Salathe, Philipp Jacob - Das höchstbedrängte und fast ganz verwüstete Pfälzische Zion

Salathe, Philipp Jacob - Das höchstbedrängte und fast ganz verwüstete Pfälzische Zion

Das höchstbedrängte und fast ganz verwüstete Pfälzische Zion
einigermaßen vorgestellt in einer christlichen Predigt über das sonntägliche Evangelium von Verwüstung der Stadt Jerusalem und des Tempels, wie auch des ganzen Lands, aus dem Evangelium Matthäus
am XXIV, Verse 15–28

gehalten zu Heidelberg in der Klosterkirch, morgens den 2.Dezember Wintermonat, 1690.

Nunmehr auf frommer und über den Schaden Josefs seufzender Christen Begehren zum Druck gefertigt von
Philipp Jacob Salathe, reformierter Pfarrer in Churpfalz p. t. zu Rohrbach und Kirchheim.

Basel, gedruckt bey Jacob Bertsche.

Text: Matthäus am XXIV, Cap. v. 15–28.

Wann ihr nun sehen werdet den Tempel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, dass er stehe an der heiligen Stätte, (wer dies liest der merke darauf) alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Land ist: und wer auf dem Dache ist, der steige nicht hernieder, etwas aus seinem Hause zu holen, und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. Wehe aber den Schwangeren und Säugern zu der Zeit. Bittet aber, dass euer Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat. Dann wird alsdann eine große Trübsal sein, als nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher und als auch nicht werden wird. Und wo diese Tage nicht würden verkürzt, so würde kein Mensch selig, aber um der Auserwählte willen werden diese Tage verkürzt. So alsdann jemand zu euch wird sagen, siehe hier ist Christus, etc.

Eingang

Als Johannes das geschriebene Buch sah in der rechten Hand des der auf dem Stuhl saß, auch in und auswendig versiegelt war mit sieben Sigeln, da weinte er sehr, dass niemand würdig erfunden ward, das Buch aufzutun und zu lesen, noch darin zu sehen. Unser abgelesenes Evangelium ist zwar kein versiegeltes Buch, weil wir klar hineinsehen, und die Zerstörung Jerusalems, durch die Römer geschehen, darin lesen können; dennoch, wie aus der Verhandlung erscheinen wird, so finden sich in demselben verschiedene schwere Stücke, und welche vor einer so gelehrten und erleuchteten Gemeinde genügsam zu erklären, mich viel zu schwach befinde, dass billig mein Geist deswegen unruhig und traurig sein sollte.

Aber ach, es ist noch eine andere und zwar weit wichtigere Ursache, um derentwillen ich bei Erklärung des heutigen Evangeliums herzlich betrübt sein und kläglich weinen soll. Es handelt, wie gemeldet, von der Zerstörung Jerusalems und Einnehmung des jüdischen Landes durch die Römer: Und wer könnte ohne Tränen hiervon predigen oder predigen hören, wann er zugleich gedenkt, was innerhalb zwei Jahren in diesem gelobten Land geschehen ist, und noch geschieht? Jeremias betrachtende, die bevorstehende Verwüstung Kanaans durch die Babylonier, schreit: Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin, und ist uns keine Hilfe gekommen, mich jammert herzlich, dass mein Volk so verderbt ist, ich gräme mich und hab mich übel. Ist dann keine Salbe in Gilead? Oder ist kein Arzt nicht da? Warum ist dann die Tochter meines Volkes nicht geheilt? Ach dass ich Wasser genug hätte in meinem Haupt und meine Augen Tränenquellen wären zu beweinen den betrübten Zustand meines Volks.

Und ich sollte nicht weinen, der ich zwar das zukünftige Elend und besorgenden endlichen Ruin nicht vorher sehe, sondern nur das gegenwärtige anschaue, und an dem gemeinen Schaden meinen Teil mit habe: Ich schaute das Land an, siehe das war wüst und öde, ich sah und siehe, da war das Baufeld eine Wüste, und alle Stätte darin waren zerbrochen für den Herrn, und für seinen grimmigen Zorn.

Danach aber habe diesen H. Ort nicht betreten um zu weinen: Weinen hat seine Zeit, und reden hat seine Zeit. Diesmal soll ich reden: Der Herr gebe, dass ich reden möge heilig und kräftig, damit ich mit euch und ihr mit mir zur Buße, zur Geduld und zur Demütigung unter Gottes Hand durch meine Rede gebracht werdet, Amen.

Das abgelesene Evangelium haltet in sich

I. Eine Weissagung von der Zerstörung Jerusalems durch die Römer, vom 15. bis zum 22. Vers.
II. Eine Warnung, dass die Gläubigen selbiger Zeit sich vor den falschen Christi hüten sollen, vom 23. bis 27. Vers.

Diesmal wollen wir allein reden von dem ersten Teil unsers Evangelium.

Unser lieber Heiland Jesus haltet hier ein Gespräch mit seinen Jüngern, zeigte ihnen den Pracht, die Schönheit und Feste des Tempels, aber der Herr sagt ihnen, es werde kein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde: erzählt daneben ausführlich, was dieser Verwüstung vorhergehen solle, Krieg und Kriegsgeschrei, Verfolgung der Gläubigen, etlicher Abfall, falscher Propheten Ursprung, und der Ausbreitung des Evangeliums durch die Apostel: Darauf fährt der Herr fort, und kommt zum Ende der jüdischen Republik, und Verwüstung der Hauptstadt samt dem ganzen Land. Wann ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, dass er steht an der heiligen Stätte u.s.w.

Diese Worte handeln:
a) von der Belagerung Jerusalems,
b) von der traurigen Früchten dieser Belagerung, Flucht und anderem Elend.

Die Belagerung verkündigt der Herr Jesus hier, und bestätigt die Verkündigung durch den Propheten Daniel: Wann ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung (Daniel 9,27), davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, dass er steht an der heiligen Stätte. Dann also müssen die Wort zusammengefügt werden. Christus der Herr sieht hiermit auf die Weissagung des Propheten Daniel am 9. Kapitel wann er sagt, mitten in den Wochen wird das Opfer und Speisopfer aufhören und bei den Flügeln werden stehen Greuel der Verwüstung. Nach dem Grundtext heißt es eigentlich, Opfer und Speisopfer werden aufhören und das durch Flügel der Greuel, so verheert.

Ein Flügel bedeutet in verschiedenen Sprachen ein Kriegsheer, und wir verstehen dadurch die römischen Truppen, welche unter Vespasiano und Tito ins jüdische Land kommen; demnach so wurden auch gewisse Völker der damaligen Faction unter den Juden genannt Zeloten oder Eifferer. Dieser Flügel oder dieses Kriegsheer werden genannt Flügel der Greuel, das ist, bei welchem viel greuliche Dinge sind und geschehen: Dann bei den Römern war ein Greuel der Abgötterei, bei den aufrührerischen Zeloten oder Eifferen waren Greuel der Gottlosigkeit, von beiden geschah viel Blutvergießen, welches ja in Wahrheit ein Greuel ist.

Der Prophet Daniel nennt ihn ferners den verwüstenden, den verheerenden Flügel, weil die schöne Stadt und der herrliche Tempel umgekehrt und das übrige ganze Land von ihnen verderbt worden. Christus setzt hinzu der verwüstende Flügel der Greueln werde stehen an der heiligen Stätte, das ist in und um Jerusalem und also hat der Evangelist Lukas den Herrn Christum und den Propheten Daniel wohl verstanden, wenn er im 21. Kapitel seines Evangeliums sagt, wann ihr aber sehen werdet Jerusalem belagert mit einem Heer oder nach dem Grundtext mit Heeren, nämlich mit jüdischen inwendig und römischen auswendig, so merkt, dass ihr Verwüstung herbeikommt; als wollte er sagen, mit euren Augen werdet ihr es sehen, ihr werdet nicht alle sterben, vor Ankunft der Römer, dann wahrlich ich sage euch, spricht Christus: Es stehen etliche hier, die nicht schmecken werden den Tod, bis dass sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich, bis nämlich, durch Zerstörung jüdischer Republik und Annehmen der Heiden, Christus sich als ein mächtiger König erweise.

Diese Verkündigung der Belagerung bestätigt der Herr Jesus mit dem Zeugnis Daniels, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel.

Die Jünger hielten davor, die Stadt Jerusalem und der Tempel müssten bis zum Ende der Welt stehen, auch die Juden hielten diejenigen vor Lästerer, die vorgaben, dass sie jemals sollten zerstört werden, wie dem Herrn Christo und Stephanus begegnet ist; daher führt der Herr seinen Jüngern zu Gemüt, er sei nicht allein, noch der erste, der die Belagerung und Verheerung der Stadt und des Tempels vorher verkündige, der Prophet Daniel melde bereits solches so klar und nachdrücklich, dass es merkwürdig sei zu lesen und wohl zu betrachten: Auch Daniel sei ein Prophet gewesen, der nicht seine Träume, sondern Gottes Wort, durch seinen guten Geist, geredet habe. Weil Daniel verschiedene Dinge von des Messias Werken, Zufällen und von der Zeit seiner Ankunft hat, welcher den Juden missfallen, daher halten sie ihn vor keinen Propheten, unser Heiland aber nennt ihn hier ausdrücklich einen Propheten.

Unter die traurigen Früchte der Belagerung wird hier gezählt die Flucht: alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Land ist usw. Christus will sagen, wann ihr sehen werdet die Stadt und den Tempel Jerusalem belagert, flattiert euch nicht mit vergeblicher Hoffnung des Sieges gegen die Feinde, oder Abzug der Römer, wie ehemals zu Zeiten Craffi und Pompeji geschehen: Denn die Feinde werden den Ort mit Gewalt einnehmen, und die darinnen werden den Hunger, Feuer und Schwert umkommen, oder wie der Herr bei Lukas 12 Kapitel sagt, das sind Tage der Rache, dass erfüllt werde, was geschrieben ist: als wollte er sagen, es kommt die Zeit, dass das unschuldige Blut des Sohnes Gottes, welches sie vergießen werden und die übrigen Greuel, so sie begangen, soll gerochen werden; daher, wer im jüdischen Land ist, der fliehe auf die Berge. Die Römer, will er sagen, werden das ganze jüdische Land überziehen, wer von dannen fliehen kann, der fliehe auf die Berge, als solcher Ort, die gegen den ersten Anfall sicher sind, dass man von dannen durch die Wälder und Einöde weiter entfliehen kann, kann auch auf den Bergen selbst auf keine Sicherheit hoffen.

Wer auf dem Dach ist, der steige nicht herunter, etwas aus seinem Haus zu holen. In dem Morgenland waren die Dächer der Häuser flach und eben, dass man auf denselben schalten und walten konnte, wer dann bei Ankunft der Römer auf dem Dach ist, der suche weder [auf dem] Weg zu entrinnen noch steige hernieder, etwas von seinen Gütern zu lavieren, denn die Feinde werden alle Orte so genau umschließen und durchsuchen, dass wer nicht beizeiten davonkommt, hernach bleiben und mit dem übrigen Haufen umkommen muss: Wer auch auf dem Feld ist, der kehre nicht um, um seine Kleider zu holen.

So notwendig alsdann die Flucht sein wird, so unglückselig werden diejenigen sein, so nicht fliehen können als Schwangere, Säuglinge und dergleichen: Daher Christus der Herr ferner sagt, wehe aber den Schwangeren und Säugern zu der Zeit. Erwachsene, freie und gesunde starke Leute können in dergleichen Fällen etwa entrinnen, aber Kinder und Eltern mit Kindern mögen kaum entgehen; auch Schwangere können nicht eilen, dass sie nicht etwa der Frucht ihres Leibes schaden zufügen. Wie es den Säuglingen ergangen, erzählt der jüdische Geschichtsschreiber Josephus lib. 5 cap. 27. von dem jüdischen Krieg, daselbst es ausführlich zu lesen.

Das Unglück wird größer, wenn die Flucht muss geschehen zu unbequemer Zeit wie im Winter, da es kalt, nass und ungesund Wetter ist, da kurze Tage und lange Nächte sind, dass man nicht weiß, wo man hinkommt, daher der Herr sagt, bittet dass eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat. Er gedenkt des Sabbats, weil die Juden davor halten, am Sabbat sei es nicht erlaubt über 2000 Schritte weit zu gehen, aber der Herr Jesus lehrt, dass man alsdann viel weiter und sehr geschwind fliehen müsse. Über dies hatte die Belagerung Jerusalems gewehrt durch den Sommer, dann Titus nahm die äußerste Mauer der Stadt Jerusalem ein den 7. Mai, den Tempel zündete er an den 10. August, und die Stadt den 8. September, nach dem Zeugnis Josefs.

Ob nun zwar die Flucht an sich selbst übel und beschwerlich ist, je dennoch musste sie vor ein Glück und Wohltat gehalten werden, in Anschauung übriger Trübsalen, welche solche Belagerung und Verwüstung begleiten wurden, dann der Herr Jesus setzt hinzu, es werden alsdann eine solche Trübsal sein, welche noch nie gewesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch nicht werden wird. Als wollte er sagen, wer durch die Flucht nicht entgehen werde, dem sei unglaublich Elend bereitet, welches er teils sehen, teils leiden müsse: in der Stadt Feuer und Schwert: Es war nicht zuvor noch wird nachmals sein solche Trübsal, wie diese Zerstörung Jerusalems. Also bezeugt auch der jüdische Geschichtsschreiber Josephus in oben gedachtem 5. Buch aus Kapitel 27 von dem jüdischen Krieg, dass von Anfang der Welt keine Stadt so viel und größeres Elend ausgestanden habe wie Jerusalem.

Und das erfordert Gottes Gerechtigkeit: müssen an keinem andern Ort solche Gräuel begangen werden, der so groß war, als der Mord des Sohnes Gottes. Die Juden fingen und brachten zum Tod den Herzog des Lebens, den Herrn der Herrlichkeit, den Arzt des Leibes und der Seelen, daher sollten sie billig Gefängnis, Hunger, Pest und Mord leiden. Sie wollten nicht mit Wasser getauft werden in dem Namen Jesu, daher mussten sie mit Feuer getauft werden.

Zusammen wird diese Trübsal, sagt Christus, so groß sein, dass wo diese Tag nicht wurden verkürzt, so wurde kein Mensch selig. Diese Worte haben von den Gelehrten verschiedene Auslegung, wir erwählen die einfältigste. Wann nicht die Tage der Belagerung und Einnehmung der Stadt Jerusalems verkürzt würden, so würde kein Jude solcher Trübsal entgehen, sondern alle entweder durch Pest, Feuer und Schwert umkommen müssen: Weil aber Gott der Herr auch unter diesem gottlosen Volk seine Auserwählten hatte, die bereits glaubten oder noch glauben würden, daher musste die Belagerung und der Krieg selbst kürzer währen: Die Belagerung hatte ungefähr ein halbes Jahr gewährt, und weil alle Einwohner des jüdischen Landes wegen dem Osterfest nach Jerusalem kommen, als hat mit Einnehmung der Hauptstadt der Krieg sein Ende erreicht, welcher sonst länger gewährt hätte, wegen hartnäckiger Gegenwehr des verbannten Volkes.

Und dies ist die kurze Erklärung des ersten Teils unseres vorhabenden Evangelium, daraus wir verschiedenes zu lernen haben.

Jerusalem war vorzeiten Gottes Sitz, eine heilige Stadt, diese musste belagert und zerstört werden durch die Römer. Von dieser Zerstörung haben fast alle Propheten gezeugt. Johannes der Täufer sagt deutlich von Christo, er hat seine Worfschaufel in seiner Hand, er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheuer sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem Feuer. Und zu den Juden spricht Christus, euer Haus soll euch wüst gelassen werden: Will so viel sagen, der Tempel ist nicht mehr ein Haus meines Vaters, sondern eine Mördergrube, euer Haus, die ihr seid Mörder der Propheten, des Sohnes Gottes, und anderer unschuldiger Leute mehr, dies euer Haus wird euch wüst gelassen werden. Daher unser lieber Heiland, mit Vergießung seiner Tränen über Jerusalem so ernstlich seufzte und sprach: Wann du es wüsstest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet, aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Zuvor wurde sie eingenommen und zerstört durch die Babylonier, nun haben neue Greuel und Sündenschulden auch neue Gerichte und ernstliche Strafen Gottes herabgezogen.

Die leidigen Krieger sind rechte Flügel der Greueln, das ist, sie begeben viel greuliche Taten: Die wenigsten unter ihnen sind dem frommen Hauptmann zu Kapernaum und Cornelio gleich: Die meisten fürchten Gott nicht, sondern lästern ihn. Ihr Gebet ist fluchen, ihr Handwerk plündern, stehlen und töten, und der Gott, den sie anrufen, ist der leidige Feind, dem sie so oft Herberge anbieten. Ich rede nicht von allen, sondern von vielen, und leider von den meisten; daher ist der Krieg die allerhärteste Strafe, damit der gerechte Gott die Menschen heimsucht, weil die Leute, die Einwohner der Erden, durch den Krieg nicht frömmer, sondern rauer, wilder, verstockter, ja gottloser und ungerechter werden, weil sie von den Flügeln der Greueln nur Greuel sehen, hören und lernen: Daher ist’s eine Torheit, die Religion mit Krieg ausbreiten wollen, und ist denkwürdig, was jener fran-zösisch-reformierte Feldobrist la Noue, in vorigem feculo pflegte zu sagen, pugnando pro religione, religionem perdimus, indem wir für die Religion streiten, verlieren wir die Religion. So bezeugt auch Aubigni, gleichfalls ein reformierter Kriegsobrister in Frankreich und gewaltiger Historicus, ipfos I. bellum getfiffe ut Angelos, 2. ut homines, 3. ut Diabolos. Sie hätten Anfangskrieg geführt als Engel, hernach als Menschen, endlich wie Teufel: Wollte sagen, ob sie schon vor die Religion gestritten und im Anfang gute ordre gehalten hätten, so sei doch Greuel und Verdorbenheit nach und nach eingeschlossen, wie in allen Kriegen.

Ferner, so sind die Krieger verwüstende Flügel: Verheerer, welche kommen nicht um zu bauen oder zu pflanzen, sondern zu verderben, daher wird der König von Assyrien genannt ein Zerstörer. Wehe die du Zerstörer, sagt der Geist Gottes, meinst du, du werdest nicht zerstört werden? Wann du das Zerstören vollendet hast, so wirst du auch zerstört werden. Und anderswo: O wehe Assur, der meines Zornes Rute und meines Grimmes Stecken ist, ich will ihn senden wider ein Heuchelvolk und ihm Befehl tun, wider das Volk meines Zorns, dass er es beraube und austeile und zertrete wie Kot auf der Gasse, wiewohl er’s nicht so meint, und sein Herz nicht so denkt, sondern sein Herz steht zu vertilgen und auszurotten nicht wenige Völker. So sagt Rabsake, im Namen seines Prinzipalen des Königs Sanheribs, meinst du, dass ich ohne den Herrn bin hinaufgezogen in dies Land, dasselbe zu verderben? Ja, der Herr sprach zu mir: Zieh hinauf in dies Land und verderbe es.

Zu Kriegszeiten müssen viel Einwohner die Flucht nehmen: der Soldaten wüten und toben, auch anderes Elend jagt sie aus dem Land, vornehmlich wann die Städte und Dörfer verbrennt, die Schlösser verwüstet werden, und vielen wird’s nicht so gut, dass sie Kleider, oder etwas von übrigem Hab falviren mögen, das Unglück kommt schnell über sie wie ein Fallstrick, und sind im Netz ehe sie es vermeinen: Wie es leider mancher in heutigen betrübten Kriegsläufen erfahren hat. Alsdann sind schwangere, kranke und schwache Personen, auch Kinder vor anderen unglückselig, denn die müssen des Feindes Unbarmherzigkeit erwarten.

So ist auch die Flucht im Winter betrübter und armseliger als sonst. Die Kälte ist schädlich den übel bekleideten, Regen und nasse Kälte, bringt Krankheiten, und weil alsdann niemand unter freiem Himmel bleiben kann, so findet man kümmerliche Herberge um unterzukommen. Die Nacht ist niemands Freund, und hindert, dass man nicht weit und schnell genug fliehen kann, anders aber verhält sich die Sache im Sommer.

Ferner, so bringt der Krieg die Belagerung, Einnehmen Verheerung der Städte unter Trübsalen mit: das Getreide wird entweder in den Scheuern angesteckt oder ins Wasser geworfen oder die Samen auf dem Feld werden verwüstet, daraus Hunger und Teuerung entsteht. Wo fremdes Volk, da ist fremde Luft, wo viel Volks, da ist Unordnung, wo Soldaten sind, da findet sich ein unordentlich Leben, daraus entstehen Krankheiten, hitziges Fieber und Pest. Wo Krieg ist, da ist Unterdrückung, Verlust seiner Habe, daraus kommt Armut, Verzweiflung, Rauben und Stehlen, und mancher geht auf Beute aus, der sonst im Land geblieben wäre, und sich ehrlich genährt hätte.

Endlich, so werden die Tage des Krieges verkürzt um der Auserwählten willen. Die Welt wird ihretwegen dennoch erhalten und wenn Gott nur zehn Gerechte in Sodom gefunden hätte, wär die Stadt und die ganze Gegend verschont worden. Die Frommen und Auserwählten werden zwar in gemeine Landplagen mit eingeflochten, denn wer mit anderen in einem Schiff fährt, der muss gleich andern die ungestüme Meereswellen mit aushalten: Aber Gott denkt mitten in seinem Zorn an sie barmherzig, und reut ihn bald die Strafe, welche Er drohte zu tun.

Dies ist, meine Geliebten, die Beschaffenheit des Krieges, wann die Städte belagert und eingenommen werden. Ich glaube, es wurde töricht getan sein, wenn, um solches zu beweisen, fremde Exempel anziehen sollte. Gott erbarme es, dass wir dessen allen, was erzählt wurde, ein lebendiges Beispiel und Exempel sein müssen. Lasst uns hier ein wenig still flehen und die Sache in wahrer Demut erwägen!

Christus verkündigt hier die Verheerung Jerusalems und des ganzen jüdischen Landes. Dieses war ein Teil des gelobten Landes, und Jerusalem war die Hauptstadt darin: Niemand wird in Abrede sein, unsere liebe Pfalz sei in vielen Stücken denselben gleich und ähnlich.

Kanaan war gleichsam der Sitz des Allerhöchsten und der wahren Religion: unter uns wohnte auch Gott und sein reines Wort, wir konnten vor vielen anderen rühmen, Gott zeigt unserem Jakob sein Wort, unserem Israel seine Sitten und Rechte, so tat Er vielen andern nicht, noch ließ Er sie wissen Seine Rechte.

Kanaan war sehr fruchtbar und floss von Milch und Honig, es war reich an Korn, Most und Öl, von herrlichen Weiden und Viehzucht berühmt: Was fehlte unserer Pfalz, deren Güte und Fruchtbarkeit von ausländischen Völkern nicht genügend kann gerühmt werden.

In Jerusalem, der Hauptstadt wohnte der König, daselbst wurde der geistliche Rat, Sanherib genannt, versammelt, es waren darin viel Synagogen und Schulen, da das Gesetz gelehrt wurde. Unser wertes Heidelberg ist der Sitz gnädigster Herrschaft, hochlöblicher Regierung, und daselbst blühten auch schon längst hohe und niedere Schulen. Wann in diesen Stücken unser Land dem gelobten Land Kanaan zu vergleichen, ach leider, so ist’s auch in andern demselben ungleich gewesen.

Das jüdische Land wurde zuerst verwüstet und zerstört durch die Babylonier, danach durch die Römer. In diesem feculo hat unsere arme Pfalz ein zweifache allgemeine Anhörung auch ausstehen müssen, die erstere von den Hispaniern, jetzige von jetztmaligem Feind.

Zweimal ist Jerusalem verwüstet worden: Unser wertes Heidelberg kam auch zum zweitenmal in des Feindes Gewalt, aber der Gott aller Erbarmungen wollte noch nicht, dass es gänzlich zerstört werden sollte: Ihr wisst, was der letzte Feind zweimal vorgehabt, und Gott weiß, was sie noch gedenken zu tun. Bisher hat die sonderbare Vorsehung des Allmächtigen es gnädig abgewendet, dass wir nicht zu einem Stein- und Aschehaufen, wie Adama und Zeboim, zugerichtet wurden. Zu Gottes Ehre verkündige ich es: Unsere Hilfe sei nicht kommen von den Bergen, nicht übers Meer her, nicht von vielem Volk, sondern vom Himmel. Das erstemal hat Gott dem Feind, da er in dieser Stadt war, die Hand gehalten und das Herz gewendet, dass er sie nicht wie andere gänzlich in die Asche gelegt: das andermal hat es der liebe Gott verhindert, dass sie nicht hineinkamen. Tun wir doch Buße im Sack und in der Asche, bitten Gott um fernere Erhaltung! Wir sind noch nicht über den Graben, die Gefahr ist noch nicht gänzlich vorbei, ja vielleicht ist sie näher als wir es meinen.

Die Römer hatten in Judäa grausame Verwüstung angerichtet, was haben nicht unsere Feinde getan, und tun es noch? Wo sind unsere schönen Städte, Schlösser, Flecken und Dörfer? Wo ist die fürstliche Stadt Mannheim, deren sich das ganze Land erfreut? Wo ist das liebe Frankenthal, welches so vielen Armen, Vertriebenen und verlassenen Leuten ein Trost und Zuflucht, ja ein anders Zoar war? Wo sind die schönen Wohnungen dies- und jenseits des Rheins? Wer kann doch ihren Ruin ansehen ohne Erbarmen? Wer kann an ihren Fall gedenken ohne Schrecken? Sie sind’s gewesen, aber nicht mehr: Wer kann ohne nasse Augen daran gedenken?

Bei Ankunft der Römer musste fliehen, wer fliehen konnte. Wie ist es uns ergangen und wie ergeht es uns noch? Ich sehe das Land an, aber siehe wie leer von Einwohnern.

Die Juden konnten vor den Römern ihre Habe nicht falviren, wir haben den größten Teil unserer Güter verloren im Feuer, im Wasser, in Plünderungen und was der Feind gelassen, hat der, der Freund sein sollte, hinweggenommen.

Die Römer waren vor Jerusalem um die Herbstzeit: Unsere Flucht geschah am Anfang dieses Kriegs bei ungesunder, nasser und kalter Herbstzeit. Hunger, Krankheiten und Todschlag sind nicht ausgeblieben, die haben den meisten Teil unserer Brüdern hingenommen, und die Trübsal, die uns jetzt trifft, ist gewißlich größer als die vorige. Und wenn Gott die Zeit unseres Elends nicht verkürzt, so wird niemand erhalten werden, wir müssten alle darin verderben. Aber ach Herr, gedenke doch, wie wir so elend und verlassen, mit Wermut und Gallen getränkt werden, du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt es mir: Das nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch: Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern ist alle Morgen neu, und seine Treue ist sehr groß, müssen wir sagen mit Gottes Volk.

Also ist unser Plage gleich der Strafe der Juden, was wundert’s? Unser Leben ward auch gleich dem Leben der Juden: Lasst uns Gott die Ehre geben, und unsere Sünden ihm bekennen.

Die Juden missbrauchten die Güte des Landes zur Wollust und Überfluss zur Geilheit und Unkeuschheit, sie aßen, tranken und lebten in vollem Wohlauf. Wir taten eben dergleichen, ist nicht die Wollust vieler höchstes Gut? Trunkenheit ein täglich Handwerk, Unkeuschheit und Ehebruch ein Spiel? Der Himmel weiß es, vieler Häuser zeugen es, und vieler Kammern stinken von allerhand Unflätereien.

Die Juden vergossen das Blut des Sohnes Gottes. Wieviel sind unter uns, welche das Blut des Sohnes Gottes gleichsam mit Füßen treten, und sich von ihren Sünden vermittelst desselben nicht wollen reinigen lassen; ich sage euch allen, die ihr mutwillig sündigt, das Evangelium verachtet, ihr kreuzigt den Sohn Gottes von neuem.

Die Juden waren vor dem bevorstehendem Unglück sicher und sprachen: es ist Friede, es hat keine Gefahr. Wir waren in Sicherheit ersoffen und meinten fern zu sein vom bösen Tag, daher hat uns das Elend überfallen, ehe wir uns versahen.

Die Juden verließen sich auf vieles Volk, auf feste Städte und Schlösser. Und wir auf unsere Bündnisse, und hohe Allianzen, daher schnelle Hilfe zu hoffen und den Feind nicht nur abzutreiben, sondern auch denselben zu demütigen und zu überwinden.

Die Juden wollten den Feind nicht abtreiben durch wahre Buße und Besserung des Lebens, sondern durch Lieferung der Schlachten, durch Krieg: Also auch wir. Wir gedachten nicht an Besserung des Lebens, sondern wollten kriegen wider diejenigen, welche Gott wider uns in Harnisch gebracht hat, Gott, erbarme sich der törichten Anschläge.

Wollen wir, dass uns Gott gnädig sei und in seinem Zorn gedenke an seine Barmherzigkeit gegen uns, damit er nicht alles umkehre, was noch wenig übrig ist, und was er durch seine Langmut erhalten, wie ein Brand der aus dem Feuer gerissen, so hört, was wir tun müssen.

Reinigen wir doch unsre Herzen von bösen Gedanken, den Mund von Fluchen und Lästern, der Unzüchtige lebe keusch, der Trunkenbold lerne Mäßigkeit. Ziehen wir unser Vertrauen von den Menschen ab und setzen allein auf unsern Gott. Der Gottlose lasse von seinem Weg, und der Übeltäter seine Gedanken und kehre sich zu dem Herrn, so wird er sich sein erbarmen: und zu unserm Gott, denn bei Ihm ist viel Vergebung. Bekehre du uns o Herr, so werden wir bekehrt. Amen.

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