Sander, Immanuel Friedrich - Die Lehre der heiligen Schrift vom Teufel

Sander, Immanuel Friedrich - Die Lehre der heiligen Schrift vom Teufel

Es könnte auffallend scheinen und ist auch dem Einen oder Andern schon aufgefallen, daß für die Gnadauer Pastoral-Conferenz das oben erwähnte Thema gestellt ist.

Daß es eine Abweichung von der bisherigen Praxis und vom Usus sei, auf der Pastoral-Conferenz einen Locus aus der Dogmatik abzuhandeln, wird man nicht behaupten können; ich erinnere z. B. nur an die Abhandlung des Dr. Julius Müller über Ehe und Ehescheidung. Die Lehre de matrimonio ist in unseren Dogmatiken namentlich den älteren ein so wichtiger Artikel, daß Joh. Gerhard über einen halben Quartband darauf verwendet.

Wenn die Verhandlungen auf Pastoral-Conferenzen nicht immer wieder durch Vertiefung in Exegese und Dogmatik erfrischt, belebt werden, so verlaufen sie sich am Ende, wie genug Beispiele lehren, leicht in triviales Gerede mit ermüdenden und zu nichts führenden Vorschlägen über Verbesserung der kirchlichen Zustände und Nothstände.

Das Auffallende und Manchen unpassend Scheinende in der Aufstellung unsers vorliegenden Themas mag dies sein: es handelt sich hier von einer Lehre, über welche die Schrift sehr bestimmte Aussprüche hat, und wo man also schnell bei einem Entweder - Oder ankommt, was weitere Diskussionen abzuschneiden scheint. Dieß Entweder - Oder lautet: entweder du glaubst der Schrift, nun dann ist die Sache, worüber die Schrift so klar sich ausspricht, schnell erledigt; oder du glaubst der Schrift nicht, glaubst nicht, daß die ganze Schrift von Gott eingegeben und darum infallibel in allen ihren Aussprüchen ist, - nun dann ist wieder kein Raum zu einer Diskussion laut des Kanons: contra principia negantem non est disputandum - da müßte denn erst eine Verständigung über den Locus de sacra scriptura vorhergehen.

Von einer andern Seite stellt sich unser Thema der Verachtung dar, wenn wir der Erwägung Raum geben, daß es nicht Wenige giebt unter denen, die sonst Jesum als den Sohn Gottes bekennen und als Offenbarungsgläubige sich darstellen, wo es zu diesen Entweder - Oder nicht gekommen ist. Sie haben sich noch nicht Rechenschaft darüber gegeben, ob sie denn wirklich an die Existenz des Satans glauben oder nicht, und meinen dabei, es ließe sich der Unglaube, der das Zeugniß der Schrift über die Existenz des Teufels verwirft, und der Glaube, der sonst das Zeugniß Gottes in seinem Worte annimmt, unschwer vereinigen.

Das vor allem würde denn der Gewinn einer eingehenden Verhandlung und Diskussion über unser Thema sein, daß der Eine und Andere seiner Unklarheit und Unentschiedenheit sich bewußt würde, und in der einen oder andern Weise sich entscheiden würde. - Man wird sich natürlich, so man anders fest in der Schrift und in der Schriftwahrheit stehet, freuen, wenn ein bisher Unentschiedener sich für die Schriftwahrheit entschiede; es ist aber auch für Gewinn zu achten, und ist für eine Abklärung unsrer sehr getrübten kirchlichen und theologischen Verhältnisse heilsam, ja nothwendig, daß immer mehr und überall das unerfreuliche und unerquickliche Hin- und Herschwanken zwischen Ja und Nein aufhöre, und daß Jeder wisse, wes er sich von den Andern zu versehen habe. O daß du kalt oder warm wärest, dieß Wort findet auch hier seine Anwendung.

Gehen wir zur Sache selbst über, zur Darstellung der biblischen Lehre vom Dasein und Wirksamkeit des Teufels, so folgt aus dem zuletzt Angeführten, daß wir uns nicht mit der unbegründeten Voraussetzung, als herrsche in Betreff unsers Themas eine große Uebereinstimmung, dürfen täuschen; es folgt, daß wir in gegenwärtiger Stunde es uns nicht ersparen dürfen, in eine eigentliche exegetische und dogmatische Verhandlung uns einzulassen.

Oben an ohne Zweifel, wenn wir von den Zeugnissen der heiligen Schrift für die Existenz und Wirksamkeit des Satans reden wollen, stehet uns das Zeugniß von der Versuchungs-Geschichte Matth. IV und Lucas IV, da Satan den so eben vom Himmel herab für den geliebten Sohn Gottes erklärten Jesus von Nazareth zur Sünde und zum Abfall von Gott verführen will.

Alle Versuche eines groben oder feinern Rationalismus, die von den Evangelisten als Thatsache und in der Reihe von Thatsachen erzählte Geschichte in ein Gesicht, in einen bloßen Vorgang der innern Welt zu verwandeln sind so zu Schanden worden, daß selbst Schleiermacher trotz der sonstigen Künste und Versuche, die Lehre vom Dasein und der Wirksamkeit des Teufels zu beseitigen und trotz seiner Kühnheit - Vermessenheit werden es Andere nennen -, das bestimmte Ja der Schrift in ein Nein zu verwandeln, mit großer Vorsicht, nur hypothetisch sich ausspricht: „müßte man, heißt es in seiner Glaubenslehre (I, S. 216) die Versuchungsgeschichte auch als eine Thatsache buchstäblich aufnehmen, wogegen indeß sehr vieles spricht: so ließe sich doch weder aus ihr eine vollständige Vorstellung des Teufels construiren, noch irgend eine Anwendung machen.“ - Ueber das ganz Unbegründete des letzten Ausspruches werden wir nachher sprechen: daß eine vollständige Lehre vom Teufel aus dieser Geschichte solle construirt werden, muthet uns kein Evangelist zu; dazu sind noch andere Stellen da. - Hier soll nur constatirt werden, daß auch Schleiermacher es nicht gewagt hat, gradezu die Versuchungsgeschichte als Geschichte in Abrede zu stellen. - Wie hat man doch auch in ein Gesicht, in eine Vision verwandeln können eine Geschichte, die in der nüchternsten Weise von den Evangelisten als eine Thatsache berichtet wird, als eine Erscheinung in der äußern sinnlichen Welt, ganz eingerahmt in die Geschichte, die vor der Versuchung sich zutrug, und nach derselben.

Bei Marcus ist nun vollends kein Raum so ein künstliches Gewebe für Fiktionen anzubringen um aus einer Geschichte ein Gesicht zu machen; mit dem Lapidarstyl: er war allda in der Wüsten vierzig Tage und ward versucht vom Satan und war bei den Thieren und die Engel dieneten ihm - mit dem läßt sich auch von den kühnsten Verwandlern der Geschichte in Gesichte oder Träume oder Mythen gar nichts anfangen. Diese eben erwähnten kühnen oder auch kecken Leute, die die heilige Schrift so übel zu deuten oder vielmehr sie so zu mißhandeln sich erlauben, wie kein Philologe nur von ferne bei Erklärung eines heidnischen Klassikers sich gestatten würde, bedenken nicht, daß sie bei dieser Mißhandlung der biblischen Geschichte auch den Heiligen Israels antasten, indem sie die versucherischen Gedanken, die in der Geschichte der Satan ausspricht, in das Herz Jesu verlegen. Erklärungen und Deutungen wie sie J. Peter Lange sich angeeignet hat, - der Versucher sei ein Mensch, ein Abgesandter des hohen Raths gewesen, verdienen keine Widerlegung.

Fassen wir nun zusammen, was uns die Versuchungsgeschichte sagt, so ist es allerdings nicht nöthig, daraus eine vollständige Lehre des Teufels zu construiren: aber sie ist doch lehrhaftig genug diese Geschichte und lehrt uns das Dasein des Teufels, des Obersten der abgefallenen Engel, daß derselbige große Lift besitzt, da er die Versuchung sehr scheinbar zu machen weiß, ferner, daß er große Macht hat, da er Jesum führt auf die Zinne des Tempels, dann auf einen hohen Berg und ihm alle Reiche der Welt zeigt und sich das Ansehen giebt, ihm seien sie übergeben. Wir sehen auch was Satans Gedanken, Pläne sind, was sein Ziel: er ist der Widersacher Gottes und der Menschen, der sich an Gottes Statt setzen, angebetet sein will, und den Menschen ihre Seligkeit zu rauben sucht. - Wie kann Schleiermacher doch sagen, man könne von dieser Geschichte nicht irgend eine Anwendung machen!

Nicht zu übersehen ist nun bei dieser Geschichte, daß die persönliche Erscheinung des Satans auf Erden, da er in der Gestalt eines Menschen oder Engels zu einem Menschen nahen, wie ein Mann mit einem Manne reden, verhandeln darf, in die Zeit verlegt wird, wo der volle Mittagsglanz der Geschichte helle am Himmel strahlt.

In den Büchern Moses finden wir, das Proömium der Genesis C. III abgerechnet, keine bestimmte Hinweisung auf die Lehre vom Satan - weder in den Schearim, den Feldteufeln, noch in dem Bocke Asasel (Levit XVI v. 8) wie Manche gemeint haben, noch sonst wo: aus ähnlichen oder doch verwandten Gründen, aus denen Moses von der Unsterblichkeit mehr schweigt, weil der noch nicht erschienen oder noch nicht nahe war, der dem Tode die Macht genommen und Leben und unsterbliches Wesen an's Licht gebracht, schweigt er auch, jene Eine Stelle Genes. III ausgenommen, vom Teufel und seinen Werken, weil der noch nicht gekommen, der die Werke des Teufels zerstört. - So denn auch in den ältern Büchern des A. T, wenn wir allein Hiob noch ausnehmen. Erst in der nähern Berührung mit den Chaldäern, Persern und andern Völkern Mittel- und Hoch-Asiens, an denen mit Recht Nitzsch ein zu viel Wissen vom Bösen tadelt, wurde es zur Bewahrung Israels vor Irrthum vom Herrn für gut und heilsam gefunden, das Hüllen mehr wegzunehmen, welches die Schlange im Paradiese, die verflucht wurde vor allen Thieren, verhüllte. Zu behaupten, die chaldäische und persische Weisheit habe die heiligen Propheten belehren müssen, ist ganz verkehrt.

In der Fülle der Zeit nun, da Gott offenbaret ist im Fleische, da erschienen ist der Erretter aus der Obrigkeit der Finsterniß, darf auch Satan unverhüllt auf dem Schauplatz der Geschichte erscheinen.

Wie er aber nun weiter in die Geschichte hineintritt, hineingreift, ja die Entwicklung der Heilsgeschichte aufhalten, das Heilswerk stören, wo möglich zerstören will, sagen uns die ferneren Berichte der Evangelisten, die Zeugnisse in den apostolischen Briefen und das prophetische Wort, das uns in die Endgeschichte der Entwicklung des Reiches Gottes auf Erden und im Himmel hinweiset.

Wenn wir diese Zeugnisse vernommen und in denselben erkannt haben, wie in die ganze Entwicklungs-Geschichte des Reiches Gottes, ja, in die Heilsordnung die Vorstellung vom Satan verflochten ist; - wie der Herr und seine Apostel mit großer Akribie, Deutlichkeit und Vollständigkeit die Lehre vom Teufel, seinen Engeln und dem großen Einfluß derselben auf die Entwicklungen des Reiches Gottes darlegen und einschärfen, so werden uns unter der Hand die sophistischen Gewebe schriftwidriger Lehren zergehen, welche wie die Schleiermacher's frischweg in die Welt hineinschreiben: „weder Christus noch die Apostel haben diese Vorstellung (vom Teufel) irgend in unsere Heilsordnung verflochten,“ (Glb. L. I, S. 212) „von einem Einfluß desselben innerhalb des Reiches Gottes kann nicht die Rede sein.“ - (S. 213) „weder Christus noch die Apostel haben etwas als neu und eigen, sei es auch nur berichtigend und ergänzend über diesen Gegenstand (die Lehre vom Teufel) vortragen wollen.“

Auf die Einwendungen Schleiermacher's als des angesehensten und scharfsinnigsten unter den Bestreitern der biblischen Dämonologie werden wir vorzüglich, ja fast ausschließlich Rücksicht nehmen.

Bleiben wir zunächst bei dem ersten Evangelisten, Matthäus, stehen, so braucht man sich um die eben genannte und damit verwandte Irrlehren, zu widerlegen, nur an Stellen zu erinnern, wie E. X, an das Gebot, treibet die Teufel aus, an die Geschichte der besessenen Gergesener, an die Gleichnisse Matth. XIII, von viererlei Acker, dem Unkraut unter dem Weizen, an das Wort Matth. XXV, V. 31-46 vom Weltgericht, vom Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.

In den Gleichnissen Matth. XIII sagt der Herr in der Deutung, die er seinen Jüngern, den in das Geheimniß des Reiches Gottes Eingeweihten, giebt, die Vögel, die den guten Samen wegfressen, seien der Teufel; - desgleichen der Feind, der das Unkraut säet. - Es ist ganz grundlose Behauptung, wenn Schleiermacher sagt (S. 213): „im Gleichniß vom Säemann sind die Ausdrücke von zweifelhafter Auslegung, und die Feindschaft der Menschen gegen das Wort Gottes liegt dabei eben so nahe als der Teufel.“ - Und warum ist die Auslegung zweifelhaft? Weil bei Matth. stehet ponerus - bei Lucas diabolos! Als wenn nicht beides dasselbe wäre! Eben so wenig heißt es S. 214: „kann eine Lehre aufgestellt werden aus dem Gleichniß vom Unkraut auf dem Acker.“ „Als eine Lehre, daß der Teufel es sei, welcher das Unkraut auf den von Christo bestellten Acker säe, haben die Apostel dieses wenigstens nicht verstanden, weil sie nirgends, wo von falschen Brüdern oder ganz unwürdigen Gemeindegliedern die Rede ist, den Teufel als Ursache anführen, sondern höchstens dem Teufel übergeben.“ Hier scheinen dem Bestreiter der Schriftlehre Stellen wie Act. V, vom Ananias und Sapphira, dann wie 2 Cor. XI V. 3, V, 13-15, Apocal. C. II, III, C. XII, XIII u. s. w. ganz entgangen zu sein. Ueberall sehen wir da den Teufel auf den von Christo bestellten Acker Unkraut säen.

Wenn gegen die wichtige Instanz, die aus der Geschichte der Besessenen (Matth. C. VIII) für die Lehre vom Dasein und Einwirken des Teufels und seiner Engel sich erhebt, da ja nur eine übernatürliche Macht böser Geister, aber nicht die krankhafte Einbildung zweier Menschen 2000 Säue ins Meer stürzen konnte, soll geltend gemacht werden, in diesen sogenannten Besitzungen des Teufels sei von der Naturbedeutung desselben die Rede, welche schon überhaupt mit dem Glauben nichts zu thun habe, (S. 216) so ist dies eine nichtssagende Phrase.

Matth. XXV läßt sich die Persönlichkeit des Teufels und seiner Engel trotz aller exegetischen Künste aus der Stelle nicht wegbringen: Gehet hin ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. - Denn das Feuer kann doch nicht bereitet sein dem moralisch Bösen, der Sünde!

Eben so wenig kann es eine Idee, ein blos personificirtes Wesen sein, wenn der Herr Luc. X bezeugt: „Ich sahe den Satan als einen Blitz vom Himmel fallen.“ So würde es auch ganz unerträglich sein, an die Personification des Bösen zu denken, wenn wir Luc. XI lesen, der Starke, der Satan bewahre seinen Pallast und die darin Gefangenen, bis ein Stärkerer über ihn komme und ihm den Harnisch raube, darauf er sich verließ. Eben so kann nur eine Person mit dem Wort gemeint sein: der Satanas hat begehret euch zu sichten wie den Weizen.

Dem falschen Spiritualismus, der die Realitäten in wesenlose Gedanken, in armselige Schatten und Schemen verflüchtigt, tritt am stärksten der Mann mit dem geistigen Evangelio, Johannes der Evangelist entgegen.

Er nennt den Teufel den Mörder und Lügner von Anfang, den Vater der Lüge; wenn er lüge, rede er von seinem Eigenen, denn er sei ein Lügner, und ein Vater der Lüge. Hier nicht an ein persönliches Wesen, sondern an eine Personification der Lüge denken wollen, heißt den Herrn Abgeschmacktes und Triviales sagen lassen. Was für eine unerträgliche Trivialität: die Sünde war von Anfang an Sünde! - Was für eine Abgeschmacktheit: die Lüge sei ihr eigener Vater und habe sich selbst erzeugt! Schleiermacher freilich hat andere Gedanken über diese Stellen: „man kann überall diese Stelle unter Voraussetzung der Realität des Teufels nicht streng auslegen (S. 214) ohne entweder den Teufel ganz manichäisch Gott gegenüber zu stellen oder auf der andern Seite Christum nur in eben dem weitern Sinne Sohn Gottes zu nennen, in welchem jene wirklich Söhne des Teufels heißen können.“ Weder zu der einen noch der andern Besorgniß Schleiermacher's ist Grund vorhanden: wo ist denn nur eine Spur eines manichäischen Gedankens, wenn der Herr sagt, der Teufel sei der Vater der Lüge, also Vater, Urheber der Sünde, die ja eben Lüge, Verkehrung der Wahrheit ist, und warum soll denn der Sohn Gottes nicht im eigentlichen, im engeren Sinne Sohn Gottes zu nennen sein, weil in einem weitern Sinne die, so vom Argen sind, seine Kinder genannt werden!

Im 12. Capitel Johannis hören wir, wie der Herr von einem förmlichen Rechtsstreit redet, der mit dem Satan, dem Fürsten der Welt geführt wird, und wie derselbe in Folge der Erlösung des Herrn am Kreuz gerichtet und hinaus gestoßen wird. Dasselbe wird bestätigt Cap. XVI: der Fürst der Welt ist gerichtet, - wird vorausgesetzt Cap. XIV: Es kommt der Fürst der Welt und findet nichts an mir. -, Ein Rechtsstreit aber kann nur mit einer Person, nicht mit einem Abstrakto, mit einem bloßen Gedankendinge geführt werden.

- Es kommt der Fürst der Welt und findet nichts an mir, kann doch nicht heißen: es kommt die Sünde - oder es kommt die Welt und findet nichts an mir!

Paulus nennt den Fürsten der Welt gar Gott der Welt, und sagt von ihm, daß er der Ungläubigen Sinne verblende, daß sie nicht erkennen das helle Licht des Evangeliums. Hier wird denn also wiederum die Person, der Bewirker des Zustandes von dem Bewirkten unterschieden: das Verblendetsein der Sinne, die Unfähigkeit, das Evangelium zu erkennen, ist ein Werk des Gottes der Welt. In der himmlischen Vokation Pauli ist es verzeichnet, er solle aufthun die Augen der Blinden, daß sie sich bekehren von der Finsterniß zum Licht, von der Gewalt Satans zu Gott. Die Erlösung ist Paulo eine Erlösung aus der Obrigkeit der Finsterniß. - Es wird in diesem Werke der Erlösung die am Kreuz geschehen ist, Beides sehr scharf unterschieden: die Handschrift, die wider uns war, ist getilgt, die Sünde uns geschenkt, und die Fürsten und Gewaltigen hat der Herr ausgezogen am Kreuz, sie Schau getragen öffentlich uno einen Triumph aus ihnen gemacht. -

Der Kampf der Gläubigen ist nicht so wohl und nicht so sehr ein Kampf mit Fleisch und Blut als mit den Fürsten und Gewaltigen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel, die in der Finsterniß dieser Welt herrschen. - Petrus fragt dort den Ananias: warum hat der Satan dein Herz erfüllt, Gott zu lügen. Er ruft den Gläubigen zu: Seid nüchtern, wachet, denn der Teufel, euer Widersacher, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er verschlinge. Die Persönlichkeit des Satans läßt sich aus dieser Stelle nicht wegexegesiren. Schleiermacher versucht es. Er hat uns vorher gesagt, das Gepräge eines spruchwörtlichen Gebrauches trage der Ausdruck, daß der Satan sich die Jünger gefordert habe, sie zu sichten, (S. 215) wobei man offenbar nicht an den Teufel als Oberhaupt des Bösen zu denken habe, sondern die ganze Redensart sei aus dem Hiob abgeleitet. - Weil das A. T. nämlich Schleiermachcr so wenig gilt, soll es auch Andern so wenig gelten. - Das findet Schleiermacher gar nicht für nöthig, noch zu beweisen, daß so eine aus dem Hiob abgeleitete Redensart, - nun vollends aus dem Proömio, ganz unhaltbar sei. - Dann hören wir weiter: „ähnlichem sprüchwörtlichen Gebrauch gehört auch der Ausdruck an, vom Satan übervortheilt werden, (S. 215) man müsse hier nicht etwa an den Satan denken, der nur das Böse ans Licht bringt, sondern an den, der das Gute bekriege,“ - als wenn das Eine das Andere ausschloß! „Schwankend zwischen beiden Bedeutungen, - heißt es nun weiter - ist offenbar der brüllende Löwe des Petrus,“ und warum denn? „Verschlingen, so sagt uns Schleiermacher, deutet auf den Todfeind, Widersacher aber auf den Ankläger!“ Nun wenn dies auch so wäre, - und es ist nicht einmal genau so - was wäre denn da Schwankendes in der Bedeutung? Der Todfeind kann ja Verkläger und der Verkläger Todfeind sein. Uebrigens ist es eine profane Weise zu reden: der brüllende Löwe des Petrus! Also abermal, was folgt denn daraus für Nicht-Realität des Satans? Nicht das Geringste! - Aber Schleiermacher schiebt uns da auf einmal eine durch nichts motivirte Behauptung unter, die so lautet: „So daß diese drei Stellen zusammengehören, und als nutzbare Aneignung einer als höchst schwankend überlieferten bildlichen Vorstellung einander vollkommen ergänzen (213).“ Die Geheimnisse einer solchen Logik zu erforschen, mögen Andere sich bemühen.

Jacobus, wenn er an der einen Stelle sagt, der Mensch werde versucht, wenn er von seiner eignen Lust gereizt und gelockt werde, sagt uns später: widersteht dem Teufel, so fliehet er von euch; und an einer andern Stelle: die Teufel glauben auch daß Gott sei und zittern.

Johannes hat wie in seinem Evangelio so auch in seinem 1. Briefe für die Realität des Teufels die entscheidensten Stellen - als die, wo er die Jünglinge ermahnt stark zu sein durch's Wort Gottes und damit den Bösewicht zu überwinden, - ferner die so hochwichtige: der Sohn Gottes ist erschienen, daß er die Werke des Teufels zerstöre. Ist nun der Teufel, wie so Manche behauptet haben, nichts als ein chaldäisches Hirngespinst, so ist der Sohn Gottes erschienen, die Werke eines chaldäischen Hirngespinstes zu zerstören. Fürwahr eine große Ehre, die solche Meinung dem Sohne Gottes erweiset! Im letzten Kapitel des 1. Briefes lesen wir, wer von Gott geboren sei, bewahre sich, und der Arge könne ihn nicht antasten.

Im letzten Buche der heiligen Schrift, in der Offenb. Johannis, wird uns der ganze Kampf zwischen Glauben und Unglauben, Kindern Gottes und Kindern der Welt, als ein Kampf zwischen dem Reiche der Finsterniß und seinem Fürsten und zwischen dem Reiche des Lichts und dem Könige dieses Reichs dargestellt. Johannes erblickt den Satan, die alte Schlange, den großen Drachen mit den ? Häuptern und 10 Hörnern im Himmel, wie er mit seinen Engeln wider Michael und seine Engel streitet, den dritten Theil der Sterne (d. h. der Lehrer) auf die Erde herabziehet, dann ausgestoßen wird aus dem Himmel, wo er als Verkläger der Brüder aufgetreten war, auf die Erde. Er hat großen Zorn und weiß, daß er kurze Zeit hat. Dann giebt er dem Thiere seinen Thron und seine Macht, - wird im Beginn der 1000 Jahre, nachdem das Thier und der falsche Prophet ergriffen find und in den Feuerpfuhl geworfen, ergriffen von einem Engel, gebunden, in den Abgrund geworfen, und es wird oben über dem Abgrund versiegelt, daß er nicht mehr verführen kann die Heiden; die Abgötterei und Götzendienst haben dann ein Ende. - Nach 1000 Jahren wird der Satan wieder auf kurze Zeit losgelassen aus seinem Gefängniß, verführt und führt Gog und Magog zum letzten Kampfe wider die Heiligen Gottes und wird dann auf ewig in den Feuerpfuhl geworfen.

Jeder, der dies hier Mitgetheilte unpartheiisch sich anstehet und betrachtet, wird gestehen müssen, daß in dieser Geschichte des Satans - von der Verführung im Paradiese an - bis zum Sturze in den Feuerpfuhl eins der groß artigsten Schauspiele vor unserm Auge sich aufrollt. Die Größe der göttlichen Gedanken, das Majestätische der Rathschlüsse Gottes, die Herrlichkeit und der Reichthum der Gnade, die das Heilswerk trotz des Widerstrebens der Welt und Hölle hinausführt, bis alle Feinde liegen zum Schemel der Fürsten des Herrn, auch Satan, - tritt uns hier so entgegen, daß man in den Einwendungen, die sich gegen dieses biblische Zeugniß erheben, nichts sehen und finden kann als phygmäenartige, zwergartige Gedanken, Grillen und Schrullen des Eigensinns und des Unglaubens, so sehr sie sich bemühen, in ein Prachtgewand philosophischer und ethischer Gedanken sich zu kleiden.

Das klare, feste, unumstößliche Zeugniß der Schrift für das Dasein und die Wirksamkeit des Satans haben wir vernommen, und also auch das, was die zu glauben haben, die an die Schrift glauben wollen. - Ob diese Lehre vom Satan den Beifall der Weisheit dieser Welt habe, das ist freilich eine andere Frage, und ist in den Einwendungen, die wir oben schon vernommen, zum Theil schon beantwortet. Wir wollen uns diesen Protest, den die Weisheit dieser Welt gegen die biblische Lehre erhebt, noch näher ansehen, und nachdem wir in dem ersten und umfangreichsten Haupttheil unsrer Abhandlung die Schriftverdrehung und das trügerische sich Berufen auf die Schrift hinlänglich, - wie wir glauben, beleuchtet und zurückgewiesen haben, so hoffen wir zu zeigen, daß auch die Einwendungen, die man auf Grund der Philosophie und Metaphysik, auf Grund der Ethik, der Psychologie und der Aesthetik erheben will, wenig oder vielmehr gar nichts zu sagen haben. Die philosophischen, die metaphysischen und ethischen Zweifel möge uns wieder Schleiermacher vorführen.

Zuerst nämlich lassen sich - sagt Schleiermacher 2. 209 - da er beweisen will, die Vorstellung vom Teufel, wie sie sich unter uns gebildet hat, sei so haltungslos, daß man eine Ueberzeugung von ihrer Wahrheit Niemand zumuthen könne, - zuerst also - sagt Schleiermacher, - „lassen sich von diesem sogenannten Fall der guten Engel, je vollkommener sie sollen gewesen sein, um so weniger andere Motive angeben, als welche, wie z. B. Hoffarth und Neid, einen solchen Fall schon voraussetzen.“ Das würde ich denn eben so folgerichtig von der Entstehung der Sünde überhaupt, und von der der ersten Menschen insbesondere, wenn sie nicht durch einen Versucher verführt wären, sagen lassen.

Das ist ja eben das Geheimniß vom Ursprung der sünde und das Geheimniß ihres Entstehens, daß die Kreatur, die doch nicht anders als gut aus der Hand des guten und treuen Schöpfers hervorgehen konnte, auf den Gedanken kommen konnte, ihren guten und seligen Zustand mit einem andern zu vertauschen. Wiederholt es sich doch bei jeder Sünde; bei jedem neuen Sündenfalle bleibt die Frage des Herrn an Israel eine unbeantwortete: Warum willst du sterben? „Sollen nun, - heißt es weiter bei Schleiermacher - ferner auch nach dem Fall die natürlichen Kräfte des Teufels unverrückt geblieben sein, so ist nicht zu begreifen, wie beharrliche Bosheit bei der ausgezeichnetsten Einsicht sollte bestehen können.“ (S. 209). Ein Blick in die Weltgeschichte konnte Schleiermacher belehren, daß oft bei beharrlicher Bosheit, bei einem Leben ganz und gar hingegeben grenzenlosem Ehrgeize, der unbeschränktesten Selbstsucht, der kein Recht achtenden Herrschsucht, die ausgezeichnetste Einsicht besteht. Wir erinnern an das, was Daniel vom Menschen der Sünde sagt, der doch so klug ist; - wir erinnern an Erscheinungen wie Gregor VII, Innozenz III - die schrecklichen Zerstörer der Kirche, die grausamen Verfolger der Heiligen, Leute, denen kein Eid und kein Recht der Völker oder Fürsten heilig war. - Wir erinnern an einen Machiavelli und seine gelehrigen Schüler, wie an einen Talleyrand; wir erinnern an einen Cardinal Richelieu, an Louis XIV., an hochbegabte Jesuiten, die ganz ruhig die Zertretung ganzer Völker wie der Böhmen, der Belgier, der Ungarn dekretiren konnten. Wir erinnern an einen Voltaire, Rousseau, an einen Mirabeau, Danton und andere Helden der französischen Revolution. Und hat denn etwa Napoleon I. seine Intelligenz, seine Energie, anders verwandt als im Dienst der Selbstsucht? - Weiter sagt Schleiermacher S. 210: „Eben so schwer ist nun auch das Verhältniß der gefallnen Engel zu den andern zurecht zu legen, denn wenn sie sich gleich waren, und es doch für die einen nicht besondere persönliche Motive geben konnte, wie ist es zu begreifen, daß die Einen gesündigt haben, und die Andern nicht?“ Es waren die Engel eben freie Wesen und konnten wählen zwischen böse und gut: - die Einen bestanden die Prüfung, die auch den Engeln ohne Zweifel aufgelegt war, die Andern nicht. -

Der Gedanke (S. 211) die bösen Engel, würden ja, da sie wissen, daß sie doch nichts gegen Gott ausrichten können, weit mehr Linderung ihrer Uebel und Befriedigung ihres Hasses gegen Gott finden in gänzlicher Unthätigkeit, - findet leicht seine Widerlegung darin, daß die Sünde den Verstand verblendet und das Herz toben macht wider den Herrn, auch wenn keine Aussicht da ist, etwas auszurichten. Vgl. Spr. Salomonis XIX V. 3. Mit trügerischen Aussichten speiset sich eben der Lügner vom Anfang, der ja wie alle Lügner auch an seine Lügen glaubet und hofft, es werde ihm doch noch einmal mit seinen Angriffen gelingen, wie die Geschichte der Versuchung, die der Kreuzigung des Herrn bezeugt. Wer Sünde thut ist der Sünde Knecht und muß ihr folgen, wenn er auch immer von neuem erfährt, daß ihre Frucht der Tod ist. Das eben Gesagte mag den Einwand widerlegen (S. 211), der Teufel sei, mit seinen Engeln als ein Reich gedacht, mithin alle auf eine zusammenstimmende Weise - namentlich auf die menschlichen Angelegenheiten wirkend - gar nicht zu denken, wenn der Oberherr nicht allwissend ist, und vorher weiß, was Gott gestatten wird. Der Satan braucht, um mit seinen Engeln übereinstimmend zu wirken, nach Einem Plane, nicht allwissend zu sein, auch darum nicht, um vorher zu wissen, was Gott gestatten wird: er ziehet eben aus proprio Marte und versucht in seinen Anläufen immer von neuem sein Glück, es gelinge nun oder gelinge nicht: Vieles gelingt ihm ja, wie wir aus Offenb. XIII, aus der ganzen Kirchen- und Weltgeschichte sehen, und da denkt er, wie die Gottlosen überhaupt, es werde ihm immer mehr gelingen. Satan, eben weil er Satan ist und mit den andern bösen Engeln gebunden ist mit Ketten der Finsternis), kann ja nicht an den Sieg der Wahrheit, des Lichts glauben: er muß es schauen und erfahren, wenn er hingeworfen ist zum Fußschemel des Herrn und hinabgestoßen in den Feuerpfuhl.

Ein seltsames Sophisma ist das S. 212: „Es müßte, wenn die Macht des Teufels, und die verführende ist doch die größte, erst eine Folge der Sünde wär, der Teufel, als er die größte Verführung vollbracht, noch ohnmächtig gewesen sein, welches nicht stimmt.“

Der Teufel bekam ja die Macht zu verführen, d. h. zu lügen und durch die Lüge zu morden, nicht erst in Folge der geschehenen Verführung, die hatte er vorher und trat als der gefallne Engelfürst mit seiner Lüge und seinem Mordgeist vor die ersten Menschen hin und sprach: Ihr werdet sein wie Gott, wenn ihr die verbotene Frucht esset.

Es ist nicht wahr, was Schleiermacher behauptet (S. 212), „es zeige das biblische Vorkommen, daß die Vorstellung vom Satan im jüdischen Volte selbst zusammengeflossen sei aus zwei oder drei ganz verschiedenen Bestandtheilen. Der erste sei der das Böse auskundschaftende Diener Gottes, der seinen Rang und sein Geschäft unter den andern Engeln habe, bei dem aber von einem Verstoßensein aus der Nähe Gottes nicht die Rede sein könne.“ Diese Schleiermacher'sche Vorstellung ist eine unbiblische, der Satan im Buche Hiob ist eben Satan, der Verkläger Gottes und der Menschen und ist nichts davon zu sehen, daß er unter den andern Engeln seinen Rang und Geschäft einnehme.

Dann heißt es (S. 218): „das andere ist das böse Grundwesen des orientalischen Dualismus, so modificirt, wie die Juden allein im Stande waren, es sich anzueignen.“ Ja freilich, modificirt ist es bei den Juden, dieses sogenannte Grundwesen des orientalischen Dualismus, aber eben so modificirt, daß es nun nicht mehr dies Grundwesen ist oder vielmehr es niemals war.

Was die Einwendungen betrifft, die auf Grund der Ethik und Psychologie erhoben werden, so ist es nichts als eine Aeußerung der aus dem Obigen hinlänglich erklärten Widrigkeit und Abgeneigtheit gegen die Annahme der Realität des Teufels, wenn behauptet wird (S. 220): „wer den Glauben an fortdauernde Einwirkungen des Teufels im Reiche Gottes oder gar an ein dem Reiche Gottes gegenüber fortbestehendes Reich des Satans als christliche Lehre aufstellen will, - der stellt höchst gefährliche Behauptungen auf.“ - Und dann weiter zur nähern Erklärung (S. 220): „da Einwirkungen des Satans im strengen Sinne nicht anders als unmittelbar innerlich, also zauberhaft sein können: so muß bei einem wirklichen Glauben an solche das freudige Bewußtsein eines sichern Besitzthums im Reiche Gottes aufhören, indem Alles, was er Geist Gottes gewirkt hat, den entgegengesetzten Einwirkungen des Teufels Preis gegeben und alle Zuversicht in der Leitung des eigenen Gemüths aufgehoben ist.“ - Diese Einwendungen erscheinen in ihrem Nichts, wenn wir an so eine Stelle denken wie die 1 Petr. V: „Dem aber (nämlich dem Satan) widersteht fest im Glauben,“ und so eine: „Wer von Gott geboren ist, der bewahret sich und der Arge wird ihn nicht antasten,“ und wenn wir denken an die Waffenrüstung Ephes. VI. Die Behauptung (S. 219), die Betrachtungsweise, die an die Einwirkung des Teufels glaube, - erzeuge sich in Allen, die nicht für tiefere Untersuchungen geeignet sein, - ist widerlegt, wenn man sich an Petrus, Johannes, Paulus, an Tertullian, Augustin, Chrysostomus, an Anselm von Canterbury, an Luther, Calvin, Melanchthon u. s. w. erinnert.

Zuletzt wird noch im Zusatz (S. 221) sehr großmüthig eine Concession ertheilt: „es sei keinem Christen die Berechtigung abzusprechen, daß er Momente seines eigentlich frommen Bewußtseins sich durch dergleichen Züge (nämlich aus der Lehre vom Satan) vergegenwärtige, sondern sich dieser Vorstellung in der religiösen Mittheilung bediene, wenn sie ihm dazu willkommen oder vielleicht scheinbar unentbehrlich ist.“ Nun wir dürfen wohl froh sein, solcher zweideutigen und in ethischer Hinsicht sehr bedenklichen Zugeständnisse uns nicht bedienen zu müssen. Wir überlassen es denen, sich derselben zu bedienen, die Macht zu haben glauben, mit dem Worte Gottes allerlei menschliche Versuche und Experimente zu machen.

Die philosophischen, ethischen und psychologischen Bedenken gegen die Realität des Teufels dürfen wir nun wohl als beseitigt ansehen: von ästhetischen war noch die Rede, doch wollen wir dies übergehen und nur kürzlich bemerken, wenn das Schönheitsgefühl sich wider die Annahme der Lehre vom Teufel sträuben will, wir gern zugeben, es sei nicht grade etwas Schönes, was das Auge des Christen erblickt, wenn wir uns die alte Schlange, den großen Drachen vorstellen; aber es ist auch vieles Andre, was nicht schön ist und doch da ist, die Sünde mit ihren Greueln, der Tod mit seinen Zerstörungen.

Was wir nun noch als Resultat des Ganzen, als Ergebniß der vorhergegangenen Untersuchung hinstellen, ist Folgendes:

Erstlich, durch die Annahme der unwidersprechlich bezeugten Schriftlehre sind wir dem peinigenden Widerspruch wider die Schrift entnommen, der natürlich da sein muß, wo man die klar bezeugte Schriftlehre verwirft.

Es ist nicht zu begreifen, wie Jemand im Ernste das Wort Gottes für Gottes Wort annehmen kann, der die Lehre verwirft, die von der Schrift so deutlich bezeugt ist. Es wird sich wohl auch nachweisen lassen, daß es überall sehr problematisch mit dem Glauben an das Wort Gottes ausstehet, wo die Realität des Teufels bezweifelt oder verworfen wird.

Es ist ein köstlich Ding überall mit der Schrift sich in Uebereinstimmung wissen, und wenigstens des gewiß sein, daß man in keinem Stück im bewußten Widerspruch mit ihr stehet. Es ist dagegen ein jämmerlich Ding, was zur Festigkeit des Herzens es nicht kommen läßt, irgend wo, - und zumal in so einer Lehre, die durch die ganze Schrift hindurchgehet, auf die ganze Dogmatik und Ethik großen Einfluß hat, - zu dem Ja der Schrift Nein zu sagen.

Wenn schon oben in der Kürze die Behauptung zurückgewiesen wurde die Vorstellung vom Teufel sei nirgend in unsre Heilsordnung verflochten, so haben wir nach alle dem, was schon gesagt ist, nur noch hinzuzufügen, daß fast in jedes Hauptstück der christlichen Glaubenslehre diese Vorstellung oder Lehre vom Satan verflochten sei; in die Anthropologie und Ponerologie: denn die Lehre vom Menschen, von seinem ursprünglichen Zustände, von seinem Falle, von seinem jetzigen Zustande wird eine gar andre, wenn man die Existenz und den Einfluß Satans annimmt. Der Mensch, verführt vom Versucher, also nicht Vater, Urheber der Lüge, welcher die Sünde zuerst in sich erzeugt hat, ist nun auch erlösungsfähig; er ist der Erlösung aber auch höchst bedürftig, weil er eben von einer fremden, einer feindseligen Macht beherrscht, tyrannisirt wird. Das Böse erscheint als überaus böse, wenn wir seines Ursprungs gedenken, die Sünde ist überaus sündig, weil sie ein Werk des Teufels ist.

Sünde thun, d. h. in der Sünde leben als in seinem Element, - davon beherrscht werden, - ist etwas um so Schrecklichers, wenn wir hören: wer Sünde thut, der ist vom Teufel.

Die Erlösung aber ist nun auch um so herrlicher: denn sie ist eine Erlösung aus der Höllen Gewalt, aus der Obrigkeit der Finsterniß, was unsre Kirche in ihren Bekenntnißschriften, wo sie lehrt und wo sie lobt, mit lauter Stimme verkündigt und preiset wie z. B. im 2. Artikel: hat mich erlöset von allen Sünden, vom Tod und der Gewalt des Teufels; in der Lehre von der Taufe: sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöset vom Tod und Teufel u. s. w. So in verschiedenen Bitten, daß es unbegreiflich ist, wie Jemand sagen kann: „unsre Kirche habe niemals einen doktrinalen Gebrauch von der Lehre vom Teufel gemacht.“

Die Christologie ist berührt bei der Lehre vom Teufel: denn der Sohn Gottes ist gekommen zu zerstören die Werke des Teufels. Es gehört in die Lehre von der Erlösung hinein zu erkennen, daß am Kreuze der Fürst der Welt gerichtet ist, hinausgestoßen, - aus ihm ein Triumph gemacht. - Haben alte Kirchenväter und neuere Theologen (Hasenkamp, Menken) dies zu einseitig hervorgehoben und zu stark betont, ja ist es ein falscher Gedanke, das Lösegeld sei dem Teufel gezahlt, so berechtigt dies nicht, auf der andern Seite zu weit zu gehen, und zu behaupten, (Schleiermacher I, S. 217) „es sei davon nirgend die geringste Spur vorhanden, daß wegen einer Gewalt, die der Teufel über den Menschen hatte, der Sohn Gottes nothwendig wäre.“ (Wieder profan - der Sohn Gottes nothwendig wäre.)

Die Soterologie wird von der Lehre vom Satan berührt, und sehr stark, weil der uns wider Sünde und Welt verordnete Kampf noch ein andrer wird und wir noch ganz besondrer Waffen bedürfen, wie Ephes. VI verzeichnet sind, wenn wir nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit den bösen Geistern unter dem Himmel zu kämpfen haben. Ja, man kann getrost sagen, der Kampf wider mächtige Feinde des Reiches Gottes, wider Feinde der biblischen Wahrheit, ist zum großen Theil ein Streichen in die Luft, wenn man und weil man nicht erkennt und nicht erkennen will, daß hinter der Larve der äußern Erscheinung oft sehr unbedeutender bornirter Menschen Satan steht. - Wer kann denn wider das Papstthum im Kampfe stehen und bestehen, wenn er nichts davon weiß und wissen will, was Luther sagt vom alten bösen Feind, der mit Ernst es jetzt meint. Wer hat bestanden in diesem Kampfe und wer will bestehen, der überhört und übersiehet, was Luther in seinem Buche niedergelegt und ausgesprochen hat: Das Papstthum in Rom vom Teufel gestiftet, - und wollen wir von dieser Privatschrift Luther's absehen, so möge uns das Zeugniß in unsrer Bekenntnißschrift, in den schmalkaldischen Artikeln belehren. Wer mag Mahomed's Lüge überwinden, denn der da glaubt, daß höllische Geister die Sinne der Mahomedaner verblendet haben; wer darf hoffen, das Heidenthum in der Heidenwelt und das Heidenthum in der Christenheit d. h. das Antichristenthum in der Kirche mit siegreichen Waffen zu bekämpfen, wer nicht etwas davon gehört und verstanden hat, was 2 Thessal. II vom Menschen der Sünde geschrieben stehet, von dem Boshaften, der da kommt nach der Wirkung des Satans?

Aber dann wird ja, wenn es in unserm Leben so zu kämpfen gibt, vieles anders aussehen müssen, und unser ganzes Leben - namentlich auch das Leben der Prediger und ihrer Hausgenossen! -Allerdings - gar anders. Es wird dann nicht mehr Zeit sein für einen Amtsbruder seine Parthie Whist und dergleichen zu spielen, - Tänze im Pfarrhause zu arrangiren, - aus dem unerschöpflichen Vorrath der Anekdoten-Sammlung über das ungeistliche Leben der Geistlichen ein Stück nach dem andern hervorzuholen. - Diese von so Vielen ersehnte und von nicht Wenigen genossene angenehme Gemüthlichkeit so eines Genußlebens, das mehr von einem dolce far niente als von einem Kampfe bis auf's Blut wissen will, wird dann freilich aufhören, und unser Leben mehr Aehnlichkeit gewinnen mit dem Leben der Kirche in den ersten Jahrhunderten, - in der Zeit der Märtyrer in Piemont, Böhmen, Frankreich u. s. w.: - aber wir werden auch Siegeslieder anstimmen können: Gott sei Dank, der uns allezeit triumphiren läßt, und werden in solcher Siegesfreude reichlich schadlos gehalten werden für die Entbehrungen und Verläugnung in der Nachfolge des Herrn und seliglich ruhen in dem Bewußtsein, daß wir von Gott geboren sind und uns bewahren können und bewahrt werden, daß uns der Arge nicht antaste. - Und wenn wir nichts andres hätten, an dem Einen hätten wir genug. Nun der Herr schenke uns seine Gnade, sei unser Schild und Lohn, heute und allewege und bis in die Ewigkeit hinein.

Die Lehre der heiligen Schrift vom Teufel.
In der Gnadauer Pastoral-Conferenz vorgetragen
am 14. April 1858
Dr. Sander
Superintendent und zweiter Director des Königl. Prediger-Seminars zu Wittenberg.
Schönebeck
Verlag von E. Berger.
1858

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/sander/sander-die_lehre_der_heiligen_schrift_vom_teufel.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain