Müller, Heinrich - Von Gottes Gnade gegen die gefallenen Sünder.

Müller, Heinrich - Von Gottes Gnade gegen die gefallenen Sünder.

Feind oder Freund, wer bist du?

Beides hast du an der Gnade Gottes, wenn du gefallen bist. Wie du siehst, wenn der Blitz einen Baum oder Menschen schlägt, daß er zweierlei Werk thut: erstlich zerreißt er den Baum und würgt den Menschen geschwind dahin. Darnach kehrt er das Angesicht des todten Menschen oder des Baumes Bruch oder Schnitt zu sich gen Himmel. Also thut die Gnade Gottes beim Sünder. Erstlich schlägt sie ihn mit Mosis Fluch, als mit einem Blitz darnieder, kündigt ihm an die Verdammniß und übergiebt ihn dem Tode; daher kommt das Schrecken, Seufzen, Weinen und Klagen in der Buße, daß das Herz vor Angst und Unmuth gleichsam wird zerrissen, wie die Juden in großem Leid ihre Kleider zerrissen. Denn die Buße, die sich mit friedlichen Gedanken übt, ist Heuchelei: es muß ein großer Ernst und Wehthuung da sein, Joel. 2, 12. 13., soll das Fleisch gekreuzigt werden. Darnach kehrt sie des erschrockenen Sünders Angesicht zu sich gen Himmel, lockt ihn mit vielen tröstlichen Verheißungen an sich, daß er kommt, an die Brust schlägt und mit dem Zöllner seufzet: Gott sei mir Sünder gnädig. Luc. 18, 13. Zuvor hieß es:

Wo soll ich fliehen hin,
Weil ich beschweret bin
Mit vielen schweren Sünden?
Wo soll ich Rettung finden?
Wenn alle Welt herkäme,
Mein Angst sie nicht wegnähme.

Jetzt heißt es:

O Jesu voller Gnad',
Auf dein Gebot und Rath
Kommt mein betrügt Gemüthe
Zu deiner großen Güte,
Laß du auf mein Gewissen
Ein Gnadentröpflein fließen!

Also hat Gott zwei Stühle. Der eine heißt Richterstuhl, bedeckt mit der Hölle, der andere Gnadenstuhl, bezogen mit einem schönen Himmel. Vor dem Richterstuhle wird gehalten das Untergericht, vor dem Gnadenstuhle das Obergericht. Ich appellire vom Untergericht ans Obergericht, vom Richterstuhl an den Gnadenstuhl. Tödtet der Buchstabe, so macht der Geist lebendig, schreckt die Hölle, so tröstet der Himmel. Welch einen freundlichen Gott haben wir, der mitten im Zorn der Barmherzigkeit gedenket!

Quelle: Müller, Heinrich - Geistliche Erquickstunden

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