Schlachter, Franz Eugen - Der Kampf des Lichtes mit der Finsternis in der Reformation

Schlachter, Franz Eugen - Der Kampf des Lichtes mit der Finsternis in der Reformation

Der Augustinermönch Martin Luther war im Jahre 1508 durch seinen Vorgesetzten Staupitz von Erfurt nach Wittenberg versetzt worden, um dort als Professor der Philosophie an der neugegründeten kurfürstlichen Universität zu wirken. Bereits im folgenden Jahr durfte Luther sein philosophisches Lehramt teilweise mit dem theologischen vertauschen, zu dem er mehr Neigung verspürte. Im Jahre 1512 promovierte er auf Antrieb Staupnitzens zum Doktor der Theologie, wobei er nach damaligem Brauch schwören musste, die hl. Schrift treulich und lauter zu predigen und zu lehren und ihre Lehre gegen alle Anfechtung zu verteidigen. In demselben Jahr wurde der gelehrte Mönch auch vom Wittenberger Rat zum Prediger an eine der Stadtkirchen berufen, so dass er nun nicht mehr bloß als akademischer Lehrer, sondern auch als Seelsorger zu wirken hatte. In dieser Eigenschaft musste Luther nach dem Brauch der katholischen Kirche auch Beichte hören. Er tat dies mit großer Gewissenhaftigkeit und heiligem Ernst und ward als Beichtvater wie als Prediger immer mehr beliebt. Da trat 1517 das Ereignis ein, welches den Beichtvater zum Reformator machen sollte. An den Grenzen Sachsens, in das er nicht hineinkommen durfte, trieb sich der Dominikaner Tetzel herum und verkaufte dem Volk seine Ablassbriefe. Solche erstanden sich auch die frommen Beichtkinder Luthers. Als er sie nun im Beichtstuhl zur Buße ermahnte, antworteten sie ihm ganz getrost, sie hätten nicht nötig, Buße zu tun, da sie Ablassbriefe des Papstes besäßen, welche ihnen die Vergebung ihrer Sünden auch ohne Buße zusicherten. Luther, der sich auf die Kirchenlehre vom Ablass wohl verstand, erkannte sofort den Missbrauch, der hier mit des Papstes Ablass getrieben ward, und predigte dagegen, indem er deutlich erklärte, der Papst könne nur Kirchenstrafen erlassen, niemals aber die göttlichen Strafen; er könne bloß die göttliche Vergebung verkündigen, nicht aber selbst Sünde vergeben, am allerwenigsten die Gnade Gottes verkaufen. Diese Erklärungen legte er überdies in lateinischer Sprache für die Gelehrten in den 95 Thesen nieder und begründete sie darin ausführlich. Am klarsten und schärfsten lautet der 32. dieser Sätze: „Diejenigen werden ewiglich verdammt sein samt ihren Lehrern, welche glauben, durch Ablassbriefe ihres Heils gewiss zu sein“.

Hiemit war der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis entbrannt, wie ihn uns die Geschichte der Reformation auf der ganzen Linie zeigt, wie in Deutschland, so auch in der Schweiz. Es war Finsternis, gegen welche Luther und die übrigen Reformatoren kämpften; bei dem Volke Mangel an Licht, bei den Obern aber boshafte Verblendung, wissentliches Beharren im Irrtum und Aberglauben. Sie wussten gar wohl, dass Luther in seinen Thesen die Wahrheit sagte; aber es lag nicht in ihrem Interesse, derselben zu gehorchen. Luther erzählte davon in seiner Schrift „Wider Hans Wurst“:

„Da schrieb ich einen Brief mit den Propositionibus (Thesen) an den Bischof von Magdeburg, vermahnete und bat, er wollte dem Tetzel Einhalt tun und solch ungeschickt Ding zu predigen wehren; es möchte ein Unlust daraus entstehen; solches gebührte ihm als dem Erzbischof. Aber mir ward keine Antwort. Desgleichen schrieb ich auch dem Bischof zu Brandenburg, an dem ich einen sehr gnädigen Bischof hatte. Darauf er mir antwortete, ich griffe der Kirchen Gewalt an und würde mir selbst Mühe machen; er riete mir, ich ließe davon. Ich kann wohl denken, dass sie alle beide gedacht haben, der Papst würde mir, solch elendem Bettler, viel zu mächtig sein“.

Man sieht, diese Herren Kirchenfürsten fürchteten von der Wahrheit eine Verminderung ihrer Gewalt; darum wollten sie nichts davon wissen; sie liebten die Finsternis mehr denn das Licht, weil sie ihnen bequemer war.

Darum wurde auch Luther vom Papst in den Bann getan und vom Kaiser in die Acht erklärt, als er vor dem Reichstage nicht widerrufen wollte. Die Finsternis wollte das Licht unterdrücken; aber es gelang ihr nicht. Auf dem Heimweg vom Reichstag zu Worms wurde Luther von einer Anzahl Ritter überfallen und nach der Wartburg entführt, wo er sicher verborgen blieb, bis die Gefahr vorüber war. Das Volk glaubte, er sei von den Päpstlichen ermordet worden, und wollte sich deshalb an den Gesandten des Papstes rächen; Luthers zahlreiche Freunde aber, die er schon allenthalben hatte, klagten bitterlich um ihn, so der Maler Albrecht Dürer, der in Antwerpen von seinem rätselhaften Verschwinden gehört hatte. Er jammerte:

„Zehn Reuter führten verräterlich den verkauften, frommen, mit dem hl. Geist erleuchteten Mann hinweg, der da war ein Nachfolger des wahren christlichen Glaubens; und lebt er noch, das ich nit weiß, oder haben sie ihn gemördert, so hat er das gelitten um der christlichen Wahrheit willen. „O Gott, ist Luther tot, wer wird uns künftighin das heilig Evangelium so klar fürtragen? O ihr alle fromme Christenmenschen, helft mir fleißig beweinen den gottgeistigen Menschen und Gott bitten, dass er uns einen andern erleuchteten Mann sende!“

Luther war aber nicht tot und auch nicht müßig. Er übersetzte in den elf Monaten seines unfreiwilligen Urlaubs auf der Wartburg das Neue Testament und trug dadurch mehr zum Siege des Lichtes über die Finsternis bei, als der Papst mit seiner Bulle und der Reichstag mit seiner Acht ihr Vorschub zu leisten imstande waren.

Unter den Waffen des Lichts, mit welchen die Reformatoren gegen die Finsternis des römischen Aberglaubens stritten, ist ja die vornehmste gewesen die hl. Schrift. In dem Kampf, der über seine Thesen entbrannte, erkannte Luther bald, woher der Irrtum seiner Gegner rührte, nämlich daher, dass sie sich auf die Tradition, anstatt auf Jesum und die Apostel beriefen. Dagegen machte er den Grundsatz geltend, dass nur die hl. Schrift dem Glauben eine sichere Grundlage biete, und darum nur sie, nicht aber der Papst zu entscheiden habe, was Wahrheit sei. Der Dominikaner Sylvester Prierias befasste sich zuerst im Auftrage des Papstes als „Lehrer seines h. Palastes“ mit Luther und schrieb ihm u.a.:

„Die römische Kirche ist die allgemeine Kirche. Wer ist aber die römische Kirche? Das ist der Papst! Der Ablass wird nicht vermöge der Autorität der Schrift, sondern Kraft der Autorität des Papstes erteilt, welche größer ist. Der Papst hat den Schlüssel des Fegfeuers; er gibt den Seelen Anteil an dem Verdienste Christi oder der Heiligen, vermittelst deren sie sich von Strafe und Schuld loskaufen. Wer predigt, die Seele entfliehe in dem Augenblick dem Fegefeuer, wo das Geld in den Kasten geworfen wird, der lehrt nicht menschliche, sondern lautere katholische Wahrheit“.

Luther antwortete diesem Papstknecht, dass er seinerseits nur die hl. Schrift für unfehlbar halte, nicht aber den Papst und auch nicht die Konzilien, da beide irren könnten und auch oft geirrt hätten.

„Mir ist es gleich“, schrieb er, „was dem Papst gefällt oder missfällt; er ist ein Mensch wie die andern, und es hat viele Päpste gegeben, die nicht nur an Irrtümern und Lastern, sondern an den ärgsten Ungeheuerlichkeiten Gefallen fanden“.

Darin beruhte denn auch Luthers Kraft, dass er sich weder um Papst noch um Kirche kümmerte, sondern das Wort Gottes, wie er es in der Bibel fand, zu seiner einzigen Richtschnur machte. Darum erklärte er auch vor dem Reichstag von Worms am 18. April 1521, als man von ihm den Widerruf seiner Schriften verlangte:

„Wenn ich nicht mit Zeugnissen der h. Schrift überwiesen werde, so dass mein Gewissen gefangen ist in Gottes Wort, kann und will ich nichts widerrufen; denn es ist weder sicher noch geraten, etwas wider das Gewissen zu tun.“

So haben dann auch unsere schweizerischen Reformatoren bei den von ihnen veranstalteten Religionsgesprächen keine andere Autorität als die Bibel gelten lassen. In Zürich saß bei dem Religionsgespräch anfangs 1523 Zwingli im Rathaussaal an einem Tisch, auch welchem nichts anderes lag als die lateinische, griechische und hebräische Bibel, zum Zeichen, dass nur diese gelten sollte, und ebenso verordnete der Rat von Bern, dass auf dem Gespräch anfangs 1528 in hiesiger Stadt „kein andere Geschrift, dann beider, News und Alts Testaments, so biblisch genennt wird und Gottes Wort ist, statt hab und gelten sölle“, weil diese „das Richtscheit, Schnur, Grundfeste und einiger Richter des wahren christlichen Glaubens“ sei. So wurde es auch wirklich gehalten. Wenn die römisch Gesinnten sich auf Kirchenväter berufen wollten, wurden ihre Gründe nicht angenommen und auch die Zitate aus den Apokryphen abgelehnt. Zu diesen rechneten unsere Reformatoren sogar die Offenbarung Johannis. Als nämlich der Pfarrer „Gilg Murer“ von Rapperswyl sich auf Offenbarung 5 berief, zum Beweis, dass die Gebete der Heiligen im Himmel für uns dargebracht würden, entgegnete ihm Zwingli: „Aus Apokalypsi nehmen wir kein Kundschaft an; dann es nit ein biblisch Buch ist“. Als Murer darauf erwiderte, der heilig Evangelist Sant Johannes habe dasselb geschrieben, bestritt Zwingli dies unter Hinweis auf die Überschrift. Wir wollen uns auf diesen Streit hier nicht einlassen, sondern führen dies nur an zum Beweis, wie streng die Reformatoren sich nur an das hielten, was allgemein als Gottes Wort anerkannt war. Einzig mit diesem Schwerte des Geistes in der Hand führten sie den Kampf.

Ihr unbedingtes Festhalten an der Schrift war aber nicht ein toter Buchstabenglaube. Buchstab hieß ein Lehrer aus Zofingen, der auf dem Berner Religionsgespräch in Abwesenheit der gelehrten römischen Theologen den Reformatoren Haller, Kolb, Zwingli und Bucer am heftigsten widersprach. Er war nicht unbewandert in der Schrift; man sieht an seinen Einwürfen, dass es auch Katholiken gab, welche die Bibel lasen; aber gerade an seinem Beispiel zeigt sich auch, dass sie dieselbe so lasen wie die Juden zu Pauli Zeit, nämlich als Diener des Buchstabens und nicht des Geistes. Das geht aus Buchstabs Behauptung hervor, nur die vor der Taufe begangenen Sünden würden aus Gnaden vergeben, die nachherigen müssten durch Bycht, Reu, Pönitenz oder gute Werke versühnt werden. Er sagte, Tabita habe ihre Auferweckung durch ihre guten Werke verdient, Cornelius die ihm widerfahrene Gnade durch seine Almosen und die hebräischen Hebammen durch ihre Nachsicht mit den israelitischen Knäblein. Zum Beweis aber, dass der Priester in der Messe opfern müsse, führte er den Melchisedek an, der Brot und Wein hervorgebracht, es also jedenfalls geopfert habe, da er ja ein Priester genannt werde. Dies ein Müsterchen, wie falsch diese Leute die Bibel verstanden, weil es ihnen eben am wahren Licht des Glaubens fehlte, das hingegen aus allen Reden und Taten der reformatorischen Männer hervorleuchtet, die von Gott anders gelehrt worden waren als von den Menschen. Kraft ihrer höhern Erleuchtung kämpften sie gegen die Finsternis, wussten aber wohl, dass sie ihr Licht nur dem Erbarmen Gottes verdankten. Darüber hat sich Luther unmissverständlich geäußert, indem er schreibt:

„Da wir es uns so herzlich und mörderlich haben sauer werden lassen, dass wir nur unsere Herzen und Gewissen vor Gott zu Ruhe und Frieden bringen möchten und aber doch denselbigen Frieden in solcher greulichen Finsternis nirgends finden konnten, sondern je mehr ich suchte und meinete ihm näher zu kommen, je weiter ich von ihm kam. Nein, er lässt sich nicht also finden, er will von uns ungefunden sein; er muss zuvor selbst zu uns kommen und uns daheim suchen. Mit unserm Nachlaufen und Jagen lässt er sich nicht erhaschen noch fangen“.

Es war das Wort eines alten Klosterbruders, der zu ihm in die Zelle kam, als Luther ganz krank vom Fasten und Kasteien seines Leibes auf seinem Bette lag. Der sprach zu ihm:

„Lieber Bruder Martin, du seufzest immer: O meine Sünden! Weißt du denn nicht, dass wir bekennen: Ich glaube an eine Vergebung der Sünden? Es ist aber der Befehl Gottes, dass der einzelne Mensch glaube, ihm seien die Sünden vergeben; denn das ist, wie der h. Bernhard sagt, das Zeugnis, welches der h. Geist in deinem Herzen ablegt: Dir sind deine Sünden vergeben! Und daher schreibt auch der Apostel, dass der Mensch ohne Verdienst gerechtfertigt werde durch den Glauben“.

Luther bekennt, dass er durch dieses Zeugnis des alten Klosterbruders nicht nur getröstet, sondern auch auf die Lehre des Paulus aufmerksam geworden sei, von der Rechtfertigung durch den Glauben, die dann durch das eingehende Studium des Römerbriefes ihm immer klarer wurde, bis er auf einer Reise nach Rom begreifen lernte, was das bedeutet: „Der Gerechte lebt durch seinen Glauben“. Melanchton schreibt von ihm: „Da fühlte er alsbald, dass er neu geboren wäre und eine weite Tür in das Paradies selbst zu gehen gefunden hätte, sah auch die liebe h. Schrift nunmehr noch viel anders an, denn zuvor geschehen“. Zum Doktor der Theologie geworden, legte er dann den Römerbrief in seinen Vorlesungen aus und erklärte denselben so, dass, wie Melanchton bezeugt, „seinen Zuhörern nach langer Nacht ein neues Licht aufzugehen schien. Er rief der Menschen Herzen zum Sohne Gottes herzu und zeigte ihnen wie Johannes der Täufer das Lamm Gottes, das unsere Sünde getragen hat; zeigte, wie um des Sohnes Gottes willen unsere Sünden umsonst vergeben werden und dass man dieses Geschenk durch den Glauben annehmen müsse“.

Dieser Glaube war die Kraft aller Reformatoren und setzte sie in den Stand, die Werkgerechtigkeit zu bekämpfen, da sie ihres Heils, der Vergebung ihrer Sünden aus Gnaden gewiss geworden waren.

Sie trugen ihren Glauben aber nicht nur im Herzen verborgen, sondern bekannten ihn auch in Wort und Schrift; das Wort ihres Zeugnisses war die Waffe, mit welcher sie den Fürsten der Finsternis angriffen, und dabei hatten sie ihr Leben nicht lieb bis in den Tod. Luther ließ sich durch die Drohungen seiner Feinde nicht etwa einschüchtern, sondern wurde nur mutiger. Als ihn im Oktober 1518 zu Augsburg die Begleiter des päpstlichen Gesandten fragten, wo er denn bleiben wollte, wenn der Papst den Bann über ihn spräche, antwortete er getrost: „Unter dem Himmel!“ Und als im Spätjahr 1520 die päpstliche Bannbulle wirklich eintraf, verbrannte er sie am 10. Dezember samt den falschen päpstlichen Rechtsbüchern öffentlich, um zu beweisen, dass er sie nicht fürchte. Bei der Verbrennung sprach er zu der Bulle, was wohl dem Papste galt: „Weil du den Heiligen des Herrn gestört hast, so zerstöre dich das ewige Feuer!“ Seinen Zuhörern aber erklärte er tags darauf im Kolleg: „Wenn ihr nicht von ganzem Herzen dem Reiche des Papstes entsaget, so könnet ihr eurer Seelen Heil nicht erlangen“.

Das war entschieden gesprochen zu den Leuten der Wissenschaft; aber Luther wie alle Reformatoren betrachtete eben auch diese als eine Waffe des Lichts, die dem Kampf gegen das Reich der Finsternis zu weihen sei.

Seit der Mitte des der Reformation vorausgehenden Jahrhunderts war in Italien und Deutschland von Konstantinopel her, das die Türken erobert hatten, durch die Flüchtlinge ein neues wissenschaftliches Leben erweckt worden, welches man den Humanismus nennt, eine allgemein menschliche Bildung auf Grund der alten griechischen und lateinischen Klassiker. Das durch diese Richtung angeregte Studium der alten Sprachen kam der Reformation sehr zu Statten, indem dadurch das Erforschen der hl. Schrift im Grundtext ermöglicht wurde, wodurch die Irrtümer und Fälschungen der kirchlichen Bibelausgabe an den Tag kamen. Darum haben auch alle Reformatoren das Studium des Griechischen und Hebräischen befürwortet, während die mönchischen Dunkelmänner davor warnten und die Dominikaner sogar dem gelehrten Reuchlin den Ketzerprozess machten, weil er nicht nur eine hebräische Grammatik verfasst, sondern auch von der Verbrennung der jüdischen Religionsbücher abgeraten hatte. Zwingli war schon Pfarrer in Glarus, als er anfing, Griechisch zu lernen, und seinem Studium des griechischen Neuen Testamentes ist es zu verdanken, dass er zum Reformator geworden ist. Auch am Berner Religionsgespräch zeigte es sich, wie gut die Kenntnis des Hebräischen den Reformatoren kam. Der damalige Inselbeichtvater Alerius Grat behauptete, der Papst sei das Haupt der Christenheit, weil Jesus zu Petrus gesagt habe: „Du bist Kephas!“ Im Griechischen heißt nämlich <Kephalä> Haupt. Darauf erklärte jedoch Berchtold Haller ganz richtig, Kephas sei kein griechisches, sondern ein hebräisch (aramäisch) Wort; es bedeute nicht Haupt, sondern Stein! Dies und manches andere trug denn auch dazu bei, dass die Römischen selbst bekennen mussten, ihre Leute seien leider nicht so gelehrt wie die Vertreter des neuen Glaubens. Diesen war es jedoch nicht nur um die bessere Bildung der Geistlichen, sondern auch des Volkes zu tun, da sie wohl wussten, dass wahre Aufklärung desselben der Sache des Evangeliums nur förderlich sein könnte. Schon in seiner 1520 erschienenen Schrift „Von des christlichen Standes Besserung“ sagt Luther: „Vor allen Dingen sollt in den hohen und niedern Schulen die fürnehmst und gemeinest Lektion sein die hl. Schrift, und den jungen Knaben das Evangelium. Und wollt Gott, ein jegliche Stadt hätte noch ein Maidlinschulen, darinnen des Tages die Maidlin eine Stunde das Evangelium höreten“.

Da sieht man, dass der Reformation die Volksschule und insbesondere auch die Mädchenschulbildung zu verdanken ist; denn vor Luther hat niemand an so etwas gedacht. So hat die Reformation schon die Jugend zum Kampf gegen die Finsternis rekrutiert.

Ein Kampf, bei welchem es auf Eroberung abgesehen ist, lässt sich aber nicht ohne Angriff führen. Welches sind die Angriffspunkte gewesen bei der Reformation? Der gelehrte Humanist Erasmus musste am 5. Oktober 1520 dem Landesfürsten Luthers ein Gutachten über den kühnen Mönch abgeben. Er sprach: „Luther hat zwei Fehler begangen: Er hat die Krone des Papstes und den Bauch der Mönche angegriffen“. Hiemit ist eigentlich alles gesagt.

Die Reformation hat überall zuerst die Missbräuche und dann das System der römischen Kirche angegriffen, da man bald einsah, dass die Missbräuche nichts anderes seien, als die schlechten Früchte eines faulen Baums. Die zehn Schlussreden (Thesen) des Berner Religionsgesprächs enthalten diejenigen Angriffspunkte, welche überall in Betracht kamen, nämlich das Papsttum, die Menschensatzungen, die Verdienstlichkeit der Werke, die Anrufung der Heiligen, das Fegfeuer, den Bilderdienst, den Zölibat und die Unzucht der Priester.

Die betreffenden Schlussreden lauteten im Original folgendermaßen:

  1. Die Heilig Christlich Kirch, deren einig Haupt Christus, ist aus dem Wort Gottes geboren, im selben bleibt sie und hört nicht die Stimm eines Fremden.
  2. Die Kirch Christi machet nicht Gesatz und Bott ohn Gottes Wort. Deshalb all Menschensatzungen, so man nennt der Kirchen Bott, uns nicht weiter bindend, dann sie in göttlichem Wort gegründet und botten sind.
  3. Christus ist unser einige Weisheit, Gerechtigkeit, Erlösung und Bezahlung für aller Welt Sünd. Deshalb ein andern Verdienst der Seligkeit und gnug tun für Sünd bekennen, ist Christum verleugnen.
  4. Dass der Lyb und das Blut Christi wesentlich und leiblich in dem Brot der Danksagung empfangen werdind, mag mit göttlicher Geschrift nicht beigebracht werden.
  5. Die Mäß, jetzt im Brauch, darin man Christum dem Vater für die Sünd der Lebendigen und Toten aufopfere, ist der Geschrift widrig, dem allerheiligsten Opfer, Leiden und Sterben Christi eine Lästerung und um der Missbräuchen willen ein Greuel vor Gott.
  6. Wie Christus ist allein für uns gestorben, also soll er ein einiger Mittler und Fürsprech zwischen Gott dem Vater und den Gläubigen angerüft werden. Deshalb all ander Mittler und Fürsprechen außerthalb diesem Zeit anzurufen, von uns ohn Grund der Geschrift aufgeworfen.
  7. Dass nach dieser Zeit kein Fegfeuer in der Geschrift erfunden wird. Deshalb all Totendienst, als Vigil, Seelmäß, Seelgrät, Sibend, Dryßgist, Jahrzeit, Amplen, Kerzen und dgl. vergeblich sind.
  8. Bilder machen zur Verehrung, ist wider Gottes Wort, News und Alts Testaments; deshalb, wo sie in Gefahr der Verehrung fürgestellt, abzutun sind.
  9. Die heilige Ehe ist keinem Stand verbotten in der Geschrift, sondern, Hurey und Unkeuschheit zu vermeiden, allen Ständen botten.
  10. Dieweil ein offentlicher Hurer nach der Geschrift im wahren Bann, so folget, dass Unkeuschheit und Hurey der Ergernuss halb keinem Stand schädlicher, dann priesterlichem.

Der Kampf gegen alle diese finstern Irrtümer und Missbräuche fiel den Reformatoren gar nicht leicht. Man wird auf Schritt und Tritt an das Wort erinnert: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen“. Der Widerstand war hartnäckig, auch gar nicht immer ungeschickt. Man hatte es mit verblendeten Menschen zu tun, aber auch mit solchen, die bewusst der Wahrheit widerstrebten. Dennoch fühlten ihrer manche, dass sie für eine verlorene Sache kämpften. In dieser Zuversicht, dass der Widerstand der Finsternis gegen das Licht nutzlos ist, wollen auch wir nicht ruhen, bis das Licht auf Erden siegt.

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