Oekolampad, Johannes - Begleitschreiben zu seiner ersten Streitschrift über das heilige Abendmahl 1525

Oekolampad, Johannes - Begleitschreiben zu seiner ersten Streitschrift über das heilige Abendmahl 1525

Den geliebten Brüdern in Christo, welche Christum im Schwabenlande verkündigen

Ihr wißt, geliebte Brüder! wie ernstlich und heilig uns die Liebe von Christo empfohlen ist, ihr wißt aber auch, wie der alte böse Feind alle Minen und alles schwere Geschütz, alle Hinterlist und allen Spott aufbietet, diese Liebe zu schwächen und zu untergraben, zumal unter den Dienern des Wortes; denn es entgeht ihm nicht, welch ein schaden der Kirche daraus erwächst, wenn statt eines Hirten Viele regieren, d.i. wenn die, welche einmüthig die Heerde besorgen, unter sich uneins sind, und so die Schafe ohne Hirten umherirren; preisgegeben der Wuth reißender Wölfe. Da nun auch ihr überzeugt seid, daß es nichts Verdammlicheres, nichts Verderblicheres, nicht Tödtlicheres gebe, als dieses Aergerniß, so zweifle ich auch nicht, daß ihr alles Gebet, allen Dienst, alle Geduld, alle Sanftmuth und Tapferkeit aufwenden werdet, den Feind nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, auch wenn er es versucht. Und er versucht es allerdings, und bei Etlichen gelingt es ihm einigermaßen, aber ich habe das gute Vertrauen, der Herr Jesus, der von obenher für uns streitet, werde ihn zu Schanden machen und das Feld behalten. Wahrlich, was mich betrifft, so zöge ich einen seligen Tod einem unseligen Streite mit irgend einem der Brüder vor, und wäre es der Geringsten Einer, auch werde ich nichts unterlassen, was dazu dienen kann, das freundliche vernehmen wieder herzustellen oder zu erhalten, obgleich ich nicht sehe, wie ich es verhüten kann, daß nicht durch falsche Brüder, die alles verwirren, Einiger Herzen mir entfremdet werden, wenn sie nicht, wie ich vernommen habe, mir bereits entfremdet sind; denn was soll ich nicht von den Abwesenden befürchten, da ja bisweilen in ein und demselben Hause auch bei aller Friedfertigkeit, es zu aufgeregten Stimmungen kommt? Und wo wäre nicht die Liebe besorgt, das sie keinen Anstoß gebe? Von euch zumal, deren Glaubenstreue und Frömmigkeit längst bewährt sind und mit denen ich durch die heiligsten Bande der Freundschaft verknüpft bin, wäre es über die Maßen traurig, getrennt zu werden, und so viel an mir liegt und so lange wir gemeinschaftlich an Christo Wohlgefallen haben, werde ich mich dieser Sünde des Unfriedens nicht theilhaft machen. Es geht nun aber das Gerücht – und Etlicher Briefe bestätigen es – daß Einige wider mich aufgebracht seien, weil ihnen zu Ohren gekommen, daß ich in meinen Predigten im Punkte des Abendmahls denen nicht eingestimmt habe, die für Säulen der Kirche gehalten werden. Ich läugne die Wahrheit der Sache nicht, aber deßhalb ist die Liebe noch nicht verletzt worden, da nichts Ungehöriges, über den reinen Eifer um die Wahrheit Hinausgehendes vorgefallen ist. Aber ich kann es nicht dulden, daß die Trefflichen mir lange zürnen, wie sie thun; es sei denn, daß Christus mein Seufzen nicht erhöre. Und warum sollten sie zürnen dem, der sie von Herzen liebt, dem Unschuldigen, der nichts anderes sucht, als die Ehre Christi, nicht ohne Fährlichkeit? Wollen sie mir aber zürnen, dann müssen sie auch sich selbst zürnen, da sie eben so hitzig, wo nicht hitziger als ich, ihre Lehrweise vertheidigen. Bei Christen gilt des Dichters Spruch nicht: „Die Wahrheit zeuget Haß.“ Vielmehr freuet sich die Liebe der Wahrheit, wie der Apostel lehrt; und derselbe Gott ist die Wahrheit, der auch die Liebe ist. So wenig man sich durch Liebe zur Wahrheit an der Liebe versündigt, eben so wenig geschieht der Wahrheit ein Abbruch um der Liebe willen. In der Kirche aber soll nichts angelegentlicher betrieben werden, als die Erforschung der Wahrheit, wodurch das Wachsthum in der Erkenntniß Christi gefördert wird. Aber auch wir, die einzelnen, können wachsen; denn der Vater des Lichts läßt Einiges unsern Augen verborgen sein, das er mit der Zeit offenbart und den um die Wahrheit sich Mühenden aufschließt; wo nur Neid und eitle Ruhmsucht ferne gehalten werden. Schreibt doch der Apostel an die Philipper: „Und so ihr etwas nicht wisset, so wird er euch offenbaren“, und an einem anderen Orte: „So eine Offenbarung geschieht einem, der da sitzet, so schweige der Erste.“ Wo kann der Friedliebende etwas übel nehmen, was kann der Aufrichtige in's Gehässige ziehen, da wo nicht der Streitsucht, sondern der Wahrheit gedient wird? Das hieße ja wohl Gutes an Böses tauschen! Durch nichts können wir mehr Frucht schaffen, als wenn wir nach dem Beispiel und durch die Gnade Christi das Licht und die Wahrheit besonders in dem was noth thut, nicht verbergen, sondern wünschen, daß sie Gemeingut werden. Ob ich in dieser Weise etwas geleistet habe, möget ihr beurtheilen. Gewiß könnt ihr eine solche Gesinnung nicht verdammen, wie streng ihr auch die Ausdrücke auf der Richtewage wägen möget. Ich maße mir die Meisterschaft in keiner Weise an, sondern ich fühle mich genöthigt, meines Dienstes eingedenk zu sein, und wie ich allermeist die Wahrheit im Auge habe, so setze ich auch die Liebe nicht hintan. Damit also nicht Jemand von der Unbestimmtheit des böswilligen Gerüchtes her ein Aergerniß nehme, so habe ich dieses Buch, das mir durch das ungestüme Geschrei Etlicher abgenöthigt worden ist, zu meiner Vertheidigung herausgegeben. Ich empfehle es Euch, Geliebte! damit ihr daraus erkennen möget, ob meine Behauptungen oder das was andere sagen das Zuverlässigere sei, ob ich die Väter verachte, wie sie mir vorwerfen, ob ich das suche, was die Ehre Gottes oder was die Ehre meines Namens fördert. Ihr werdet urtheilen, wie ihr es gewohnt seid, nicht nach Ansehn der Person. Vielleicht wird es dem Einen oder Andern scheinen, ich hätte besser gethan, wenn ich nicht von der Sache selbst, nicht über das Wesen des heiligen Abendmahls und in welchem Sinne das Brot der Leib Christi, sondern blos vom gebrauch des Abendmahls vor dem christlichen Volke gehandelt hätte. Aber so fromm diese Ansicht auch unter Umständen sein mag, so konnte ich mir sie doch nicht aneignen, insofern die Papisten und Andere mit aller Leidenschaft den Unsinn aufbringen, was zu verheimlichen wider das Gewissen wäre. Die Zuhörer erwarteten, daß ich einmal mit meiner Meinung öffentlich hervorträte, und täglich trieben mich die Freunde auf brieflichem Wege an, Rechenschaft von meinem Glauben zu geben in dieser Sache. Auch vermag ich nicht einzusehen, wie ein guter und reiner Gebrauch des Abendmahls stattfinden könne wenn der so tief eingewurzelte und verderbliche Aberglaube unangetastet bleiben soll. - Streitsucht hat mich nicht geleitet, sondern um guten Samen ausstreuen zu können, mußte ich den Acker umpflügen, der von Unkraut strotzte. Wollte Gott, daß auch die Andern sich derselben Mäßigung der Rede beflissen, manches würde an manchen Orten ein friedlicheres Ansehn gewinnen. Aber mir hat die Bescheidenheit nichts geholfen, als daß die Widersacher nur um so wüthender gegen mich toben und mich auf alle Weise herunterreißen. Deßhalb habe ich es der Mühe werth geachtet, endlich in offener Schrift eine Sache zur Sprache zu bringen, die das Licht nicht scheut, welch verdrießliches Gesicht auch immer jene guten Leute dazu machen und mich beschuldigen mögen, mich, dessen Absicht nicht ist zu reizen sondern zu versöhnen.

Aber so ist es des himmlischen Vaters Wille, daß mit der Bewährung seiner Kinder die Wahrheit ans Licht komme; denn nach seiner Weisheit bedient er sich der Sünden der Menschen zu seiner Verherrlichung. Und so wollen auch wir, Brüder! Jeder an seinem Orte, sichs angelegen sein lassen, daß wir nicht zu den Gefäßen des Zorns gezählt werden, und daß wo irgend ein Aergerniß entsteht, wir nicht dran schuld seien. Laßt uns wachen ob der Heerde wider die Wölfe, aber auch wachen über uns selbst, denen noch größere Gefahr droht, zumal wenn wir nicht die Liebe als das Vornehmste bewahren. Irrthum mag vergeben werden, wo nur der Glaube vorhanden ist. Zwietracht dagegen vermögen wir selbst mit unserm Blute nicht zu sühnen; denn Gott liebt die, welche einträchtiglich wohnen im Hause, und ist mitten unter ihnen. Er erhalte uns zu allen Zeiten verbunden in seinem heiligen Geiste, er lasse uns einerlei gesinnet sein in Christo, und aus einem Munde den Vater preisen. Amen,

Quelle: Hagenbach, Dr. K. R. - Johann Oekolampad und Oswald Myconius, die Reformatoren Basels

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