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Schlachter, Franz Eugen - Nachruf

Schlachter, Franz Eugen - Nachruf

in seiner Zeitschrift „Der Schriftforscher“ Ausgabe Februar 1911

Prediger Franz Eugen Schlachter, der Herausgeber des „Schriftforscher“, ist heimgegangen. Seine fleißige, nimmermüde Hand hat die Feder auf immer niedergelegt. Sein Mund, der das herrliche Evangelium so getreulich und mächtig verkündigte, schweigt. Er ist eingegangen zu seiner Ruhe; er, dem ein seltener Arbeitstrieb so kärgliche Ruhe ließ fast sein Lebtag, wie wird sie ihm jetzt wohl tun!

Franz Eugen Schlachter ist geboren am 28. Juli 1859 als Sohn des Kaufmanns Franz Joseph Schlachter in Mühlhausen. Bald zog der Knabe mit seinen Eltern nach Basel, wo er das Gymnasium besuchte. Seine Unterweisung fiel in die Zeit der Pearsall Smith´schen Heiligungsbewegung und bewirkte tiefgreifende Eindrücke in dem Jüngling . Nach der Konfirmation verließ er die Schule, um sich dem Kaufmannsberufe zuzuwenden. Allein während seiner Lehrzeit wurde der Drang zur Fortführung der Studien besonders in den alten Sprachen so mächtig, daß er dieselben nebenbei mit großem Fleiß weiterführte. Dazu kam auch eine entschiedene innere Wendung, die in ihm das Verlangen weckte, dem Herrn zu dienen am Worte. So trat er denn nach vollendeter Lehrzeit in die neugegründete Predigerschule ein. Im Jahre 1882 hatte er den Kursus beendigt, und fing erst recht sein reiches Tagewerk an. Die Evangelische Gesellschaft des Kantons Bern berief den begabten jungen Mann in ihren Dienst, in dem er nun volle 25 Jahr blieb, als Prediger und Seelsorger tätig auf verschiedenen Stationen: zuerst in der Länggasse Bern, dann in Schönbühl, hierauf in Thun und Steffisburg und am längsten in Biel. In Bern empfing er für sein Leben und Wirken gesegnete und leitende Eindrücke von dem damals hier wirkenden Missionar Schrenk. Daneben bildete er sich besonders an den Predigten Spurgeons und anderer englischer Evangelisten, wozu 1884 namentlich auch ein vierteljähriger Aufenthalt in London reichen Anlaß bot. In jenen Jahren hörte ich Prediger Schlachter zum ersten Mal. Dem Schulknaben fiel die große Jugendlichkeit und die außerordentliche Beredsamkeit des schlanken, lebhaften Mannes in besonderer weise auf. Nach dem Vorgang Schrenks fing Herr Schlachter damals auch an, da und dort im Lande herum Evangelisationswochen zu halten, wobei er eine hervorragende erweckliche Gabe und große Geistesmacht bekundete. Noch jetzt trifft man gläubige Männer und Frauen, die den Anfang ihres inneren Lebens von Schlachters Evangelisationen her datieren. Wenn seine Predigtweise später einen mehr lehrhaft erbaulichen Charakter annahm, so mag das hauptsächlich seinen Grund haben in dem denkenden Durchdringen seiner Bibel, das seine vielen schriftlichen Bibelarbeiten mit sich brachten.

Während der reichen Predigt- und Seelsorgetätigkeit Schlachters erwachte bald auch, durch jene angeregt, die schriftstellerische Anlage in ihm. So gründete er 1888 „Die Brosamen“, die er zuerst auf sein persönliches Risiko herausgab und nur in einem kleinen Format erscheinen ließ, denen er aber bald einen ansehnlichen Leserkreis zu schaffen vermochte. Auf das Jahr 1893 erwarb die Ev. Gesellschaft das Blatt und gestaltete es zu ihrem Organ, was aber natürlich nicht verhinderte, daß es nach wie vor das persönliche Gepräge seines Gründers und Redaktors trug. Viele unserer Leser erinnern sich gewiß mit Dankbarkeit seiner gehaltvollen, biblisch-lehrhaften Leitartikel, sowie seiner interessanten Erzählungen und Bearbeitungen, und seines geistreichen, oft humoristischen, oft scharf satirischen Weltüberblicks. Wir denken da an seine erste Erzählung „Resli, der Güterbub“, die ganz Jeremias Gotthelfs Art an sich trug und gewissermaßen Schlachters Ruf als Schriftsteller begründete. Er verstand es religiös interessante Persönlichkeiten der Gegenwart und der Vergangenheit ans Licht zu ziehen und in eigener Erzählung oder in guten Übersetzungen und Bearbeitungen seinen Lesern bekannt zu machen. Wir nennen „Meister Pippin“, „Pfarrer Jarousseau“, „Pater Chiniquy“, „Vignes“. An diesen letzten Namen knüpfte sich ja, hauptsächlich vermittelt durch Schlachters Berichte in den „Brosamen“, eine ganze Bewegung, die vielen Kranken, Heilung vielen andern bleibenden innern Segen brachte. Alle diese und noch andere Artikelserien kamen in Buchform heraus und fanden große Verbreitung.

Neben all dieser Arbeit fand der Unermüdlich immer noch Raum, den ihm angeborenen Wissensdurst zu befriedigen; namentlich studierte er die ihm o lieben alten Sprachen mit großer Energie. Doch waren sie ihm nicht Selbstzweck, sondern nur das Mittel um in den Grundtext der Heil. Schrift einzudringen. Er machte sich an die Übersetzung einzelner biblischer Bücher, bezeichnenderweise zuerst an das schwerste, den Hiob, und nach fünfjähriger, angestrengter Übersetzungsarbeit hatte er ein staunenswertes Werk vollbracht: eine neue Bibelübersetzung, die er in Taschenformat mit extra dünnem Papier herausgab und Miniaturbibel nannte. Die Schlachter´sche Übersetzung zeichnet sich aus durch hervorragende Verständlichkeit und Klarheit, wobei alle veralteten Ausdrücke vermieden, dagegen volkstümliche Wendungen nicht verschmäht wurden. Die Miniaturbibel hat unter den Gemeinschaftsleuten Deutschlands und der Schweiz große Verbreitung gefunden und gewiß viel zum Schriftverständnis beigetragen. Auch in wissenschaftlichen Kreisen fand sie Beachtung. Bei all seinen Unternehmungen bekundete Herr Schlachter neben seiner hohen wissenschaftlichen Begabung auch ein wertvolles praktisches Geschick, das in seinem Teil auch viel zum Gelingen und Erfolg beitrug.

Ende 1907 nahm Herr Schlachter nach 25jährigem Dienste in der Ev. Gesellschaft einen Ruf der Freien Gemeinde Bern an, die ihn an Stelle des schwer erkrankten Pfarrer Lindenmeyer zu ihrem Seelsorger wählte, eine Aufgabe, die seinen Neigungen und Anschauungen gewiß aufs beste entsprach . Es schien auch, als ob Herr Schlachter mit doppelter Freudigkeit die Arbeit an Hand nehme. In seiner Bibelmäßigen, gedankenreichen Predigt vereinigte er eine große, dankbare Zuhörerschaft; an Sonntagabenden bot er öfters interessante Vorträge wissenschaftlicher Art, aber durchdrungen von biblischem Geist, wie es bei dem Bibelmann nicht anders sein konnte. Da er bei seinem Arbeitswechsel die Redaktion der „Brosamen“ abgegeben hatte, so gewann er umsomehr Zeit und Kraft zu anderer schriftlicher Betätigung. Er arbeitete an einer nochmaligen Revision seiner Bibel, gab die Hefte des „Schriftforschers“, eine Art biblischen Lexikons, fleißig heraus und seit einem Jahr auch eine sonntägliche Predigt, betitelt „Sonntagsbrot“ und war voll von Arbeitsfreudigkeit und Unternehmungsgeist. Wie oft bewunderten wir, seine Freunde und Kollegen, Herrn Schlachters Arbeitskraft. das Wort „müde“ schien nicht zu existieren in seinem Wörterschatz, während wir andern es so gut kannten. Freilich, ein Geheimnis seiner Frische mag darin zu suchen sein, daß er sich eine Pflicht daraus machte, den Montag als Ruhetag zu behandeln, den er dann meistens zu langen Spaziergängen benutzte, hierein ein mahnend Vorbild für alle Reichsgottesarbeiter.

Da fiel ihn, mitten in seinem kräftigen Alter, die tödliche Krankheit an, Magenkrebs, die ihn rasch seiner Kräfte beraubte und seinen Körper zum Skelett abmagern ließ. Wohl bis fast zuletzt gab er sich der Hoffnung auf Genesung hin, wie es diese zum Glück beinahe schmerzlose Krankheit mit sich brachte; doch machte er sich ergeben auf alles gefaßt. Am Abend vor seinem Todestag rief er seine Gattin und erklärte „Diese Nacht werde ich sterben!“ Umgeben von den Seinigen, das Auge unverwandt wie in die Ferne gerichtet und unter Ausdrücken des Staunens und der Verwunderung schlief er am 12. Januar in der Morgenfrühe sanft ein.

Noch bis in seine letzten tage hinein sorgte sich der teure entschlafene um den „Schriftforscher“. Es war ergreifend zu sehen für seine Angehörigen, wie der Schwerkranke all seine Energie zusammennahm, um sich an den Artikel für die Januarnummer zu machen. In Gedanken hatte er ihn schon zurecht, allein die Kraft zum Schreiben fehlte vollständig; auch das Diktieren griff ihn zu sehr an. er hat sich gemüht buchstäblich, bis ihm die Feder aus der Hand fiel. Bibelgedanken, Bibelfragen haben ihn beschäftigt bis zuletzt. Nun ist sein Wissensdurst gestillt. Er ruht an dem Urquell aller Erkenntnis und schöpft mühelos Fülle um Fülle.

An der unter großer Beteiligung abgehaltenen Leichenfeier zeichnete des Verstorbenen Freund, Herr Pfarrer Schmutziger in Aarau mit warmen Worten dessen Bild, während Herr Prediger Meili, sein Stellvertreter, namens der Freien Gemeinde und Herr Pfarrer E. Gerber namens der Ev. Gesellschaft herzliche Worte des Dankes, des Schmerzes, aber auch des Trostes aussprachen. Nicht den Vollendeten wollen wir preisen, hieß es da, sondern den Vater im Himmel, daß er uns solche Gestalten heute noch gibt. Er ist nun von uns geschieden. Die Säeleute bleiben nicht, aber die Frucht bleibt; ja, was von Gott gewirkt ist in den Werkzeugen und durch dieselben, das bleibt. Er war uns lieb, der teure Bruder, wir schätzen ihn hoch. Tieferschüttert vernahmen viele die Trauerkunde. Uns aber wird angesichts solcher Verluste die Bitte in den Mund gelegt: „Herr sende Arbeiter in Deine Ernte!“

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