Müller, Heinrich - Von Verfolgung der Frommen.

Müller, Heinrich - Von Verfolgung der Frommen.

Beiß, wie du willst, mir schadest du nicht.

Du hassest und verfolgest ein frommes Herz? Ich verdenk dirs nicht. Du bist der Wolf, der Fromme ist das Schaf, kann auch der Wolf ein Schäflein küssen? Der Fromme ist Abel, du bist Cain, wirst von Cains Geist, vom Mordgeist regiert; wie kannst du lieben, der du den Geist der Liebe nicht hast? Umsonst suchst du Feigen am Dornenstrauch, Süßigkeit im Meer, und Liebe bei dem, der von der Hölle angezündet, vor Haß und Bosheit brennt. Aber sag mir, wem schadest du? Dir oder dem Frommen? Kaum bist du dem Gerechten an sein Gut oder an seinen Leib gekommen, so hast du schon deine Seele verwundet. Wer sich mit einem Feuer oder Felsen schlägt, ist ein Narr, und verletzt niemand als sich selbst; der Gerechte ist mit einer feurigen Mauer umgeben, und auf einen Felsen gegründet. Wer ein Licht mit der Hand abthun will, macht zwar erst den Schein des Lichts etwas dunkel, bald aber leuchtet das Licht viel heller als vor, und er verschwärzt nur seine Hände; du schadest mit deiner Verfolgung dem Frommen nicht, sondern nützest ihm; seine Tugenden Demuth, Sanftmuth und Geduld leuchten hell hervor, sein Ruhm wird vermehrt, seine Himmelskrone wird desto herrlicher; dir selber aber schadest du, machst dich unruhig, frißt dir das Herz im Leibe weg, wirst endlich zu Schanden, gleich den Hunden die auf einen Stein zubeißen, der Stein bleibt wohl Stein, sie aber zerbrechen ihre Zähne. Die Frommen sollte man lieb haben, sie sind Gottes Kinder, reden mit Gott vertraulich wie ein Freund mit dem andern, sind Gottes zu allen Dingen mächtig, stehen wider den Riß. Kommt Gott und will ein Land verderben, eilen sie ihm getrost entgegen, fallen ihm in die Arme und begüten ihn. Verfolgt man die Frommen, so nimmt sie Gott hinweg. Das ist dann ein Zeichen des gänzlichen Untergangs. Sodom verfolgte Lot, Lot wich hinaus, Sodom mußte untergehn. Israel verließ Egypten, da es die Drangsale nicht länger ertragen konnte; Pharao mußte mit seiner Heereskraft im rothen Meer ersaufen. Ach was ist ein Frommer für ein Schatz und Segen im Lande! Hat nicht der einige Joseph ganz Egypten erhalten zur theuern Zeit? Stund nicht der einige Moses wider den Riß, da Gott das ganze Volk wegen des Kälbertanzes im Grimm tilgen wollte? Aber ein Schatz sind die Frommen, vergraben im Acker, deß Niemand achtet, weil ihn Niemand kennt; Jedermann tritt ihn mit Füßen. Es ist eine große Blindheit, daß man die Frommen verfolgt, die auch von den unvernünftigen Creaturen geehrt, geschützt und gefürchtet werden. Das rothe Meer theilte sich und ließ die Kinder Israel hindurch, die Pharao mit seiner Heeresmacht ängstete; die Löwen schonten Daniels, den die Menschen im Grimm verschlingen wollten; die Raben deckten Elias den Tisch, den Jesabel hätte Hungers sterben lassen; der Walfisch herbergte Jonam, den die Schiffsleute ins Meer warfen; das Feuer erhielt die Jünglinge beim Leben, die Nebucad Nezar tödten wollte. Ich will mich hüten, daß ich einen Frommen verfolge, denn wer ihn verfolgt, der verfolgt ganze Städte, Länder, ja Gott selbst. Werd ich aber verfolgt, werd ich geduldig sein. Je heftiger Pharao wider das Volk Israel wüthete, je mehr wuchs und vermehrte es sich. Joseph ward verfolgt von seinen Brüdern und kam dadurch zu Ehren. Dem David brachte die Verfolgung ein so hohes Licht, daß er aus prophetischem Geist Psalmen dichtete. Was kann mir der Welt Bosheit schaden, wenn ich gutes Herzens bin? Mögen auch die Dornen den Rosen, mag auch das Feuer dem Golde schaden? Niemand wird verletzt, denn nur von seinem eignen Herzen.

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