Müller, Heinrich - Von der Wohnung eines Christen.

Müller, Heinrich - Von der Wohnung eines Christen.

Nirgends und doch irgends.

Ich hab hier nirgend eine bleibende Stätte und trage doch mein Haus allenthalben bei mir. Thue du es auch. Darin bin ich der Schnecke nicht ungleich, die ihr Häuslein allenthalben bei sich führt. Mein Haus ist in mir. Ich wohne gern bei mir selbst. Ach das ist schwer. Du wohnst gern außer dir, läßt deine Gedanken in der Welt herumstreichen, hast nimmer Ruhe; ich bleibe zu Haus, halte meine Gedanken bei einander, bin wohl zufrieden. Was hilfts, daß du dich versperrst in ein Kloster und bist doch nimmer im Kloster, sondern bald an diesem, bald an jenem Ende der Welt? Mein Haus ist über mir. Ich wohne gern im Himmel, da hab ich schon das Bürgerrecht, Phil. 3, 20. gewonnen. Wo mein Schatz ist, da muß auch mein Herz sein. Den Himmel lieb ich, den Himmel such ich, an den Himmel denk ich, nach dem Himmel seufze ich. Willst du mich suchen? Suche mich nirgends als im Himmel. Mein Haus ist um mich. Der Leib, drin meine Seele wohnt. Wie viel vergnüglicher ist die Seel, als der Leib? Diesem baust du große Schlösser, jene nimmt mit einem Häuslein verlieb. Das macht, sie will nicht ewig drinnen wohnen. Der Leib ist nicht ihr Haus, sondern nur ihre Herberge, ihr Kerker; sie hat nicht Lust drin zu wohnen, sondern wünscht immer hinaus. Ein Vöglein lebt gern in freier Luft, und wir, die wir des Geistes Erstlinge haben, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft und warten auf unsers Leibes Erlösung. Röm. 7, 24. Noch eins: Mein Haus ist unter mir, die Erde darauf ich trete. Wie sie meine Mutter ist, wird sie endlich mein Grab werden. Ich erinnere mich gar wohl, was Gott zu Adam im Paradies gesagt: Du bist Erde und sollst zu Erde werden. Dies Haus trag ich allenthalben bei mir, denke immer ans Grab. Graut dir davor? Mir nicht. Ja, ich weiß wohl, daß die Schlangen und Würmer bei mir drin wohnen werden. Aber Gott ist auch drin. Mein Erlöser steht auf meinem Staube. Der Teufel habe das Herz und nehme ein Stäublein weg, wie wird ihm Jesus auf die Finger klopfen! Ist meine Schlangenhütte dem großen Gott nicht zuwider, warum sollte sie mir zuwider sein? Ein Grab mit Schlangen ist ein Heiligthum, wenn Gott mit drin ist. Nimmer ohne Gott, das ist der rechte Himmel. Fragst du nun, wo ich mein Haus habe? Auf Erden hab ich keins, das sag ich dir. So arm bin ich. Und doch so reich, daß ich vier Häuser allenthalben mit mir herumtrage.

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autoren/m/mueller_h/von_der_wohnung_eines_christen.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
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