Einleitung des Herausgebers und Auszug des 1. Vorworts

Einleitung des Herausgebers und Auszug des 1. Vorworts

Indem wir das große Werk des seligen Johann Jakob Rambach: Betrachtungen über das ganze Leiden Christi, das immer seltener und theurer geworden ist, unverändert auf's Neue dem christlichen Publikum übergeben, fühlen wir uns verpflichtet, das Vorwort jenes gesalbten Mannes dem Werke vorausgehen zu lassen. Sie enthält alles, was einem aufmerksamen Leser der Betrachtungen in Betreff des Werkes zu beachten nöthig ist. Er sagt:

  1. Zum Grunde der Betrachtungen ist gelegt die von den vier Evangelisten hinterlassene Beschreibung des Leidens Jesu, die ich in einen harmonischen Zusammenhang zu bringen suchte. Einem jeden Theil der Passionsgeschichte ist der ganze harmonische Text vorgesetzt und zu Anfang einer jeden Betrachtung wird das Stück desselben, das darin abgehandelt wird, wiederholt, mit Anführung der Evangelisten, aus welchen dasselbe genommen ist. Allein in dem letzten Theil sind in der vierten, neunten, zwölften und dreizehnten Betrachtung einige Vorbilder und Weissagungen des alten Testamentes von Christi Leiden zum Grunde gelegt.
  2. Auf den harmonischen Text folgt die Abtheilung desselben in seine größern Theile, damit man bei der Abhandlung einen Leitfaden habe und eine richtige Ordnung beobachten könne.
  3. Diese größern Theile sind nachher wieder nach den dabei vorkommenden Umständen in kleinere zergliedert, so daß es gar leicht sein würde, den Inhalt einer jeden Betrachtung in einer Tabelle vorzustellen. Einige wenige Betrachtungen sind hievon auszunehmen, worin Betrachtung und Gebet miteinander abwechseln, z. B. die achte Betrachtung, über das innerliche Leiden Christi im Oelgarten; die zehnte Betrachtung, über das Leiden vor dem geistlichen Gericht; die zwölfte Betrachtung, über das Leiden vor dem weltlichen Gericht, und die achte Betrachtung, über das Leiden auf dem Berge Golgatha. Auch ist dem Leiden vor dem geistlichen Gericht eine Passionspredigt angehängt und dem Leiden auf Golgatha eine Bußpredigt über einen Passionstext in der zweiten Betrachtung einverleibt, welche ihre eigene Einrichtung haben.
  4. In eine weitläufige Erklärung aller und jeder geschichtlichen Umstände und in eine Auflösung aller und jeder Schwierigkeiten mich einzulassen, ist mein Zweck nicht gewesen. Der Text ist hinlänglich bald kürzer, bald reichlicher erklärt, der Nachdruck der vornehmsten Worte, den sie in der Grundsprache haben, gezeigt, die Schwierigkeiten mit Wenigem gehoben, bei den geschichtlichen Umstanden der Rath der göttlichen Weisheit und das Recht der göttlichen Wiedervergeltung fleißig bemerkt und alle unnöthigen Ausschweifungen gänzlich vermieden worden.
  5. Aus dem erklärten Text sind viele praktische Lehren hergeleitet, welche theils aus den Eingeweiden des Textes ungezwungen fließen, theils erbauliche Anmerkungen über denselben in sich fassen, die bald zur Warnung und Bestrafung, bald zur Ermunterung, bald zum Troste angewendet werden. Einige sind auf den Zustand aller Christen, andere besonders auf den Zustand der Studirenden gerichtet. Einige sind länger, andere kürzer. Einige scheinen nur Sittenlehren in sich zu fassen, die aber doch in das Innere des Christenthums hineingeführt werden. Viele zielen dahin, die Aehnlichkeit zwischen Christo und seinen Gliedern in dem Geheimniß des Kreuzes zu entdecken und die wahre Gestalt der im Argen liegenden Welt abzubilden.
  6. Einer jeden Betrachtung ist ein kurzes Gebet beigefügt, um denen, die leine Uebung im Gebet des Herzens haben, Anleitung zu geben, wie sie bei dem Beschluß einer jeden Betrachtung ihr Gemüth in andächtigen Seufzern zu Gott erheben können.
  7. Ich habe zuweilen auch die Gedanken und Einsichten Anderer nachgelesen, geprüft und mir zu Nutze gemacht. Da aber doch das Meiste aus eigenem Nachdenken geschrieben ist, so wird hoffentlich diese Arbeit den Titel der Betrachtungen gar wohl behaupten können.
  8. In der Schreibart habe ich mich einer fließenden und nachdrücklichen Lebhaftigkeit, Deutlichkeit und Reinigkeit beflissen, auch mich fremder Wörter, so viel nur möglich gewesen ist, enthalten.

Das ist's, was ich zur Nachricht des Lesers in diesem Vorwort zu erinnern für nöthig erachtet habe. Ich wünsche übrigens von Herzen, daß derselbe aus dieser geringen Arbeit einen unaussprechlichen Segen haben möge, welches geschehen wird

  1. Wenn derselbe zuerst zur Lesung dieser Betrachtungen einen lautern und aufrichtigen Endzweck, seine Seele daraus zu erbauen, mitbringt.
  2. Wenn er ferner bei den eingestreuten Lehren sich selbst unpartheiisch prüft, ob er nicht auch noch diese und jene Unart der Welt, die in dem Leiden Jesu offenbar geworden ist, an sich habe.
  3. Wenn er, wo er sich hie und da getroffen und seinen Zustand vielleicht so eigentlich abgemalt findet, als ob der Schreiber die genaueste Nachricht davon gehabt hätte, ein wenig still steht, der Sache vor dem Angesicht Gottes weiter nachdenkt, die empfangene Ueberzeugung in's Gebet bringt und Gott herzlich anruft, daß er ihm Licht und Gnade verleihen wolle, den ganzen Grund seines Herzens einzusehen und die Tiefen seines Verderbens mit inniger Reue zu erkennen.
  4. Wenn er das Leiden Jesu Christi nach Luthers Anweisung zuerst dazu gebraucht, daß er die Abscheulichkeit der Sünde und die Größe des Zornes Gottes über die Ungerechtigkeit der Menschen daraus erkennen lerne, und in diesem Sünden- und Zornspiegel sich so lange beschaut, bis sein Gewissen durch die Empfindung einer göttlichen Traurigkeit und heilsamen Angst in die Gemeinschaft der Leiden Jesu hineingezogen werde, und also der Sünde wahrhaftig absterbe.
  5. Wenn er sein beschwertes Gewissen durch die Betrachtung der herzlichen Liebe des leidenden Erlösers wieder zu erleichtern sucht, wenn er Jesum als den Versöhner seiner Sünden ansieht, seinen im Leiden bewiesenen Gehorsam zur Bedeckung seines Ungehorsams sich zueignet, seine blutige Genugthuung im Glauben ergreift, und um derselben willen im göttlichen Gericht die Vergebung seiner Sünden demüthig sucht.
  6. Wenn er endlich dem Gekreuzigten sich selbst mit Leib und Seele als sein erkauftes Eigenthum ergibt, und sich durch seinen Geist zur Nachfolge der in seinem Leiden offenbarten göttlichen Tugenden, besonders seiner Geduld und Sanftmuth, tüchtig und willig machen läßt.

Nun, es verleihe der gekreuzigte, jetzt aber zur Rechten Gottes sitzende und herrschende Heiland, daß viele Leser einen solchen gesegneten Gebrauch von dieser Arbeit machen mögen, damit auch darüber sein Name in der Ewigkeit verherrlicht werde. Er mache alle auf diesen Blättern vorgetragenen Wahrheiten zu fruchtbaren Samenkörnlein, von welchen viele Früchte der Gerechtigkeit aufgehen und zu ihrer erwünschten Reife kommen. Er lasse dadurch Viele zum lebendigen Glauben an seinen Namen und zu seiner geheiligten Nachfolge kräftig erweckt werden. Ihm, dem erwürgten Lamme, sei für alle zu dieser Arbeit verliehene Gnade Lob und Preis gesagt in Ewigkeit. Amen.

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