Schlaffer, Hans - Gebet im Gefängnis

Der blutige Schauplatz oder Märtyrer-Spiegel der Taufgesinnten oder Wehrlosen Christen Zweiter Theil

Schlaffer, Hans - Gebet im Gefängnis

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O Gott! ich bitte um deine Gnade! Du wollest mir meine Sünden nicht zurechnen, indem Christus für dieselben genug getan hat, ehe ich geboren war. Ich war dein Feind und du hast mich geliebt, mich in Gnaden aufgenommen und für mich, zu meiner Erlösung, das unschuldige Blut deines geliebten Sohnes dahin gegeben, obgleich ich noch an mir viele Spuren der anklebenden Sünden wahrnehme, welche sich in meinem Fleische hervortun. Denn wenn ich das Gute tun will, hanget mir das Böse an. Um deswillen bin ich betrübt und mag wohl mit dem Apostel Paulus seufzen und rufen: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Und ich muß mir selbst antworten und sagen: Ich danke meinem Gott, der mir durch Christum den Sieg gegeben hat. Du bist mein Trost, denn weil ich von Herzen glaube, so kann ich nicht verdammt werden. Der Geist ist zwar willig und bereit, aber das Fleisch ist schwach, so daß es nicht dem Gesetze Genüge tun kann, bis Christus mit seinem Geiste stärkt. Wo menschliche Gesetze auf Erden regieren, da werden die elenden Gemüter verführt; ja, wo Jesus Christus nicht allein der Beherrscher ist, bauet und die Aufsicht hat, da bestehet kein Gebäude, sondern bleibt alles zerrissen und zerbrochen. Obschon die Welt andere Dinge hochhält, so sind sie doch vor Gott verschmähet; darum bitten wir dich alle gemeinschaftlich, jung und alt, groß und klein, daß du, o Gott, dich unserer erbarmen und uns armen Kindern getreue Hirten senden wollest, die deine Gabe austeilen, damit jede Menschenlehre ausgerottet werden möge; denn es it Zeit, daß man rechte Buße tue und von dem Bösen ablasse, indem das strenge Urteil Gottes vor der Türe ist. Darum lasset uns zu der Züchtigung unseres Vaters unsere Zuflucht nehmen und ihm in Gehorsam uns unterwerfen, damit er uns, als seine Kinder, züchtige. Die Welt ist verblendet, sie kennt der Christen Leben nicht, sie hat davor einen Abscheu, flieht vor dem Kreuze und meint, es sei genug, wenn sie nur von dem christlichen Leben fein mit Worten reden könne, mit der Tat aber wenig vollbringt.

Aber, meine Brüder! wer ein aufrichtiger Christ sein weill, der muß Christum anziehen und ihm in seiner armen Gestalt gleich werden auf dieser Erde, und darin mit getrostem Mute alles aufnehmen, was ihm in dieser Welt begegnet. Hier hilft kein auswendiger Schein, daß man Christum lieb habe, und um seines Namens willen leide; man muß sich auch seiner nicht schämen, der uns zuerst geliebt, und sich für uns dem schmählichen Tode übergeben hat. Es kann in Wahrheit nicht anders sein, als daß das Gericht erst an dem Hause Gottes anfange. Also wird nun die Heilige Schrift erfüllt, weshalb die Strafe, womit die Welt heimgesucht werden wird, bereits vor der Türe ist; darum soll sich niemand versäumen, denn das Schwert ist gezogen, der Bogen ist gespannt und der Pfeil darauf gelegt, und man zielt, um zu schießen. Ich meine hiermit nicht, daß man eine Ausflucht suchen, sondern des Vaters Züchtigung annehmen soll, wie oben gesagt worden ist, womit er uns zu demjenigen läutert, wozu er uns versiegelt hat, damit wir des ewigen, unvergänglichen Reichs mit ihm versichert sein und dasselbe ewig mit ihm in dem ewigen Leben besitzen sollten, wozu uns Gott sämmtlich stärken und kräftigen wolle. Amen.

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