Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 29. Den Demütigen Gnade.

Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 29. Den Demütigen Gnade.

1. Petr. 5,5.
Allesamt seid untereinander untertan und haltet fest an der Demut. Denn Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade.
Jak. 4,6.
Er gibt reichlich Gnade. Sintemal die Schrift sagt: Den Demütigen gibt Er Gnade.

Gnade führt zur Demut. Nichts in der Welt demütigt jemanden mehr, als eine unverdiente große Wohltat. Wenn Gottes unermessliche Gnade sich einer Seele recht zu offenbaren anfängt, nicht in Worten, wohl aber in Kraft, nicht in Hin- und Herreden, sondern durch Erfahrung, o dann wird der Mensch in seinen eigenen Augen so klein. Es kann ja auch gar nicht anders sein. Gnade ist ja unverdiente Gunst, welche Unwürdigen zuteil wird. Und alles, was sie von ihrem eigentlichen Wesen der Seele mitteilt, alles, was sie in der Seele zum Leben und Herrschen bringt, hilft nur dazu, das Gefühl der Unwürdigkeit zu verstärken.

Daher auch die Tatsache, welche vielen so merkwürdig vorkommt: je mehr Gnade, desto mehr Demut. Viele meinen, Gott dürfe nicht so viel Gnade geben, weil wir sonst hochmütig werden würden. Sie sagen, es sei für sie nötig, immer wieder zu straucheln und zu sündigen, damit sie in der Demut blieben. Als ob die Sünde und nicht die Gnade zur Demut führte! Ach nein, je mehr wirkliche Gnade wir innerlich in unserem Leben genießen, desto demütiger werden wir.

Daher auch die Tatsache, dass der starke Glaubensmann, von welchem Jesus sagte: „Fürwahr, solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden,“ auch der demütigste war, der Einzige, welcher, während die Ältesten von ihm sagten: „Er ist es wert,“ von sich selbst sagte: „Ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach kommst.“

Daher auch dies, dass Paulus in einem Atem sagen konnte: „Ich habe mehr gearbeitet, denn sie alle; doch nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir gewesen ist.“ Ich nichts. Die Gnade alles. Empfing doch Paulus selbst in dem Augenblick, in welchem er in Gefahr war, sich zu überheben, und in welchem ihm sein Gebet nicht erhört werden konnten, eine neue Gnadenzusage, welche ihn in der Demut bewahren und stärken sollte. 2. Kor. 12.

Gnade gibt Demut. Darum verlangt sie aber auch Demut. Sie fordert dieselbe bei jeder Bitte um mehr Gnade. Demut ist für sie ein Beweis, dass die bereits geschenkte Gnade nicht vergeblich geschenkt wurde, dass die Seele sie wirklich verstanden und sich angeeignet hat, das die Unterwerfung unter ihre Leitung aufrichtig war. Weil die Gnade die Seele so gerne dahin bringen will, dass sie mehr empfangen kann, darum macht sie es zu einem Bestandteil ihres Unterrichts, darum macht sie darauf aufmerksam und darum sagt sie in dem Wort der Gnade: Seid einander untertan! Seid demütig, denn den Demütigen gibt Er Gnade.

Lasst uns dies genau mit einander betrachten! In Demut zu beten, sich vor Gott zu erniedrigen, das scheint oft so bequem zu sein. Aber vor den Menschen sich zu erniedrigen, einander untertan zu sein, nicht nur im Kämmerlein das Kleid der Demut anzuziehen, wenn man betet, sondern auch im Hause, auf der Straße, bei der Arbeit in diesem Kleid der Demut einherzugehen, o, das ist die Demut, nach welcher die Gnade sucht und welche uns so sehr fehlt.

Diese Demut fällt uns nicht von selbst zu, oder aus dem Grund, weil wir ja nun einmal Gottes Kinder sind. Nein, sie muss ebenso, wie jede andere Gnadengabe der Gegenstand unserer Sehnsucht und unseres Gebetes sein. Vor allem muss sie der Gegenstand der Glaubensarbeit sein, welche wir in der Verbindung mit Jesus tun.

Wenn ich mich als einen Menschen betrachte, welcher mit Christo gekreuzigt und der Sünde abgestorben ist, als einen verurteilten Verbrecher, an welchem das Fluchurteil bereits vollstreckt worden ist, und als ein Mann, welcher Gott in Christo lebt und ein Leben führt, welches durch aus nicht sein eigen ist, dann werde ich demütig leben, ja froh sein, dass ich nichts bin, auf dass Christus Alles in mir werde. Nur unter dem Kreuze, in der täglichen, lebendigen Gemeinschaft mit dem gekreuzigten Christus wird das alte „Ich“ unterdrückt.

O lieber Christ, der du in der Gnade wachsen willst, hier ist eine Lehre für dich. Sich vor Gott zu erniedrigen, ist nicht genug. Im gewöhnlichen Umgang aber mit deinen Mitmenschen, mit verkehrten Menschen, mit lästigen Menschen, mit Menschen, welche geringer und törichter sind, als du bist, sich stets wie ein Knecht zu benehmen und nicht wie ein geborener Königssohn, weil du dich ja nach dem Vorbild des erstgeborenen Sohnes freiwillig erniedrigt hast, ein Knecht zu sein, - das ist das Examen, welches du ablegen musst, wenn du von der Gnade begehrst, dass sie dich in ihre höhere Klasse aufnehme. Seid allesamt einander untertan, denn den Demütigen gibt Gott Gnade.

Herrliche Gnade! Um sie empfangen zu können, ist weiter nichts nötig, als dies, dass wir arm sind und nichts sein wollen. Herrliche Gnade! Wenn jemand arm ist, wenn er nichts hat und nichts sein will, dann sind alle Schätze der Gnade für ihn da.

Herrliche Gnade! Sie verlangt nicht nur Demut, sie verleiht sie auch. Ich stehe nicht unter einem Gesetz: Sei niedrig, sei demütig! Ein solches Gesetz würde nur die Sünde vermehren. Ich stehe unter der Gnade. Ihre Vorschriften dienen dazu, mir kundzutun, was ich von ihr fordern muss, was ich aus ihrer Fülle erhalten kann. Ich muss ihr nur alle Tage erlauben, ihre wunderbare Herablassung mir zu zeigen; das wird mich niederbeugen. Ich muss es an meinem Jesus, meinem König, der doch voll von Gnade ist, sehen, wie die Demut sein größter Schmuck ist. In dem Verkehr mit ihm, im Anschauen und Bewundern Seines Bildes, im Erleben Seiner Gnade werde ich demütig. „Er gibt reichlich Gnade“ sagt der Apostel Jakobus an der Stelle, in welcher er denselben Text zitiert, wie Petrus: Sprüche 3,24. Mehr Gnade! Ist das nicht dein Wunsch und dein Gebet, du Gotteskind? Lerne hier, dass du mehr Gnade empfangen kannst - nicht durch Anspannung deiner Kraft, nicht dadurch, dass du an andern vorbeistrebst und dieselben zu übertreffen suchst, sondern dadurch, dass du vor Gott klein und ein Nichts bist. Die tiefsten Täler erhalten stets das meiste Wasser. Selbsterniedrigung ist der königliche Weg zur Herrlichkeit.

Gott kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.

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autoren/m/murray/murray-widg/murray-wachset_in_der_gnade_-_29.txt · Zuletzt geändert: von aj
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