Schlachter, Franz Eugen - Was lehrt die Bibel von der Taufe?

Schlachter, Franz Eugen - Was lehrt die Bibel von der Taufe?

Eine Schriftstudie von F. Schlachter, Prediger in Biel

Johannes der Täufer:

„Ich taufe euch mit Wasser; Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen“

Biel 1896

Vorwort zu 1. Neuauflage

Die Frage nach der biblischen Taufe hat im Leben von Franz Eugen Schlachter (1859-1911), bzw. zu Beginn seines Dienstes, eine entscheidende Rolle gespielt.

Als Mitarbeiter eines pietistisch-kirchlichen Missionswerkes, der Evangelischen Gesellschaft (EG) des Kantons Bern, ließ er sich 1884, als Fünfundzwanzigjähriger junger Prediger der EG, von Konrad Werndli - einem Prediger der Freien Evangelischen Gemeinde Thun - in Thun taufen. Dies führte zu einer Irritation von Seiten der Verantwortlichen der EG, Pfarrer Gerber usw. Im März 1884 wurde der „Skandal“ im Hauptkomitee abgehandelt.

Letztlich betonte Schlachter, daß er sich „im Gehorsam gegen das Wort habe taufen lassen, ohne etwas Besonderes daraus machen zu wollen“. Das Komitee der EG verlangte, daß er seine Taufe als jugendlich unbesonnene Tat erkläre. Ob und wie er dies getan hat, ist uns unbekannt. Letztlich gab es aber eine Einigung mit der EG.

Daß er aber von seiner persönlichen Überzeugung nicht abwich, zeigt die vorliegende Schrift von 1896, als er immerhin noch Prediger der EG in Biel war.

Allerdings hatte die Gemeinde in Biel - wegen Franz Eugen Schlachter - eine Sonderrolle innerhalb der EG. Schlachter ging oft fast freikirchlich vor. So ist auch die hier vorliegende Schrift zu erklären, in der er seine eigene Sicht der Taufe abhandelt.

Lange Zeit habe ich nach dieser Schrift gesucht - genauso wie nach „Resli“, „Meister Pippin“ und „Frohe Botschaft an die Kranken“ (das alte Evangelium Nr. 2)

Besonders danken möchte ich Torsten Geiger, der mir einen Teil dieser Schriften in der Schweiz gefunden bzw. besorgt hat - darunter auch die Schrift über die Taufe,

Ich war wiederum erfreut, wie klar und eindeutig Franz Eugen Schlachter die Linien der Schrift erkennt und in seiner unnachahmlich einfachen und doch so lehrmäßig klaren Art aufzeigt. Allerdings werden wir auch - wie wir es ja vom Verfasser gewöhnt sind - ganz außergewöhnliche Gedanken über die Taufe finden.

Der Text wurde von mir unverändert belassen. Lediglich einige kleiner sprachliche Änderungen bzw. Anpassungen, wie z.B. das Einsetzen einer Präposition oder beim Imperativ das Weglassen des „e“ am Ende eines Wortes usw, wurden vorgenommen, bzw. hie und da erklärende Fußnoten eingesetzt. Diese sind - im Gegensatz zu Schlachters Fußnoten - kursiv gesetzt.

Möge dieses Zeugnis eines Zeugen Jesu aus der großen Erweckungszeit um die Jahrhundertwende, noch manchem Leser zum Segen bzw. zum Anstoß für die biblische Taufe werden.

Albstadt, den 12. Februar 2005

Karl-Hermann Kauffmann Was lehrt die Bibel von der Taufe?

Es gibt Fragen, deren Behandlung man so lange wie möglich auszuweichen sucht, sei es, daß sie einem nicht wichtig genug vorkommen, um viel Zeit darauf zu verschwenden, oder sei es, daß sie, wie die vorliegende, zu den heiklen Fragen zu rechnen sind. Vielleicht weiß man zum voraus, daß eine endgültige, klare Antwort auf die betreffende Frage nicht zu finden ist, oder aber, wenn sie zu haben ist, so ist sie vielleicht gar nicht erwünscht; es mag uns angenehmer sein, wenn die Wahrheit sich in einen grauen Schleier hüllt, als wenn sie in scharf umrissener Gestalt vor unsere Seele tritt und uns zur Entscheidung drängt. „Es ist das Licht süß“; aber eine laue Sommernacht mit ihrem ungestörten Frieden sagt uns vielleicht noch besser zu.

Gleichwohl wollen wir jetzt eingedenk der Ermahnung unseres großen Lehrers, des Apostels Paulus: „Ihr, meine Brüder, seid Kinder des Lichts und Kinder des Tages,“ - das Halbdunkel zu lichten versuchen, das sich etwa für uns über die Tauffrage lagert. Wir wollen es tun nach Anleitung und im Vertrauen auf die Verheißung unseres Meisters, der uns zuruft: „Wenn ihr bleibet in meinem Worte, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen1).“ Wir nehmen als nicht eine kirchliche - auch nicht freikirchliche Lehre - oder Praxis zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung, sondern das allein maßgebende Evangelium unseres Herrn Jesu Christi; und da dieses nach Markus 1,1 mit der Taufe des Johannes seinen Anfang nahm, so fangen auch wir mit der Taufpraxis Johannes des Täufers an, um von da zur Praxis Jesu überzugehen, zu seinem Taufbefehl und zu den daran sich anschließenden Taufhandlungen der Apostel und ihrer Lehre davon. Wir handeln aber den Stoff nach der klaren Übersichtlichkeit gleich unter verschiedenen Gesichtspunkten ab und beantworten nacheinander auf Grund der bezüglichen Schriftstellen die nachfolgenden Fragen:

1. Was heißt taufen?

2. Wer wird und unter welchen Bedingungen wird getauft?

3. Durch wen wird die Taufe vollzogen?

4. Zu welchem Zweck?

5. Und endlich fragen wir, was der Taufe in der Schrift für eine Bedeutung beigelegt wird. 1.

Die Frage: Was heißt taufen? ist zunächst eine rein sprachliche. Das entsprechende Wort im Neuen Testament heißt „baptizein“ und bedeutet überall da, wo es im gewöhnlichen Sinne vorkommt, nichts anderes als „untertauchen“ oder „eintauchen“. Das Wort findet sich öfters in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments2), die zu Jesu und der Apostel Zeiten so gebräuchlich war, wie es bei uns die Lutherbibel ist. Dort kommt selbstverständlich das Wort nicht von der Taufhandlung vor, da das Alte Testament dieselbe noch nicht kennt, aber um so lehrreicher ist der Gebrauch, den die Septuaginta von dem Worte baptizein macht. Josephs Brüder tauchen den bunten Rock in das Blut eines Böckleins ein; Moses gebietet den israelitischen Hausvätern, ein Ysopbüschel ins Blut des Passahlammes zu tauchen; in seinem Segen weissagt er von Asser, derselbe werde seinen Fuß in Öl tunken, und Boas erlaubt der Ruth, ihren Bissen Brot in den Essig zu tunken, der zur Erfrischung seiner Schnitter aufgestellt ist; Hasael taucht die Decke, womit er den König Benhadad erstickt, in Wasser ein (2. Könige 8,15). - In allen diesen Stellen ist in der griechische Bibel das gleiche Wort wie im Neuen Testament für Taufen gebraucht, woraus die Bedeutung „eintauchen“ für dasselbe zweifellos erwiesen wird; den Sinn von „Besprengen“ hat das Wort baptizein auch nicht ein einziges Mal, weder im Alten noch im Neuen Testament. Dagegen finden sich im Alten Testament noch zwei Stellen, wo der Gebrauch des Wortes ganz auffallend an die neutestamentlichen Taufhandlung erinnert. Von den Priestern nämlich, welche mit der Bundeslade den Jordan durchschritten, wird uns gemeldet, sie hätten ihre Füße in das Wasser desselben getaucht; der syrische Feldhauptmann Naeman aber hat sich siebenmal im Jordan untergetaucht, was die Septuaginta ganz mit denselben Worten melde, wie wenn es heißen sollte: „Er taufte sich im Jordan“. Was nun aber so im Alten Testament ein ganz neutrales Vorkommnis ist, erscheint im Neuen Testament plötzlich zu einer religiösen Handlung gestempelt. Die Unter- oder Eintauchung in Wasser wird zum Zeichen der Sinnesänderung, zum Übergang in ein neues geistiges Gebiet, das zunächst etwas unbestimmt „Himmelreich“ oder „Reich Gottes“ genannt wird, bald aber in der Person Jesu Christi als dem Vertreter und Vermittler desselben eine bestimmte Gestalt gewinnt, so daß auch die Taufe zum Eintritt in Seine Gemeinschaft, zur Hingabe wird an Seine Person. Aus diesem Grunde wurde auch ganz gewiß die Taufe ursprünglich am Jordan vollzogen. Der Jordan war für das alttestamentlich Gottesvolk der Durchgangspunkt aus dem alten Lebensgebiet der Wüste, in das neue des verheißenen Kanaan. Je weniger sich aber Kanaan mit der Zeit als das Reich Gottes erwies, desto bestimmter trat in den Propheten die Verheißung des wahren Gottesreiches und dessen, der es bringen sollte, auf. Endlich erschallt am Ufer des Jordans der Ruf: „Das Gottesreich ist nahe!“ Und hinaus strömt das Volk, um abermals über den Jordan zu gehen, diesmal in das wahre Gottesreich. Da wird ihnen dort erklärt, dieses Reich sei kein irdisches, sondern ein geistiges, es werde nicht in einem bestimmten Land, sondern in den Herzen der Menschen etabliert, die sich ihm öffnen. Wer hinein wolle, der müsse zwar auch durch einen Jordan, nämlich durch die Wasser der Buße hindurch; er müsse ein anderer Mensch werden, und wer das wolle, der solle es dadurch zeigen, daß er sein bisherige Leben verurteile, Vergebung für die darin gemachten Schulden suche und Früchte bringe, die aus der Sinnesänderung entspringen. Wem darum zu tun sein, dem gebe Johannes, im Auftrag Gottes Gelegenheit, durch die Taufe öffentlich diesen Schritt vom alten in das neue Leben zu tun und die Zusicherung, daß die alte Schuld vergeben werden soll.

Die Taufe ist demnach schon bei Johannes die Untertauchung eines Menschen, der vom alten in das neue Leben übergeht; sie ist nicht dieser Übergang selbst, wohl aber das Bekenntnis desselben, die Weihe dazu und die Verheißung auf den neuen Lebensweg. Dies wird uns noch klarer, wenn wir die Antwort suchen auf die Frage: 2.

Wer wird und unter welchen Bedingungen wird getauft? Johannes pflegte diejenigen zu taufen, die ihre Sünden bekannten. Matthäus (3,6) und Markus (1,5) drücken sich so aus, daß das Sündenbekenntnis nicht nur als zufällige Zutat zur Taufe des Johannes erscheint, sondern als Bedingung derselben: „Sie wurden getauft, wenn sie ihre Sünden bekannten,“ und nicht etwa bloß: „Indem sie getauft wurden, bekannten sie ihre Sünden.“ - Es könnte zwar aus etlichen Stellen geschlossen werden, Johannes habe ohne weiteres alle Leute getauft, die zu ihm hinauskamen, insbesondere möchte dies aus Luk 3,21 hervorgehen, wo gesagt wird, daß sich das ganze Volk taufen ließ; allein aus der scharfen Zurechtweisung, die der Täufer den Volkshaufen erteilte, die zu ihm hinauskamen, um sich von ihm taufen zu lassen, sieht man doch jedenfalls, daß er nicht jedermann bedingungslos getauft haben kann. Seine Forderung an sie: „Bringt nun Früchte hervor, die der Buße würdig sind!“ kann wohl so verstanden werden, daß die Echtheit ihrer Buße erst erwiesen werden müsse, ehe er sie taufen könne. Und erst, nachdem diese Forderung solchen Eindruck auf die Leute gemacht hat, daß sie bußfertig fragen: „Was sollen wir denn tun?“ und willig sind, das zu tun, was er von ihnen verlangt, tauft er sie. Die Pharisäer und Sadducäer dagegen, denen Johannes nach Matth 3,7 ganz dieselbe Forderung stellte, nahmen dieselbe nicht an und wurden darum auch, wie Jesus später ausdrücklich bemerkt (Luk 7,30) nicht von ihm getauft; d.h. allerdings, „sie ließen sich nicht taufen“; aber warum? „sie verachteten den Ratschluß Gottes“, während „alles Volk und die Zöllner Gott recht gaben, indem sie sich taufen ließen mit der Taufe des Johannes;“ und recht gaben sie ihm eben dadurch, daß sie ihre Sünden bekannten und auf die Forderung der Sinnesänderung eingingen, was die Pharisäer nicht wollten.

Jesus schloß sich in Seiner Praxis in jeder Beziehung an die Johannestaufe an; dadurch, daß Er sich selbst von Johannes taufen ließ, hat er sie sanktioniert, und Seine Forderung an das Volk lauteten anfänglich gleich (Matthäus 4,17). Man fragt sich, wie so das möglich gewesen, wenn durch Johannes schon „das ganze Volk“ getauft worden war; entweder ist dieser Ausdruck nur von „oberflächlicher Schätzung“ zu verstehen, oder aber Jesus hat wiedergetauft. Dies wäre insofern begreiflich, als Seine Taufe eben doch nicht mehr nur wie die des Johannes die Buße versinnbildlichte, sondern den Eintritt in Seine Jüngerschaft markierte. Jesus machte Jünger und taufe sie - - oder genauer, ließ sie durch Seine Jünger taufen; - Er verlieh ihnen damit das Merkmal der Jüngerschaft.

Damit stimmt nun auch Sein Befehl, den Er den Aposteln kurz vor Seiner Himmelfahrt gab und der uns bekannt ist als der Taufbefehl. Markus (16) teilt ihn etwas verschieden von Matthäus (28) mit. Bei Markus ist das Taufen nicht eigentlich befohlen, sondern nur als selbstverständlicher begleitender Umstand des Glaubens vorgesehen, während dort nur die Predigt des Evangeliums befohlen ist. Bei Matthäus dagegen gehört allerdings die Taufe zu dem Befohlenen, doch auch da nicht so, daß sie in erster Linie stünde, sondern abhängig vom Hauptbefehl: „Machet zu Jüngern!“ Wen nun sollten sie zu Jüngern machen? Der Herr eröffnet ihnen da ein weites Feld, indem Er ihnen „alle Völker“ zu gewinnen befielt. Wie meint Er das? Sollen sie ganze Völkerschaften, als solche der Kirche einverleiben? Es fragt sich, ob sich diese Auffassung sprachlich rechtfertigen läßt und dem Sinn des Herrn entspricht. Hätte Er das sagen wollen, so würde Er sich wohl eher des Ausdrucks bedient haben: „Machet zu Jüngern jedes einzelne Volk!“ Schwerwiegender aber als sprachliche Bedenken ist folgender Grund: Jesus hat nie erwartet, daß eine größere oder kleinere Korporation in corpore in Seine Jüngerschaft treten werde. Nicht einmal die einzelne Familie, noch viel weniger ein ganzes Volk oder gar die ganze Welt geht in dieser Aera als solche in Jesu Jüngerschaft ein. Um ein Jünger Jesu zu werden, braucht es einen individuellen Entschluß. Als einmal ganze Volkshaufen dem Heiland nachliefen, wandte Er sich um und sagte: „Wer nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein!“ (Luk 14,32); und daß Er darunter vorzugsweise die natürliche Familien und Volksverbindungen verstand, ist bekannt. - Wie ist es nun möglich, daß Jesus plötzlich ganze Völker als solche in Seine Jüngerschaft aufgenommen und getauft sehen will? Daß Er es nicht so meint, geht übrigens auch noch aus einer grammatischen Feinheit des griechischen Textes bei Matthäus hervor, indem das „sie“ bei „taufet sie“ nach dem Grundtext nicht auf „alle Völker“ bezogen werden kann. Diese sind nämlich im Griechischen sächlichen Geschlechts, das „sie“ aber ist männlichen Geschlechts; es kann daher nur auf „Jünger“ bezogen werden. Und hier stimmt nun Markus 16,15f, überein: - Das Evangelium soll aller Kreatur(wörtlich: der ganzen Schöpfung) verkündigt werden, wodurch eben an alle Völker oder Leute der Ruf zur Jüngerschaft Christi kommt. Wer diesem Ruf gehorcht und mit Christo in Glaubensverbindung tritt, der soll durch die Taufe auch äußerlich zu einem Jünger Christi gestempelt werden. Das ist der Sinn des Taufbefehls, der sich aus Vergleichung von Matth. 28,19 und Markus 16,15ff ergibt.

Dem Befehl des Herrn entspricht auch die Praxis der Apostel durchaus. Petrus fordert in seiner Pfingstrede Sinnesänderung vor der Taufe, und nur die, welche sein Wort gerne annehmen, werden getauft; Apg 2,41. Da ist also keine Spur von Taufzwang, wie er mit der Einverleibung eines ganzen Volkes in corpore in die Kirche unvermeidlich verbunden ist. Es fällt die Frage, ob man getauft werden will, durchaus der individuellen Entscheidung eines jeden Einzelnen anheim, und darum geht auch von Pfingsten an durch die ganze Apostelgeschichte hindurch der Taufe immer die kürzere oder längere Predigt des Evangeliums voraus, so daß sich jeder freiwillig entscheiden kann; kein Zwang, auch kein moralischer, wird ausgeübt. Philippus predigt in einer Stadt Samarias das Evangelium; die Leute, die durch seine Evangelisation zum Glauben kommen, werden getauft. Ebenso fällt ihm der Wunsch des Kämmerers, dem er privatim das Evangelium von Jesu verkündigt hat, als reife Frucht in den Schoß, die Philippus durchaus nicht etwa heruntergeschlagen hat. Vielmehr examiniert er den vornehmen Herrn in einer Weise, die für uns äußerst lehrreich ist; denn aus der Frage, die er ihm vorlegt, ergibt sich mit unwiderleglicher Deutlichkeit, wie die urchristliche3) Kirche den Taufbefehl verstand: „Glaubst du von ganzem Herzen,“ sagt der Evangelist zu dem Taufbewerber, „so ist es erlaubt.“ Der Gegensatz ergibt sich leicht, ohne daß er gerade dastehen muß: „Glaubst du nicht, so ist es nicht am Platz.“ Auf die Frage des Petrus im Hause des Cornelius: „Kann auch jemand das Wasser wehren, daß diese nicht getauft würden, die doch den Heiligen Geist empfangen haben, gleichwie wir,“ deutet wenigstens an, daß der Apostel die Glaubenshindernisse glaubte und daß solche für ihn da bestehen konnten, wo die Aufrichtigkeit der Bekehrung zweifelhaft war. Lydia und der Kerkermeister werden oft als Beweis für die jetzt herrschende Taufpraxis angeführt, da sie beide „samt ihrem Hause“ getauft worden sind. Allein, man darf nicht übersehen, daß die Lydia gerade ihre Taufe als einen Beweis auffaßt, daß sie von Paulus und Silas für gläubig gehalten wird; denn sie sagt unmittelbar nach ihrer Taufe zu ihnen: „Wenn ihr zu der Überzeugung gelangt seid, daß ich gläubig sei an den Herrn, so kommt in mein Haus und bleibt daselbst.“ Apostelgesch. 16,15. Der Kerkermeister aber wurde in jener Nacht durch göttliche Dazwischenkunft so offenkundig bekehrt, daß uns seine sofortige Taufe nicht wundern kann. Wurden aber auch die Seinigen alsobald mit ihm getauft, so geschah dies nicht, ohne daß er mit seinem ganzen Hause an Gott gläubig geworden war. Wir kommen demnach zu dem Schluß-Satz unseres zweiten Teils, daß nach der Schrift getauft wird, wer durch Buße und Glauben in die Gemeinschaft mit Jesu tritt. Damit soll nicht gesagt werden, daß durch die Apostel niemand getauft worden sei, dessen Buße und Glauben unecht war. Wir erinnern nur an Simon, den Zauberer, dem Petrus, obgleich er getauft ist vorwirft: „Dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott.“ - Aber solche Ausnahmen waren nicht die Regel und absichtlich kamen sie nicht vor. 3.

Wir machen nun zwischenhinein eine kurze Exkursion in das Gebiet der Amtslehre hinüber, um zu erfahren, durch wen nach dem Evangelium die Taufe vollzogen wird oder vollzogen werden soll. Johannes war von Gott gesandt, mit Wasser zu taufen (Joh 1,33); wer taufen soll, muß also einen göttlichen Auftrag dazu haben, ein menschlicher tut's nicht, wäre er auch von einem Kirchenregiment ausgefertigt. umgekehrt hat keine kirchliche Behörde das Rechte, einem Mann, der göttlichen Auftrag zum Taufen hat, dieses zu verbieten. Die Abgesandten der obersten Kirchenbehörde in Jerusalem fragten Johannes: „Warum taufst du denn, so du doch nicht der und der bist - also das Patent nicht dazu hast?“ Er gab ihnen keine Rechenschaft darüber, offenbar, weil er sie nicht ihnen, sondern Gott allein schuldig war. Jesus taufte nicht selbst; Er ließ Seine Jünger das besorgen, wofür Er drei Gründe gehabt haben mag: a) Er wollte nicht als ein zweiter Wassertäufer, sondern als derjenige angesehen werden, der mit dem Geiste tauft; b) überdies, was Seine Jünger tun können, das läßt Er sie machen, und c) zum Taufen bedarf es offenbar keiner so bedeutenden Ausrüstung, wie zur Predigt des Evangeliums, sonst hätte Jesus Seine Jünger nicht zuallererst damit betraut. Wie inkonsequent ist es darum, wenn man einem Evangelisten zwar das Predigen erlauben will , aber das Taufen nicht! Immerhin mag sich ein solcher mit Paulus trösten, der da schreibt: „Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen.“ Doch soll sich ein jeder prüfen, ob er angesichts des klaren Taufbefehls, der dem Prediger des Evangeliums auch das Taufen überträgt, letzteres im Blick auf die dereinst abzulegende Rechenschaft unterlassen darf. Unterlassen hat Paulus das Taufen nicht; nur hat er es meist nicht selbst besorgt, sondern durch seine Gehilfen diese Verordnung des Herrn ausgeführt, weil eben nach dem Befehl und Vorgang des Herrn jedem Jünger das Taufen erlaubt werden darf. 4.

Was hat die Taufe für einen Zweck? Diese Frage ist umsomehr am Platz, als man in gewissen Kreisen (z.B. bei den Salutisten) die Notwendigkeit der Geistestaufe so sehr betont, daß darob die Wassertaufe ganz überflüssig erscheint. In andern Kreisen wird zwar nicht die Taufe selbst, wohl aber das „viele Wasser“, das Johannes der Täufer dazu nötig hatte (Joh 3,23) für überflüssig gehalten, dafür aber umsomehr Wein nachher gebraucht.

Unsere Vernunft sieht den Zweck der Wassertaufe, vollends in ihrer biblischen Form, nicht gerne ein. Aber vielleicht ist gerade dies ein Grund, warum trotzdem getauft werden soll. Der Gehorsam gegen den Taufbefehl, dessen Zweck wir nicht verstehen, soll ohne Zweifel in erster Linie eine Probe der Aufrichtigkeit unserer Buße und unseres Glaubens sein. - „Eine leichte Probe!“ magst du sagen. Wohl mein Lieber, wenn dich der Herr etwas Großes geheißen hätte, würdest du es tun; nun Er aber nur sagt: „Laß dich untertauchen!“ findest du das nicht der Mühe wert. Was der biblischen Taufe am meisten im Wege steht, ist unser Raisonnement4); wer aber Buße tut, der hört auf zu raisonnieren5), er gibt Gott recht und ist zu jeder Demütigung bereit. Und wer Glauben hat, der folgt dem Herrn auf`s Wort, auch wenn er es nicht versteht. Der Zweck der Taufe wird also wohl der einer Gehorsamsprobe sein, wie auch Jesu sagte, als Er sich taufen ließ: „Also gebühret es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ - Doch ist das nicht ihr einziger Zweck; sie soll auch ein Mittel zur Entscheidung sein. „Und nun, was zögerst du,“ rief Ananias dem bereits von der Wahrheit überzeugten Saulus zu; „steh auf, las dich taufen und abwaschen deine Sünden, indem du Seinen Namen anrufst!“ (Apostelgesch. 22,16). Die Taufe ist ein öffentlicher Bruch mit der unchristlichen Vergangenheit und Gesellschaft. Sie nimmt dadurch zugleich den Charakter eines öffentlichen Bekenntnisses der Buße und des Glaubens an, und ohne Zweifel ist es ein Zweck, den der Herr im Auge hat, uns durch die Taufe das Bekenntnis zu erleichtern. Spurgeon sagt, er wisse nicht alles, was die Taufe ihm genützt; „aber jedenfalls hat sie mir den Mund geöffnet und die Schüchternheit gebannt.“ Und da das Bekenntnis steht's missionierend wirkt, müßte die Taufe, biblisch angewendet, gewiß ein treffliches Evangelisationsmittel sein. Weil man aber dieses vom Herrn verordnete Mittel verschmäht, sieht man sich genötigt, andere zu erfinden. Aus Uganda berichtet Missionar Fischer: „Am 2. Dezember tauften wir in unserer Kirche zu Kitunzi die ersten acht Bekehrten. Es waren etwa 500 Heiden anwesend, manche natürlich, weil sie die Taufe sehen wollten; aber bei dieser Gelegenheit hörten sie das Evangelium. Das kurze Glaubensbekenntnis das jeder Täufling ablegte, machte einen so tiefen Eindruck auf die Heiden, daß wir noch eine Zusatzversammlung abhalten mußten, in welcher 85 Männer, Frauen und Knaben sich für Jesum entschieden, von denen 30 sich seitdem zur Taufe gemeldet haben und in den Taufunterricht aufgenommen worden sind.“ 5.

Es erübrigt uns nun noch zu erörtern, welche Bedeutung von der Schrift der Taufe beigelegt wird. Wer das Neue Testament im Suchen nach der Lehre von der Taufe durchgeht, dem fällt es auf, wie wenig die Apostel von derselben geschrieben haben. Sie setzten offenbar die Bedeutung der Taufe bei ihren Gemeinden als bekannt voraus, und der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt geradezu, er wolle nicht abermals die nebst andern grundlegende Lehre von der Taufe behandeln, woraus ersichtlich ist, daß dieselbe dem mündlichen Unterricht zugeteilt war. Und doch enthält die Schrift genug, um uns über die Bedeutung der Taufe nicht im Unklaren zu lassen

Obenan steht natürlich der Taufbefehl, der verordnet, daß auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werden soll, Wenn Paulus sich den Korinthern gegenüber verwahrt, er habe nicht auf seinen eigenen Namen getauft (1Kor 1,15), so gibt uns diese gelegentliche Bemerkung den Schlüssel zum Verständnis der Taufformel. Auf den Namen jemandes taufen, d.h. ihn mit dem Betreffenden in Verbindung setzen; sich aber auf jemandes Namen taufen lassen, sich ihm ergeben, gleichsam eine geistliche Trauung mit ihm schließen. „Ich taufe dich auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes;“ heißt also: „Ich übergebe dich dem Vater als Sein Kind, dem Sohne als Sein erkauftes Eigentum, dem Heiligen Geist als Seine Behausung.“ - Hat die Taufe diese hohe Bedeutung, dann fragt es sich wirklich, ob es erlaubt sei, dieselbe vorzunehmen an Solchen, die Gott der Vater nicht als Seine Kinder anerkennen kann, der Sohn noch nicht als Sein erlöstes Eigentum kennt (Matth 7,23; 2Tim 2,19) und die ihrer ganzen Stellung nach noch durchaus kein Tempel des Heiligen Geistes sind, ja es nicht einmal sein wollen (1Kor 6,19). Man kann ja freilich sagen, daß die Taufe in diesem Fall auf Hoffnung geschieht; aber es fragt sich, ob eine solche Taufe genügenden Schriftgrund hat und ob sie nicht dazu verleitet, das Gehoffte nun doch schon als durch die vollzogene Taufe im unbekehrten Zustand nicht einer verhängnisvollen Selbsttäuschung Vorschub leistet,

Daß übrigens die Taufe nicht bloß eine Hoffnung einer, zukünftigen Bekehrung vollzogen werden soll, geht aus der Bedeutung hervor, die ihr der Apostel Paulus in Röm 6,3 und 4 und Kol 2,12 belegt. Er sieht nämlich in der Untertauchung des Täuflings dessen Begrabenwerden mit Christo. Nun geht doch selbstverständlich jedem anständigen Begrabenwerden das Sterben voraus, und so schließt auch Paulus von dem Begrabensein der Christen darauf zurück, daß sie mit Christo gekreuzigt und gestorben sind, d.h. ihr alter Mensch, während er in dem Wiederauftauchen des Täuflings aus dem Wasser, in dem er begraben war, dessen Auferstehung zu einem neuen Leben sieht. Dieses neue Leben hat ihm freilich nicht das Wasser mitgeteilt, sondern „der Glaube an die wirksame Kraft Gottes, der Christum von den Toten auferweckt hat“ (Kol 2,12). Die Taufe erhält dadurch die Bedeutung einer sichtbaren Darstellung des innern Vorgangs der Wiedergeburt, und darum wird sie auch vom selben Apostel (Tit 3,5) das Bad der Wiedergeburt genannt, nicht die Wiedergeburt selbst, sondern das Bad, womit man dem neugeborenen Kind die Spuren seines früheren, unwiedergeborenen Zustandes abwäscht und dessen Geburt konstatiert; denn es ist ja unmöglich, ein Kind zu baden vor der Geburt. Die Kunst ist noch nicht erfunden, wohl aber kennt die Kirche die Kunst schon längst, das Bad der Wiedergeburt zu applizieren6), ehe der Mensch wiedergeboren ist und auch, wenn er es gar nie wird.

Geht nun aber vielleicht manchen die Forderung der Wiedergeburt als Bedingung zur Taufe zu weit, so mag ihnen die bescheidene Fassung besser entsprechen, in welcher Petrus (1Petr 3,21) von der Bedeutung der Taufe spricht. er nennt sie nämlich nicht, wie Luther übersetzt „den Bund eines guten Gewissens mit Gott“, sondern (wie auch das Calw. Bibellexikon richtig bemerkt), „die an Gott gerichtete Bitte um ein gutes Gewissen,“ und er sagt außerdem, sie rette uns durch die (darin abgebildete) Auferstehung Jesu Christi. Er vergleicht das Taufwasser mit dem Wasser der Sündflut (nicht mit der Arche, wie einige wollen), durch welches hindurch einst wenige gerettet wurden. So werden wir aus unserer eigenen und der Welt Sündflut gerettet in die Arche der Gemeinschaft mit Jesu Christo, der unsere Bitte um ein gutes Gewissen durch die Vergebung unserer Sünden erfüllt. Unsere Rettung liegt auch da nicht im Wasser, sondern in der Flucht aus der Wasserflut heraus in die Arme unseres Gottes und Heilandes.

Zwingli schreibt in seinem Artikel über die Taufe: „Ich kann nicht anders finden, als daß alle Lehrer seit der Apostel Zeiten weit geirrt haben. Alle haben dem Wasser eine Bedeutung zugeschrieben, die es nicht hat, und so wurde das Wort Christi (Joh 3,5 von der Geburt aus Wasser und Geist) mißverstanden. Jesus Christus, der den Fluch des Gesetzes hinweggenommen hat damit auch alle Rechtfertigung durch äußerliche Dinge abgetan (Hebr 9,9ff). Den äußerlichen Dingen, die er uns gelassen hat, wollen wir also ohne Zweifel keine reinigende Kraft zuschreiben; sie haben die Gewissen nicht reinigen, noch beruhigen können.“ Dieser Irrtum, als wolle Jesus unser Gewissen mit Wasser reinigen, tauchte offenbar schon zu der Apostel Zeiten auf; denn Johannes fühlt sich in seiner ersten Epistel veranlaßt zu korrigieren. Er schreibt (5,6): „Dieser ist es, der da kommt durch Wasser und Blut, Jesus Christus, nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut.“ Die Reinigung des Gewissens von der Sünde geschieht durch Blut und nur durch dieses (Hebr 9,14+22); die Absonderung der Gemeinde Christi aber von der Welt, die (Eph 5,26) auch eine Reinigung genannt wird, geschieht durch das Wasserbad im Wort. Und zugleich werden die Glieder der Gemeinde durch dieses gemeinsame Wasserbad, durch das sie bei ihrem Eintritt in die Gemeinde gehen, zu Einem Leibe getauft (1Kor 12,13), sie legen ihre nationale und individuelle Farbe und Kleidung ab und ziehen Christum an (Gal 3,27), so daß da nicht mehr Jude noch Grieche, nicht mehr Knecht noch Freier, nicht mehr Mann noch Weib ist, sondern alle sind Eins in Christo, dessen Name der über alle Namen ist und auf den sie getauft sind, alle ihre Eigennamen verschlungen hat.

Wir fassen schließlich das Ergebnis unserer Untersuchung in folgende Definition zusammen: Die Taufe ist die Untertauchung eines Gläubigen ins Wasser, die im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vorgenommen wird und die den Übergang des Menschen aus dem alten Leben in das neue und aus der Welt in die Gemeinschaft und Gemeinde Christi zum Ausdruck bringt.

Nachdruck Freie Brüdergemeinde Albstadt 2005 Eigenverlag Freie Brüdergemeinde Albstadt 1. Neuauflage © 2005 Karl-Hermann Kauffmann, Albstadt

1)
zu der Zeit benutzte Schlachter noch die Lutherbibel vor 1912, weil seine Miniaturbibel noch nicht übersetzt war
2)
gebräuchliche Abkürzung ist LXX
3)
wenn Apg 8,37; wirklich eine Glosse ist, wie einige annehmen, so ist sie doch jedenfalls sehr alt und zeigt, wie man in der urchristlichen Kirche von den Bedingungen zur Taufe dachte.
4)
Vernünftelei, Spitzfindigkeiten
5)
hier wohl im Sinne von: Ausreden zu suchen
6)
zu verabreichen
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