Müller, Heinrich - Von Gottes treuem Sinn.

Müller, Heinrich - Von Gottes treuem Sinn.

Es ist wohlgemeint.

Fürchte dich nur nicht. Ein Wölklein ist nur, darunter sich die Sonne verbirgt, wird bald vorübergehen. Schaust du nicht den Honig in der bittern Haideblume, das Freudenherz unter der Feindeslarve, das Ja im Nein? Ich wundre mich über alle Maßen, wenn ich bedenke, wie der Herr mit dem Cananäischen Weiblein spielt. Sie ruft: Herr, du Sohn David, erbarme dich mein! Matth. 15, 22. Er schweigt still. Der das Wort des Vaters ist, redet nicht; der die Weisheit Gottes ist, antwortet nicht; der Arzt heilt nicht, die Gnadenquelle läßt kein Strömlein stießen; der sonst erhört ehe wir rufen, will hier nicht hören, da er kläglich angeschrieen wird. Die Jünger jammerts, sie werden ihre Fürbitter und sprechen: Laß sie doch von dir, denn sie schreit uns nach. Er läßt sie ablaufen und giebt zur Antwort: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schaafen vom Hause Israel. Sie selbst tritt vor ihn, thut sehr leidlich, stimmt ihr Jammerleiden wieder an: Herr, erbarme dich mein! Er begegnet ihr ganz unsanft und spricht: Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brod nehme und werfe es vor die Hunde. Da merkt sie erst, wie er gesinnt war, nimmt ihm das Schwerdt aus der Hand, schlägt ihn damit und spricht: Ja, Herr, ich will gern eine arme Heid- und Hündin heißen, laß mir nur das Hunderecht widerfahren und wirf mir die Brocken zu, welche die Kinder des Reichs, die im Vollen sitzen, verschütten; ein Tröpflein deiner Gnade soll mir genug sein. Mein Herz, wenn sich Gott mit seiner Gnade verbirgt, mußt du von ihm urtheilen nicht nach deinem Fühlen, sondern nach seinem Verheißen. Du siehst hier, ob sich Christus gleich hart stellt, daß er doch nicht nein sage. Seine Worte lauten zwar als Nein; sind aber kein Nein, sondern hängen und schweben. Er spricht nicht, ich will dich nicht hören, sondern schweigt stille, sagt weder Ja noch Nein; auch sagt er nicht, ich gehe dich nicht an, sondern ich gehe nur an die verlornen Schäflein vom Hause Israel, zu sehen, wie sie selbst die Zueignung machen wolle. Er spricht nicht, du bist ein Hund und des Brodes nicht werth; sondern nur, es ist nicht fein, daß man der Kinder Brod den Hunden vorwerfe; läßt allemal die Worte zwischen Ja und Nein schweben. Dich dünkt zwar, daß alles stärker auf Nein laute, als auf Ja, und ist doch eitel Ja drin, aber gar tief verborgen; indem er schweigt, sagt er Ja zu ihrer Bitte. Indem er der verlornen Schaafe vom Hause Israel gedenkt, will er, daß sie die Zueignung auf sich machen soll und sagen: Nun Herr, so ist mir schon geholfen, ich bin auch ein verlornes Schäflein, du wirst mich suchen, ich bin auch vom Israel Gottes, eine Gotteskämpferin, die ich mit dir streite, ich habe dich schon gefaßt und laß dich nicht, du segnest mich dann; wenn er von Hunden sagt, will er, daß sie von Brocken sagen soll: denn Hündlein gebühren ja die Brocken. Ich muß ja einmal meinen Jesum kennen lernen und mich in seine Weise schicken. Er zeigt sich oftmals gegen die Seinigen wie ein Feind, wenn er im Sinn hat, freundlich mit ihnen zu verfahren. Er runzelt seine Stirn, stellt sich zornig, redet ihnen scharf zu, wenn er sie ihrer Bitte gewähren will. Wenn er den Jüngern ein stilles Meer machen will, stößt er sie zuvor ein mit den Worten: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Matth. 8, 26. Er versteckt sich selbst, wenn er will gefunden sein und schlägt nieder, wenn er denkt aufzurichten; will er uns in Trübsal Leichterung geben, so scheint er uns schwerer aufzuladen; die er begnaden will, die greift er also an, daß er allen Jammer über sie führt, inwendig und auswendig, so daß sie meinen, sie sollen untergehen vor großem Sturm und Anfechtung. Ich will ihm vertrauen, wenn er tödtet, und lieben, wenn er züchtigt. Er meints nicht böse. Sein Zorn nimmt allezeit ein Ende in Liebe.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/mueller_h/von_gottes_treuem_sinn.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain