Eckstein Deiner Gemeinde; Du wirst sie auch vollenden zur ewigen Gottesstadt. Du bist A und O. Amen.

23. Februar

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.
Johannes 12, 24

Wir feiern oft Gedenktage, aber bei jedem Gedenktag wird der große Unterschied sichtbar zwischen dem, was der Gefeierte selbst erreicht hat, und dem, was seither als Ernte aus seiner Arbeit erwachsen ist. Die Anerkennung, die er selber fand, und der Erfolg, der ihm nachher beschieden war, sind weit voneinander verschieden. Es gilt vor allem, was groß ist und bleibt: erst muss das Weizenkorn in die Erde hinein. Sprich hier nicht von einem harten Schicksal. Gottes Gnade schützt dich gegen dich selbst, indem sie vor deine Ernte das Sterben des Weizenkorns stellt. Würdest du dich, wenn du deine Ernte selbst sähest und zu sammeln vermöchtest, nicht zu jenen Weingärtnern gesellen, die sich selber die Frucht des Weinberges zueigneten? Ständest du nicht plötzlich an der Seite Nebukadnezars, der in Babel seine Stadt sah, die er erbaut habe? Was dich vor dir selber schützt, wehrt nicht nur Fall und Verderben ab, sondern hat schaffende Kraft in sich. Das, was am Weizenkorn wie ein Sterben aussieht, ist die Bewegung und Entfaltung des lebendigen Keimes, der Anfang jenes Prozesses, der die Frucht hervorbringt. Aus der Entsagung entsteht der Erfolg, aus dem Gehorsam die Macht und darin, dass ich in mir selbst nichts bin, besteht meine Fähigkeit zu Gottes Dienst. Unter diese göttliche Ordnung hat sich Jesus mit entschlossener Festigkeit gestellt. Das Wort vom Weizenkorn, das sterben muss, stellt Johannes damit zusammen, dass einige Griechen nach Jesus fragten. Wie lockend war für ihn der Blick hinüber zu den Griechen! Während er am galiläischen See wohnte, hatte er die griechischen Städte fortwährend vor Augen und bei jedem Fest in Jerusalem sah er auch Männer, die aus den griechischen Ländern gekommen waren. Sein Blick auf sie war von jüdischem Stolz völlig frei. Er sah mit dem leuchtenden Auge der göttlichen Gnade auf die Völkerwelt. Die reiche Ernte kommt! Sie kommt aber nicht dadurch, dass er vor dem Kreuze flieht und die Gemeinschaft mit Jerusalem zerbricht. Nur dadurch, dass er den Gehorsam vollendet bis zum Tod auf Golgatha, kommt der große Erntetag, der aus Griechen Kinder Gottes macht. Er sagte seinen Jüngern: Es gibt auch für euch keinen anderen Weg zur Ausrichtung eures Amtes. Sie bauten die Kirche in Jerusalem. Das war nicht mehr als ein in die Erde sterbendes Weizenkorn. Allein so und nur so entstand die Kirche, die für alle Völker offen ist.

Ich preise Dich, unser Herr und Haupt, dass Du den Weg all der Deinen anders ordnest als sie selber es sich wünschten. Uns alle umringen hemmende Schranken und Unvermögen ist das Kennzeichen unseres Tuns. Denn das, womit wir Gott ehren, soll unser Gehorsam sein. So bleiben wir bei der Schar, die sich um dein Kreuz versammelt, den Ort, an dem das Weizenkorn in die Erde fiel, die Stätte, wo du bis zum Tod gehorsam warst. Amen.

24. Februar

Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.
Johannes 12,32

Jesus sah mit der Gewissheit auf sein Kreuz, dass er von dort aus alle Widerstände überwinden werde, die uns von ihm trennen. Auf uns liegt der dunkle Schatten, den das Sterben über uns breitet.

in mir erweckt. Lohnt es sich, auf dem Weg zum Grab einen Heiland zu suchen? Gibt es denn Gemeinschaft mit Gott für uns, die Sterbenden? Auf diese Frage gibt uns Jesus dadurch die Antwort, dass er ans Kreuz erhöht wurde. Dort geht der Lebende in den Tod, der Auferstehung gewiss, und macht im Sterben die Herrlichkeit des Lebens offenbar. Uns beschwert das Leiden, verzehrt unsere Kraft und macht uns totwund. Können wir denn glauben, mit der Beschränktheit unseres Bewusstseins, die uns zum Irren zwingt, und der Fesselung unseres Vermögens, die uns kein tüchtiges Handeln zulässt? Sieh auf den ans Kreuz Erhöhten! Er macht aus dem Leiden die wirksame Tat und aus den Schmerzen die Verkündigung des göttlichen Ruhms. Aus der leeren Nichtigkeit unseres Lebens entsteht die Menge der unechten Dinge, die auswendig glänzen und innen nichts sind als lügender Schein. Sie rauben uns die Fähigkeit zum Glauben. Wer hat denn Jesus zum Kreuz gehängt? Ein Volk, das scheinbar fromm war, Priester, die scheinbar Priester waren, ein Regent, der scheinbar regierte und log, wenn er sich einen Richter nannte. Sieh aber nicht nur auf die, die neben dem Kreuz stehen, sieh auf Ihn.

Dort siehst du echtes, mit der Wahrheit geeintes Leben, Gemeinschaft mit Gott, im heißen Feuer erprobt, Gehorsam, in hartem Kampfe errungen und vollendet, Liebe, die das göttliche Gebot in Wahrheit erfüllt, Gott über alles ehrt und den Bruder ganz zu sich erhebt. Hier siehst du nicht Schein und kannst hier nicht zweifeln. Hier kannst und sollst du glauben. Die stärkste Hemmung, die uns von Jesus trennt, entsteht aber aus dem Fluch der Schuld. Wir tragen heimlich die Angst vor Gott in uns und unser Blick auf ihn gleicht dem lauernden Blick dessen, der sich nach seinem Verfolger umsieht. Aber der ans Kreuz Erhöhte zieht uns zu sich, uns alle, die wir uns vor Gott flüchten, weil er gerecht ist, und das Licht nicht ertragen, weil es unsere Verwerflichkeit enthüllt. Dort am Kreuz treibt die Liebe die Furcht aus. Weil ich nicht zu ihm komme, kommt er zu mir, tritt an meine Stelle und leidet, was mir gebührt. Weil er vergibt, zieht er mich zu sich. Nun kann ich glauben.

Es ist mir heilsam, dass ich, Herr Christus, an Deinem Kreuz verweile. Dort weichen die Einbildungen und ich werde still. Dort sprichst Du zu mir. Dort kann ich hören, was mir Deine wahrhaftige Gnade sagt. Amen.

25. Februar

Gleichwie des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zum Lösegeld für viele.
Matthäus 20,28

Jesus bedienen, wie gerne tun wir das? Als Jesus mit seinen Jüngern in Marthas Haus einkehrte, ging diese munter an die Arbeit und tummelte sich eifrig, um ihn durch eine seiner würdige Mahlzeit zu ehren, und sie hat ungezählte Gehilfen und Gehilfinnen gefunden, Bischöfe, die mit einem goldenen Kreuz und herrlichem Gewand die Ehre Jesu verkünden, Städte, die ihm zu Ehren die schönsten Kirchen herstellen und die höchsten Türme erbauen, Theologen, die ihm zum Preis seines Worts und Werks ihre Feder anbieten, und noch viele andere ohne Zahl. Jesus stellt aber unsere Meinung, auch die unserer Liebe, gänzlich um. Ich bedarf, sagt er, nicht eurer Bedienung, sondern ihr bedürft meinen Dienst. Nicht ihr rüstet mir den Tisch, sondern ich rüste ihn euch, weil nicht ihr mich speist, sondern ich euch speise. Nicht ihr beschenkt mich mit Ehre und bereitet mir das Königtum, sondern ich bin vor Gott eure Ehre und mache aus euch das königliche Geschlecht. Warum sind wir seines Dienstes bedürftig? Losgekauft, sagt er uns, müsst ihr werden. Ihr seid gebunden durch Schuld und Tod und bedürft den, der euch aus eurer Knechtschaft in die Freiheit führt. Die Fessel, die ihr tragt, lässt sich nicht durch einen Machtspruch entfernen; denn Gottes Gerechtigkeit hat sie euch angelegt. Ich muss euch loskaufen und der Preis, mit dem ich euch für mich gewinne und euch in die Freiheit führe, kann nichts Geringeres als mein Leben sein. Nun staune, meine Seele, du stehst vor einem herrlichen Wunder. Zu solchem Dienst ist Jesus bereit. Solches kannst du sonst nirgends in der Welt sehen oder hören. Das sagt und tut dir Jesus allein. Warum bewirkt Er unsere Befreiung nicht durch eine kleinere Leistung? Warum verlangt Gott von ihm sein Leben als den Preis, mit dem er uns die Vergebung erwirbt? Was er uns gibt, das soll die ganze Hilfe für uns sein, das Ende jeder Verurteilung, die Befreiung von der ganzen Sündenlast und Sündenmacht, die Einsetzung in Gottes ganze Gnade, die alles zur Vollendung bringt. Darum lautet Gottes Gebot für ihn so: Gib dich ganz; gib alles, was du bist; dann sind sie dein und frei. Soll ich sagen: das sei eine harte Forderung? Jesus hat nicht so gesprochen; er hat gesagt: so wird der Vater verklärt.

Nicht als die Gebenden, sondern als die Empfangenden steht, Herr Jesus, deine Christenheit vor Dir. Alles, was wir haben, verdanken wir Deiner zum Tod bereiten Treue. So lass mich Dir dienen, wie wir dienen können, so, dass ich bewahre, was Du für uns an Deinem Kreuz erworben hast. Amen.

26. Februar

Als Jesus kam an dieselbe Stätte, sah er auf und ward des Zachäus gewahr und sprach zu ihm: „Zachäus, steige eilig hernieder; denn ich muss heute zu deinem Hause einkehren. “
Lukas 19,5

Das geschah in Jericho, als Jesus nach Jerusalem zum Sterben ging. Darum sagte er: Heute muss ich in das Haus des Zöllners hinein. Er muss es jetzt zum Beginn seines Leidens nochmals allem Volk zeigen, wozu ihn der Vater gesandt hat und wozu er ihn an das Kreuz schickt, und das muss er nicht nur um des Volkes, sondern auch um seinetwillen. Er muss, ehe er leidet, nochmals das Werk des Vaters sehen, das er in der Sendung seiner Gnade zu vollenden hat, muss er nochmals erfahren, dass ihn der Vater dazu in die Welt und in das Leiden sendet, damit ein Mann wie Zachäus noch etwas anderes bekomme als ein großes Geschäft und einen großen Gewinn und eine große Masse von Versündigung, nämlich einen gnädigen Gott. Es war ein Sünder, den er gewann, den die rechten für ihren Feind hielten und verdammten. Es muss so sein, sagte Jesus. Denn das ist Gottes große Tat und herrliche Offenbarung, dass er denen hilft, denen niemand helfen kann, vor denen die Gerechten ratlos stehen, weil sie nichts anderes können als sie zu entehren und zu verdammen. Darum offenbart Jesus da, wo das Vermögen der Menschen endet, Gottes Vermögen und stellt neben die Armut der Gerechten den Reichtum der göttlichen Liebe und fügt zur hilflosen Ohnmacht des Verschuldeten die Allmacht der Gnade, die ihm die Neuheit eines wiedergeborenen Lebens schenkt. Nur ein einziger war es, dem er helfen konnte, während Israel als Ganzes der Führung seiner Gerechten folgte und ihn von sich stieß. So muss es sein, sagt Jesus; denn Gott ist nicht an die Menge gebunden und bewundert nicht das menschliche Große, sondern reicht seine Gabe auch dem Einen und Kleinen und macht an ihm seine rettende Gnade allen offenbar. Wie Jesus sein Leiden damit begann, dass er einen Zöllner für sich gewann, so beschloss er es damit, dass er den einen neben ihm Gekreuzigten mit sich ins Paradies nahm. So machte er offenbar, was er mit seinem Leiden schuf.

Ich muss alle meine Gedanken wenden, um Dich, o Jesus, zu verstehen und mich mit dem zu einigen, was Du tust. Denn, was wir klein heißen, gibst Du Dein Wohlgefallen und bringst dem, was wir verdammen, die Heilung und hebst, was wir verachten, hoch empor. So bist Du der Heiland, der uns hilft, der Meister, der uns führt, der Herr, der uns befreit. Kehre auch bei mir ein; kehrst Du bei uns ein, so bringst Du Gottes Reich mit Dir zu uns. Amen.

27. Februar

Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.
1. Korinther 1,18

Wie könnte ich es seltsam heißen, dass Paulus von Menschen spricht, denen das Leben durch das göttliche Urteil genommen wird? Wenn er die Menschen einteilt in solche, die sterben, und in solche, die gerettet werden, so ist daran nicht die erste, sondern nur die zweite Aussage wunderbar. Dass wir weggerafft werden und der Blume des Grases gleichen, die abfällt, ohne dass ihre Stätte kenntlich bleibt, das ist die einleuchtende Ordnung Gottes, gegen die es keine Einrede gibt. Aber geheimnisvoll, überraschend und unser Erstaunen erweckend ist die andere Tatsache, dass es in dieser sterbenden Schar solche gibt, die aus dem Tod heraus ins Leben gelangt sind durch Gottes rettende Tat. Wie unterscheiden sich die beiden Klassen von Menschen? Du siehst, sagt mir Paulus, wohin du gehörst, an der Weise, wie du dich zum Kreuz Jesu stellst; sagst du, es sei eine Torheit, so gehörst du zu den Sterbenden. Das Urteil, der Gang Jesu an das Kreuz sei eine Torheit gewesen und die Verkündigung desselben, die aus ihm die herrliche Gnade Gottes macht, sei närrisch, entsteht nicht durch eine Erkrankung unseres Gehirns oder durch eine seltsame Verengung unseres seelischen Vermögens; wir kommen vielmehr alle zu diesem Urteil, wenn wir nur das haben, was die Natur uns gibt. Dem natürlichen Begehren gefällt der, der sich selbst erhöht, nicht der, der sich erniedrigt, der, der für sich sorgt und sich Macht erwirbt, nicht der, der für andere stirbt, und wenn wir fromm sind, wird der Anstoß am Kreuz Christi noch besonders hart.

Werden wir vor sein Kreuz mit der Mahnung: sieh hier, was Gott will und dir gibt, so wenden wir uns ab, weil wir eine Gnade begehren, die uns in die Höhe hebt und uns unangreifbar und selig macht. Es gibt aber unter den Menschen nicht nur Sterbende, sondern auch solche, die gerettet werden, und ihr Merkmal ist, dass ihnen das Wort vom Kreuz Gottes Kraft offenbart. Sie reden nicht von einem tragischen Schicksal, das Jesus erlitten habe, durch das die göttliche Verheißung verkürzt worden und Gott vor der Sünde der Menschen zurückgewichen sei. Die Kraft Gottes war am Werk in dem, was auf Golgatha geschah, und die Kraft Gottes ist in dem Wort verborgen, das mir vom Sterben Jesu erzählt, die Kraft, die vergibt, und Vergebung ist Stärke, weil sie die Sünde ans Licht stellt und überwindet, Kraft, die Versöhnung schafft und Gemeinschaft stiftet, die Kraft der Liebe, die stärker ist als Schuld und Tod. Und nun senkt sich die kraft, die am Kreuz Jesu ihr Werk vollbracht hat, in unsere Seele hinein und macht das Gewissen still, wenn es verklagt, und die Sünde tot, wenn sie uns lockt, und den Glauben wach, der sich Gott ergibt, und die Liebe lebendig, die dem Vater an den Brüdern dient. Weil solche Gotteskraft aus dem Kreuz Jesu strömt, gibt es unter uns Gerettete.

Wenn ich den Blick zu Deinem Kreuz erhebe, Herr Jesus Christ, dann sterben die dunklen Gedanken, die das schwach und töricht nennen, was Gottes Kraft und Weisheit schuf. An Dir, dem Gekreuzigten, erkenne ich, dass Gott Licht ist und ist nicht Finsternis in ihm und dass er Liebe ist in rettender Gerechtigkeit. Wird mein Blick trübe, dann schenke mir aufs neue den Anblick Deiner Gnade. Amen.

26. Februar

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, dass auch ihr einander lieb habt.
Johannes 13,34

Als Jesus zu seinen Jüngern sagte: Ich habe euch lieb gehabt, sagten sie mit ganzem Herzen: Ja, so ist es, du hast uns lieb gehabt. Wir haben aus deiner Fülle Gnade um Gnade genommen. Alles, was du sagtest, war Hilfe für uns, und was du tatest, geschah uns zugut. Du hast nicht dich in der Überlegenheit deiner Einzigkeit über uns erhoben, sondern hast zwischen dir und uns die Gemeinschaft gestiftet und uns an dem teilgegeben; was dein eigen ist. Dieses Bekenntnis hat keiner der Jünger Jesu verweigert außer dem einen, der meinte, er sei von Jesus betrogen worden, weil er zum Kreuz ging. Nun sagt ihnen Jesus, wozu er sie geliebt habe, dazu, damit sie einander lieben, und das ist sein Gebot für sie, das er ihnen jetzt gibt, weil er von ihnen scheidet. Jetzt ist es Zeit, dass sie erfahren, was er von ihnen verlangt, womit sie seinen Willen tun und ihm gehorsam sind. Er gab ihnen keine Vorschrift für ihre Lehre und keine Verfassung für die Kirche, die sie gründen, und keine Gesetzgebung, die ihnen ihr Handeln vorschriebe. Mit einem einzigen Gebot sagt er ihnen, was er von ihnen will: einander lieben! Sie, die vereint seine Boten sind und in gemeinsamem Wirken sein Wort zur Menschheit bringen, sollen einander schätzen und werthalten und jeder dem anderen zu Diensten stehen, Petrus dem Johannes und Johannes dem Petrus, Philippus dem Matthäus und Matthäus dem Philippus, und dies ist ihr Weg und sein Gebot, weil er selbst sie alle lieb gehabt hat, nicht den Petrus allein und den Johannes allein, sondern sie alle, die nun miteinander leben und miteinander arbeiten. Das ist ein neues Gebot; denn vorher gab es noch keine Apostelschar mit dem Beruf, den Christus der Welt zu zeigen. Die neue Lage schafft neue Pflicht und verlangt neue Liebe. Als er bei ihnen war, hielt er sie beieinander und war ihr Friede. Weil er nun geht, ist ihre Gemeinschaft an das gebunden, was sie selber tun. Hoch steht diese neue Pflicht über allem, was ihnen bisher geboten war. Aber dieses neue Gebot ist keine neue Last, sondern entsteht aus dem, was er ihnen getan hat, und verlangt von ihnen das Eine, dass seine Liebe in ihnen wirksam sei.

Aus Deiner Gnade entsteht Dein Gebot und darum macht es uns selig. Es wird mir zu schwer, wenn ich auf mich sehe, und süß, wenn ich auf Dich blicke. Es hat heilige Notwendigkeit, das erkenne ich wohl. Wie können wir Dein Werk treiben, wenn wir, die wir uns zu Dir halten, einander nicht lieben? Das ist das, was uns fehlt und was wir bedürfen. Erbarme Dich unser und vergib uns. Amen.

29. Februar

Es sei ferne von mir zu rühmen, denn allein vom Kreuz unseres Herrn Jesus Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.
Galater 6,14

Ist es seltsam, dass sich Paulus des Kreuzes Jesu rühmt? Dort ist seine Übertretung weggetan. Dort ist ihm die Gerechtigkeit zuteil geworden, dort ist ihm die Gnade erschienen, dort ist Gottes Friede zu ihm gekommen. Wie soll er nun nicht Jesus für sein Kreuz danken, wie etwas anderes loben als seinen Tod? Gerade das, was den Menschen erschreckt und ihn zur Buße nötigt, ist sein Ruhm, weil sich gerade dort Gottes Gnade und Gerechtigkeit offenbaren. Neben diesem Ruhm hatte in der Seele des Paulus kein anderes Rühmen Raum. Weil das Kreuz Christi die Schuld der Menschheit offenbart und richtet, sagt Paulus jedem Menschen, sei er wie er sei, du bist dem Tod übergeben. Darum hat die Welt für Paulus keinen Glanz und keine Größe mehr. Denn ihre Sündhaftigkeit und Verwerflichkeit ist durch den Tod Jesu aufgedeckt und Gottes Gericht ist über sie ergangen. Nun kann Paulus den Menschen nicht mehr bewundern und ebenso wenig fürchten. Mag er sagen und tun, was er will, Paulus sagt ihm, du bist gekreuzigt, gerichtet und tot. Allein durch unsere Verurteilung empfangen wir Gottes Gnade und unsere Übergabe in den Tod öffnet uns den Eingang in das Leben. Die Welt ist mir gekreuzigt, das heißt, ich sehe in jedem Menschen den, den die Gnade sucht, die für ihn das Kreuz trug, in jedem den, der Anteil an der Vergebung hat, die der Welt ihre Sünden nicht anrechnet, in jedem den, den Gott mit sich versöhnt hat und zu sich beruft. Darum sträubt sich Paulus nicht dagegen, dass auch er für die Welt ein Gekreuzigter ist, wie sie es für ihn ist. Weil er die Welt vor den Gekreuzigten stellt, antwortet sie ihm mit Geringschätzung und Hass. Er erwartet nichts anderes und begehrt von Menschen für sich keine Verehrung, wie auch er ihm keine Bewunderung darbringt. Weil auch ihm wie allen das Kreuz Jesu seinen Platz vor Gott anweist, ist er wie alle non jedem Verdienst entkleidet, von jedem Begehren, groß zu sein, erlöst, einer der Gottes Vergebung bedarf und sie empfangen hat, und deshalb ist er der Bote der göttlichen Gnade für die Welt und imstande, jedem zu sagen: sei versöhnt mit Gott.

Was Du, Herr Christus, getan hast, als Du Dein Kreuz trugest, ist höher und tiefer als meine Gedanken, mächtiger und gnädiger als meine Erfahrung. Ich sehe bittend empor zu Deiner Höhe: Zeige mir die Herrlichkeit Deines Kreuzes, dass es mir zum Ruhm wird, weil es mich in Gottes Frieden bringt und mein Leben fruchtbar macht im Dienst Deiner Gnade. Amen.

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