Müller, Heinrich - Vorrede an den geneigten Leser.

Müller, Heinrich - Vorrede an den geneigten Leser.

Hier stellet sich vor dessen Augen eine abermalige Ausfertigung der geistlichen Erquickstunden wohlsel. Hrn. v. Heinrich Müllers. Was für ein geistreicher tapferer Gottesmann derselbe gewesen, braucht meiner Erklärung nicht, inmaßen alle dessen Schriften davon sattsames Zeugniß geben. Fromme Herzen, die selbige gelesen, wissen und kennen ihn schon, sein Ruhm wird auch nicht verwelken, als lange fest stehet, daß des Gerechten Gedächtniß im Segen bleibe. Wannenhero ich auch für unnöthig achte, gegenwärtiges Werklein wegen seines vortrefflichen Nutzens halber weitläufig heraus zu streichen.

Er nennets Erquickstunden. Es bedarf abermal keiner langen Beschreibung von Erquickstunden. Auch ein Kind empfindets bei sich, was wohl oder weh sei. Nur melde, daß hier wohl recht der Name mit der That. Viele versprechen auf ihren prächtigen Titeln güldene Berge, bleiben jedoch böse Schuldner, und zahlen kaum mit Haferstroh. Zu wissen aber, daß unser Verfasser diese Weise nicht habe, andere Männer Gottes auch nicht. Erquickungen heißts, Erquickungen sinds, Erquickungen schaffts. Lies mich und lobe mich. Ach ja! es ist wahr, was ich in meinem Lande gehört habe von deinem Wesen, und von deiner Weisheit. Ich wollte es aber nicht glauben, bis ichs mit meinen Augen gesehen; und siehe, es ist mir nicht die Hälfte gesagt. Du hast mehr Weisheit und Guts, denn das Gerüchte ist. Selig sind die Männer, die allzeit vor dir stehen, und deine Weisheit hören; gelobet sei der Herr, dein Gott, der zu dir Lust gehabt, der Israel liebt, und dich ihm zum Lehrer mit gesetzt hat, daß du die Rechte des Herrn hülfest handhaben.

Und nun, was für Erquickungen? Geistliche. Er erquicket mich mit Blumen, und labet mich mit Aepfeln. Ein Apfel brachte dort den Tod, hier muß ein Apfel erquicken. Menschenkind, siehe zu, was für Aepfel du vor dir hast. So ein großer Unterschied ist zwischen den Erquickungen, die Gott und die Welt giebt, als zwischen guten Trauben und Hellingen; ich will sagen, zwischen Tag und Nacht, Himmel und Erde, Leben und Tod. Komme mit mir und siehe es.

Welterquickungen heißen und sind nichts als ein Schatten- und Traumwerk; davon, wenn einer erwacht, so spricht er: Was ists? Aber die geistlichen sind allerdings was sie heißen. Denn sie entspringen unstreitig von dem, dessen Name: Ich werde sein, der ich sein werde. Wie die Quelle, so der Bach. Zeitliche Freude hingegen, als solche, stammt ab vom Satan, Welt und Fleisch. Allerseits nicht weit her; was kann an ihren Bastarten besonders sei?

Geistliche, wie alles wahre Gute, sind mittheilhaftig. Der Geist seufzet niemals sein freudiges Abba, so schallt das Echo Amen. Etwa macht er jenes Herz aufspringen, wie Elisabeths Kind im Mutterleib, so ist Maria mit ihrem Magnificat schon fertig. Allein zeitliche Freude läßts wohl bleiben. Satan verstattet sie nicht, als nur zu bestricken; die Welt gönnt sie nicht, ihr steinhartes Nabalsherz hat selbst nicht genug; das Fleisch spricht: Ich bin mir der Nächste. Was soll denn dieses Leben?

Wiederum geistliche Erquickung ist beständig als ein Vorschmack der ewigen im Himmel. Ihr Ende ein Anfang jener ohn Ende, die kein Aug gesehen und kein Ohr gehört. Aber die Welt vergeht mit ihrer Lust. Jonae Kürbis grünt bis zur Morgenröthe; verlohnt sichs wohl die Mühe? Ahasverus schmaust hundert und achtzig Tage; was ist das gegen die Ewigkeit? Ist doch das Leben selbst nur eine Hand breit, wie schmal muß dann seine Erquickung sein? Es braucht hie keines Rechenmeisters, Einfältige ermessens am Finger.

Mehr: Geistliche Erquickungen stärken die Seele, wie David rühmt. Weltliche kränken Leib und Seele. Ein feines Pflaster, deß Ende der Hölle Abgrund ist. Und wie jene dem Honig gleichen, so Jonas verkostete, davon seine Augen wacker wurden; so heißts von diesen: Der Tod im Töpfen! Der Tod im Töpfen! Sie gedeihen ihren Liebhabern, wie das gestohlene Brod, das noch im Mund zum Kieseling wird, und kommen mir vor wie Johannis Büchlein, das im Munde süß schmeckt, aber im Leib Glimmen erweckt. Herzchen, was magst du? Thamars Pfannengebäcke, davon Amnon nur kränker wird? Oder Elia Aschenkuchen, durch dessen Kraft er bis zum Berge Gottes geht, vierzig Tage und vierzig Nächte?

Noch eins: Geistliche Erquickungen führen zu Gott, weltliche verführen von Gott. Sehet mir aller Näscher Großmutter an; ein einiges Grübslein vom Erkenntnißbaum machte sie Gottes und ihrer selbst vergessen. O theurer Linsenbaum, der Esau die erste Geburt gekostet! O blinde Rahel, die um ein paar welke Dudajim den so lieben Mann vergiebt! Doch nun, sagt der Herr, daß Adam seine Hand ausstrecke zum Baum des Lebens, so möchte er werden als unser einer, und essen und leben ewiglich.

Das weiß Sulamith; drum achtet sie alles für Dreck, auf daß sie Christum gewinne. Gelebt, wo geliebt. Ihr Leib auf Erden, ihr Herz im Himmel. Ihre Füße in der Tiefe, ihre Augen auf den Bergen, von welchen ihr Hilfe kommt. Simson mag sanft schlafen in dein Schooß Delilä, und gar die Haare verlieren, sie trocknet dieweil mit ihren Haaren die Füße ihres Bräutigams, der ihr ja keines vom Haupt fallen lassen wird. Schau an, sagt sie, wie sanft liegt doch an Jesu süßer Brust der Jünger, den er lieb hat; und du kannst noch mit trocknen Augen hinaus gehen? Verlornes Kind, bricht dir denn nicht das Herz? Trägst du kein Erbarmen mit dir selbst? Stehest du nicht, wie Nacht es draußen ist? Ade Ehre, wie sehr kannst du des Hamans Haupt erhöhen! Ich trau dir nicht. Mit Jesu Schmach getragen, erhöhet zu seiner Zeit; gesäet in Unehren, steht auf in Herrlichkeit. Sage, wers nicht lassen kann, zum Goldklumpen: Mein Trost! Wirds auch so lauten, wenns ans Leib- und Seelverschmachten geht? Ich hab ein besser Theil erwählt, das soll nicht von mir genommen werden.

Herbei, herbei, Seele! Sind wir auch unter den klugen Jungfrauen, oder wollen wir Demas Brüder sein? Du wirst ja nimmermehr eine elende Hütte für eine herrliche Stadt eintauschen, eine Stadt für ein Königreich, ein Königreich für die Welt, die Welt für den Himmel, den Himmel für den Herrn des Himmels. Ei, hat sich wohl. Kann ich dich, Herr, nur haben, die ganze Welt erfreut mich nicht, nach Erd und Himmel frag ich nicht.

Unwiedergebornen liegt dies Büchlein als ein unverwerflicher Zeuge vor Augen, der sie kräftig im Gewissen überführen kann, wie es um die Kirche Gottes viel ein ander Ding sei, als sie sich einbilden. Die blinde Welt urtheilt insgemein davon, wie der Blinde von der Farbe, und wie jener, der Baume ansähe als Leute. Denn weil dieser Weinberg des Herrn von außen mit Dornen umzäunt, so mag sie die lieblichen Rosen dahinter mit allen ihren Brillen nicht sehen. Sie kanns in Ewigkeit nicht glauben, daß hinter einer solchen wüsten Einöde ein so herrliches mit Milch und Honig fließendes Land liegen sollte. Vielmehr kommt ihr das Erbe des Herrn vor, wie das Stück Landes, so Kaleb seiner Tochter gab, dabei kein gewässertes weder oben noch unten; drum bleibt sie als Lots Weib bei ihrem Sodom stehen, und wird zur unbeweglichen Salzsäule, Das ist und bleibt bei ihr ein Garten des Herrn, ihr Paradies und Himmel. Und gesetzt, Moses habe Israel einmal auf den Weg nach Canaan gebracht, so gukt es doch wieder nach den Fleischtöpfen Egyptens; so gar gut schmeckt dem knechtischen Fleisch das Angstluder, daß es auch das himmlische Manna für lose Speise hält. Ach, wache doch auf, der du schlafest, auf daß dich Jesus Christus erleuchte. Hier ist ja wahrlich recht gut sein. David hats erfahren, darum kann er die Güte des Landes des Herrn im 23. und andern Psalmen nicht genug herausstreichen. So lieblich achtet er die Wohnungen des Herrn Zebaoth, daß er lieber der Thür hüten will in Gottes Hause, denn lange wohnen in der Gottlosen Hütten. Petro imgleichen stunds so trefflich an, daß er auf die veranlassende Frage Christi im Namen der andern Jünger sprach: Herr, wo sollten wir doch hingehen (da wirs besser finden?) Du hast Worte des ewigen Lebens. Allerdings. Gott ist die höchste Güte, wie sollte ers seinen Reichsgenossen an Güte gebrechen lassen? Er ist ein Gott der Fröhlichkeit, wie können seine Hochzeitsgäste ungetröstet bleiben? Er ist die höchste Liebe; wie kann ers denn übers Herz bringen, den Seinen etwas unliebes begegnen zu lassen? Sollten sie auf dem Wege verschmachten? Das Herz muß ihm brechen und aus Steinen Brod werden. So gut ist er, daß auch das Böse seinen Kindern zum besten gedeihen muß. Er weiß das Bittere schon zu temperiren mit himmlischer Süßigkeit, daß mans davor kaum schmecken kann. Sinds Coloquinten? Hier ist Mehl, das ihnen das Gift nimmt. Sinds wilde Wasser? Da steht ein Holz, sie schmackhaft zu machen. Auch ein faller Eselskinnbacken giebt das edelste Getränk. Summa, was für Kreuz es ist, Christus hat schon die meiste Last auf seinem Rücken, da kann Simon leicht tragen helfen. Rath, was ist das: Speise ging vom Fresser? So sollst du angethan werden mit weißen Kleidern. Er wirds aber wohl unerrathen lassen, wer nicht mit seinem Kalbe pflügt.

Hält die Welt Tänze? Herodias Töchterlein ertanzt nichts gutes; es gilt Johannis Kopf. Hier sind die königlichen Ballette, und David führt den Reigen um die Lade Gottes. Geht man in der Welt spaziren? Es kostet Dina den Kranz. Ich lobe die Fahrt, so nach Emmaus geht. Trinkt man in der Welt gute Räusche? Noah hat Schande, Lot keine Ehre davon. Viel besser muß schmecken der Pfingstwein, der voll Geistes macht. Spielt die Welt? Es ist nur unvernünftiger Kälberdienst, und Christi Rock steht im Spiel. Viel besser, gespielet dem Herrn, so fällt das Loos auf das Liebliche, und wird dem Gewinner ein schönes Erbtheil.

Es fällt mir hier eine cyriose Frage bei: was doch davon zu halten, daß man allerhand Spiele in der Christenheit einführt und dieselben zuläßt unter dem Beding, daß das Geld, so zum erstenmal fällt, in die Allmosenbüchse komme und zu milden Sachen verwendet werde? Ich muß aber deren Erörterung wegen engen Raums bis auf andere Gelegenheit versparen, komme also schließlich auf den Zweck dieses Büchleins, da es der selige Verfasser eigentlich, besage des Titels, den Haus- und Tischandachten gewidmet, dadurch ohne Zweifel der rohen Weltherzen einreißender Gewohnheit vorzubeugen, die zusammenkommend nicht halten des Herrn Abendmahl. Ihr Tischgebet ist Narrentheiding und Scherz, ihr Morgen- und Abendgebet Gott segnen ins Angesicht. Christus muß bei Leibe nicht beim Gelage sein. Das will er nun auf eine spielende Weise allgemach abgewöhnen und eine Lust erwecken, Christum Morgens ins Haus zu locken, Mittags zu Gaste zu behalten, und Abends zu bleiben nöthigen. Das ist denn das rechte Walts Gott, das rechte Aller Augen, darauf uns Gott sättigen wird mit Wohlgefallen, das rechte Gratias. Hier muß notwendig aus Wasser Wein werden und hier muß Christus Wunder thun, daß mehr Brocken übrig bleiben als des Brods war. Denn er gibts seinen Freunden schlafend, und wo sein Segen im Hause ist, macht er reich ohne Mühe.

Wir merken hier eine rechte theologische Klugheit an dem Verfasser, welche andere seines Gleichen ihm billig abzulernen hätten. Warum ist er um das Hauswesen so bekümmert? Kann er seine Arbeit nicht auf die höheren Stände richten? Das wäre ja der Mühe besser werth, und er hätte mehr Ruhms davon. Aber er greifts eben am rechten Ort an. Hier, hier sind unsere Christen am meisten zerrissen, da brauchts denn Flickens und Besseres. In der Kirche und auf dem Rathhaus thuts so noth nicht wie hier; da muß man ja noch zuweilen, zum wenigsten dem Schein nach, einige Andacht von sich blicken lassen, weil man von den Leuten gesehen wird; aber wie es um Privatwohnungen steht und darin zugeht, sieht niemand, als der fleißig Haussuchung thut. Das Christenthum muß nicht einem getünchten Grabe gleich sein, so außen schön, inwendig aber voll Todtenbeine und Unflath ist. Das Inwendige gefegt und sauber gemacht, so wird das Aeußerliche und was besser in die Augen fällt, bald auch rein sein. O wie viel liegt an rechter Einrichtung des Hausstandes beim Christenwesen! Denn er ist das Fundament und Grundpfeiler aller andern Stände. Wie es da angefangen, so wirds hernach gehen und stehen auf dem Rathhaus und in der Kirche. Diese Wurzel nur wohl beobachtet, so werden die obern Aeste schon Saft und Kraft haben, Früchte zu tragen zu des Herrn Preis. Das hat dem lieben Mann angelegen und soll auch allen anliegen, die sich bekümmern um den Schaden Josephs.

Dieses jedoch kann wenig hindern, daß gegenwärtige Erquickstunden nicht auch den andern Ständen zu mancherlei Absicht nützlich und erbaulich seien. Denn sie sind auf vielerlei Zufälle gerichtet, die damit Behafteten kräftig zu trösten und zu ermuntern. Absonderlich wird sothane Arbeit angehenden Predigern, zumal wegen beigefügter vollkommner Register und Anweisung auf die gewöhnlichen Sonn- und Festtage manchen guten Dienst thun; die eben nicht erröthen dürfen, einem so geistreichen Manne etwas abzuborgen. Vielleicht gerathen sie aus sothaner Veranlassung auf fernere gute Gedanken. So sind die Gaben nicht alle bei allen. Mancher lehrt gut, weiß aber nicht zu strafen; oder straft er gewaltig, so ist er etwa unkräftig im Vermahnen und Trösten; welches doch zusammen Paulus an einem Bischöfe erfordert. Da brauchts denn fremder Hilfe. Moses muß Aarons Gott, und Aaron Moses Mund sein. Paulus pflanzt, Apollo begießt; doch ist weder Moses noch Aaron, weder Paulus noch Apollo etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.

So kommt denn, ihr Mühseligen und Beladenen, Christus will euch erquicken. Laßt, ach laßt doch der Welt ihre schnöden Zeitvertreiber, ihre zeitkürzende Lust und anderes Spielwerk und ergreift dafür das Buch aller Bücher, dictirt vom Geist des Herrn, geschrieben durch die Meister der Versammlung. Oder meint ihr, es seien etliche Dinge schwer darinnen zu verstehen, so nehmt andere geistliche Bücher zur Hand, die gleichsam Schlüssel sind, euch die Schrift zu eröffnen. Versichert, gegenwärtiges Büchlein wird euch manche Ruhe anweisen; weil es eitel Büchlein aus dem Paradies Gottes, durch die wir aufgeleitet werden können zur Hauptquelle, dem Brünnlein Gottes, das Wasser die Fülle hat, welches getrunken in uns zum Brunnen werden soll, der ins ewige Leben quillt. Verstund doch der Kämmerer auch nicht, was er las, noch wars ein Mittel zu dessen Bekehrung. Es seien nur Cornelii da, an Petro wirds nicht fehlen. Schande, daß ein Heide es vielen Christen in diesem Stück vorgethan; wird er nicht auftreten an jenem Tage und sie verdammen? Denn er that Buße nach der Predigt Philippi. Ach Herr, thue uns doch die Augen auf, daß wir sehen die Wunder an deinem heiligen Gesetz, daß wir Luft haben zum Gesetz des Herrn, und davon reden Tag und Nacht! Dein Wort enthalte uns, wenn wirs kriegen; denn dasselbe dein Wort ist unsers Herzens Freude und Trost!

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