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Rappard, Dora - An Leidende.

Rappard, Dora - An Leidende.

Welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen Ihm ihre Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken.
1. Petr. 4, 19

Es ist eine grosse Schar, die hier zusammengefasst wird in dem Wort: Welche da leiden. Der Apostel denkt, wie uns der Zusammenhang sagt, zunächst an solche, die um des Bekenntnisses Jesu Christi willen zu leiden haben. Freuet euch, sagt er, dass ihr mit Christo leidet. Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet über dem Namen Christ; denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch. Ja, wenn das Leiden einen solchen Beigeschmack der Herrlichkeit hat, so ist es in der Tat möglich, nach Jesu Wort, dabei zu hüpfen vor Freude (Luk. 6, 23).

Aber es gibt so viele andere Trübsale auf Erden, und auch für sie hat Gottes Wort Trost und Rat. Unzählbar und mannigfaltig sind die Leiden. Oft unter glänzenden Gewändern birgt sich ein brechendes Herz. Aus Schloss und Hütte, aus stillen Krankenzimmern, wie im lauten Getriebe des Lebens, in Tagen der bittern Trauer, der Armut, der getäuschten Hoffnungen, wie in Nächten der Angst und der quälenden Sorge, o, welch eine mächtige Wehklage steigt ohne Aufhören empor von der armen Erde zu dem Himmel, wo Gott wohnt! Und jetzt noch, wie zur Zeit seines Erdenwandels, tritt Jesus herzu, und es jammert Ihn seiner leidenden Menschheit. Vor meinem Geistesauge gehen manche Leidensgestalten vorüber, die mir persönlich begegnet sind, solche, denen der Tod das Liebste entrissen hat und die mit brennendem Heimwehschmerz die entstandene Lücke empfinden; andere, die tief gedemütigt sind durch die Sünden ihrer Kinder; manche, die in unglücklichen Familienverhältnissen unverstanden einhergehen; Kranke, die scheinbar vergeblich auf die Hilfe des Herrn geharrt haben; Einsame, die sich äusserlich zu beherrschen wissen, aber innerlich krank sind vor Sehnsucht nach liebender Gemeinschaft; solche, die Hass und Verleumdung ertragen haben; Arme und Notleidende, Müde und Angefochtene. Wie gerne möchte ich ihnen eine Botschaft des Trostes und des Segens bringen!

Bete!

Das ist der schlichte, vielsagende Rat des Wortes Gottes. Leidet jemand, der bete! (Jak. 5, 13). Beten heisst: Seine Zuflucht nehmen zum Herrn. Es ist der Zweck des Leidens, dass es die Seele zu Gott rufe. Wenn es dem Menschen anhaltend gut geht, wird das ewige Gut gar leicht vergessen. Wie ist das Gebet oft so lau und matt geworden! Da kommt ein Sturmwind der Trübsal und treibt die erschreckte Seele an Gottes Herz. Das Beten soll nach dem obenstehenden Wort nicht nur ein vorübergehendes Darlegen der Not sein. Es ist viel mehr als das. Die da leiden, sollen ihre Seelen Gott befehlen. Sie dürfen mit ihrem ganzen Schmerz übergehen in die Hand dessen, der sie gemacht hat. Es liegt ein feiner Gedanke und eine grosse Kraft in diesem Hinweis auf den Schöpfer. In seinem allmächtigen, liebenden Arm darf das müde Kind sich betten. Er weiss, was für ein Gemächte wir sind. Er denket daran, dass wir Staub sind. Ihm, der uns durch und durch kennt, können wir alles, alles sagen.

Aber er hat uns nicht nur erschaffen, sondern auch erkauft. Zwiefach hat er ein Anrecht an uns, aber auch wir an ihn. Auf Golgatha hat er uns seine grosse Liebe geoffenbart. Der Mann der Schmerzen zieht die Seele an in ihrem tiefen Weh. Nur der Heiland kann dann heilen.

Und wenn du so zu deinem Gott deine Zuflucht genommen und mit oder ohne Worte zu ihm geschrien hast, dann

Sei stille!

Es ist unnütz und schwächend, den Menschen viel zu erzählen vom eigenen Kummer. Gottes Lämmer schweigen still. Da und dort ist ja wohl ein wahrhaft teilnehmendes Herz, dessen Liebe dir wohl tun kann. Auch führt der Herr seinem traurigen Kinde etwa einstarkes, priesterliches Herz zu, das in der Fürbitte Trost herabfleht vom himmlischen Heiligtum. Der Segen der Gemeinschaft mit Gottes Volk wird gerade in der Trübsal offenbar, und dafür wollen wir von Herzen dankbar sein. Was aber geradezu schadet und den Segen des Leidens hemmt, ist das unruhige Suchen dach Teilnahme, wobei die Selbstsucht genährt und das Auge abgelenkt wird von den Bergen der Hilfe Gottes.

Geh, sage es Jesu Und dann, schweige still!

Aus solchem Stillesein vor dem Herrn wird dann wohl der Ruf in die Seele dringen:

Beuge dich!

Ja, beuge dich zu Jesu Füssen! Was auch die äusseren Ursachen deines Leidens sein mögen, innere Gründe wirst du durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes genug finden, die dich zu tieferer Busse und zu wahrer Demütigung drängen. Weigere dich nicht der Züchtigung (Hiob 5,17). Sei nicht trotzig, nicht hart und selbstgerecht! Hadere nur nicht mit Gott! Siehe nicht das Werkzeug an, das dir wehe tut; denn was dich trifft, ist vom Herrn zugelassen. In dein eigen Herz blick tief hinein und lass dich durchrichten von deinem Gott. Wenn der Herzensboden gründlich erweicht ist, verliert die Pflugschar ihre verletzende Schärfe.

Eine Frau, die durch das lieblose und harte Benehmen ihres Gatten mit Recht (wie man zu sagen pflegt) gekränkt war, wurde durch die Zucht der Gnade so umgewandelt, dass ihre eigenen Gedankensünden der Bitterkeit und der Rache ihr viel schrecklicher vorkamen als die Tatsünden ihres Mannes. Sie suchte nun vor allen Dingen Vergebung und Reinigung für ihr eigenes Herz und Gewissen, und ihr Bestreben ging darauf hin, dem Herrn zu dienen und von ihm stets ungeschieden zu sein. Die äusseren Verhältnisse blieben unverändert, aber das Leben gewann eine ganz andere Gestalt. Das „irdische Wasser“, nach dem sie sich so heftig sehnte, blieb ihr versagt; aber sie dürstete nicht mehr danach, weil das lebendige Wasser ihre gedemütigte Seele labte. Ähnlich geht es bei jedwedem Leid. Ein wahres gehorsames Sich-beugen unter Gottes Willen nimmt dem Schmerz seinen Stachel, und in das gebrochene Herz ergiesst sich der Balsam des himmlischen Trostes.

Bei aller Beugung und Demütigung aber

Verzage nicht!

Es ist das Herz ein trotziges und verzagtes Ding, sagt uns die Schrift. — Es scheint zwar beim ersten Blick, die beiden Begriffe stimmten nicht zusammen. Wer aber sein Herz kennt, der weiss, wie schnell die Kluft zwischen Trotz und Verzagtheit überbrückt werden kann, wie im gleichen Menschen bald die eine, bald die andere dieser finsteren Gewalten die Oberhand bekommt und das Herz unglücklich macht. Finden wir nicht auch einen Anklang an diese Gegensätze in dem Wort, das unmittelbar auf unserer Thema Bezug hat: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Die Züchtigung gering achten und abweisen — das offenbart des Herzens Trotz. Im Leiden mutlos, misstrauisch oder gar bitter werden, — das offenbart des Herzens Verzagtheit.

Bist du bisher noch nie wahrhaft zum Herrn gekommen und ein seliges Eigentum Jesu geworden, so wisse, dass eben die Heimsuchung, in der du jetzt stehst, dich heimbringen soll an des Heilandes Herz. Datum verzage nicht, sondern freue dich, dass er so viel Sorgfalt daran wendet, dich zu sich zu ziehen. Bist du schon sein, so glaube es, dass Er nur Gedanken des Friedens mit dir hat und dass er nach wohlbestandener Prüfung dich um so herrlicher krönen wird.

Nur nie den Mut verlieren! Deinem Gott ist nicht unmöglich. Er freut sich, wenn seine Kinder ihm vertrauen und ihn durch ihren Glauben ehren.

Darum statt zu verzagen heisst es für dich:

Glaube nur!

Oh welch ein weites Feld ist dem Glauben offen! Alle Gottesverheissungen sind Ja und Amen. Suche sie in der Schrift und fasse sie mit beiden Händen. Verwandle sie in ein Gebet und lass dein Gebet eine Handlung des Glaubens sein. Welch ein Trost liegt z. B. in der Erwägung, dass wir nicht allein sind auf der grossen via dolorosa, sondern dass eben dieselben Leiden über alle unsere Brüder ergehen in der Welt, und vor allem, dass Jesus unser barmherziger Hoherpriester, uns auf diesem Weg vorangegangen ist. Er selbst, der Sohn Gottes, musste durch das Leiden den Gehorsam lernen. Es ist auf keinem anderen Wege möglich. Es ist ein unsagbarer Trost zu wissen, dass all das Leid notwendig ist zu unserer Vollendung.

Es ist ganz unmöglich, die Fülle der Tröstungen auch nur anzudeuten, die für jede Not, für jeden Schmerz im Worte Gottes dem Glauben dargeboten sind, von den Lichtblicken der himmlischen Herrlichkeit an bis zu den Verheissungen von Hilfe und Rat in den gewöhnlichsten Vorkommnissen des Lebens. Glaubt es, ihr betrübten Eltern und Freunde, dass die rechte Hand des Höchsten alles ändern und auch einen verkehrten Lebensweg wieder zurechtbringen kann. Glaubt es, ihr Armen und Verlassenen, dass kein Gutes mangeln soll den Frommen, und dass der Herr tausend Mittel und Wege hat, euch aus euren Schwierigkeiten zu erretten. Glaubt es, ihr Kranken, trotz eurer Schmerzen, dass euch der Herr dennoch liebt und euch nicht länger im Tiegel lässt, als es zur Läuterung eures Glaubensgoldes nötig ist.

„Wie fangen Sie es an, um in allem Ihrem Leid immer getrost und fröhlich zu sein?“ wurde ein altes Mütterlein gefragt, das ein ungewöhnliches Mass von Schmerz und Leid zu tragen bekommen hatte. — „Ich halte mich immer dichte an Ihn!“ war die schnelle Antwort. Das ist so recht der Segen des Leides, dass es uns den Heiland so unentbehrlich macht.

Dieses Leiden in Jesu Nähe macht es möglich, die weitere Botschaft anzunehmen:

Liebe und diene!

Dies ist ein wichtiger Punkt für Leidende. Geh hinaus aus dir selber!

Euch andere Herzen in schwererem Leid, In all ihre Wunden giess Liebe und Freud.

Bei allzu grosser Traurigkeit gehe in dein Kämmerlein und bete für andere. Dieses Mittel hat sich schon oft erprobt. Suche in Liebe denen zu dienen, die dich durch ihre Lieblosigkeit kränken. Solche Liebe ist himmlisch, göttlich und entspringt nicht aus deinem Herzensboden, sondern muss von oben aus dem Meer der Liebe geschöpft werden. O hüte dich vor Erbitterung! Wo diese in einem Herzen Raum gewinnt, muss ja Jesu Geist weichen. Dann bist du den finstern Mächten preisgegeben, die gerade in Leidenstagen, wenn die Nerven durch Kummer angegriffen sind, doppelt leichten Eingang in die Seelen finden. Die Sünde meines Nächsten entschuldigt meine Sünde niemals. Denn die Gnade ist viel mächtiger als die Sünde und kann uns bewahren.

Indem die Witwe von Sarepta ihr Restchen Mehl und Oel mit dem Propheten teilte, erlangte sie den Segen, dass sie bis zum Ende der Teuerung genug hatte. Ein Reisender im Gebirge, dessen Glieder vor Frost zu erstarren begannen, sah am Wegesrand einen Mitreisenden liegen, der in völliger Ermattung sich dem verhängnisvollen Schlaf überlassen hatte. Der Anblick gab ihm Mut und Kraft. Er eilte zu dem Bewusstlosen hin, rüttelte ihn auf und fing an, mit aller Macht den kalten Körper zu reiben. Das Rettungswerk gelang. Leben und Wärme kehrten zurück und — auch der barmherzige Helfer war von der Gefahr des Erfrierens bewahrt. Wer in Zeiten des Leidens andere glücklich zu machen sucht, findet selbst himmlisches Glück.

Und endlich, du leidendes Herz,

Hoffe und harre Scheinen dir ein deiner Schwachheit und Müdigkeit die vorangehenden Ermahnungen zu viel Kraft von dir zu fordern, obwohl sie nicht Kraft fordern, sondern eher Kraft dir schenken möchten, so fange damit an, dass du, mitten aus deinem Schmerz heraus, einfach hoffst und harrst. Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei gehören zusammen im Leben des Christen und auch in seinem Leiden. Wie der Glaube, so gründet sich die lebendige Hoffnung auf Gottes Wort. Die Hoffnung auf die uns vorgehaltene Herrlichkeit vergoldet das Dunkel dieser Zeit. Die Hoffnung auf das sichtbare Erscheinen Jesu Christi hilft über die Zeit hinüber, deren Signatur ist: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Die Hoffnung auf das Wiedersehen unserer Geliebten lindert den Heimwehschmerz.

Und auch schon für diese Zeit ist die Hoffnung ein Charakterzug des gesunden Christen. Der Herr hat Wohlgefallen an denen, die Ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen. Ja, hoffen und harren, das erhält das Herz frisch und grün, auch in dürrer zeit. Denn dieser Zeit Leiden sind nicht wert der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbaret werden (Röm. 8, 18). Und unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Massen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig (2. Kor. 4, 17.18).

Quelle: Rappard-Gobat, Dora - Durch Leiden zur Herrlichkeit

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